Botschafter des Heils in Christo 1866
Das allgemeine Gericht und das Erscheinen der Heiligen vor dem Richterstuhl des Christus - Teil 2/2
Wir haben also einen flüchtigen Blick auf den Heiligen vor dem Richterstuhl Christi geworfen, ein Ereignis, welches durch die von uns erwartete Ankunft des Herrn 1 eingeleitet wird. Nach der Aufnahme der Kirche wird der Antichrist Völlig offenbar werden; und dieser Umstand wird der Vorbote jener Trübsal sein, die nimmer in solcher Größe und Strenge die Erde berührt hat und berühren wird; und dann folgt die Erscheinung unseres Herrn auf der Erde, wo das erste Gericht der Gottlosen, auf welches wir zunächst unsere Aufmerksamkeit richten müssen, Platz greifen wird.
Wir lesen, dass der Herr Jesus der Richter der Lebendigen und der Toten ist; und aus den oben angeführten und neben einander gestellten Schriftstellen erhellt es deutlich, dass die Lebendigen und die Toten nicht zu einer und derselben Zeit gerichtet werden. In Matthäus 24 und 25 finden wir drei Klassen erwähnt: – Die „Auserwählten“, die „Knechte“ und die „Nationen“; und wir lesen, bevor von dem Gericht der Nationen die Rede ist, dass der ungetreue Knecht „sein Teil mit den Heuchlern haben wird, da wo sein wird das Heulen und das Zähneknirschen“ (Mt 24,51), und wiederum, dass er in die „äußerste Finsternis“ geworfen wird (Mt 25,30). Diese Stelle scheint das Endurteil des unnützen Knechtes zu bezeichnen, während hingegen andere zur Hochzeit eingehen, die Tür verschlossen wird, und die treuen Knechte zu Herrschern über viele Dinge gemacht werden und zu „ihres Herrn Freude“ eingehen.
Bemerken wir indessen, dass dieses alles durch die Worte angemeldet ist: „Alsbald aber nach jener Drangsal wird die Sonne verfinstert werden… Und dann werden wehklagen alle Stämme des Landes, und sie werden sehen den Sohn des Menschen, kommend auf den Wolken des Himmels mit Macht und großer Herrlichkeit“ (Mt 24,29–30). Lasst uns dieses mit Aufmerksamkeit beachten, weil es Zeigt, dass diese Ereignisse, nachdem die Kirche weggenommen sein wird, bei der Rückkehr des Herrn auf die Erde stattfinden werden. Wir dürfen mithin keineswegs die Kirche in dieser Szene zu finden erwarten; denn in der Offenbarung sehen wir, dass, wenn die große Trübsal die Erde berühren wird, die Kirche im Himmel dargestellt ist.
Aber wenn die Kirche nicht dort ist, wer ist denn dort? Betrachten wir daher.
1. Die Auserwählten (Mt 25,31), welche versammelt werden „von den vier Winden, von den äußersten Enden der Himmel bis zu ihren äußersten Enden.“ Diejenigen, welche ein allgemeines Gericht annehmen, behaupten, dass hier unter den „Auserwählten“ Alle begriffen seien, die zum ewigen Leben erwählt sind, und dass dieselben vor dem Gericht aus allen Teilen der Erde und des Himmels gesammelt und später Schafe genannt werden. Allein erinnern wir uns, dass die Juden oft in der Schrift als die „Auserwählten“ bezeichnet sind und dieser Ausdruck hier dieselbe Bedeutung haben kann, und dass ferner diese Stelle nicht von der Erde und dem Himmel spricht, sondern „von den vier Winden, von den äußersten Enden der Himmel bis zu ihren äußersten Enden.“ Wenn die „vier Winde“ die Erde bezeichnen, warum sollten die „äußersten Ende der Himmel bis zu ihren äußersten Enden“ nicht dieselbe Bedeutung haben? Es liegt keine Verbindung in der Zusammenfügung zweier verschiedenen Dinge. Endlich wird der Ausspruch einer Schriftstelle, welche ganz deutlich von der Versammlung der Juden spricht, die Frage entscheiden:
„So fühlt Jehova, dein Gott, deine Gefangenschaft zurück und erbarmt sich deiner und sammelt dich wieder aus all den Völkern, wohin Jehova, dein Gott, dich zerstreut hat. Wenn deine Vertriebenen wären am Ende des Himmels, von dannen wird dich Jehova, dein Gott, sammeln“ (5. Mo 30,3–4).
