Botschafter des Heils in Christo 1868
Das Evangelium und seine Erfolge - Teil 2/2
4. Das Evangelium Gottes, als gepredigt durch die Apostel
Es ist höchst wichtig zu beobachten, dass der Apostel das Evangelium genauso übernimmt, wie es durch die Propheten verkündigt ist. Wenn wir in Jesaja 56,1 lesen: „Mein Heil ist nahe, dass es komme, und meine Gerechtigkeit, dass sie offenbar werde“, so ist es klar, dass sich diese und ähnliche Stellen nicht auf den Bund Sinais beziehen. Diese Stellen verraten auf den ersten Blick den Geist der Gnade, welche die Gerechtigkeit Gottes in der Rettung des Sünders durch Glauben ankündigt. Sowohl die Gerechtigkeit, als auch das Heil kommen direkt aus Gott. Der Apostel versichert uns, dass er sich des Evangeliums von Christus nicht schäme: „denn“ – sagt er – „es ist die Kraft Gottes zum Heil jeglichem Glaubenden, sowohl zuerst dem Juden als auch dem Griechen. Denn Gottes Gerechtigkeit wir darin offenbart aus Glauben zu Glauben, wie denn geschrieben steht: ‚Der Gerechte aber wird aus Glauben leben.‘“ (Röm 1,16–17) Hier finden wir die Gerechtigkeit und das Heil, wovon in den prophetischen Schriften gesprochen ist offenbart; und dieser auf den Tod und die Auferstehung Christi gegründeten Wahrheit begegnen wir überall in den Schriften des Paulus und besonders in dem Brief an die Römer.
Durch den Ausdruck „aus Glauben zu Glauben“ wird uns der Grundsatz des Glaubens im Gegensatz zum Grundsatz des Gesetzes bezeichnet. Dieses charakterisiert die Mission des Apostels; denn er sagt in Römer 1,5: „durch welchen wir empfangen haben Gnade und Apostelamt zum Glaubensgehorsam unter allen Nationen für seinen Namen.“ Nicht der Gehorsam unter dem Gesetz, sondern der Glaubensgehorsam ist hier der Segensweg. Der Name Christi ist jetzt der große Gegenstand des Glaubens und die Lebensregel des Glaubenden. Auch bilden die Macht, der Wert und die Autorität des Namens Jesu den hervorragendsten Teil der Predigt des Petrus in den ersten Kapiteln der Apostelgeschichte. Auch hier sind der Tod, die Auferstehung und die Himmelfahrt Jesu der Schwerpunkt. Jeder Glaubende ist vereinigt mit dem auferstandenen Christus und teilhaftig der Segnungen des Evangeliums Gottes. Aber andererseits wird der Zorn Gottes angekündigt allen, welche dem Namen Jesu den Gehorsam verweigern. Wir werden bei Gott, und nicht nur vor Ihm als Gerechtfertigte betrachtet. „Wer will Anklage erheben wider die Auserwählten Gottes?“ Und: „Wenn Gott für uns ist, wer wider uns?“ Dieses drückt den Stempel auf den. Brief an die Römer. Gott zeigt sich im Vordergrund; und alles wird, als von Ihm kommend, betrachtet.
Der Mensch ist also durch Glauben und ohne jegliche andere Beifügung in den Besitz des Heils gebracht worden. Es ist das Heil Gottes. Welch eine Gnade! Wir sind gerettet nach den Gedanken Gottes. Alles ist von Gott. „Wo ist denn der Ruhm? Er ist ausgeschlossen. Durch welches Gesetz? Der Werke? Nein, sondern durch das Gesetz des Glaubens“ (Röm 3,27). Wie herrlich sind die Resultate des Evangeliums der Gnade Gottes!
