Botschafter des Heils in Christo 1866

Das ungleiche Joch - Teil 1/2

Wer irgendwie in sich oder in andere eine reinere und erhabenere Jüngerschaft zu erwecken wünscht, der kann unmöglich auf die Christenheit des heutigen Tages seinen Blick richten, ohne mit einem unbeschreiblichen Gefühle von Trauer und Niedergeschlagenheit erfüllt zu sein. Ihre Sprache ist so außergewöhnlich, ihr Aussehen so trank und ihr Geist so geschwächt, dass man zu Zeiten verflicht ist, an allem zu verzweifeln, welches einem treuen und wahren Zeugnis für den abwesenden Herrn ähnlich ist. Dieses aber ist umso verklagenswerter, wenn wir uns der Achtung gebietenden Beweggründe erinnern, durch welche in Tätigkeit gesetzt zu sein unser besonderes Vorrecht ist. Wenn wir auf den Herrn, dem wir folgen, oder auf den Pfad, den wir betreten, oder auf das Ende, welches wir im Auge zu behalten haben, oder auf die Hoffnungen, von welchen wir beseelt sind, unsere Blicke richten, so können wir nur anerkennen, dass, wäre dieses alles aufgenommen und verwirklicht durch einen einfältigeren Glauben, wir eine weit kräftigere Nachfolge an den Tag legen würden. „Die Liebe Christi dringt uns“, sagt der Apostel. Das ist die mächtigste Triebfeder von allen. Je mehr das Herz mit der Liebe Christi erfüllt, und je mehr das Auge auf seine gesegnete Person geheftet ist, desto treuer werden wir seiner Bahn zu folgen suchen. Nur ein einfältiges Auge vermag seine Fußstapfen zu entdecken, und wenn nicht der eigene Wille gebrochen, das Fleisch gekreuzigt und der Leib im Zaum gehalten ist, so werden wir zu einer treuen Nachfolge unfähig sein und Schiffbruch leiden am Glauben und an einem guten Gewissen.

Möge mich indessen der Leser nicht missverstehen. Hier handelt es sich keineswegs um persönliche Errettung, sondern um eine ganz andere Sache. Nichts zeigt einen niedrigeren Grad von Selbstsucht, als, – nachdem man der Errettung, als der Frucht der Angst und der blutigen Schweißtropfen Christi, teilhaftig geworden ist – sein Kreuz und Leiden soweit von seiner geheiligten Person zu trennen, als wir, ohne unser persönliches Heil zu verscherzen, es nur eben vermögen. Dieses zeigt schon nach natürlicher Beurteilung einen Charakter von Selbstsucht, der der entschiedensten Verachtung würdig ist, für dessen moralische Niederträchtigkeit aber die Sprache keinen Ausdruck hat, wenn derselbe von jemandem zur Schau getragen wird, der nach seinem Bekenntnis sein gegenwärtiges und ewiges Heil einem verworfenen, gekreuzigten, auferstandenen und jetzt anwesenden Herrn verdankt. Geliebter Leser! Was würdest du denken, wenn jemand sagte: „Wenn ich nur dem höllischen Feuer entrinne, dann kümmert mich wenig die Nachfolge?“ Würdest du solche Gefühle nicht in deiner innersten Seele verabscheuen? Dann aber suche ihnen mit Ernst zu entfliehen und eile hin zu dem ganz entgegen gesetzten Punkte des Kompasses, um in Wahrheit sagen zu können: „Wenn nur der gesegnete Herr verherrlicht wird, dann kümmert mich verhältnismäßig wenig meine persönliche Sicherheit.“ Wollte Gott, dass dieses der aufrichtige Ausdruck vieler Herzen in unseren Tagen sei, wo es leider nur zu wahr ist, dass „Alle das ihre suchen, nicht das, was Christi Jesu ist“ (Phil 2,21). Möchte doch der Heilige Geist eine Schar abgesonderter und geweihter Nachfolger des Lammes durch seine unwiderstehliche Macht erwecken und sie durch seine himmlische Energie vorwärtstreiben – eine Schar, deren jedes einzelne Glied durch die Fesseln der Liebe gebunden ist an die Hörner des Altars, und die, gleich jenen Dreihunderten Gideons vor Alters, fähig sind, auf Gott zu vertrauen und das Fleisch zu verleugnen. O, wie verlangt das Herz danach! Wie begierig sehnt sich, oft gebeugt unter dem schaudernden und verwelkenden Einfluss eines kalten und kraftlosen Bekenntnisses, der Geist nach einem mehr kräftigen und vollen Zeugnis für Ihn, der sich selbst entäußerte und seine Herrlichkeit bei Seite setzte, damit wir durch sein kostbares Blutvergießen zu Mitgenossen einer ewigen Segnung erhoben werden sollten.