„Und er wird seine Engel senden mit großem Posaunenschall, und sie werden versammeln seine Auserwählten von den vier Winden, von den äußersten Enden der Himmel bis zu den äußersten Enden“ (Mt 24,31).
Wie wir sehen, bezieht sich die Stelle im 5. Buch Mose offenbar nur auf die Erde und auf die Juden; und sollten wir daher nicht den Schluss machen dürfen, dass die Stelle in Matthäus dieselbe Bedeutung habe? Dann haben wir:
2. Treue und untreue Knechte. „Wer ist nun der treue und kluge Knecht, den der Herr gesetzt hat über sein Gesinde, um ihnen die Speise zu geben zur rechten Zeit?“ – Und wiederum: „Wenn aber jener böse Knecht in seinem Herzen sagt: Mein Herr verzieht zu kommen! und anfangen wird, seine Mitknechte zu schlagen usw.“ – Diese Worte scheinen anzudeuten, dass sich jene – ohne Zweifel im Reich – in einer Dienststellung befinden; denn das Reich wird, selbst wenn die Kirche weggenommen ist, fortbestehen. Ferner finden wir:
3. Jungfrauen, welche dem Bräutigam entgegengehen. Offenbar sind hier Bekenner der Wahrheit bezeichnet, die einen mit, die anderen ohne Öl – die einen gerettet, die anderen nicht. Aber deutlich sehen wir sie in Verbindung mit dem Reich der Himmel; denn wir sehen sie mit den Worten angeführt: „zu der Zeit wird das Reich der Himmel gleich geworden sein zehn Jungfrauen.“ Endlich begegnen wir:
4. Denen, welche an dem in Matthäus 25,31–46 erwähnten Gerichte Teil haben; und dieses Gericht, als der Gegenstand unserer Betrachtung, fordert unsere ernsteste Aufmerksamkeit. Bereits im Anfang unserer Abhandlung haben wir die Hauptzüge desselben flüchtig betrachtet und dort gesehen, dass hier nicht von einem allgemeinen, alle Menschen umfassenden Gerichte die Rede sein kann, weil nur die lebenden Nationen eingeführt werden, aber der Toten keine Erwähnung geschieht, und weil hier nicht von den allgemeinen Sünden derer, die gerichtet werben, sondern nur von ihrer Behandlung gegenüber dem Herrn und seinen Brüdern die Rede ist. Und um die Stärke und die Eigentümlichkeit eines solchen Urteils zu erkennen, müssen wir bemüht sein, uns aus der Schrift klar zu machen, welches der Zustand der Welt sein wird, der dieses Gericht der Nationen einführt.
Wie wir bereits gesehen haben, wird das Reich der Himmel, auch nachdem die Kirche hinweggenommen ist, fortdauern und das Bekenntnis seinen Lauf fortsetzen, und Gott wird unter dem überhandnehmenden Unglauben und Abfalle noch etliche treue Knechte haben. Aber außerdem gibt Gott, wie wir in Offenbarung 11 lesen. Seinen zwei Zeugen Macht, und, angetan mit Säcken, werden sie weissagen. Es wird also augenscheinlich ein bestimmtes Zeugnis fortbestehen; und jene Zeugen nebst etlichen, die mit ihnen verbunden sind, mögen vielleicht die in unserer Schriftstelle angeführten „Brüder“ sein, deren Behandlung das Schicksal der Personen entscheidet. Merken wir uns dazu noch, dass wir in Matthäus 24,14 lesen: „Und dieses Evangelium des Reiches wird gepredigt werden auf dem ganzen Erdkreis zu einem Zeugnis aller Nationen; und dann wird das Ende kommen.“ –
Jedoch dürfen wir es nicht aus dem Auge verlieren, dass neben diesem Zeugnis der Antichrist offenbart werden, und dass er sich über alles, was Gott heißt, überheben wird und angebetet zu werden trachtet; und dann werden die, welche auf des Herrn Seite stehen, weit besser erkannt werden, wie dieses jetzt der Fall ist.