Lasst uns bei diesem Gedanken einen Augenblick verweilen. Er verdient in der Tat der vollsten Beachtung. Das von Sünden umstrickte Herz beugt sich zu den Füßen Jesu. Die Wahrheit des Evangeliums hat auf den Sünder gewirkt in der Macht des Heiligen Geistes. Er ist von der Sünde überführt; und demzufolge ist seine Seele mit Furcht erfüllt. Er sucht eine Zuflucht in dem Blut Jesu. Was könnte einfacher sein? Was konnte auch natürlicher sein? Er flieht vor einer unbeschreiblichen Gefahr; und Gott begegnet ihm in seiner unendlichen Güte. Und welches sind die Folgen? Wer könnte die Grüße der empfangenen Segnung beschreiben? Das Herz Gottes in seiner ganzen Tiefe von Güte ist ihr Maß. Wer begreift diese Tiefe? Das was Christus gehört, ist dem Glaubenden durch Gott selbst geschenkt und durch den Heiligen Geist versiegelt. „Gott ist es, welcher rechtfertigt.“ Er handelt aus eigenem Antrieb und in einer seiner selbst würdigen Weise. Das Blut Christi ist auf dem Gnadenstuhl, und Gott kann jetzt ungehindert das Kind des Glaubens segnen nach seinem Wohlgefallen. Jede Seele, welche dieses Blut ehrt, ist gesegnet nach dessen Wert im Angesicht Gottes. Darum ist die Segnung unendlich; und wir können nur daran denken und nur davon reden als von einer Sache, die ungeschmälert Ihm gehört, der sein Blut zur Ehre Gottes und zur Erlösung des Menschen vergoss.
Das, mein teurer Leser, ist das Evangelium Gottes – die Gerechtigkeit Gottes. Christus offenbarte und verherrlichte Gott durch sein großes Werk am Kreuz, wo Er aus freiwilligem Gehorsam sein Leben für unsere Sünde hingab. Daher die Fülle, die Freiwilligkeit und die Freude des Vaterherzens, alle zu segnen, welche den Sohn ehren. Die Ehre seines Sohnes ist der erhabene Zweck in dem Evangelium (Ps 89; Mt 22,1–14). seine Liebe kennt, so zu sagen, keine Grenzen bezüglich derer, welche den Sohn ehren. Jetzt lässt Er uns sagen: „Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist Er treu und gerecht, nicht (nur gnädig und barmherzig), dass Er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit.“ Nicht nur suchen die Liebe und Gnade Gottes die Rettung des Sünders, sondern auch seine Heiligkeit und Gerechtigkeit kraft des Werkes Christi. Herrliche Wahrheit! Aber hier, bemerken wir es wohl, sind wir nicht aufgefordert, um die Vergebung unserer Sünden zu bitten, sondern die Sünden zu bekennen; und Er, weil Er treu und gerecht ist, gewährt uns die Liebe und die Herrlichkeit, welche Christus angehört. Das Opfer Christi ist der einzige Grund der Segnung des Gläubigen. Gott hat seinen Sohn verherrlicht und Ihn zu seiner Rechten erhöht, weil Er gehorsam war bis zum Tod am Kreuz; und um Christi willen werden alle, welche an Ihn glauben, zu dieser Herrlichkeit erhoben werden.
Welch einen Lichtstrahl wirft diese erhabene Wahrheit auf das Werk Christi! Welch eine Herrlichkeit entfaltet sie! – eine Herrlichkeit, die dem auferstandenen Christus und allen mit Ihm Verewigten angehört. Gott ist verherrlicht und Christus erhöht, und seine Freunde sind bei Ihm und gleich Ihm, wo Er ist. Welch vollkommene Segnung! – welch vollkommene Glückseligkeit! Wer wollte nicht lieben und anbeten den Namen Jesu? Das Herz ist mit einem Frieden erfüllt, der alle Vernunft übersteigt. Aus unzähligen Stellen des Neuen und selbst des Alten Testaments strahlt diese kostbare Wahrheit hervor. Als Beispiele wählen wir folgende Stellen: „Aus Ihm aber seid ihr in Christus Jesus, der uns geworden ist Weisheit von Gott, und Gerechtigkeit und Heiligkeit und Erlösung“ (1. Kor 1,30). „Denn Er hat den, der Sünde nicht kannte, für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir würden Gottes Gerechtigkeit in Ihm“ (2. Kor 5,21). „Christus ist des Gesetzes Ende, jedem Glaubenden zur Gerechtigkeit“ (Röm 10,4). „Gottes Gerechtigkeit durch Glauben an Jesus Christus zu allen hin und auf alle, die da glauben; denn es ist kein Unterschied“ (Röm 3,22).
