Botschafter des Heils in Christo 1866
Das allgemeine Gericht und das Erscheinen der Heiligen vor dem Richterstuhl des Christus - Teil 1/2
Es gibt wohl kaum einen Gegenstand, der, obwohl er den Christen persönlich berührt, so wenig bekannt ist, als die Lehre über das allgemeine Endgericht und über das Erscheinen der Heiligen vor dem Richterstuhl Christi. Man gibt durchgehend der Annahme Raum, als ob alle Menschen eines Tages vor den Schranken Gottes erscheinen und dort zur Rechenschaft gezogen, und als ob die Heiligen und die Sünder zu einer und derselben Zeit gerichtet werden würden. Eine solche Annahme aber macht es zur Notwendigkeit, alle anderen Wahrheiten ihr anzupassen, oder, was häufiger der Fall ist, der Gegenstand selbst bleibt in einer unbestimmten Schwebe. „Wie kann ich, jetzt gerettet, später gerichtet werden?“ ist eine Frage, die bereits so oft erhoben, aber nimmer genügend beantwortet worden ist. Während auf der einen Seite behauptet wird, dass die völlige Rechtfertigung des Gläubigen erst nach dem Erscheinen vor dem Richterstuhl stattfinde, sucht man sich andererseits zu überreden, dass der Christ nichts mit dem Richterstuhl Christi zu schaffen habe.
Inmitten einer solchen Verwirrung ist es unsere Aufgabe, in Einfalt das, was Gott über diesen Gegenstand in seinem Wort offenbart hat, zu betrachten und daraus, unter der Leitung des Heiligen Geistes, Belehrung, Trost und vielleicht auch eine Warnung zu schöpfen.
Die gewöhnliche Anschauung betreffs eines „allgemeinen Gerichts“ fasst, wie bereits bemerkt, die Voraussetzung in sich, dass an irgendeinem zukünftigen Tage alle Menschen, die je gelebt haben oder noch leben werden – sowohl Gläubige als Ungläubige – zu gleicher Zeit vor den Thron Gottes gestellt werden würden, um dort gerichtlich ihr bestimmtes und entscheidendes Urteil zu empfangen. Wir haben uns nun die Frage vorzulegen: „Ist diese Auffassung in der Schrift gegründet?“ und im Verneinungsfalle: „Wie belehrt uns das Wort Gottes über diesen wichtigen und ernsten Gegenstand?“
Man hat es oft als genügend und entscheidend betrachtet, die Stelle anzusehen: „Es ist den Menschen gesetzt, einmal zu sterben, danach aber das Gericht“ (Heb 9,27). Wir ersehen daraus allerdings die Bestimmungen von Seiten Gottes, dass das „Gericht“ auf den „Tod“ folgt; allein wir haben zu untersuchen, ob es irgendeine Ausnahme von dieser allgemeinen Bestimmung gibt; oder ob dieselbe eine unumschränkte Anwendung findet. Diese Stelle im Hebräerbrief, obgleich oft wie oben angeführt, ist nur ein Teil des Gedankens. Im Zusammenhang heißt sie: „Und gleich wie es den Menschen gesetzt ist. Einmal zu sterben, danach aber das Gericht, also wird auch der Christus, Einmal geopfert, um vieler Sünden zu tragen, zum zweiten Male ohne Sünde erscheinen denen, die Ihn erwarten, zur Seligkeit.“ Die beiden Wörtchen „gleich wie“ und „also“ drücken einen Vergleich aus. Gleichwie es das Los ist, „Einmal zu sterben“, so gibt es Ausnahmen gegenüber denen, welchen „Christus zum zweiten Male ohne Sünde zur Seligkeit erscheint?“ Den einen wird Er in Gericht, den anderen ohne Sünde zur Seligkeit erscheinen, indem die Erscheinung in „Gericht“, derjenigen „ohne Sünde“ und „zur Seligkeit“ geradezu gegenübergestellt ist.