„Denn dieser Tag kommt nicht, es sei denn, dass zuerst der Abfall komme und offenbart sei der Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens, welcher widersteht und sich selbst erhöht über alles, was Gott heißt, oder ein Gegenstand der Verehrung ist, so dass er sich in den Tempel Gottes setzt und sich selbst darstellt, als sei er Gott Denn schon ist das Geheimnis der Gesetzlosigkeit wirksam; nur ist jetzt der vorhanden, der zurückhält, bis er aus dem Weg ist; und dann wird offenbar werden der Gesetzlose, den der Herr Jesus verzehren wird mit dem Hauch seines Mundes und vernichten durch die Erscheinung seiner Ankunft“ (2. Thes 2,3–8).
Ferner wird, indem der Feind Wunder wirkt, eine Zeit des Betrugs und der Lüge sein; denn wir lesen in Bezug darauf: „Dessen Ankunft ist nach der Wirkung Satans, in allem mächtigen Tun und Zeichen und Wundern der Lüge und in allem Betrug der Ungerechtigkeit in denen, die verloren gehen“ (2. Thes 2,9–10). – „Und es übt die ganze Gewalt des ersten wilden Tieres vor ihm aus, und macht, dass die Erde und die darauf wohnen, das erste wilde Tier anbeten, dessen Todeswunde geheilt worden war. Und es tut große Zeichen, dass es sogar Feuer vom Himmel auf die Erde herniederkommen macht vor den Menschen; und es verführt die auf der Erde wohnen wegen der Zeichen, die ihm gegeben sind“ (Off 13,12–14).
Und weiter lesen wir, dass Satan ans dem Himmel geworfen werden wird; und dann heißt es: „Wehe der Erde und dem Meer; denn der Teufel ist zu euch hinabgekommen und hat große Wut, da er weiß, dass er wenig Zeit hat. Und der Drache ward zornig über das Weib und ging hin, um Krieg zu führen mit den übrigen ihres Samens, welche die Gebote Gottes, halten und das Zeugnis Jesu haben“ (Off 12).
Aus diesen Stellen ersehen wir, dass der gläubige Überrest in jenen Tagen von der größten List umringt und den schrecklichsten Verfolgungen ausgesetzt ist. So lesen wir unter anderem, dass niemandem erlaubt ist zu kaufen oder zu verkaufen, es sei denn, dass er das Malzeichen des wilden Tieres an sich trage. Das wird ein sicherer Prüfstein des Volkes der Nationen sein. Alle sind genötigt, entweder auf die Seite Satans und seiner Genossen, oder auf die Seite der verfolgten Brüder Christi treten zu müssen.
Ähnlich würde es vielleicht in unserem Land sein, wenn während der Abwesenheit des Königs ein Aufrührer sich die Krone auf sein Haupt setzen und die große Masse des Volkes um sich versammeln würde. Ohne Zweifel würden dann die treuen Diener des Königs verjagt und verfolgt werden; und jeder Untertan hätte Gelegenheit, in der Behandlung dieser Diener seine Gesinnung an den Tag legen zu können. Bei Rückkehr des Königs aber würde derselbe sich weniger mit der Frage beschäftigen, ob seine Untertanen ein sittliches Leben geführt, als vielmehr mit der, ob sie seine verfolgten Diener aufgenommen und ihre Not gemildert haben; und selbstredend würde der, welcher diese Unterstützung versagt hat, eines großen Verbrechens schuldig sein.
