Botschafter des Heils in Christo 1867
Wir sind dem Gesetz gestorben
„Denn ich bin durch Gesetz dem Gesetz gestorben, auf dass ich Gott lebe“ (Gal 2,19). dieses ist besonders in unseren Tagen ein höchst wichtiges Wort. Die geistliche Anwendung der hierdurch Vorgestellten Wahrheit wird die Seele vor zwei Irrtümern bewahren, nämlich einerseits vor dem Geist der Gesetzlichkeit und andererseits vor dem Geist der Gesetzlosigkeit. Wenn ich diese beiden Nebel mit einander vergleiche, oder wenn ich gezwungen wäre. Eins von beiden zu wählen, so würde ich ohne Zweifel dem Erstem den Vorzug geben. Ich sehe weit lieber einen Menschen unter der Autorität des Gesetzes Mose, als jemanden, der in Gesetzlosigkeit und Leichtfertigkeit dahinlebt. Wohl weiß ich, dass das Gesetz unerfüllbare Forderungen an den in Sünden toten Menschen stellt und nichts als Fluch und Verdammnis in seinem Schoß birgt; wohl weiß ich, dass es mit dem Evangelium der Gnade in geradem Widerspruch steht; aber nichtsdestoweniger habe ich mehr Achtung vor einen Menschen, welcher, da er nicht über Moses hinaus zu schauen vermag, durch Beobachtung des Gesetzes, dessen Autorität er anerkennt, seinen Wandel in dieser Welt zu regeln sucht, als vor einen Menschen, der dieses Gesetz verachtet, um sich selbst zu gefallen.
Gott sei Dank! die Wahrheit des Evangeliums gibt uns ein Heilmittel für beide Übel. Aber in welcher Weise? Werde ich etwa belehrt, dass das Gesetz gestorben sei? Keineswegs. Aber das Evangelium bekehrt mich, dass ich, weil gläubig an den Herrn Jesus, gestorben bin. „Ich bin durch Gesetz dem Gesetz gestorben.“ Und zu welche Zwecke? Um Gefallen an mir selbst zu haben? Um meine eigenen Vorteile und Vergnügungen verfolgen zu können? Durchaus nicht, sondern damit „ich Gott lebe“.
Dieses ist die Fundamentalwahrheit des Christentums – eine Wahrheit, ohne welche wir überhaupt nicht wissen, was Christentum ist. In gleichem Sinn finden wir in Römer 7 die Worte: „Also seid auch ihr, meine Brüder, dem Gesetz gestorben durch den Leib des Christus, dass ihr eines anderen werdet, des aus den Toten Auferweckten, auf dass wir Gott Furcht tragen“ (V 4). Und wiederum: „Nun aber sind wir von dem Gesetz losgemacht, weil wir dem gestorben sind, in welchem wir festgehalten waren, so dass wir dienen in dem Neuen des Geistes und nicht in dem Alten des Buchstaben“ (V 6). Merken wir es uns wohl, dass wir dienen und nicht Gefallen an uns selber haben sollen. Wir sind von dem unerträglichen Joch Mose befreit worden, um das „leichte Joch Christi“ zu tragen, und nicht um unserer Natur freien Lauf zu lassen.
Die Weise jener Menschen, welche sich auf gewisse Grundsätze des Evangeliums berufen, um dadurch für die Befriedigung des Fleisches irgendeinen Rechtsgrund hervor zu heben, ist für ein ernstes Gemüt höchst anstößig. Sie bemühen sich, der Autorität Mose auszuweichen, und zwar nicht, um sich unter die Autorität Christi zu stellen, sondern bloß um sich und ihren Begierden zu leben. Eitle Mühe! Dieses kann nicht geschehen auf dem Grund der Wahrheit; denn es ist in der Schrift nimmer gesagt, dass das Gesetz gestorben oder beseitigt, sondern dass der Gläubige dem Gesetz und der Sünde gestorben sei, damit er die Lieblichkeit eines Lebens für Gott genießen könne, und damit „seine Frucht zur Heiligkeit und sein Ende ewiges Leben“ sei.
Wir legen diesen wichtigen Gegenstand dem Leser dringend ans Herz. Er wird denselben in Römer 6 und 7, sowie in Galater 3 und 4 gründlich entwickelt finden. Ein richtiges Verständnis dieser Wahrheit wird uns über tausend Schwierigkeiten hinweghelfen, wird eine Menge Fragen beantworten und uns von zahllosen Irrtümern fernhalten. Möge der Herr seinem Wort völlige Macht über unsere Herzen und Gewissen verleihen!