Prüfen wir indessen den Gegenstand etwas näher. Es war sicher die Bestimmung, dass der sündige Mensch sterben sollte. „Der Lohn der Sünde ist Tod“ (Röm 6,23). – „Der Tod ist zu allen Menschen durchgedrungen“ (Röm 5,12). – „Es ist dem Menschen gesetzt. Einmal zu sterben.“ – Nichtsdestoweniger zeigen andere Stellen es deutlich, dass es Ausnahmen gibt. So lesen wir z. B. dass Elias nicht starb, sondern in einem Wagen gen Himmel fuhr (2. Kön 2,11). Ebenso lesen wir: „Wir werden nicht alle entschlafen“ (1. Kor 15,51). Und wiederum: „Wir, die noch übrig gebliebenen Lebenden werden in Wolken dem Herrn entgegen gerückt werden“ (1. Thes 4,17). Auch wird Christus als Richter der „Lebendigen“ (d. h. Derer, die zurzeit des Gerichts nicht gestorben sein werden) und der „Toten“ bezeichnet. Und diese Stellen setzen ebenso klar die Ausnahme hinsichtlich des Todes fest, als andere Stellen die Bestimmung aller Menschen hervorheben. 1
Zu Gunsten dieser Ausnahme bezüglich des Gerichts sprechen vor allem die Worte Jesu, wenn Er sagt: „Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, hat das ewige Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern er ist aus dem Tod in das Leben hinübergegangen“ (Joh 5,24). Und wer fände hier die Tatsache, dass der Gläubige „nicht ins Gericht“ kommt, nicht ebenso bestimmt hervorgehoben, als in der vorher angeführten Stelle des Hebräerbriefes die allgemeine Bestimmung, dass auf den Tod das Gericht folgt? Auch in Johannes 5,29 wird dasselbe bestätigt. Dort lesen wir, dass alle auferstehen werden. „Es werden hervorkommen, die das Gute getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber das Böse getan haben, zur Auferstehung des Gerichts.“ Das fasst klar in sich, dass der gerechte Tote nicht ins Gericht kommen wird.
Wir haben also unseren Gegenstand, bezüglich der Gläubigen und bezüglich der Welt, von zwei Seiten zu betrachten. Der Gläubige sollte, da er sieht, dass er nicht ins Gericht kommt, über diesen wichtigen Gegenstand nicht hinweggehen; denn andere Stellen betreffs des Richterstuhls Christi, die wir hernach zu betrachten gedenken, werden schon seine ernste Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. Unsere nächste Frage ist.– Gibt es, wenn wir die Gläubigen ganz außer Acht lassen, für alle anderen Menschen nur ein einiges allgemeines Gericht? – Zwei Stellen im Wort Gottes – die eine in Matthäus 25, die andere in Offenbarung 20 – behandeln diesen Gegenstand. Wir wollen sie hier neben einander stellen und untersuchen, worin sie voneinander abweichen. Matthäus 25
1.: „Der Sohn des Menschen kommt in seiner Herrlichkeit und alle heiligen Engel mit Ihm.“ – (Wohin kommt Er? Augenscheinlich auf die Erde, wie aus dem Folgenden hervorgeht)
2.: „Vor Ihm werden versammelt werden alle Nationen.“ – (Die Toten finden hier keine Erwähnung)
3.: „Und er wird sie voneinander scheiden, gleich wie der Hirte die Schafe scheidet von den Böcken usw.“ – (Hier sind zwei Klassen. Die Schafe gehen in die Herrlichkeit, die Böcke in die Verdammnis.)
4.: „Dann wird er auch sagen zu denen zu seiner Linken: Geht von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer ..., denn ich hungerte, und ihr gabt mir nichts zu essen usw“ (Hier findet die Verdammnis wegen der Behandlung statt, welche Christus, als in seinem Volk dargestellt, zuteil wurde, während ihrer allgemeinen Sünden keine Erwähnung geschieht.). Offenbarung 20
1.: „Und ich sah einen weißen, großen Thron und den, der darauf saß, vor dessen Angesicht die Erde entfloh und der Himmel; und keine Stätte ward für sie gefunden.“
2.: „Und ich sah die Toten, Geringe und Große, vor dem Thron stehen.“ – (Die Lebendigen werden hier nicht erwähnt)
3.: „Und wenn jemand nicht in dem Buch des Lebens geschrieben gefunden wurde, so wurde er in den Feuersee geworfen.“ – (Hier sieht man nur verlorene.)