In dieser Weise wird der Sohn des Menschen, wenn er auf die Erde zurückkehrt, die Schafe von den Böcken scheiden. Die, welche seine Verfolgten unterstützt und gepflegt haben, empfangen ihren Lohn, und die anderen, welche diese Hilfe versagten, empfangen ihre Strafe. Dann wird das Urteil sehr wichtig und bezeichnend sein: „Insofern ihr es nicht getan habt einem dieser Geringsten, habt ihr es auch mir nicht getan.“ Wir dürfen es nicht außer Acht lassen, dass diese seine Brüder Verfolgte waren; denn Er sagt: „Ich war hungrig ... Ich war durstig ... Ich war ein Fremder ... nackt ... krank ... im Gefängnis.“
Diese Beschreibung des Gerichts der lebenden Nationen entspricht also, wie wir sehen, genau den Zuständen, die sich bei der Rückkehr unseres Herrn auf die Erde vorfinden werden, wie wir dieses in anderen Teilen des Wortes Gottes offenbart finden, während wir nur wahrnehmen können, dass ein solches Urteil auf die Millionen der Toten, die nie etwas von Christus hörten, durchaus unanwendbar sein würde. Vieles ist geschrieben worden, um diesen Richterspruch mit dem Begriff eines allgemeinen Gerichts in Einklang zu bringen, indem man in Betreff derer, die das Evangelium gehört haben, die Behauptung aufstellt, dass, wenn jene Gerichteten die Brüder Christi nicht gut behandelten, sie auch Christus nicht liebten, und dass, wenn sie Ihn nicht liebten, sie auch nicht an Ihn glaubten, und dass endlich, wenn sie nicht an Ihn glaubten, sie auch nicht gerettet sein konnten. Allein man denkt nicht daran, dass dieses auf die Heiden insgesamt angewandt werden könnte.
Aber bevor wir weitergehen, lasst uns beachten, dass das Gericht der lebenden Nationen, obwohl es noch weit zu liegen scheint, vielleicht nicht mehr fern sein mag. Die jetzt lebenden Nationen könnten vielleicht jene Nationen sein. Die Kirche kann noch heute aufgenommen werden; und unmittelbar danach werden die großen Ereignisse beginnen. Das ist eine ernste Betrachtung für jeden, der sich mit dem Studium der prophetischen Wahrheit befasst, und dessen Seele noch nicht gerettet ist. „Da wir nun den Schrecken des Herrn kennen, überreden wir die Menschen“ (2. Kor 5,11).
Nach diesem Gericht folgt das tausendjährige Reich; – Satan ist gebunden.
Nach Ablauf des tausendjährigen Reiches beginnt eine kurze Zeit der Empörung; – Satan wird gelöst (Siehe Off 20).
Dann folgt das Gericht der gottlosen Toten (Off 20). Wie wir bereits gesehen haben, geschieht bei diesem Gericht nur der Toten Erwähnung; und sie werden wegen ihrer Sünden im Allgemeinen gerichtet aus dem, was in den Büchern geschrieben ist. Das Buch des Lebens ist da; aber wir lesen nicht, dass der Name von jemand darin gefunden wird.