Unter den unzähligen Hindernissen, die der gänzlichen Übergabe des Herzens an Christus im Weg stehen, nimmt das „ungleiche Joch“ meistens einen äußerst hervorragenden Platz ein. „Seid nicht in einem ungleichen Joch mit den Ungläubigen! Denn welche Genossenschaft hat Gerechtigkeit mit Gesetzlosigkeit? Und welche Gemeinschaft Licht mit Finsternis? Und welche Übereinstimmung Christus mit Belial? Oder welches Teil der Gläubige mit dem Ungläubigen? Und welchen Zusammenhang der Tempel Gottes mit Götzenbildern? Denn ihr seid der Tempel des lebendigen Gottes, wie Gott gesagt hat: ‚Ich will unter ihnen wohnen und wandeln, und ich werde ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein. Darum geht aus ihrer Mitte und sondert euch ab, spricht der Herr, und rührt nicht Unreines an; und ich werde euch aufnehmen; und ich werde euch zum Vater sein; und ihr werdet mir zu Söhnen und Töchtern sein, spricht der Herr, der Allmächtige.‘“ (2. Kor 6,15–18) Unter der mosaischen Haushaltung lernen wir denselben moralischen Grundsatz. „Du sollst deinen Weinberg nicht mit mancherlei besäen, dass du nicht heiligst die Fülle solchen Samens, den du gesät hast neben den Ertrag des Weinbergs. Du sollst nicht ackern Zugleich mit einem Ochsen und Esel. Du sollst nicht anziehen ein Kleid von Wolle und Leinen Zugleich gemengt“ (5. Mo 22,9–11; 3. Mo 19,19). Diese Schriftstellen werden genügen, uns das moralische Böse eines ungleichen Jochs vor Augen zu stellen. Es kann mit Bestimmtheit behauptet werden, dass niemand ein ungefesselter Nachfolger Christi sein kann, der in irgendeiner Weise in ein ungleiches Joch gespannt ist. Er mag ein Erlöster, ein wahres Kind Gottes, ein aufrichtiger Gläubiger sein; aber er kann nicht nur kein völliger Jünger sein, sondern es existiert auch ein bestimmtes Hindernis zur Offenbarung dessen, was er wirklich ist trotz seines ungleichen Jochs. „Geht aus ... und ich werde euch aufnehmen ... und ihr werdet mir zu Söhnen und Töchtern sein, spricht der Herr, der Allmächtige.“ Der hier vorgestellte Gedanke ist verschieden von demjenigen, den wir in folgenden Stellen finden: „Nach seinem eigenen Willen hat Er uns gezeugt durch das Wort der Wahrheit“ (Jak 1,18). – „Die ihr nicht wieder geboren seid aus verweslichem, sondern aus unverweslichem Samen, durch das lebendige und bleibende Wort Gottes“ (1. Pet 1,23). – „Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater gegeben, dass wir sollen Gottes Kinder heißen“ (1. Joh 3,1). – „So viele Ihn aber annahmen, Denen gab Er das Recht, Kinder Gottes zu werden. Denen, die an seinen Namen glauben, welche nicht aus Geblüt, noch aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind“ (Joh 1,12–13). in all diesen Stellen ist das Kindesverhältnis auf den Ratschluss und die Wirksamkeit Gottes gegründet und uns nicht als Folge irgendeiner Handlung von unserer Seite vor Augen gestellt, während uns in 2. Korinther 6 dieses Verhältnis als das Resultat unseres Ausgehens aus ungleichem Joch bezeichnet wird. Es ist hier, mit einem Wort, eine ganz praktische Frage. So lesen wir in Matthäus 5: „Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde; segnet die euch fluchen; tut wohl denen, die euch hassen, und betet für die, die euch beeinträchtigen und verfolgen, auf dass ihr Söhne eures Vaters seid, der in den Himmeln ist; denn er lasst seine Sonne aufgehen über Böse und Gute, und lasst regnen auf Gerechte und Ungerechte.