Botschafter des Heils in Christo 1868
Die herrliche Hoffnung der Versammlung oder der Kirche Gottes - Teil 1/2
Eine Wahrheit von höchster Bedeutung bildet den Gegenstand dieser Zeilen, eine Wahrheit, die Jahrhunderte lang durch den Geist dieses Zeitlaufs verdunkelt und in Vergessenheit gebracht, oder durch die irrigsten Anschauungen entstellt und ihres gesegneten Einflusses beraubt worden ist. Was ist die Hoffnung der Versammlung oder der Kirche Gottes? Darf sie Christus, ihren Bräutigam, noch vor den unaufhaltsam sich heranwälzenden Tagen des Grimmes Gottes erwarten, oder werden vor seiner herrlichen Ankunft die gewaltigen Donner des Gerichts den Erdkreis erschüttern? Das ist die große Frage, die, durch den Geist Gottes aus langem Schlummer geweckt, in den jüngsten Tagen die Gemüter vieler Gläubigen zu beschäftigen beginnt, und die, richtig verstanden, durchaus geeignet ist, den von Gott berufenen, viel geliebten Pilger der Wüste zu einem würdigen, heiligen Wandel anzuspornen und sein Herz mit Trost, Freude, Lob und Anbetung zu erfüllen. Sollte nun Gott auf eine Frage von solch tiefgreifender Wirkung auf den Wandel der Seinen eine deutliche und bestimmte Antwort versagt, sollte Er die Gedanken seines Herzens in Bezug auf Christus und seine Auserwählten unenthüllt gelassen haben? Eine solche Voraussetzung wäre ein entschiedenes Leugnen seiner vollkommenen Liebe.
Wie einst Abraham, fern von den erschütternden Szenen des über Sodom und Gomorra hereinbrechenden Gerichts, die hohe Würde genoss, in süßer Ruhe mit dem Herrn verkehren und von der Höhe aus das Schreckensende dieser gottlosen Städte überschauen zu dürfen, so genießt die Versammlung Gottes dieses gesegnete Vorrecht in dem ausgedehntesten Gerade. Die an jenen „Freund Gottes“ (Jak 2,23) gerichteten Worte Jehovas: „Wie sollte ich Abraham verbergen, was ich tue!“ – finden, so zu sagen, eine höhere Weihe in den Worten Jesu: „Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn ein Knecht weiß nicht, was sein Herr tut, sondern ich habe euch Freunde genannt; denn alles, was ich von meinem Vater gehört, habe ich euch kundgemacht“ (Joh 15,15). Welch überschwängliche Gnade? Seine viel geliebten Jünger, die Vertrauten der verborgensten Gedanken seines Herzens, wandeln in seliger Gemeinschaft mit Ihm auf der Höhe seiner Heiligkeit und lauschen mit Anbetung auf die Stimme dessen, der sie von dem kommenden Zorn erretten wird. Sicher, der Herr hätte keinen kräftigeren Beweis seiner Liebe, aber auch kein wirksameres Mittel zur Förderung unserer Heiligung bieten können.
Und wo sind die Grenzen dieser vertrauten Offenbarungen? Nicht nur zeigt uns der Herr in dem „ein für alle Mal geschehenen Opfers des Leibes Christi“ einen vollkommen sicheren Bergungsort vor den Schrecken des kommenden Zorns, nicht nur offenbart Er uns seine Wege von Anbeginn der Welt, sowie seine bewundernswürdige Langmut gegen sein auserwähltes Volk Israel, sondern Er hat uns auch in seiner unendlichen Liebe die tiefsten Geheimnisse seines Herzens aufgeschlossen und uns in Betreff Christi, als des Hauptes über alle Dinge, und in Betreff der Versammlung, als der Miterbin seiner Herrlichkeit, zu Vertrauten seiner verborgensten Gedanken und seiner vor Grundlegung der Welt gefassten Ratschlüsse gemacht (Eph 1,10–11). Und das ist der „unausforschliche Reichtum des Christus“ (Eph 3,8), ein Reichtum, dessen völlige Verwirklichung „für die Verwaltung der Fülle der Zeiten“ Vorbehalten ist, wo Gott allen denen, die Ihn lieben, eine Herrlichkeit bereitet hat, die „kein Auge gesehen, und kein Ohr gehört, und in keines Menschen Herz gekommen ist, die Er aber uns durch seinen Geist offenbart hat“ (1. Kor 2,10). Und mit welcher Herablassung bemüht Er sich, unsere Herzen zu erleuchten, um die „Hoffnung seiner Berufung“, den „Reichtum seines Erbes in den Heiligen“, die „überschwängliche Größe seiner Macht an uns, den Glaubenden“, und vor allem seine herrliche Person selbst, immer völliger zu erkennen! O möchte sein Bemühen bei uns nicht fruchtlos sein; denn nur das Licht seiner Erkenntnis vermag unsere Seelen zur Liebe, zum Lob und zur Anbetung zu erheben und das sehnliche Verlangen, Ihn von Angesicht zu schauen und für immer bei Ihm zu sein, in uns zu wecken, zu nähren und zu steigern!