Hier sehen wir auch, wie anwendbar dieses Gericht aus den Büchern auf alle gestorbenen Gottlosen sein wird. Etliche mögen das Evangelium gehört und es verworfen haben; aber wenn auch diese Verwerfung als ihre größte Sünde gegen sie in Anrechnung gebracht werden wird, so werden sie nichtsdestoweniger wegen all ihrer Sünde gerichtet werden. Die einen halten das Gesetz und werden durch das Gesetz gerichtet, die anderen halten kein Gesetz und werden ohne Gesetz gerichtet. „Denn so viele ohne Gesetz gesündigt haben, werden auch ohne Gesetz umkommen; und so viele im Gesetz gesündigt haben, werden durch Gesetz gerichtet werden“ (Röm 2,12). – „Und wenn jemand nicht geschrieben gefunden wurde in dem Buch des Lebens; (und niemand wird als darin gefunden genannt) so wird er geworfen in den Feuerst.“
Wir haben also gesehen, wie vollkommen anwendbar die Beschreibungen der beiden Endgerichte auf die verschiedenen Zustände der Lebendigen und der Toten sind. Wendet man sie um, so werden sie durchaus nicht zu einander passen. Bringt man sie an ihren rechten Platz, so ist die größte Ordnung vorhanden.
Folgende Zusammenstellung wird hoffentlich die Reihe der Ereignisse und die Plätze der Gerichte mehr verdeutlichen:
1. Die Heiligen werden aufgenommen, um dem Herrn in der Luft zu begegnen (1. Thes 4,16–17; 1. Kor 15,51–52; 15,23)
2. Die Juden in ihrem eigenen Land 2 (Sach 8,7–8; Jes 11,10–16)
3. Die Entfaltung des verdorbenen Christentums und das Offenbarwerden des Antichrists (Thes 2,2–8)
4. Die große Trübsal (Mt 24,14–24)
5. Christus kommt auf die Erde (Sach 14,4–5; Mt 26,64)
6. Christus richtet die Nationen, indem Er etliche verschont (Off 19,11–16; Jud 1,14–15) Gericht über die lebenden Nationen (Mt 25)
7. Er rottet in seinem Reich alles aus, was Ihm missfällt (Mt 13,41)
8. Satan ist gebunden, – das tausendjährige Reich (Jes 25,6–8; Jer 23,5–8; Off 20,1–4)
9. Satan wird für eine kleine Zeit gelöst und verführt die Nationen (Off 20,7–8)
10. Christus unterwirft sich alles, was Widerstand leistet (Off 20,9–10) Gericht über die gottlosen Toten (Off 20)
11. Auferstehung der gottlosen Toten (Off 20,5)
12. Christus richtet das Reich Gottes auf (1. Kor 15,24–28)
13. Gott ist alles in allem (1. Kor 15,28) Es bleibt uns nur noch übrig, etliche Stellen der Schrift zu prüfen, die mit der vorhergehenden Folgerung nicht in Übereinstimmung zu sein scheinen.
1. In verschiedenen Stellen lesen wir von dem „Tage des Gerichts“, als ob ein Tag und nur ein Tag zum Gericht aller Menschen bestimmt worden sei.
In einer der Stellen, wo wir diesem Ausdruck begegnen (2. Pet 3), werden wir ermahnt, nicht darüber unwissend zu sein, dass „Ein Tag bei dem Herrn ist wie tausend Jahre, und tausend Jahre wie ein Tag.“ Und in dieser Stelle haben etliche die Deutung zu finden geglaubt, dass nicht ein Tag im buchstäblichen Sinne gemeint sei, sondern dass das Gericht in Matthäus 24 mit dem Beginn des Tages, und das Gericht in Offenbarung 20, nach dem Dazwischentreten von tausend Jahren, erst am Ende dieses Tages Platz greife. Es mag sein; aber scheint nicht der Ausdruck „Tausend Jahre wie ein Tag usw.