Botschafter des Heils in Christo 1867

Der sterbende Räuber - Teil 1/2

Es ist höchst nützlich und belehrend, unsere Aufmerksamkeit den beiden völlig verschiedenen Klassen von Personen zuzuwenden, welche uns im Neuen Testamente als Gegenstände der göttlichen Gnade dargestellt werden. Nach menschlichem Urteil würden mir die eine Klasse als sehr gut, und die andere als sehr böse bezeichnen. Für erstere wollen wir den Hauptmann Kornelius von Cäsarea, und für letztere den Räuber am Kreuz wählen. Einen bestimmteren Gegensatz, als denjenigen, der uns in diesen beiden Männern entgegentritt, würden wir kaum aufzufinden wissen; und dennoch bedurften sie beide – der eine wie der andere – des Heils, welches in Christus Jesus ist. Sowohl der gottesfürchtige Hauptmann, als auch der sterbende Räuber – Beide bedurften der Abwaschung des versöhnenden Blutes Christi, um für die Gegenwart Gottes bereitet zu werden. Der eine bedurfte nichts weniger, und der andere nichts mehr, als dieses kostbaren Opfers.

Es ist nun höchst wichtig und lehrreich, den Zustand dieser beiden Männer in jenem Augenblick zu beobachten, als zuerst das Heil Gottes in ihre Seele strahlte. Horchen wir, wie der Heilige Geist den Hauptmann Kornelius schildert. „Es war aber ein gewisser Mann zu Cäsarea, mit Namen Kornelius, ein Hauptmann von der Schar, genannt die Italische; fromm und gottesfürchtig mit seinem ganzen Haus, der auch dem Volk viele Almosen gab und immerdar zu Gott betete“ (Apg 10,1.7). Welch ein Charakter! Man könnte mit allem Recht fragen: „Was kann ein solcher Mann über das hinaus, was er bereits besitzt, noch begehren? Ist er nicht ein frommer, gottesfürchtiger, gebetseifriger Mann? Was fehlt ihm noch?“ – Wir würden in der Tat schwerlich jemanden finden, dessen Betragen zu größeren Hoffnungen berechtigte, und dessen ganze Erscheinung mehr das Gepräge eines erleuchteten, gottesfürchtigen Christen trüge. Und dennoch mangelte für ihn eine Sache, und diese Sache ist unerlässlich nötig. In der Erzählung, die wir über seine Person hören, finden sich keine Silbe von Jesu und seinem versöhnenden Blut. Das dürfen wir nie aus unserem Auge verlieren. Vielleicht fallen diese Blätter in die Hände von jemanden, der die Notwendigkeit des Opfers Christi leugnet und der die Erziehung und Veredlung der menschlichen Natur bis zu einem Grad für möglich hält, dass dadurch der Opfertod des Sohnes Gottes überflüssig sei. Möge ein solcher an Kornelius denken. Er, trotz all seiner Frömmigkeit und Mildtätigkeit, verlangte, nach Petrus zu senden, um von ihm Worts zu hören, wodurch er und sein ganzes Haus gerettet werden könnte (vgl. Apg 10,22 mit Kap 11,14).