Wie betrübend aber für das liebende Herz Jesu, unseres himmlischen Bräutigams, wenn wir seine vertrauende Liebe nur durch ein kaltes, herzloses Geringschätzen seiner herrlichen Offenbarungen erwidern! in der Tat, eine Seele, die sich der Gewissheit ihrer Rettung und ihrer Kindschaft rühmt und dabei in träger Selbstgenügsamkeit gegen alles andere, was das Herz des geliebten Herrn bewegt, das Ohr verschließt, verrät ein nicht geringes Maß von Undankbarkeit, Selbstsucht und Kälte gegenüber einer Liebe, die nimmer zu ergründen ist. In einer solchen Seele findet sich sicher kein Raum für den Frieden Gottes, der jede Vernunft übersteigt; denn sie hat sich mutwillig jenen Strahlen entzogen, die, hervorströmend aus der „glückseligen Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilands Jesu Christi“, den dunklen Pfad der Wüste erhellen, den sinkenden Mut des müden Pilgers beleben und sein Herz mit Trost und Freude erfüllen. Sollten wir nicht vielmehr mit dem Psalmisten lobsingen: „Deine Zeugnisse sind meine Wonne?“ Sollten wir nicht, im Blick auf den „unausforschlichen Reichtum des Christus“, anbetend in den Staub niedersinken, erfüllt von dem süßen Bewusstsein, dass Gott uns, solch elende Geschöpfe, würdigt. Seine innigste Gemeinschaft genießen und auf die tiefsten Gedanken seines Herzens lauschen zu dürfen? Mögen auch Taufende, um ihre Trägheit und Gleichgültigkeit zu verdecken oder zu beschönigen, das Erforschen der Ratschlüsse Gottes als unnütze Spekulationen des Fleisches bezeichnen, so wird doch nimmer die Wahrheit geleugnet werden können, dass ein wahres Verständnis der mannigfaltigen Weisheit und Güte Gottes in jedem Herzen die Gefühle der Demut, der Liebe und des Lobes mach rufen wird. Warum hat der Herr solche hohe, herrliche Offenbarungen gegeben? Ist ein demütiges, durch Gebet geleitetes Erforschen derselben nicht die Pflicht und das Vorrecht der Seinen? Lassen wir uns nicht beirren. Gerade wegen der „Vortrefflichkeit der Erkenntnis Christi Jesu“, verzichtete Paulus auf jeglichen Vorteil des Fleisches; (Phil 3,8) und es war sein unablässiges Bemühen, diese Gesinnung durch die Kraft des Heiligen Geistes in allen Heiligen zu erwecken. O möchte doch unser Verhältnis zu unserem geliebten Herrn in seiner ganzen Innigkeit und Unwandelbarkeit erkannt werden; möchte doch seine herrliche Person unseren Herzen über alles teuer sein; gewiss dann werden auch seine Offenbarungen für uns ein wirkliches Interesse haben und das Erforschen seiner Wege und Nachschlage, im Licht seiner Gegenwart, ein tiefgefühltes Bedürfnis unseres Herzens sein. Und jeder neue Blick in den Reichtum seiner Gnade wird dann das Maß unserer Freude erhöhen und das Verlangen steigern. Ihn zu schauen, der uns vom ewigen Verderben errettet und zu Erben seiner Herrlichkeit gemacht hat; und aus dem tiefsten Grund unserer dankerfüllten Herzen werden wir einstimmen in die Worte des bekannten Liedes: Dort wird Ihn mein Auge sehen.