Ja, wahrlich, das ist ein herrliches Evangelium, eine gute Botschaft der Herrlichkeit und der Gerechtigkeit Gottes. Welch ein Vorrecht, von Gott berufen zu sein, dasselbe zu verkündigen! Darm lässig sein, hieße Scherz treiben mit dem Elend des Sünders, und ist eine Geringschätzung der Gnade und der Wahrheit Gottes. Aber ach, wie viele Prediger des Evangeliums folgen der Neigung, an sich selbst zu denken, indem sie durch schönklingende Worte die Zuhörer zu fesseln trachten, aber das Herz und Gewissen des am schlüpfrigen Rande der Hölle stehenden Sünders nicht erreichen. Dieser, unwissend über den Weg zur Rettung, geht fort, wie er gekommen ist, weil er kein Wort über seinen wahren Zustand vernommen hat. Wie groß ist daher die Verantwortlichkeit eines Predigers des Evangeliums! Wer kann die Resultate einer Stunde berechnen, in der das Evangelium verkündigt wurde! Was aber sind schön klingende Worte, wenn das Gewissen nicht erreicht wird! Ein einfaches Zeugnis kann oft die größten Wunder tun. Zur Erläuterung dieser Behauptung wollen wir einen Vorfall mitteilen, der vor nicht sehr langer Zeit ein nicht geringes Aufsehen erregte.
Ein sehr wüst lebender Handwerker wurde plötzlich krank und musste seine Arbeit einstellen. Seine Krankheit steigerte sich zusehends; in unglaublich kurzer Zeit war er fast zu einem Gerippe abgemagert. Hoffnung zur Wiedergenesung war nicht mehr vorhanden. Der Herr aber segnete an seiner Seele die wiederholten Besuche christlicher Freunde. Er fand Frieden in dem Blut Jesu; und eine nie gefühlte Freude füllte sein Herz. Kurz vor seinem Tod hatte er ein heißes Verlangen, noch einmal seine Mitgesellen zu sprechen, mit denen er gemeinschaftlich ein Leben in der Sünde geführt hatte. Augenscheinlich überlebte er diesen Tag nicht; und da er sehr schwach war, so suchten seine Freunde ihn von diesen Gedanken abzubringen. Aber nein, es war, als ob er nicht in Frieden sterben könne, bevor sein Wunsch erfüllt war. Man sandte daher nach seiner früheren Werkstätte, und mehrere der jungen Leute erschienen. Aber welch eine Szene! Der Sterbende hatte sich ein wenig in seinem Bett aufrichten lassen, seine bleichen Wangen, seine eingesunkenen Augen, sein keuchender Atem – alles dieses machte die alten Bekannten stutzig. Sie hefteten ihre Blicke auf die so sehr entstellte Gestalt; und mit einer starken Betonung rief er die Worte: „Heinrich! Ich gehe in den Himmel – aber – wenn du mir im Himmel begegnen willst, dann musst du an Jesus glauben. Jesus starb für uns. Wir müssen glauben an Ihn.“ – Erschöpft schwieg er dann; aber nach kurzer Ruhe wandte er sich an die anderen und beschwor sie mit einem heiligen Ernste, ihre sündigen Wege zu verlassen und sich zu Jesu zu wenden. Dann aber sank er in sein Kissen zurück, warf noch einen Blick voll Angst auf die unglücklichen Gefährten und winkte, dass sie sich entfernen möchten. Wenige Augenblicke nachher starb er in großem Frieden. Welch ein einfaches Zeugnis! Aber welche Verantwortlichkeit ruht jetzt auf den Zuhörern! Möge sich der Herr ihrer erbarmen!