4.: „Und die Bücher werden aufgetan. Und ein anderes Buch wurde aufgetan, welches das des Lebens ist. Und die Toten wurden nach dem gerichtet, was in den Büchern geschrieben war, nach ihren Werken.“ – (Hier werden sie gerichtet nach ihren allgemeinen Sünden, und ihre Behandlung betreffs Christi findet keine Erwähnung.) Man beachte hier, dass nach der einen dieser Stellen das Gericht stattfindet, wenn Christus auf die Erde kommt, während nach der anderen die Erde entflieht, dass ferner hier die nur lebenden Nationen gerichtet werden und der Toten keine Erwähnung geschieht, während dort nur von den Toten und nicht von den Lebenden die Rede ist, dass in dieser Stelle sowohl der Verlorenen, als auch der Geretteten, während in jener nur der Verlorenen gedacht wird, und dass endlich, nach der einen dieser Stellen das Gericht der Verlorenen wegen der Behandlung Christi in seinen Brüdern, und nach der anderen wegen ihrer Sünden überhaupt Platz greift. – dieser Vergleich zeigt augenscheinlich, dass diese beiden Stellen nicht auf ein und dasselbe Ereignis Bezug haben. Wir gedenken später auf den besonderen Platz und Charakter eines jeden dieser Ereignisse zurückzukommen. Beachten wir für jetzt nur, dass die Schrift es klar hinstellt 1, dass die Kirche (d. i. die wahren Gläubigen) nicht ins Gericht kommt, und dass 2, die Bösen nicht alle zu gleicher Zeit gerichtet werden. Es kann daher, wie dieses so oft gedacht und ausgesprochen wird, kein allgemeines Gericht stattfinden.
Richten wir nun unsere Blicke auf das, was in der heiligen Schrift offenbart ist; und gewiss wir werden es äußerst wichtig finden, den großen, in Gottes Worte geweissagten Ereignissen nachzuforschen, und im Stande sein, alles an seinen rechten Platz zu stellen und besser zu verstehen.
In erster Reihe betrachten wir die Kirche vor dem Richterstuhl Christi. Wir erwarten jetzt die Rückkehr unseres Herrn in einen: Augenblicke. „Ja, ich komme bald!“ (Off 22,20) – „Der Herr selbst wird mit gebietendem Zuruf, mit der Stimme des Erzengels und mit der Posaune Gottes herniederkommen vom Himmel; und die Toten in Christus werden zuerst auferstehen. Danach werden wir, die übrig gebliebenen Lebenden, Zugleich mit ihnen in Wolken dem Herrn entgegen gerückt werden in die Luft und also allezeit bei dem Herrn sein“ (1. Thes 4,10.17). – Dann folgt der Richterstuhl Christi für die Kirche. Wir haben bereits gesehen, dass der Gläubige nicht in das so genannte Gericht kommt; und es ist ebenso klar, dass seine Rettung vollkommen und unbestreitbar ist.
„Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, hat das ewige Leben“ (Joh 5,24). – „So ist denn nun keine Verdammnis für die, welche in Christus Jesus sind“ (Röm 8,1). – „Welche Er aber zuvor bestimmt hat, diese hat Er auch berufen; und welche Er berufen Hut, diese hat er auch gerechtfertigt, welche Er aber gerechtfertigt hat, diese hat Er auch verherrlicht“ (Röm 8,30). – „Wenn aber Kinder, so auch Erben – Erben Gottes und Miterben Christi“ (Röm 8,17). – „Er hat uns mit dem Christus lebendig gemacht ... und hat uns mit auferweckt und mitsitzen lassen in den himmlischen Örtern in Christus Jesus“ (Eph 2,5 6). – „Christus war einmal geopfert, vieler Sünden zu tragen“ (Heb 9,28). – „Wie Er ist, sind auch wir in dieser Welt“ (1. Joh 4,17). – „Dem, der uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat in seinem Blut“ (Off 1,5).
Wie aber kann jemand, von dem so herrliche Dinge gesagt werden, vor die Schranken des Gerichts geführt werden, um erst hier seine Errettung zu erfahren? Oder wie können seine Sünden, die getragen sind, um derentwillen gelitten und Blut vergossen ist, und welche ewig abgewaschen sind, noch gegen ihn an einem Gerichtstag geltend gemacht werden? Wie bereits erwähnt, sagt Gott: „Wer da glaubt, kommt nicht ins Gericht;“ und: „Wer wird wider die Auserwählten Gottes Anklage erheben? Gott ist es, welcher rechtfertigt, wer ist, der verdamme? Christus ist es, der gestorben, ja noch mehr, der auch auferstanden ist“ (Röm 8,33–34).