“ vielmehr mit dem 9. Verse in Verbindung zu sein, wo von dem Herrn gesagt wird, dass Er seine Verheißung nicht verziehe? Sehen wir indessen den Ausdruck: „der Tag des Herrn“ etwas genauer an, so finden wir denselben acht Mal im Neuen Testamente; aber an sieben, dieser Stellen finden wir ihn ohne Artikel und kann übersetzt werden „ein Tag des Herrn“, als die Charakteristik einer Zeit zur Rechenschaft–Ablegung, ohne dass darin ein bestimmter Tag oder der Tag verstanden wird. In diesen sieben Stellen hebt also das Nichtvorhandensein des Artikels die Schwierigkeit auf. Nur 1. Johannes 4,17 bildet die einzige Ausnahme; dort finden wir den bestimmten Artikel; denn wir lesen: „Hierin ist die Liebe mit uns vollendet, auf dass wir an dem Tag des Gerichts Freimütigkeit haben; dass, wie Er ist, auch wir sind in dieser Welt. In der Liebe ist keine Furcht usw.“ – allein hier ist der Gegenstand der Betrachtung nicht das Gericht, sondern die Liebe; und der Tag des Gerichts ist nur als eine Beleuchtung dessen eingeführt, was die vollkommene Liebe für uns tut. Dort mag eine Schwierigkeit in Betreff dessen sein, worauf sich dieser Tag bezieht. Denn wir lesen nirgends, dass die Kirche weder im Gericht der Lebendigen, noch im Gericht der Toten gegenwärtig sein wird; – und andererseits haben wir gesehen, dass die Gläubigen überhaupt nicht ins Gericht kommen. Aber wir lesen, dass die Heiligen den Herrn begleiten werden, wenn Er kommen wird, um das Gericht auszuüben. „Siehe, der Herr ist gekommen inmitten seiner heiligen Tausenden, Gericht auszuführen“ (Jud 14). Sollte sich nicht die „Freimütigkeit“ beziehen auf diese Szene? Und sollte diese Stelle nicht überhaupt auch eine Verwendung finden gegenüber denjenigen Heiligen, welche während der großen Trübsal auf der Erde sein werden – ein Ereignis, das auch „Gericht“ genannt wird? „Du wirst dich nicht fürchten – Taufend werden fallen an deiner Seite und Zehntausend an deiner Rechten – dich wird es nicht erreichen“ (Ps 91). Vollkommene Liebe treibt die Furcht aus. Jedenfalls dürfen wir mit Sicherheit schließen, dass diese Stelle durchaus nicht die Meinung zulässt, dass der Gottlose und der Gerechte einem allgemeinen Gericht anheimfallen.
2. „Er hat einen Tag festgesetzt, an welchem Er den Erdkreis in Gerechtigkeit richten wird durch den Mann, den Er bestimmt hat“ (Apg 17,31). Hier ist in der Tat der Festsetzung eines Tages erwähnt, aber zu welchem Zweck? Nicht um das ganze Weltall, sondern um die bewohnte Erde zu richten. Das griechische Wort, welches durch „Erdkreis“ übersetzt ist, kommt fünfzehnmal im Neuen Testamente vor; aber nirgends bezeichnet es das Weltall und schließt nirgends die Toten in sich ein. Das Wort bezeichnet die bewohnte Erde oder die „Bewohner der Erde.“ Dazu erklärt diese Stelle bloß, dass Gott einen Tag festgesetzt habe, an welchem Er (übereinstimmend mit Matthäus 25) die Nationen richten wird, ohne der Toten mit einem einzigen Worte zu erwähnen, obgleich auch zweifelsohne ein anderer Tag zum Gericht der Toten festgesetzt worden ist.
3. „So bezeuge ich vor Gott und Jesus Christus, der da richten wird Lebendige und Tote bei seiner Erscheinung und seinem Reich“ (2. Tim 4,1). Man merke sich, dass hier sowohl zweier Klassen, als auch zweier Perioden Erwähnung geschieht. Die Lebenden werden, wie wir gesehen haben, bei seiner Erscheinung und die Toten, nachdem das Königreich aufgerichtet ist, ganz am Schluss dieses Reiches gerichtet. Alles dieses steht in vollkommener Übereinstimmung mit dieser Stelle.
4. „An dem Tag, da Gott das Verborgene der Menschen durch Jesus Christus richten wird nach meinem Evangelium“ (Röm 2,16).
