Botschafter des Heils in Christo 1866
Die christliche Liebe
Wie schön wird in diesen Worten die Liebe vor uns hingestellt. Wir sollen einander lieben, wie Christus uns liebte. Und wie liebte Er uns? Er liebte uns ungeachtet aller unserer Schwachheiten, aller unserer Fehler, und aller unserer Sünden. Er liebte uns nicht, weil wir nichts von diesen Dingen getan hatten, sondern trotz aller dieser Dinge. Er besaß eine solche Liebe, die jede Schwierigkeit überwand und sich größer als jedes Hindernis bewies. Viele Wasser, selbst die dunklen Wasser des Todes, konnten die Liebe Christi nicht schwachen. Er liebte uns und gab sich selbst für uns.
Dich ist also unser Vorbild. Wir sollen einander lieben, wie Christus uns liebte. „Hieran erkennen wir die Liebe, dass Er für uns sein Leben dargelegt hat; auch wir sind schuldig, für die Brüder das Leben darzulegen.“ „Geliebte, lasst uns einander lieben; denn die Liebe ist aus Gott, und jeder, der liebt, ist aus Gott gebaren, und kennt Gott.“ „Hierin ist die Liebe; nicht, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass Er uns geliebt, und seinen Sohn gesandt hat als eine Versöhnung für unsere Sünden. Geliebte, wenn Gott uns also geliebt hat, so sind auch wir schuldig, einander zu lieben. Niemand hat Gott je gesehen. Wenn wir einander lieben, so bleibt Gott in uns und seine Liebe ist vollendet in uns.“
Das ist die christliche Liebe. Sie ist der Ausfluss der göttlichen Natur in dem Gläubigen. Sie kann sich auf verschiedene Weise offenbaren. Sie muss zuweilen tadeln, Vorwürfe machen und strafen. Unser großes Vorbild musste dann und wann also handeln mit denen, die Er dessen ungeachtet liebte mit einer ewigen und unveränderlichen Liebe. Es ist falsch, anzunehmen, dass die Liebe blind sei, oder nicht aufrichtig sein könne. Das müsste Narrheit und nicht Liebe genannt werden. Die wahre Liebe sieht meine Fehler, und kann mir darüber Vorwürfe machen; sie kann sich mit meinen Fehlern beschäftigen, um mich von ihnen zu befreien. Sie wird Gelegenheit suchen, gerade durch meine Fehler und Schwachheiten, sich zu Zeigen in ihrer hohen und heiligen Tätigkeit. „Die Liebe ist langmütig, ist gütig, die Liebe eifert nicht, die Liebe tut nicht groß, sie bläht sich nicht auf, sie gebärdet sich nicht unanständig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie denkt nichts Böses, sie freut sich nicht der Ungerechtigkeit, sondern sie freut sich mit der Wahrheit, sie deckt alles zu, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie erduldet alles, die Liebe vergeht nimmer.“ „Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; die Größte aber von diesen ist die Liebe“ (1. Kor 13,4–8.13).
Doch gibt es auch eine falsche Liebe, im Gegensatz zu dem lieblichen Gemälde, das in Obigem dargestellt ist. Es ist dies die sektiererische Liebe. Vor dieser haben wir uns zu hüten. Wir sind einerseits in großer Gefahr, Personen nur aus dem Grund zu lieben, weil sie dieselben Ansichten wie wir haben; und andererseits weil ihre Gewohnheiten und Eigentümlichkeiten uns gefallen; aber keins von beiden ist die christliche Liebe. Wir können in beiden: sehr tätig sein und doch nicht „dem neuen Gebot“ gehorchen – nicht andere lieben, wie Christus uns liebte. Darin besteht nicht die christliche Liebe, unsere eigenen Meinungen oder unser eigenes Bild zu lieben, sondern darin, das Bild Christi, wie wir es auch sehen, zu lieben.
Möge uns der Herr Gnade geben, unsere Herzen allezeit mit der wahren christlichen Liebe zu beschäftigen und zu unterhalten. Möchten wir tief in den Geist Christi eindringen, so werden wir sein Volk nicht deshalb lieben, weil sie mit uns übereinstimmen und uns gefallen, sondern weil sie Christus angenehm sind und sein gesegnetes Bild zurückstrahlen lassen.