Nichtsdestoweniger aber lesen wir in 2. Korinther 5,10: „Wir werden alle vor dem Richterstuhl Christi dargestellt werden. – Keineswegs wird also der Gläubige davon ausgeschlossen sein. Wenn ich vor dem Richterstuhl dargestellt werde, so wohne ich demselben nicht bloß bei, wie dieses ein Freund des Richters tun könnte, sondern hier wird dasselbe ausgedrückt, wie in Apostelgeschichte 27,24, wo wir lesen: „Fürchte dich nicht, Paulus, du musst vor den Kaiser gestellt werden.“ „Richterstuhl“ ist hier derselbe Ausdruck, wie „Thron“ in Apostelgeschichte 12,21 und wie „Richterstuhl“ in Apostelgeschichte 18,16–18 und bedeutet einen erhöhten oder erhabenen Sitz für einen Richter oder König. Wenn wir nun noch in 2. Korinther 5,10 lesen: „Wir müssen alle vor dem Richterstuhl des Christus offenbart werden, auf dass ein jeglicher empfange, was er durch den Leib getan, nachdem er gehandelt hat, es sei gut oder böse“, so drückt auch hier das „Wir“ unbestreitbar aus, dass der Gläubige vor dem Richterstuhl erscheinen muss, um dort offenbart zu werden, und zwar mit der ausdrücklichen Beifügung: „Auf dass ein jeglicher empfange, was er durch den Leib getan, nachdem er gehandelt hat, es sei gut oder böse.“ – Unsere Frage wird daher sein: Was hat dieses für eine Bedeutung bezüglich derer, die bereits gerettet sind?
Wir dürfen nicht aus dem Auge verlieren, dass, wenn der Apostel hier von dem Offenbarwerden aller spricht, dieses für uns gleichsam ein Beweggrund ist, um dessentwillen wir im Werk des Herrn eifrig sein sollten; denn er sagt: „Darum beeifern wir uns auch, ob einheimisch oder ausheimisch, Ihm wohlgefällig zu sein; denn wir müssen usw.“ Es handelt sich also in Betreff unserer um den Dienst. Wir werden, um Gott wohlgefällig zu sein, zum Eifer ermahnt, weil wir vor dem Richterstuhl Christi offenbart werden müssen. Was aber bedeuten die Worte: „Auf dass ein jeglicher empfange, was er durch den Leib getan, nachdem er gehandelt hat, es sei gut oder böse?“
Untersuchen wir, ob nicht irgendeine andere Schriftstelle uns über diese Frage Licht verschafft. In Bezug auf den Dienst sagt der Heilige Geist im Brief des Paulus an die Kolosser: „Und alles, was ihr irgend tut, arbeitet von Herzen, als dem Herrn und nicht den Menschen, da ihr wisst, dass ihr vom Herrn empfangen werdet die Vergeltung des Erbes; denn ihr dient dem Herrn Christus. Wer aber Unrecht tut, wird empfangen das Unrecht, das er getan hat; und da ist kein Ansehen der Person“ (Kol 3,23–25). – Ferner lesen wir in Epheser 6,7–8: „Die mit Gutwilligkeit dienen als dem Herrn und nicht den Menschen, da sie wissen, dass, was ein jeglicher irgend Gutes getan haben wird, er dieses vom Herrn empfangen wird, er sei Knecht oder Freier.“ – Hier steht also das „Empfangen“ wiederum mit dem Dienst in Verbindung; und so gibt es eine Menge Stellen, die in Beziehung auf den Dienst Gottes von Belohnung reden, wie unter anderen folgende:
„Denn wer irgend euch mit einem Becher kalten Wassers tränken wird, um des Namens willen, weil ihr Christi seid, wahrlich, ich sage euch, er wird seinen Lohn nicht verlieren“ (Mk 9,41). – „Tut Gutes ... und euer Lohn wird groß sein“ (Lk 6,35). – „Denn Gott ist nicht ungerecht, zu vergessen eures Werkes und der Liebe“ (Heb 6,10).