Wir hören die zu Petrus gesandten Boten sagen: „Kornelius ist von einem heiligen Engel göttlich unterwiesen worden, dich in sein Haus holen zu lassen und Worte von dir zu hören“ (V 22). dieses ist das wichtigste Ereignis. Ein Mann, der sich beständig in der Ausübung guter Werke befand, die an und für sich höchst wertvoll waren, ward berufen, auf Worte zu horchen und in diesen Worten das Heil zu finden. Nicht als ob die Werke, soweit sie reichten, nicht höchst kostbar gewesen waren. Vielmehr gibt der Geist Gottes selbst Zeugnis von dem Wert derselben; denn der Engel sagt zu Kornelius: „Deine Gebete und deine Almosen sind hinaufgestiegen in das Gedächtnis vor Gott!“ (V 4) Sie lieferten ein treues Bild von der Aufrichtigkeit und dem Ernst seiner Seele; und darum waren sie von Gott anerkannt. Dieses wird stets der Fall sein; und es ist nützlich, uns daran zu erinnern. Jede ernste Seele, welche aufrichtig ihrem Licht gemäß lebt, wird sicher von Gott erkannt werden und mehr Licht empfangen Dennoch aber – und – das ist bemerkenswert – ist Kornelius genötigt, auf Worte zu horchen, um gerettet zu werden. Auf welche Worte? Auf Worte betreffs des Jesus von Nazareth – auf Worte betreffs seines heiligen, fleckenlosen, liebevollen Lebens, seines versöhnenden Todes und seiner siegreichen Auferstehung. Das waren die Worte, welche vom Himmel gesandt, über die Lippen des Petrus drangen und in das Ohr und das Herz des ernsten und gottesfürchtigen Hauptmanns von Cäsaren fielen. Diese Worte erschlossen eine neue Welt und stellten einen gänzlich neuen Gegenstand vor das Herz des Kornelius. Almosen und Gebete waren gut; aber ein gekreuzigter und auferstandener Jesus – ein Jesus, der einst ans Holz genagelt ward, jetzt aber verherrlicht im Himmel ist, war weit besser. Gebete und Almosen mochten als ein Gedächtnis gen Himmel emporgestiegen sein; aber nur das Blut Christi vermochte den Kornelius selbst dorthin zu bringen. Weder alle die Gebete, welche aus einem ernsten Herzen hervorquellen, noch alle die Almosen, die eine Hand der Mildtätigkeit spendet, können einen schuldigen Sünder in die Gegenwart eines heiligen Gottes leiten. Das Blut Christi und nur dieses Blut allein vermag einen Sünder zu Gott zu führen, sei er ein Hauptmann oder ein Räuber. Der beste Mensch hat nicht weniger, und der schlechteste nicht mehr nötig, als dieses kostbare Blut, welches reinigt von allen Sünden. Das ist eine höchst wichtige Wahrheit und kann nicht tief genug dem Herzen des Lesers eingeprägt werden. Wenn ein Mann wie Kornelius von all seinen Werken hinwegblicken und auf „Worte“ horchen musste – wenn er berufen war, von sich selbst abzusehen und in einem gekreuzigten und auferstandenen Erlöser alles, was er bedurfte, zu finden – wenn, mit einem Wort, dieser Mann, dessen Frömmigkeit und Mildtätigkeit sich einen guten Namen erworben hatten, benötigt war, auf den Tod und die Auferstehung des Jesus von Nazareth, als auf den einzigen Grund der Annahme eines Sünders vor Gott zu horchen, dann ist es doch jedenfalls augenscheinlich, dass ein Mensch, was er auch an Frömmigkeit und Mildtätigkeit aufzuweisen haben mag, ohne Hoffnung der Errettung ist, wenn er Christus nicht besitzt. Wenn sich zwischen die Seele und Christus nur etwas von der Dicke des feinsten Blattgoldes gedrängt hat, dann ist sicher kein Leben in der Seele. Das kann in unseren Tagen, wo die Religiosität in den verschiedenartigsten Gewändern umhergeht, nicht genug hervorgehoben werden. Der Teufel ist stets beschäftigt, Christus durch allerlei Satzungen und Zeremonien zu verdrängen und den hochgelobten Herrn hinter die finstere Wolke religiöser Formen und Übungen zu verbergen. Er ist immer bemüht, den gefährlichen und seelenverderbenden Irrtum zu verbreiten, als ob der Mensch ein etwas in seiner Natur besitze, welches durch Erziehung, Aufklärung und Philosophie entwickelt werden könnte. Das Kreuz Christi wird auf mancherlei Art bei Seite gesetzt. Die Menschen werden belehrt, dass sie desselben nicht bedürfen, dass ein jeder gewisse Kräfte in sich trage, die nur einer geeigneten Entwicklung bedürfen, um ihn, zu einer solchen Tugendhöhe und zu einer solch sittlichen Vollkommenheit zu erheben, die ihn der Erlangung ewiger Glückseligkeit sicher mache. Trauriger Irrtum!

Wir warnen den Leser mit dem feierlichsten Ernste gegen einen solchen Betrug. Wir behaupten es kühn, dass jeder Gedanke dieser Art eine Lüge Satans ist – eine Lüge, die er mit Eifer in der anziehendsten Weise zu Vergolden und zu zieren sucht, um jeden Gedanken an Jesus und an sein heiliges Versöhnungswerk aus dem Herzen zu verdrängen. Wenn dabei noch in etwa des Namens Jesu gedacht wird, so geschieht es nur, um Ihn als jemanden zu bezeichnen, welcher durch sein Leben und Sterben ein Beispiel der erhabensten Tugend hinterließ, welches nachzuahmen der Mensch durch Ausübung der ihm angeborenen Kraft fähig sei. Der Sündenfall des Menschen wird geleugnet, seine gänzliche Verdorbenheit bestritten und seine Vernunft vergöttert. Die Lehre ist, dass er des Todes Christi zu seiner Errettung nicht bedarf, weil er sich selbst retten kann; und dass er nicht der Leitung des Wortes und des Heiligen Geistes benötigt ist, weil er sich selbst leiten kann durch seine eigene Vernunft und durch sein moralisches Gefühl.

