Botschafter des Heils in Christo 1870
Das zweifache Erscheinen
Der gesegnete Zweck der ersten Erscheinung des Herrn in dieser Welt ist uns hier deutlich vor Augen gestellt,– indem wir lesen: „Nun aber ist Er einmal in der Vollendung der Zeitalter offenbart zum Wegtun der Sünde durch das Schlachtopfer seiner selbst.“ Er, der schon längst vorbildlich durch die jüdischen Opfer dargestellt worden war, erschien zur festgesetzten Zeit selbst, um das zu erfüllen, was die vorbildlichen Opfer nicht vermocht hatten, nämlich ein völliges Ende zu machen mit der Sünde. Und wirklich hat diese Tatsache ihren Abschluss gefunden in dem für Sünder am Kreuz vollbrachten Werke Christi. Der Gerechte starb für die Ungerechten. O welche Liebe, welche Gnade und Güte! „Gott aber erweist seine Liebe gegen uns, indem Christus, da wir noch Sünder waren, für uns gestorben ist“ (Röm 5,8). Auf diese frohe Botschaft antwortet der Glaube: „Das ist für mich; denn ich bin ein Sünder. – Aber Gott liebt mich – einen Sünder; denn Christus starb für mich – einen Sünder.“ Das Wort Gottes sagt es; ich glaube es; und darum bin ich errettet, errettet durch den Tod, und glückselig in der erbarmenden und errettenden Liebe Gottes. Sicher, das ist keine Anmaßung. O nein. Mit eingeschlossen in die Verurteilung: „Alle haben gesündigt“, habe ich ein Anrecht an dem Werk der Gnade für Sünder. Anstatt mich daher einer Anmaßung schuldig zu machen, ehre ich Gott, und erhebe ich Christus durch meinen Glauben.
Vielleicht fühlt sich in diesem Augenblick jemand niedergedrückt unter der Schwere seiner Sünden. Das ist ganz natürlich. Wenn die Seele dahin geführt ist, das Verabscheuungswürdige der Sünde im Licht und durch die belebende Macht des Heiligen Geistes zu sehen und zu erkennen, dann fühlt sie in der ersten Zeit die ganze Bitterkeit derselben. Es ist in der Tat eine schreckliche Sache sich durch das Licht des Herrn untersucht zu sehen und zu gleicher Zeit in Betreff dessen, was Gott zur Rettung des Sünders getan, in völliger Unkenntnis zu sein. Wer könnte beschreiben die. Angst einer Seele in einem solchen Zustand, besonders, wenn diese Angst von folternden Selbstanklagen begleitet ist! Ach, wie sehr verraten diese Seufzer und diese Tränen eines aufgeweckten Gewissens die Abscheulichkeit der Sünde!
Sollten diese Zeilen einem solchen in die Hände fallen, der wegen des Heils seiner Seele in Unruhe ist, so dass er ängstlich ausrufen möchte: „Wer will mich reinigen von meinen Sünden?“ so können wir nur erwidern, dass die vor uns liegende Schriftstelle (und viele andere derselben Art) die wahre Antwort auf diese wichtige Frage gibt. Christus hat die Sünde am Kreuz für uns hinweggenommen, und zwar durch das Opfer seiner selbst. Dort hat Er die Sünde für uns aus dem Weg geschafft, als Er sein kostbares Blut vergoss, welches von allen Sünden reinigt; und durch Glauben an dieses Blut finden wir Vergebung und Frieden. „Diesem geben alle die Propheten Zeugnis, dass jeder, der an Ihn glaubt, Vergebung der Sünden empfangen wird durch seinen Namen“ (Apg 10,43). In dem Augenblick, wo du glaubst an Christus, als deinen Erlöser, Haft du Vergebung der Sünden. „In welchem wir haben die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Vergehungen, nach dem Reichtum seiner Gnade“ (Eph 1,7). dieses ist wahr für alle, welche glauben.