Augenscheinlich hat dieses alles nichts mit unserer Errettung zu schaffen aber als Gerettete sind wir alle Gottes Diener; und Er will unseres armseligen, dürftigen Dienstes nicht vergessen, sondern, uns belohnen. Die Ausdrücke, womit Er diese Belohnungen bezeichnet, sind verschieden; er nennt sie „groß“, „voll“, „den Lohn des Erbes“, „die Freude des Herrn“, „eine Krone“ usw. Wir werden vor dem Richterstuhl Christi offenbart, um unseren Lohn zu empfangen. Werke, im Verborgenen verrichtet, sollen öffentlich belohnt werden. Unsere Brüder mögen uns missverstanden, und getadelt haben – dann aber wird alles in Ordnung gebracht werden, und wie wir jetzt Gott völlig offenbar sind, werden wir es dann auch untereinander sein. Alle Selbstsucht und aller Neid wird dort verbannt, und wir werden fähig sein, uns von Herzen über die Segnungen zu erfreuen, die ein anderer empfängt. Mögen der Schreiber und der Leser dieser Zeilen an jenem Tag einen vollen Lohn empfangen!
Wie aber steht es um das Gegenteil? Darüber wird in der Schrift nicht so viel gesagt; jedoch hören wir die Ermahnung. „Habt Acht, dass ihr nicht euer Almosen gebt vor den Menschen, um von ihnen gesehen zu werden; wenn aber nicht, so habt ihr keinen Lohn bei eurem Vater, der in den Himmeln ist“ (Mt 6,1). – „Das Werk eines jeglichen wird offenbar werden; denn der Tag wird es klarmachen, weil er in Feuer offenbart wird; und das Feuer wird bewähren, welcherlei das Wert eines jeglichen ist. Wenn das Werk jemandes bleiben wird, das er darauf gebaut hat, so wird er Lohn empfangen; wenn das Werk jemandes verbrennen wird, so wird er Schaden leiden; er wird aber gerettet werden, doch also, wie durch Feuer“ (1. Kor 3,13–15). – „Niemand bringe auch um den Kampfpreis, eigenwillig in Niedriggesinntheit und Dienst der Engel eintretend usw“ (Kol 2,18). – „Halte fest, was du hast, damit niemand deine Krone nehme“ (Off 3,11).
Man sieht deutlich, dass sich diese Stellen auf einen Gläubigen beziehen, der seine Belohnung einbüßt; und während wir in 2. Korinther 5,10 lesen, dass ein jeglicher empfängt, nachdem er – es sei gut oder böse – gehandelt hat, finden wir, sobald es sich um die Kirche handelt, dass nimmer van der Belohnung des einen und von der Bestrafung des anderen die Rede ist, sondern dass der Eine eine Belohnung empfangen und der anderen Schaden leiden oder seine Belohnung einbüßen wird. Wenn wir also unsere Werke aus einem falschen Beweggrund verrichten, wenn wir auf den Grund (Jesus Christus) Holz, Heu und Stroh bauen 2, wenn wir uns von der Einfalt Christi zu den armseligen Elementen einer menschlichen Religion hinwenden, – dann werden wir die Belohnung verlieren, die uns zuteilwerden sollte.
Das ist ein ernster Gedanke für die Heiligen Gottes, – ein Gedanke, der sich nicht bloß auf Verkündiger des Evangeliums und begabte Personen beschränkt, sondern auf Alls Bezug hat. Die Worte sind sehr deutlich: „Wir müssen alle“ – ein „jeglicher“ – eines „jeglichen Werk“, usw. – alle müssen offenbart werden vor dem Richterstuhl Christi. Dort werden wir erkennen, was uns gehindert hat und welches Ziel wir verfehlt haben. O möchten wir doch jetzt Weisheit genug besitzen, alle Dinge, damit wir unseren Lohn nicht verlieren, in ihrem wahren Werte und im Lichts zu erkennen!
Indessen mögen einige denken, dass dieses „Schadenleiden“ auf einen Tadel hinauslaufe, und eine Schwierigkeit fühlen in der Annahme. Allein die Stelle spricht von keinem Verweis. Wir wissen, welch ein Blick voll Liebe und Gnade der Herr, auf den Petrus warf, als dieser Ihn verleugnet hatte, und sicher wird ein Blick dieses Hochgelobten jedes Herz schmelzen und jedes Ding in denen, welche ihrem Herrn untreu waren, an seinen rechten Platz bringen. Und wer von uns war stets treu? Aber die Schrift sagt, dass sie Schaden leiden werden; und sie spricht von etlichen, die wie durch Feuer gerettet werden, als ob sie von Holz, Heu und Stroh so umgeben seien, dass sie beim Erproben des Werkes durch Feuer jedenfalls verzehrt werden würden, wenn sie nicht aus dem Feuer herausgerissen wären.
