Botschafter des Heils in Christo 1867
Welches sind die Kinder der Weisheit
Es gibt einen Zug, woran man die Kinder der Weisheit erkennt, nämlich daran, dass sie die Weisheit rechtfertigen. So sagt uns der Herr Jesus in dem siebenten Kapitel des Lukas, wo wir lesen: „Und die Weisheit ist gerechtfertigt von allen ihren Kindern“ (V 35). In demselben Kapitel wird uns gesagt: „Und das ganze Volk, welches zuhörte, und die Zöllner rechtfertigten Gott, indem sie mit der Taufe des Johannes getauft waren. Die Pharisäer aber und die Gesetzesgelehrten machten in Bezug auf sich selbst den Ratschluss Gottes wirkungslos, indem sie nicht von ihm getauft worden waren“ (V 29–30).
Aus all diesem lernen wir eine sehr einfache und höchst kostbare Wahrheit, nämlich, dass alle Kinder der Weisheit Gott rechtfertigen und sich selbst verdammen. Dieses ist der wahre Boden für jeden Sünder. Auf diesem Boden stand Abel, als er Gott ein „besseres Opfer“ darbrachte. Noah hatte ihn betreten, als er „eine Arche bereitete zur Rettung seines Hauses.“ Hiob stand dort, als er ausrief: „Siehe, ich bin verächtlich.“ „Mein Auge sieht dich, darum schuldige ich mich und tue Buße in Staub und Asche.“ – Auf diesem Boden befand sich Jesajas, als er sagte: „Wehe mir! ich vergehe; denn ich bin unreiner Lippen.“ Es war die Stellung des Petrus, als er ausrief: „Herr, gehe von mir hinaus, denn ich bin ein sündiger Mensch!“
„Und was sage ich noch? Die Zeit würde mir fehlen“, wenn ich aufzählen wollte alle die Kinder der Weisheit, alle die Glieder jener höchst gesegneten Generation, welche freiwillig und völlig den Ratschluss Gottes wider sich angenommen und sich selbst als arme, schuldige, Verdammungswürdige Sünder bezeichnet haben, welche geleitet worden sind, um mit David zu sagen: „An dir, an dir allein habe ich gesündigt, und das Böse in deinen Augen getan, damit du gerechtfertigt seist in deinen Reden, rein in deinem Richten“ (Ps 51,4; Röm 3,4).
Dieses ist die unveränderliche Sprache der Kinder der Weisheit. Sie verdammen sich selbst und rechtfertigen Gott. Sie treten nicht mit Entschuldigungen auf; sie suchen sich weder zu zieren, noch zu verbergen. „Nein, ich will bekennen“, ist der erste große Ausruf jedes wahren Kindes der Weisheit. Und bevor diese Sprache aus dem Herzen dringt, kann dort nichts in Ordnung sein; bevor die Seele wirklich auf diesem Boden steht, erhebt sich zwischen ihr und Gott eine unübersteigbare Schranke. Dieses erkannte David in seinen Tagen; denn er sagt uns: „Da ich schwieg, verzehrten sich meine Gebeine durch mein Stöhnen den ganzen Tag. Denn Tag und Nacht lastete auf mir deine Hand; verwandelt ward mein Saft, wie in Sommerdürre“ (Ps 32,3–4).
Und so wird es immer sein. Es wird kein Trost, keine Ruhe, keine Segnung, kein Bewusstsein von Vergebung, kein Friede und keine heilige Gemeinschaft mit Gott vorhanden sein können, wenn nicht vorher das Herz geöffnet ist und der Geist wahrer Buße einen freien Lauf gefunden hat.
Was aber dann? Wie handelt Gott mit denen, welche Ihn rechtfertigen und sich selbst verdammen? Sein Name sei gepriesen! Er rechtfertigt sie und verdammt ihre Sünden. Wunderbare Gnade! In demselben Augenblicke, wo ich meinen Platz als ein mich selbst verklagender Sünder einnehme, leitet Gott mich auf den Platz eines gerechtfertigten Heiligen. Das Selbstgericht ist der sichere Vorbote der göttlichen Rechtfertigung. Ich habe mich nur als ein verdammungswürdiger Sünder anzuklagen; und dann kann ich alles Übrige Gott überlassen. Die Kinder der Weisheit rechtfertigen Gott, und Gott rechtfertigt sie; sie verdammen sich selbst und Er vergibt ihnen.
Wie aber kann dieses stattfinden? Das Kreuz gibt die Antwort darauf. Dort verdammte Gott die Sünde. Dort wurde sein gerechter Zorn über die Sünde ausgeschüttet auf den, der zur Sünde gemacht war, damit seine Gerechtigkeit zugerechnet werde dem Sünder, welcher einfach an Jesus glaubt. Hier ist es, wo die Kinder der Weisheit ihren Standpunkt einnehmen. Hier ist ihr gesegneter Ruheplatz – der unerschütterliche und ewige Grund ihres Friedens.
Mein teurer Leser! Sage mir: Bist auch du ein Kind der Weisheit? Bist du durch die Gnade geführt worden, deine Schuld zu sehen und sie vor Gott anzuerkennen? Haft du den Ratschluss Gottes wider dich angenommen? Ist dieses der Fall, dann kannst du in demselben Augenblicke Frieden finden in dem vollendeten Werke Christi und in der darauf gegründeten Gerechtigkeit Gottes. Das ist das gesegnete Teil aller Kinder der Weisheit.