Was ist einfacher, als dem Menschen zu sagen: „Du bist verloren; aber die Liebe Gottes ist so groß, dass Er seinen Sohn gab, um für uns zu sterben, damit wir gerettet würden“? Wer an Ihn glaubt, hat das ewige Leben. Von den Lippen des Herrn Jesus selbst vernahm man einst die Worte: „Glaubst du an den Sohn Gottes?“ Und nichts konnte deutlicher sein, als die Worte des Petrus am Pfingsttag, oder als die Worte des Paulus in der Synagoge zu Antiochien. Wir vergessen, wie unwissend der natürliche Mensch in geistlichen Dingen ist, und wie schwierig es ist, ihm die klarsten Dinge in Betreff der Gefahr, in der seine Seele schwebt, klar zu machen. Wer kannte nicht die Schwierigkeit für das arme Herz, zu glauben an das allgenügsame Werk Christi? Dennoch ist es der Mühe wert, das Evangelium den Seelen nahe zu bringen. Wer die Botschaft der unendlichen Gnade vernimmt, der kann unmöglich lange auf beiden Seiten hinken. Er ist verantwortlich; und an dem großen Tage wird es sich herausstellen, ob er Christus angenommen oder verworfen hat.
Wie ernst ist diese Betrachtung sowohl für den Prediger, als auch für den Zuhörer. Möge der Prediger in Treue sein Werk treiben, damit er rein sei van dem Blut aller; und möge der Zuhörer nicht die dargebotene große Errettung Gottes vernachlässigen. Denn sicher im Verhältnis zu der Größe der Errettung, welche vernachlässigt wird, muss auch die Größe der Verdammnis sein in Betreff derer, die sie vernachlässigt haben. Gewiss wird das Bewusstsein, entweder aus Leichtsinn oder aus Mutwillen die Gnadenstunde versäumt zu haben, des Wurmes Nagen an dem Gewissen sehr vermehren.
O teurer Leser! Wenn du dich der Errettung noch nicht erfreuen kannst, warum säumst du, nachdem dir diese Errettung aus freier Gnade angeboten ist? Warum willst du sterben – sterben den zweiten Tod. Siehe! es ist ewiges Leben für dich in Christus! Warum ergreifst du diese vom Himmel geschenkte Gabe nicht? Warum nimmst du diesen kostbaren Schatz – die Rettung deiner Seele, nicht aus der Hand der Liebe an? Jesus starb für Sünder; und die Liebe, die Ihn ans Kreuz trieb, ist noch immer in Tätigkeit. Noch immer wartet Er; noch immer ruft Er: „Kommt her zu mir ... ich will euch Ruhe geben.“ O möchtest du Ihm entgegenrufen: „Siehe, Herr, ich komme!“ O bedenke doch, dass das Wort Gottes nur von zwei Wegen spricht. Einen Mittelweg gibt es nicht. Der eine führt hinauf gen Himmel, und der andere hinunter in die Hölle.
Das Wort Gottes entscheidet die Frage in Betreff jedes Hörers des Evangeliums jetzt. Wir brauchen nicht zu warten bis zum Richterstuhl. „Wer an Ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er nicht geglaubt hat an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes. Dieses aber ist das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen haben die Finsternis mehr geliebt, als das Licht; denn ihre Werke waren böse“ (Joh 3,18–19). Und ebenso wendet der Apostel, indem er das Evangelium predigt, auf die ungläubigen Juden die Warnung des Propheten an: „Seht ihr Verächter und verwundert euch und verschwindet; denn ich wirke ein Werk in euren Tagen, ein Werk, woran ihr gar nicht glauben werdet, wenn es euch von jemandem ganz klar verkündigt wird“ (Apg 13,40–41).
O wie ernst! Noch einmal, mein Leser, auf welchem Pfad wandelst du? Bist du deiner Rettung nicht gewiss? Nun, dann blicke jetzt auf Jesus – glaube jetzt an Ihn – fliehe jetzt zu Ihm – vertraue jetzt dem Blut Jesu – wirf jetzt alle deine Bürden auf die Person Jesu; und Christus wird ganz der deinige sein. Ja, glaube nur; und der Christus Gottes – das Heil Gottes – die Herrlichkeit Gottes – alles wird dein sein in den Tagen deiner Pilgerschaft und in den Zeitaltern der Zeitalter.