Wie wichtig ist angesichts dieses Irrtums die Unterweisung des 10. Kapitels der Apostelgeschichte! Dort sehen wir einen Mann, der eine erhabene Tugend und eine seltene Gottesfurcht zur Schau trägt, einen Mann, der auf seinen Familienaltar das beständige Opfer des Gebets niederlegt und dessen freigebige Hand stets geöffnet ist, um der Notdurft seiner Mitmenschen zu begegnen. 1 Und nichts desto weniger ist dieser Mann genötigt, auf „Worte“ zu lauschen; und in diesen Worten findet er das Heil und einen Heiland. Wenden wir uns zu der Anrede des Petrus in dem Haus des Hauptmanns. Dieselbe hier ausführlich niederzuschreiben, ist unnötig. Wir fragen bloß: Wer ist der einzige Gegenstand dieser Predigt? Wer bildet hier den Anfang, die Mitte und das Ende? Wer anders als Jesus? Ja, Jesus, der Gegenstand göttlicher Wonne – Jesus, der Grund der Zuversicht und der ewigen Errettung des Sünders. „Diesem geben alle die Propheten Zeugnis, dass jeder, der an Ihn glaubt, Vergebung der Sünden empfangen wird durch seinen Namen“ (V 43). Merken wir uns die Worte: „Wer an Ihn glaubt.“ Es ist nicht ein. Glaube an etwas, was ihn betrifft oder was Er getan hat, sondern er Glaube an Ihn. Es ist der Glaube an seine Person, welche dem gottlosen und verlorenen Sünder Leben und Rettung gibt. „Es ist in keinem anderen das Heil; denn es ist auch kein anderer Namen unter dem Himmel, der unter den Menschen gegeben ist, in welchem wir müssen errettet werden“ (Apg 4,12).

Richten wir jetzt unsere Aufmerksamkeit auf den sterbenden Räuber und sehen wir in seinem Fall die Macht und den Wert des Blutes Jesu. Der Gegensatz zwischen ihm und Kornelius ist höchst wichtig und lehrreich. Wir finden hier zwei Arten, durch welche Satan die Seelen zu verderben sucht. Er flüstert dem einen ins Ohr: „Du bist so schlecht nicht, dass du der Erlösung bedarfst;“ – und dem anderen: „Du bist zu schlecht, als dass du Anspruch darauf machen kannst.“ Der Hauptmann von Cäsarea erteilt auf das Erstere eine Antwort, und der Räuber am Kreuz auf das Letztere. Wenn jemand durch die blendende Macht des Betrügers und Verwüsters der Seelen soweit irre geführt ist, dass er des versöhnenden Todes Jesu zu seiner Rettung nicht zu bedürfen meint – wenn er sich auf richtigem Pfad und außer Gefahr erblickt, weil er nie irgendetwas sehr Böses getan oder in seinem Herzen genährt hat, und weil er seine Pflichten als Ehemann, als Vater, als Herr, als Diener, als Nachbar, als Freund erfüllt und seine Religion beobachtet hat, worauf setzt er dann – vorausgesetzt, dass alles dieses wahr ist – seine Hoffnung? Wir wissen, dass der Engel zu Kornelius sagte: „Deine Gebete und deine Almosen sind hinaufgestiegen in das Gedächtnis vor Gott.“ Aber war er dieserhalb gerettet? Keineswegs. Wo! Verriet sein Betragen, dass er nach seinem Licht Gott zu dienen trachtete, und dass er mit Ängstlichkeit die Wahrheit suchte; und Gott sei Dank! er fand sie und zwar in dem gekreuzigten, begrabenen und auferstandenen Jesus von Nazareth. Aber aus seiner Geschichte lernen wir, dass, wie vortrefflich seine Werke auch waren, nichts als der Versöhnungstod des Sohnes Gottes selbst den besten Menschen zu retten vermag.