Nachdem das Licht Gottes in deine bisher verfinsterte Seele eingedrungen ist, erblickst du die Sünde, um derentwillen der Herr Jesus am Kreuz starb, und die Er auf Golgatha auf sich genommen und hinweggetan hat. In der Tat, du seufzest unter der Bürde einer Sache, die keinen Platz findet in den Augen Gottes, da Christus sie durch sein vollkommenes Opfer ein für alle Mal hinweggenommen hat. „Denn durch ein Opfer hat Er auf immerdar vollkommen gemacht, die geheiligt werden.“ Auf Grund dieses einen Opfers sagt Gott von den Glaubenden: „Ihrer Sünden und ihrer Gesetzlosigkeiten werde ich nicht mehr gedenken“ (Heb 10,14.17). Die Sünde ist vergeben und hinweggetan für alle, welche an Christus glauben. Allerdings handelt der Vater mit seinen Kindern und züchtigt und straft sie wegen, ihrer Sünden; aber nimmer können sie als Sünder gerichtet werden, weil Christus für sie gerichtet ist. Die Sünde konnte nur durch den Tod beseitigt werden; und der Herr Jesus starb, in der Größe seiner Liebe, den Tod des Sünders, und machte dadurch ein völliges Ende mit der Sünde. Dieses macht es ganz klar, dass die Sünde, zunichtegemacht durch den Tod Jesu, dem Glaubenden nicht zugerechnet werden kann. Die Ursache ihrer Beseitigung und Vernichtung ist allein das Werk Christi – das Opfer seiner selbst. „Nachdem Er durch sich selbst die Reinigung unserer Sünden gemacht, hat Er sich gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe“ (Heb 1,3). Christus, auferstanden von den Toten und aufgefahren gen Himmel, ist das ewige Zeugnis, dass die Sünde und die Sünden, Wurzel und Zweig, hinweggetan sind nach den Anforderungen der Herrlichkeit Gottes und nach den Bedürfnissen des Sünders. Dieses ist die Antwort Gottes auf jegliche Frage dieser Art, und sollte jedem Gewissen, das durch die Gnade erleuchtet und aufgeweckt ist, völlig genügen. Das Werk Christi ist vollbracht, die Sünde hinweggetan. Glaube es, und übergib dich Jesus mit einem Herzen voll Dank und Anbetung!
Jetzt ist der Glaube an das für uns vollbrachte Werk Christi der einzige Weg, um Ruhe zu erlangen für ein unter dem Gefühl der Sünde niedergebeugtes Gewissen. Die Folge davon ist – gepriesen sei Gott! – ein Werk der Gnade in uns. Allein der einzige „wahre Grund des Friedens“ ist das am Kreuz für uns vollbrachte Werk Christi. Auch ist dieses Werk der einzige Grund des Werkes der Gnade in uns; denn wie könnte der Geist in uns wirken, wenn nicht Christus für uns gestorben wäre? In der Tat, der einzige Grund des Werkes Christi in uns ist das Werk Christi für uns. Nur durch den Glauben findet das Gewissen Ruhe und Frieden – durch den Glauben an das, was Christus für uns ist, und was Er für uns getan hat. Nichts wird in Betreff der Sünde dem Gewissen genügen in der Gegenwart Gottes, als das Werk Christi. Wenn die Seele nebenbei in etwas anderem ihre Ruhe und ihren Frieden sucht, so wird der Zustand immer ein schwankender sein. Ihre Unruhe wird tiefer denn je zurückkehren; denn das Opfer Christi ist der einzige Grund des Friedens.
Allein, obgleich Christus erschienen ist als der Sündentilger – als der Vollbringer des großen Werkes der Gnade und der Liebe für den Menschen – so kann doch von keiner Vergebung und Rettung die Rede sein, solange man nicht glaubt an den Herrn selbst, und an sein vollbrachtes Werk. Das Blut Christi ist das einzige Heilmittel für die Sünde. Solange dieses Heilmittel außer Acht gelassen ist, hängen die beiden finsteren Wolken des Todes und des Gerichts drohend über dem Haupt des Sünders. „Es ist dem Menschen gesetzt. Einmal zu sterben, danach aber das Gericht.“ Furchtbar wird das Los derer sein, an welchen Tod und Gericht schonungslos ihre Wut auslassen und über welche sie ihr endloses Wehe herab schleudern. Wer das in Vers 26 erwähnte Schlachtopfer verwirft, der fallt zurück in die ursprüngliche Bestimmung des Verses 27. „Der Lohn der Sünde ist der Tod;“ aber nach dem Tod folgt das Gericht. Sollte der Tod bei dem Sünder einkehren, bevor der Sünder bei dem Erlöser, eingekehrt ist, dann erwartet ihn ein noch furchtbarerer Tod, genannt „der zweite Tod“, oder die ewige Strafe, fern von der Gegenwart des lebendigen Gottes, in dem Schlund einer hoffnungslosen Verzweiflung. Aber wie verschieden ist das Los des Gläubigen! Er ist vereinigt mit Christus, der für ihn den Weg des Todes und des Gerichtes gegangen ist. Er steht mit Ihm auf dem Felsen der Auferstehung in der Kraft des Auferstehungslebens. Tod und Gericht sind hinter ihm. In Christus ist er „aus dem Tod in das Leben hinübergegangen.“ Der Glaube erwartet nichts als Christus, und zwar kommend in Herrlichkeit. Er wird „zum zweiten Mal ohne Sünde erscheinen denen, die Ihn erwarten, zur Seligkeit.“