“ Auch hier findet sich der praktische Grund und die öffentliche Ankündigung des Verhältnisses, sowie dessen moralischen Einfluss. Die Söhne eines solchen Vaters werden in dieser Weise handeln. Kurz, wir finden einerseits die Stellung oder das Verhältnis als Söhne auf das unumschränkte Wollen und Wirken Gottes gegründet, und wir sehen andererseits den diesem Verhältnis entspringenden, moralischen Charakter, welcher Gott zur Anerkennung desselben gerechten Grund gibt. Gott kann nicht völlig und öffentlich diejenigen anerkennen, welche in einem ungleichen Joch mit Ungläubigen sind; denn dieses würde eine Anerkennung des ungleichen Jochs selbst sein. Wie könnte Er „Finsternis“, „Gesetzlosigkeit“, „Belial“, „Ungläubige“ und „Götzenbilder“ anerkennen? Wenn ich mich daher mit etwas dieser Art zusammenjoche, so habe ich mich moralisch und öffentlich mit demselben und nicht in allem mit Gott eins gemacht. Ich habe mich in eine Stellung gesetzt, die Gott nicht anerkennen kann; und folglich kann Er auch mich nicht anerkennen. Wenn ich mich hingegen aus einer solchen Stellung herausreiße, wenn ich „ausgehe und mich absondere“, wenn ich meinen Nacken aus dem ungleichen Joch herausreiße, dann, aber auch nur dann kann ich öffentlich und völlig anerkannt werden als „Sohn oder als Tochter des Herrn, des Allmächtigen.“ Das ist ein ernster und beachtenswerter Grundsatz für alle, welche fühlen, dass sie sich mutwillig in ein solches Joch begeben haben. Sie wandeln nicht als Jünger, noch befinden sie sich öffentlich oder moralisch in der Stellung als Söhne. Gott kann sie nicht anerkennen. Ihr verborgenes Verwandtschaftsverhältnis bildet nicht die Spitze; sie haben selbst den ihnen von Gott angewiesenen Boden verlassen. Sie haben törichter Weise ihren Hals zwischen ein Joch gepresst, welches, da es nicht das Joch Christi ist, das Joch Belials sein muss; und solange sie sich nicht von diesem Joch losreißen, kann Gott sie nicht öffentlich als seine Söhne und Töchter anerkennen. Ohne Zweifel ist die Gnade Gottes unendlich und kann uns in all unseren Mängeln und Gebrechen begegnen; aber wenn unsere Seele nach einer höheren Art von Jüngerschaft strebt, so müssen wir einmal, es koste, was es wolle, das ungleiche Joch abstreifen, oder, wenn dieses nicht möglich ist, unser Haupt unter die Schande und Trauer desselben beugen, von Gott eine völlige Befreiung erwartend.

Indes gibt es vier verschiedene Seiten, von welchen das „ungleiche Joch“ betrachtet werden kann. Es gibt ein Familien–, ein Handels–, ein Religionsjoch und ein Joch allgemeiner Menschenliebe. Einige mögen geneigt sein, das in 2. Korinther 6 bezeichnete Joch in die erste Rubrik zu verweisen; aber der Apostel macht solche Einschränkungen nicht. Er sagt nur: „Zieht nicht am ungleichen Joch mit den Ungläubigen;“ er bezeichnet nicht näher den Charakter oder den Gegenstand des Jochs, und daher sind wir berechtigt, dieser Stelle ihre weiteste Anwendung zu lassen, indem mir ihre Schärfe direkt auf jede Art eines ungleichen Jochs richten; und wir werden die Wichtigkeit, also zu handeln, erkennen, noch bevor wir, wenn es der Herr erlaubt, diese Betrachtungen schließen.