Wenn hingegen jemand sagt: „Ich bin zu schlecht, zu gottlos, zu verdorben, um errettet werden und auf Gnade hoffen zu können“, dann möge ein solcher seinen Blick auf den sterbenden Räuber richten. Es würde schwer sein. Jemand auf einer niedrigeren Stufe, als worauf er stand, ausfindig machen zu können. Er war durch das Gesetz seines Landes verurteilt, eines schmachvollen Todes für seine Verbrechen zu sterben. Und nicht nur dieses, sondern, obwohl er am Kreuz hing und an der Pforte der Ewigkeit stand, so konnte er dennoch mit anderen die Lippen öffnen, um den Sohn Gottes zu lästern. Freilich wusste er nicht, dass der, welcher an seiner Seite hing, der Sohn Gottes war: aber verriet nicht sein Spott die tiefe Finsternis, in welche seine schuldbeladene Seele versunken war?

Es ist wichtig zu sehen, dass beide Missetäter den sterbenden Heiland lästerten und verspotteten. Wie glänzend tritt die Gnade hier bei der Rettung des Bußfertigen hervor! Matthäus sagt in seiner Erzählung: „Auf dieselbe Weise schmähten Ihn auch die Räuber, die mit Ihm gekreuzigt waren“ (Mt 27,44). und ebenso lesen wir in Markus: „Auch die mit Ihm gekreuzigt waren, schmähten Ihn“ (Mk 15,32).

So steht also der sterbende Räuber hier vor uns als ein Muster der schlechtesten Form der gefallenen Menschheit. Er war ein verurteilter Missetäter und, obgleich im tiefsten Elend, ein Lästerer des Sohnes Gottes. Aber er stand nicht außer dem Bereich der göttlichen Liebe; nein, sondern er war gerade ein solches Geschöpf, an welchem diese Liebe ihren Triumph entfalten konnte. Jesus kam zu suchen und zu erretten, was verloren ist. Und dieses Wörtchen „verloren“ beschreibt den Zustand aller Menschen ohne Ausnahme. Der Räuber war verloren, der Hauptmann war verloren; und obwohl der eine uns auf der niedrigsten Stufe der Strafbarkeit und Entwürdigung, und der andere uns auf der Höhe der Gottesfurcht und der Mildtätigkeit gezeigt wird, so sind beide doch nichts als schuldige, verlorene Sünder, indem sowohl der eine als der andere zu seiner Waschung des versöhnenden Blutes des Lammes Gottes bedarf.

Doch betrachten wir die Geschichte des sterbenden Räubers ein wenig näher. In Lukas beschäftigt sich der Heilige Geist in dem Augenblick mit ihm, als der erste Strahl des göttlichen Lichts und göttlicher Gnade in seine verfinsterte Seele drang, während Matthäus und Markus uns ihn in seiner Schuld darstellen. Beides musste uns gezeigt werden, um von einem bußfertigen Räuber eine richtige Vorstellung zu haben. Die göttliche Mitteilung betreffs der großen Schuld erhöht den Wert der göttlichen Gnade. Es wird dadurch ins Licht gestellt, dass unser Heiland Gott bis in die tiefste Tiefe des menschlichen Zustandes hinabgestiegen ist – dass es eine völlige, freie und ewige Errettung selbst für den versunkensten Menschen gibt, und dass sich niemand außer dem Bereich der unumschränkten Gnade und Barmherzigkeit Gottes befindet. Dieses zeigt uns die Geschichte des Räubers. Sowohl er wie auch der Hauptmann – Beide bedurften desselben Mittels zu ihrer Errettung. Der eine hatte nichts mehr und der andere nichts weniger nötig; Beide bedurften des Opfers des Herrn und Heilands Jesu Christi. Das Verbrechen des Räubers wurde durch das Blut des Kreuzes ausgelöscht; und die Almosen und Gebete waren ungenügend ohne dieses Blut. O, möchten doch alle, welche sich für zu schlecht halten, um gerettet werden zu können, ihren Blick auf den sterbenden Räuber am Kreuz richten; und möchten alle, welche dieses Heils nicht zu bedürfen meinen, auf den Hauptmann zu Cäsarea sehen! Wenn aber der Hauptmann dieses Blut nötig hatte, wer könnte es dann entbehren? Und wenn der Räuber durch dieses Blut gerettet worden ist, wer könnte dann noch verzweifeln? Diese beiden Fälle zusammen genommen zeigen uns in der klarsten Weise die Unzulänglichkeit der besten Anstrengungen des Menschen und die vollkommene Wirksamkeit und Hinlänglichkeit des Versöhnungswerkes Christi.