Andere haben angenommen, dass der Tod Christi, als das vollkommene Opfer für die Sünde, uns auch als Diener von allen Folgen unserer Mängel im Dienst befreit habe, das; der Christ in Christus verborgen sei, und darum ein Fehler in: Dienst ebenso wenig wider uns auftreten könne, als irgendeine begangene Sünde, und dass daher jede Furcht, als ob wir als Diener Rechenschaft ablegen mühten, töricht sei, da, selbst im Fall der Forderung einer solchen Rechenschaft, das Blut Christi alles beantworten und vor einem Schaden sicheren würde.
Aber – spricht die Schrift in dieser Weise? Es ist, wie wir bereits gesehen, völlig wahr, dass der Gerettete für ewig gerettet ist, dass weder er ins Gericht komme, noch seine Sünden, die alle durch Christus getragen sind, gerichtet werden. Aber das Wort Gottes sagt auch, dass er offenbart werden wird vor dem Richterstuhl Christi, dass seine Werke offenbar gemacht und im Feuer erprobt werden, und dass, wenn diese seine Werke bleiben, er Lohn empfangen, wenn sie aber vom Feuer verzehrt werden, er Schaden leiden wird, während er selbst, was seine Person betrifft, Rettung findet, jedoch also, wie durch Feuer (1. Kor 3,13–15). das ist die Lehre der heiligen Schrift; und während der Heilige Geist uns einerseits völlig versichert, dass unsere ewige Errettung unumstößlich ist, so belehrt Er uns auch andererseits, dass wir unsere Belohnung verlieren werden, wenn unsere christliche Arbeit nicht die Probe aushalten wird. Möge der Herr dieses allen unseren Herzen tief einprägen!
Noch andere könnten sich vielleicht zu dem Einwand veranlasst fühlen, dass dergleichen nicht im Himmel stattfinden könne, und dass die Heiligen, wenn gestorben, dort ihren Platz finden.
Die Seelen der entschlafenen Heiligen gehen ins Paradies, während ihre Leiber sich in den Gräbern befinden. Beim Kommen des Herrn aber werden ihre Leiber in „Herrlichkeit wieder auferweckt“ und durch ihre Seelen bewohnt sein; und also dem Herrn in die Luft entgegengerückt, findet ihr Offenbarwerden vor dem Richterstuhl Christi vielleicht in der Luft statt. Obwohl freilich der Ort, wo dieses geschehen soll, nicht in bestimmter Weise offenbart ist, so sagt doch Christus in Offenbarung 22,12: „Ich komme bald und mein Lohn mit nur;“ und in Lukas 14,14 lesen wir: „Es wird dir vergolten werden in der Auferstehung der Gerechten“, während Paulus sagt: „Fortan ist mir beigelegt die Krone der Gerechtigkeit, die mir der Herr, der gerechte Richter, zur Vergeltung geben wird an jenem Tag; nicht aber mir allein, sondern allen, die seine Erscheinung lieben“ (2. Tim 4,8). (Schluss folgt)
Fußnoten
- 1 Ist es nicht seltsam, dass angesichts dieser angeführten Stellen, fast die meisten Prediger in ihren Vorträgen beständig versichern, dass alle Menschen ohne Ausnahme sterben würden? Allerdings geschieht es in der guten Absicht, um den Zuhörern die Wichtigkeit des Glaubens an das Evangelium ans Herz zu legen. Allein ist es immer nicht besser und sicherer, sich, was auch der Beweggrund sein mag, an den Worten der Schrift zu halten? „Wir werden nicht alle entschlafen.“ Und ist es nicht ein weit schrecklicherer Gedanke, dass etliche in ihren Sünden und Vergehungen fortschreiten und, ohne vorher zu sterben, gerichtet und in die Verdammnis geschickt werden, als derjenige, dass alle sterben, und Jahrhunderte hindurch in ihren Gräbern liegen – eine Erscheinung, die allerdings bezüglich der großen Masse der Gottlosen stattfinden wird? Christus wird kommen, um sowohl Lebendige als Tote zu richten.
- 2 Ganz besonders bezieht sich dieses auf das Werk des Predigers des Evangeliums. Wenn Seelen wirtlich bekehrt sind, so werden sie an jenem Tag, wie Paulus im 2. Korinther 1,14 sagt, der „Ruhm“ des Evangelisten sein; wenn sie hingegen nicht bekehrt sind, so wird das Werk verbrennen, und sie werden selbstredend nicht –den Ruhm des Evangelisten bilden.