Dessen Lieb mich hier erquickt.
Dessen Treue mich geleitet,
Dessen Gnad' mich reich beglückt. Was aber könnte mächtiger, inniger und überschwänglicher sein, als seine Zuneigung für uns und sein Verlangen, uns dort zu haben, wo Er ist. Nicht seine himmlischen Boten will Er zur Heimführung seiner viel geliebten Braut herabsenden; nein. Er selbst will wiederkommen, um all die Seinen um sich zu versammeln und in den Vollgenuss seiner Herrlichkeit einzuführen. Und diese seine Wiederkunft war stets der trostreiche Gedanke, der die Herzen der Apostel, sowie der ersten Christen mit Freude und Sehnsucht erfüllte. Drei Jahre hindurch hatten die Jünger hienieden seinen persönlichen Umgang genossen und seine Sanftmut, Güte und Geduld kennen gelernt; und obwohl noch wenig befähigt, die Herrlichkeit seiner Person und die Vollkommenheit seines Werkes zu erfassen, so fühlten sie sich doch hoch beglückt und mächtig angezogen durch seine Liebe, die, stärker als der Tod, durch nichts gestört oder geschwächt werden konnte. Bis zum letzten Augenblick seiner Erniedrigung bildeten sie die Gegenstände seiner zärtlichsten Fürsorge; und selbst an jenem Abend, auf den ein so schrecklicher Morgen folgte, wie diese Erde nimmer einen zweiten sah, verscheuchten die mächtigen Gefühle seiner unbeschreiblichen Liebe das erschütternde Weh jener Todesschrecken, die sich wie ein finsteres Gewölk auf seine reine Seele gewälzt hatten. Wie sehnte Er sich, um bei Gelegenheit des letzten Passahmahles in der feierlichsten Weise seinen Jüngern zurufen zu können: „Das ist mein Leib, gebrochen für euch“, und: „Das ist mein Blut, vergossen für euch!“ Mit welch dienender, hingebender Liebe beugte sich der umgürtete Herr über das Waschbecken, um ihnen die Füße zu waschen! Die trauernden Jünger sollten erfahren, dass sein Blut von allen Sünden reinigt und dass sie, weil „ganz rein“, nur des Waschens ihrer Füße bedurften, solange sie sich in einer Welt voller Sünde und Unflat befanden. Sowohl die Blutvergießung, als auch die Fußwaschung – alles war das Werk seiner unendlichen Liebe. Kein Wunder daher, dass die Hinwegnahme ihres besten und treuesten Freundes die Herzen der Jünger mit Bestürzung und Trauer erfüllte; kein Wunder, dass ihre tiefgebeugten Seelen die Kunde seiner baldigen Wiederkehr mit sehnendem Entzücken aufnahmen. Und diese köstliche Hoffnung war es, die zurzeit der Apostel die Herzen aller Heiligen, die den Herrn liebten, belebte und ihnen, inmitten der Versuchungen, Kämpfe und Widerwärtigkeiten ihres Pilgerlaufs, Kraft und Ausdauer verlieh.