Welches sind nun die Fortschritte des Gnadenweges in der Seele des sterbenden Missetäters? Sicher war er in jeder Beziehung ein passender Gegenstand für die Handlungen dieser Gnade. Von dem Augenblick an, – als der Pfeil der Überführung in seine Seele drang, begann er seinen Lauf von dem Punkt an, den die Schrift als den Anfang der Weisheit bezeichnet. Er ruft seinem Gefährten zu: „Auch du fürchtest Gott nicht?“ (Lk 23,40) Welch ein Wechsel! Wodurch derselbe hervorgerufen worden war, wird uns nicht erzählt. Aber wir wissen, dass nach der Darstellung des Matthäus und Markus einerseits und derjenigen des Lukas andererseits ein sichtlicher Wechsel stattgefunden hat. Ein göttlicher Lichtstrahl ist in seine Seele gefallen, und da wir voraussetzen dürfen, dass nimmer ein Lichtstrahl ohne die Vermittlung Jesu in diese finstere Welt geschienen hat, so ist auch sicher das Auge des sterbenden Räubers geöffnet worden, um etwas von der göttlichen Herrlichkeit dessen zu sehen, der neben ihm am Fluchholz hing, „Auch du“ – sagte er – „fürchtest Gott nicht, da du in demselben Gericht bist? Und wir zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsere Taten wert sind; dieser aber hat nichts Ungeziemendes getan“ (V 40–41). Er sagt nicht: „Fürchtest du nicht die Rache, das Gericht oder die zukünftige Strafe?“ Nein, die „Furcht Gottes“ ist vor seinen Augen; und das ist bemerkenswert. Mancher wird durch die Furcht vor der zukünftigen Strafe gequält; und sicher übt der Heilige Geist öfters diesen Druck aus. Es ist gewiss am Platz, die Menschen an die zukünftige Rache zu erinnern und ihnen die Folgen ihrer Sünden vorzustellen; aber wir dürfen nicht vergessen, dass die „Furcht Gottes der Weisheit Anfang“ ist. Der Heilige Geist wird in der Seele das Bewusstsein wecken, dass sie es mit Gott zu tun hat; und dann handelt es sich nicht mehr um die Folgen der Sünde, sondern um deren Hässlichkeit im dem Angesicht Gottes. Wenn Gott einen Platz im Herzen findet, dann wird alles andere folgen. Wir werden dann im Licht dessen, was Gott ist, uns selbst, unsere Wege, unser Betragen, unsere Sünden, den Zustand unserer Herzen, unsere Natur und alle ihre Früchte erkennen. Wohl mag jemand tief erschüttert werden bei dem Gedanken an den Zorn und die ewige Verdammnis. Wohl mag der Gedanke an die Hölle, an den Feuer– und Schwefelsee und an den nimmer sterbenden Wurm das Herz für einen Moment mit Schaudern und Entsetzen erfüllen. Wenn aber nicht ein Teilchen der wahren Furcht Gottes vorhanden ist, dann wird sicher, wenn der erste Schrecken vorüber ist, die Lust der Sünde mit vermehrter Kraft zurückkehren und alle guten Entschlüsse verdrängen.

Wie ganz anders, wenn die Seele durch den Heiligen Geist das Bewusstsein erlangt, dass sie es mit Gott zu tun hat! Dann wird die Sünde nicht gemessen nach den Folgen, sondern nach dem, wie Gott sie betrachtet. Nein, nicht die Folgen, wie schrecklich sie auch sein werden, werden uns dann beschäftigen, sondern die Hässlichkeit und Schlechtigkeit der Sünde selbst. Wir werden die Sünde hassen, weil Gott sie hasst. Wir werden die gerechte Verdammnis der Sünde anerkennen; aber wir werden im Licht der Heiligkeit Gottes die Sünde in ihrer wahren Natur und in ihrem wahren Charakter sehen.

(Schluss folgt)

Fußnoten

  • 1 Wir zweifeln keineswegs daran, dass Kornelius eine erweckte Seele war und nach seinem Licht treu wandelte; aber er erkannte die Erlösung nicht; und daher erklärt sein Zustand in der bestimmtesten Weise die unabweisbare Notwendigkeit des Todes und der Auferstehung Jesu.
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