Die ganze Stelle heißt: „Denn so viele ohne Gesetz gesündigt haben, werden auch ohne Gesetz umkommen; und so viele im Gesetz gesündigt haben, werden durch das Gesetz gerichtet werden ... an dem Tag, da Gott das Verborgene der Menschen richten wird usw.“ Dieses ist eine allgemeine Bestimmung, die sich sowohl auf Juden als auf Heiden bezieht; und es ist die Rede von dem Verborgenen der Menschen als solcher, ohne dass irgendwie der Gerechten, die nicht bloß als Menschen behandelt sind, Erwähnung geschieht. Und selbst hier ist es im buchstäblichen Sinne „ein Tag“ und nicht „der Tag“, wodurch man beweisen möchte, dass alle „Menschen“ an einem Tag gerichtet würden.
5. „Und die Nationen sind zornig geworden, und dein Zorn ist gekommen, und die Zeit der Toten, um gerichtet zu werden, und den Lohn zu geben deinen Knechten, den Propheten und den Heiligen“ (Off 11,18).
Die Kirche wird hier mit keinem Wort erwähnt – sie ist bereits vor dieser Szene im Himmel gesehen worden. Auch nachdem die Kirche hinweggenommen ist, werden noch Propheten und Heilige auf der Erde sein; und am Ende des Reiches werden diese belohnt und die Toten gerichtet werden, wie wir schon gesehen haben. Diese Stelle begünstigt in keiner Weise die Annahme eines allgemeinen Gerichts; denn sie sagt bestimmt, dass gekommen sei die „Zelt der Toten, um gerichtet zu werden“, und berührt in keiner Weise die Lebendigen. Auch findet man hier auf das Bestimmteste, dass die „Knechte, die Propheten und die Heiligen“ durchaus nicht gerichtet, sondern vielmehr belohnt werden. –
6. „Und die Engel, die ihren ersten Zustand nicht bewahrten, sondern ihre eigene Behausung verließen, zum Gericht des großen Tages mit ewigen Ketten unter der Finsternis verwahrt hält“ (Jud 6).
Diese Stelle bezieht sich auf gefallene Engel und sagt nichts von einem allgemeinen Gericht aller Menschen. Jedoch ist es beachtenswert, dass auch hier, wie oben bereits erwähnt, der bestimmte Artikel fehlt und man die Stelle übersetzen kann: „Zum Gericht eines großen Tages.“
7. „Der Herr wird sein Volk richten“ (Heb 10,30). dieses scheint mit der Folgerung, dass die Kirche nicht ins Gericht komme, im Widerspruch zu stehen. Allein man bemerke hier, dass dieses eine aus 5. Mose 32 angeführte Stelle ist, die sich dort auf die Israeliten bezieht und hier an die hebräischen Bekenner, und nicht geradezu an die Kirche, als „Sein Volk“ betrachtet, gerichtet ist. Wir werden dieses beim Durchlesen des ganzen Verses bestätigt finden: „Denn wir kennen den, der gesagt hat: Mein ist die Rache; ich will vergelten, spricht der Herr. Und wiederum: Der Herr wird sein Volk richten.“ – Unmöglich wird behauptet werden, dass der Herr seiner Kirche in Rache begegnen werde. Aber wenn der erste Teil des Verses sich nicht auf die Kirche anwenden lässt, warum denn der letzte? Die Stelle scheint einen jüdischen Bekenner im Auge zu haben, der schließlich abfällt und unter das Gericht Gottes kommt. Wenn ein heidnischer Bekenner abfiele, so würde auch er in derselben Weise unter das Gericht Gottes kommen, wenn auch etliche wenige Worte in dieser Stelle (wie z. B.: „Sein Volk“) durch den Geist Gottes nicht gebraucht worden wären, wenn Er direkt an alle Bekenner geschrieben hatte, obwohl derselbe Grundsatz auf alle passt.
8. „Denn es ist die Zeit, dass das Gericht am Haus Gottes anfange“ (1. Pet 4,17).