Doch ach! nur zu bald ist es dem Feind gelungen, den Glanz dieser herrlichen Hoffnung vor den Blicken der Gläubigen zu trüben und schließlich gänzlich zu verhüllen. Die Wiederkunft des Herrn ward immer weniger der Anziehungspunkt und das Trostbrünnlein harrender Seelen; und allgemach verstummte, erstickt unter dem verpestenden Hauch einer weltlichen Gesinnung, jede Frage dieser Art. Die Kirche vergaß ihrer Mitgenossenschaft an der glorreichen Herrlichkeit Christi; sie vergaß ihres Herrn, ihres Hauptes, ihres Bräutigams – wie hätte sie auch, geschmückt mit den prunkenden Würden und blendenden Reichtümern dieses Zeitlaufs, Ihn erwarten, nach Ihm Verlangen können? Doch gepriesen sei sein Name! Sein Verlangen, uns im Mitgenuss seiner Herrlichkeit zu sehen, ist trotz aller Untreue der Kirche unverändert geblieben. Und wie Er in den Tagen der Reformation mit göttlicher Macht über die Werkheiligkeit den Todesstab gebrachen und den Grundsatz der Erlösung durch Glauben aufs Neue ans Licht gebracht hat, so war es unseren Tagen vorbehalten, die Herzen der Gläubigen wieder auf die Einheit und herrliche Berufung der Kirche und vor allem auf seine baldige Wiederkunft zu richten. Lauter und lauter ertönt der Ruf: „Der Herr ist nahe!“ – „Der Geist und die Braut sagen: Komm! Und wer es hört, spreche: Komm!“ Und von der Höhe des Himmels schallt aus dem Mund des viel geliebten Herrn die Antwort hernieder: „Ja, ich, komme bald!“ (Off 22,17.20) Hast auch du es vernommen, mein Bruder? Nun dann füge dein „Amen; komm, Herr Jesu!“ mit frohlockendem Herzen hinzu; denn an seine Erscheinung knüpft sich der ununterbrochene Strom einer unbeschreiblichen, nimmer endenden Freude. Lass dich nicht zurückschrecken durch die Kälte und Gleichgültigkeit vieler Herzen gegen Ihn, der einst freiwillig den Himmel und die Herrlichkeit verließ und in Knechtsgestalt den dornenvollen Pfad einer fluchbeladenen Erde verfolgte – gegen Ihn, der beladen mit unseren Sünden und unserem Verderben, am Kreuz unter dem furchtbaren Schlage göttlicher Gerechtigkeit zusammenbrach und jetzt, beschäftigt mit der Zubereitung unserer Wohnstätte im Vaterhaus, uns das Trostwort zuruft: „Ich komme wieder und werde euch zu mir nehmen, auf dass, wo ich bin, auch ihr seid“ (Joh 14,3). Ach, wie verwundend muss es für sein Herz sein, wenn etliche der Seinen, trotz der deutlichsten. Zusicherung seiner baldigen Wiederkehr, sich augenscheinlich große Mühe geben, um aus der Schrift sein noch längeres Verziehen beweisen zu wollen! Durch ihren Eifer, seine Ankunft bis in eine möglichst weite Ferne hinauszuschieben, setzen sie sich dem Verdacht aus, dass die Erforschung des Wortes nicht von wahrer Aufrichtigkeit ihres Herzens begleitet und der Herr nicht wirklich der Gegenstand ihrer Liebe und ihrer Sehnsucht sei. O bedenken wir es doch, dass die Worte des ungetreuen Knechtes: „Mein Herr verzieht zu kommen!“ (Lk 13,45) zu unserer Warnung niedergeschrieben sind. Und würde man nicht ein Weib, die, obwohl ihr abwesender Gatte ihr wiederholt in den zärtlichsten Ausdrücken seine baldige Heimkehr angekündigt hat, durchaus keine Vorkehrungen zu seinem Empfang trifft, der herzlosesten Kälte, ja selbst der Untreue bezichtigen müssen? Und ladet sich die so zärtlich geliebte Braut Christi, die durch sein Blut erkaufte Versammlung nicht denselben Vorwurf auf? Ohne Zweifel, denn „wir sind seines Leibes Glieder, von seinem Fleisch, und von seinem Bein“ (Eph 5,30). seine unergründliche Liebe hat uns in ein überaus gesegnetes Verhältnis gebracht, welches nimmer aufgelöst werden kann. Die Erkenntnis dieser Liebe ist das Maß unserer Zuneigung und unserer Sehnsucht nach seiner Wiederkunft, sowie Zugleich das Maß unseres Eifers in der Erforschung seines teuren Wortes sowohl im Allgemeinen, als auch im Besonderen in Betreff des uns vorliegenden köstlichen Gegenstandes.