Merke dir, lieber Leser, den Ausdruck in diesem Vers: „Denen, die Ihn erwarten.“ Zeigt uns diese Stelle nicht in der deutlichsten Weise, dass die wahre und eigentliche Stellung für den Christen ist, den Herrn selbst zu erwarten? Sicher, er hat weder den Tod, noch sonst ein auf Erden angekündigtes Ereignis zu erwarten. Allerdings kann der Tod kommen, ehe der Herr erscheint; aber die Gläubigen haben den Tod nicht als den Gegenstand ihrer Erwartung. Christus selbst ist unsere „glückselige Hoffnung“. Wir sollten nimmer erlauben, dass sich etwas dränge zwischen unser Herz und Ihn. Und welch gesegnete Sicherheit gibt uns dieses Wort: „Er wird erscheinen denen, die Ihn erwarten!“ Sie werden in ihren Erwartungen nicht getäuscht werden. Er wird sicher für sie kommen, sei es, „dass sie wachen oder schlafen“, und wird mit ihnen offenbar werden. „Ich komme wieder und werde euch zu mir nehmen, auf dass, wo ich bin, auch ihr seid“ (Joh 14). Und wiederum: „Wenn Christus, unser Leben, offenbart sein wird, dann werdet auch ihr mit Ihm offenbart werden in Herrlichkeit“ (Kol 3,4). sein erstes Erscheinen war ein Werk völliger Gnade; Er kam als der gehorsame Knecht, um den Willen des Vaters zu tun, und um das große Werk der Erlösung zu vollbringen. Sein zweites Erscheinen wird in göttlicher Majestät und glanzvoller Herrlichkeit stattfinden, und zwar in Begleitung aller seiner Heiligen. Weil Er bei seinem ersten Erscheinen mit der Sünde ein Ende gemacht, hat Er bei seinem zweiten Erscheinen mit derselben nichts mehr zu tun.
Der Heilige Geist zeigt hier den Kontrast zwischen den zukünftigen Erwartungen des Kindes dieser Welt und denen des Kindes Gottes. Ersteres, ach! hat nichts zu erwarten, als den Tod und das Gericht, Letzteres die völlige Erlösung Gottes. Zu welcher von diesen beiden Klassen gehörst du, mein Leser? Zur Welt oder zu Christus? Welch ernste, ernste Frage! Erwäge sie im Licht Gottes mit der ungeteiltesten Aufmerksamkeit. Wenn du noch irgendeine Wolke von Zweifel in deiner Seele entdeckst, dann ruhe nicht, bevor sie völlig beseitigt ist. Glaubst du an Jesus, an sein vergossenes Blut, so gehörst du sicher Ihm an. Ruhst du wirklich auf seinem vollbrachten, von Gott bestätigten Werke? Latz dich nicht irre führen durch einen bloßen Schein. Dem äußeren Scheine nach magst du zwischen einem Gläubigen und einem Ungläubigen keinen großen Unterschied wahrnehmen. Sie wohnen vielleicht in demselben Haus, speisen an demselben Tische, unterhalten sich oft über denselben Gegenstand, aber nichtsdestoweniger besteht in Wirklichkeit ein großer Unterschied zwischen ihnen; denn beide stehen sich so fern, wie Himmel und Erde. Und würde der Herr kommen, solange dieser Unterschied besteht, dann würde sich die Kluft zwischen beiden bis ins Unendliche erweitern, und die Trennung würde eine unveränderliche, ewige sein. Der eine würde aufgenommen werden, um bei und mit dem Herrn einer ewigen Herrlichkeit teilhaftig zu sein, und der andere würde empfangen den zermalmenden Schlag des schrecklichen Gerichts, welches sich, wenn die Kirche hinweggenommen ist, über die ganze Erde ausbreiten wird. Wie überwältigend ist dieser Gedanke! Und wer kann den Augenblick der zweiten Ankunft des Herrn bestimmen? Sein eigenes Wort ist: „Siehe, ich komme bald!“ O, möchte doch der gedankenlos dahin schreitende Sünder dahin geleitet werden, an diese sich vielleicht plötzlich erfüllende Wahrheit zu denken, ehe es zu spät ist! O möchte er doch jetzt, „am Tag des Heils“, in die geöffneten Arme Jesu eilen! Möchte er doch heute durch den Glauben zu Jesu kommen! Der Herr Jesus ruft noch immer in seiner erbarmenden Liebe jedem, der noch draußen ist, die Worte zu: „Komm zu mir ... ich will dir Ruhe geben!“ Und: „Wer zu mir kommt, den will ich nicht hinauswerfen.“ – Drum eile zu Ihm, wenn du noch nicht diese Ruhe für deine Seele gefunden hast, geliebter Leser! Suche in Ihm deine Rettung! Zögere und säume nicht, auf dem neuen und lebendigen Wege einzutreten in die Ruhe Gottes! Du bist willkommen – willkommen dem Busen seine Liebe. Er freut sich über dich mit Jubel und stellt dich in seine Gegenwart, und zwar bekleidet und mit Juwelen geschmückt nach der vollkommenen Liebe seines eigenen Herzens, nach dem unendlichen Werte Christi, nach der ewigen Wirkung seines Opfers und nach der grenzenlosen Herrlichkeit seiner Gnade.