Der Zusammenhang dieser Stelle Zeigt es augenscheinlich, dass sie sich durchaus nicht auf ein Endgericht, sondern auf ein Gericht in gegenwärtiger Zeit bezieht. „Es ist die Zeit.“ Der 12. Vers spricht von einer „Feuerprobe“ und fordert die Heiligen auf, dieselbe nicht als etwas Fremdes zu betrachten, insofern sie der Leiden des Christus teilhaftig seien, sich zu freuen. Dann werden sie, wenn geschmäht im Namen Christi, glückselig gepriesen. Sie sollen nicht als Übeltäter leiden und wenn als Christ, sich nicht schämen. „Denn es ist die Zeit, dass das Gericht am Haus Gottes anfange; wenn aber zuerst an uns, was wird das Ende derer sein, die dem Evangelium Gottes nicht glauben. Und wenn der Gerechte mit Not gerettet wird, wo will der Gottlose und Sünder erscheinen. Daher sollen auch die, welche nach dem Willen Gottes leiden usw.“ – Die Zeit war gekommen, als Gott es für notwendig fand, Leiden und Trübsal über sein Haus kommen zu lassen; aber dieses alles steht in keiner Beziehung mit einem zukünftigen Gericht der Heiligen.
9. „Gott muss richten den Gerechten und Gottlosen“ (Pred 3,17).
Diese aus dem Zusammenhangs gerissene Stelle bezeichnet durchaus kein zukünftiges Gericht, sondern das Verfahren Gottes mit den Heiligen und den Sündern während ihrer Lebenszeit. In der Tat, Gott richtet jetzt seine Heiligen. Er fordert uns auf, unsere Wege und Gesinnungen vor Ihm zu richten; aber wenn wir es versäumen, so tut Er es. „Denn wenn wir uns selbst beurteilten, so würden wir nicht gerichtet. Wenn wir aber gerichtet werden, so werden wir von dem Herrn gezüchtigt, auf dass wir nicht mit der Welt verdammt werden“ (1. Kor 11,31–32). dieses hat offenbar nichts mit einem zukünftigen Gericht zu schaffen – wir werden jetzt gerichtet, damit wir nicht mit der Welt verdammt werden. „So viele ich liebe, die überführe und züchtige ich. Sei denn eifrig und tue Buße!“ (Off 3,19)
In dieser Weise handelt Gott auch jetzt mit den Versammlungen. Wenn irgendeine derselben das Böse gestattet und es nicht richtet und hinweg tut, so übernimmt Gott das Gericht. So sagt Er zu den Ephesern: „Tue Buhe, und tue die ersten Werke! Wenn aber nicht, so komme ich dir bald; und ich werde deinen Leuchter weg tun aus seiner Stelle, wenn du nicht Buße tust“ (Off 2,5).
Wir schließen hiermit unsere Betrachtung. Noch etliche andere Stellen mögen diesen Gegenstand berühren; jedoch haben wir die vornehmsten derselben in Betracht gezogen. Es mögen noch Schwierigkeiten in Betreff des Einzelnen vorhanden sein; aber Schwierigkeiten vermögen nicht die klaren Bestimmungen der heiligen Schrift über den Haufen zu werfen. Wir mögen nicht alles verstehen; aber lasst uns festhalten an dem, was wir, als belehrt von Gott, bereits verstehen.
Fußnoten
- 1 Wir haben in diesem Aufsatz als bekannt vorausgesetzt, dass die gestorbenen Gerechten früher auferweckt werden, als die gestorbenen Gottlosen, dass die Ankunft Christi für seine Heiligen ganz verschieden ist von seinem Kommen auf die Erde mit seinen Heiligen, und dass die „Kirche“ nicht alle Heiligen einschließt, die je gelebt haben, oder je leben werden.
- 2 Es ist möglich, dass die Juden die Rückkehr in ihr Land beginnen, noch bevor die Kirche weggenommen ist.