Woher aber kommt diese Kälte und diese Trägheit, sein Wort über diese köstlichste Wahrheit zu erforschen? Woher diese mattherzige Liebe, dieses schwache Verlangen nach Ihm, dessen Liebe uns mit der völligsten Innigkeit umfasst? Zunächst ist diese Erscheinung wohl eine Folge der mangelhaften Erkenntnis des Werkes Christi. Und wie könnten wir, solange unseres Gewissen, gegründet auf dieses vollkommene Werk, nicht vor Gott in Ruhe gebracht sind, den Herrn, dem wir nicht ohne Furcht zu nahen wagen, mit Freuden erwarten? Nur die wirkliche Erkenntnis dieses Werkes befreit uns von aller Furcht; denn hier sehen wir nicht nur unsere Sünden getilgt, sondern auch all das in uns wohnende Böse völlig gerichtet. Gegründet auf dieses Werk stehen wir in Christus vor Gott; und das Wort sagt uns: „Wie Er ist, so sind auch wir in dieser Welt;“ (1. Joh 4,17) und: „So ist denn nun keine Verdammnis für die, welche in Christus Jesus sind“ (Röm 8,1). sein Blut, als das Fundament unseres ewigen Friedens, gibt uns die Freimütigkeit in die himmlische Herrlichkeit einzutreten; und erkennen wir den Wert dieses Blutes, so haben wir Ursache genug. Ihn aus dem tiefsten Grund unserer Herzen zu preisen und mit Frohlocken seiner Wiederkunft entgegen zu sehen. – Dann aber hat auch die Kälte vieler Herzen ihren Grund in der mangelhaften Erkenntnis seiner herrlichen Person. In diesem Fall fehlt der Seele ein lebendiger Umgang mit Ihm; und unbefriedigt sucht, das arme Herz einen Ersatz in der Welt, in den nichtigen Dingen dieser mit Sünden befleckten Erde, so dass seine Wünsche und Hoffnungen kaum die Grenze des Sichtbaren überschreiten. Trostloser Zustand! Wenn das dürstende Herz sich Brunnen in der Wüste gräbt, wenn es an einem Platz, wo der geliebte Herr nur Spott, Verachtung, ja selbst den Tod fand, nach Ehre und Ansehen, nach Reichtum und Gemächlichkeit hascht, wie kann dann ein Verlangen nach der Wiederkunft des Herrn vorhanden sein? Was anders ist für solche Seelen dieses Ereignis, als ein schmerzliches Scheiden aus einem Kreis, mit dem das Herz durch so viele Bande verflochten ist! Kann der Gedanke an die Wiederkunft dessen, den sie hienieden so wenig geliebt und für den sie so wenig gelebt haben, andere Gefühle, als die der Furcht und Beschämung hervorrufen? Und ist es ein Wunder, wenn in einem solchen Zustand sogar die Voraussetzung seines noch längeren Verziehens dem Herzen zur Beruhigung dient? O möchte doch der Herr die Augen aller Gläubigen erleuchten, um die Vollkommenheit seines Werkes und die Herrlichkeit seiner Person zu erkennen! Ihr Gewissen würde dann in Ruhe und ihr Herz voll Freude sein; und sicher würden sie dann nichts anziehender finden und nichts anders begehren als seine baldige Ankunft, die uns in seinem Wort in so nahe Aussicht gestellt ist.
Ja, der Herr ist nahe! Die Erforschung dieser Wahrheit in dem Licht des allein untrüglichen Wortes Gottes ist der Zweck dieser Zeilen. Möge der Schreiber, wie der Leser, mögen alle Gläubigen von dem erhabenen Gegenstand dieses nahe bevorstehenden Ereignisses erfüllt sein; denn nur wenn diese Hoffnung im Herzen lebt, so wird uns nimmer der Trost und die Kraft ermangeln, um in heiliger Absonderung als Gäste und Fremdlinge unsere Pfade in einer dem Gericht heranreifenden Welt zu verfolgen, festhaltend an dem Bekenntnis, dass wir ein „besseres Vaterland, ein himmlisches“ haben (Heb 11,13–15), und uns beeifern, den Namen dessen hienieden zu verherrlichen, der unsere Rettung vom kommenden Zorn bewirkt und uns zu Erben seiner Herrlichkeit gemacht hat. – Der Herr selbst aber mache durch seinen Geist unsere Herzen einfältig und seinem heiligen Worte unterwürfig; Er erfülle uns mit der Erkenntnis seiner Liebe, mit dem Geheimnis seines Willens und mit einem brennenden Verlangen nach seiner baldigen Wiederkunft, damit wir, inmitten der Verwirrung, gleich den Menschen, die auf ihren Herrn warten (Lk 12,36), immer lauter und dringender die Seufzer unserer Herzen vereinigen mit dem Ruf des Geistes und der Braut: „Komm, ja komm, Herr Jesu!“