1. Wir betrachten also zunächst das Familien– oder Ehe–Joch. Welche Feder vermag die Seelenangst, das moralische Elend, verbunden mit den verderblichen Folgen, zu schildern, welche für das geistliche Leben und Zeugnis aus der Heirat eines Christen mit einer unbekehrten Person hervorstießen? Mir scheint nichts beklagenswerter zu sein, als der Zustand von jemandem, welcher, wenn es zu spät ist, die Entdeckung macht, dass er sich für sein ganzes Leben mit einer Person verbunden hat, welche nicht einen einzigen seiner Gedanken und Gefühle mit ihm teilen kann. Der eine Teil der Ehe wünscht Christus, der andere vermag nur dem Teufel zu dienen; der eine Teil sehnt sich nach den Dingen Gottes, der andere seufzt nach den Dingen der gegenwärtigen Welt; der eine Teil trachtet mit Ernst, das Fleisch mit allen seinen Lüsten und Begierden zu kreuzigen, der andere sucht die Befriedigung derselben Dinge. Wollte man ein Schaf und eine Ziege an einander fesseln, so würde das Schaf nach dem Futter der grünen Weide im Feld verlangen, während hingegen die Ziege nach Brombeersträuchern sucht, die am Graben wachsen, und folglich müssten beide Hungers sterben. Die Ziege will nicht auf der Weide grasen, und das Schaf kann nicht an den Brombeersträuchern nagen; und also erlangt keines der beiden Tiere, was seine Natur gebieterisch fordert, es sei denn, dass es durch größere Stärke der Ziege gelingt, das in ein ungleiches Joch gespannte Schaf zu zwingen, unter den Brombeersträuchern zu verharren und dort zu verschmachten und zu sterben. Ein jeder wird den Sinn dieses Bildes verstehen; es zeigt uns leider eine nur zu gewöhnliche Erscheinung. Der Ziege glückt es meistens, ihre Absicht zu erreichen. Der weltliche Gefährte setzt bei fast jeder Gelegenheit seine Sache durch. Man wird beinahe ohne Ausnahme finden, dass in Fällen eines ungleichen Ehejoches der arme Christ der Nachgebende ist, welches durch die bitteren Früchte eines bösen Gewissens, eines niedergedrückten Herzens, eines traurigen Geistes und eines verzagenden Gemüts bezeugt wird. In der Tat ein hoher Preis für den Genuss einer natürlichen Zuneigung, oder für die Erreichung irgendeines armseligen, weltlichen Vorteils! Wirklich, eine Heirat von dieser Art ist das Totengeläute des praktischen Christentums und des Fortschritts im göttlichen Leben. Es ist moralisch unmöglich, dass irgendjemand, dessen Hals in das Ehejoch mit einer ungläubigen Person gepresst ist, ein fesselloser Jünger Christi sein kann. Ebenso sicher hätte ein Wettrenner bei den olympischen Spielen erwarten können, durch das Anhängen eines schweren Gewichts oder eines tobten Leibes an seine Person die Siegeskrone zu gewinnen. Es ist in der Tat genug, einen toten Leib zum Hemmschuh zu haben; wir bedürfen nicht des Anhängens eines anderen. Es existierte nimmer ein Christ, der nicht fand, dass es für ihn in der Bemühung, die Übel eines einzigen Herzens zu bekämpfen, hinreichende Arbeit gab, ohne sich mit den Übeln zweier Herzen zu beladen; und ohne Zweifel ist der Mann, der, töricht und ungehorsam, ein unbekehrtes Weib, sowie die Frau, die einen unbekehrten Mann heiratete, mit den vereinigten Übeln zweier Herzen beladen; und wer ist dazu fähig? Es kann jemand völlig aus die Gnade Christi rechnen hinsichtlich der Unterjochung seiner eigenen bösen Natur; aber er kann sicher nicht, in Betreff der bösen Natur seines mit ihm ungleich zusammengejochten Gefährten, in derselben Weise auf diese Gnade rechnen. Wenn er sich in Unwissenheit dieses Joch auferlegt hat, so wird der Herr ihn: persönlich auf dem Grund völligen Bekenntnisses mit der gänzlichen Wiederherstellung der Seele begegnen; aber zu der treuen Nachfolge eines Jüngers wird er es nimmer bringen. Paulus konnte sagen: „Wisst ihr nicht, dass die, welche in den Schranken laufen, zwar alle lausen, aber einer den Kampfpreis erlangt? Lauft also, dass ihr ihn erlangt. Jeder aber, der da kämpft, ist enthaltsam in allem; jene freilich, auf dass sie eine Verweltliche Krone empfangen, wir aber eine unverwelkliche. Ich laufe nun also, nicht aufs Ungewisse; also treibe ich Faustkampf, nicht als einer, der die Luft schlägt; sondern ich zerschlage meinen Leib und führe ihn in Knechtschaft, auf dass ich nicht, nachdem ich anderen gepredigt, etwa selbst verwerflich werde“ (1. Kor 9,24–27). Hier handelt es sich nicht um Leben oder Errettung, sondern einfach um das „Lausen in den Schranken“, und zwar um nicht das Leben, sondern um eine „unverwelkliche Krone“ zu erlangen. Die Tatsache, zum Laufen berufen zu sein, setzt den Besitz des Lebens voraus; denn niemand würde tote Menschen auffordern, in Schranken zu laufen. Ich habe selbstredend das Leben erlangt, bevor ich zu laufen beginne; und ob ich daher auch in den Schranken ermatten könnte, so verliere ich doch nicht mein Leben, sondern nur meine Krone; denn diese und nicht das Leben war das dem Laufenden vorgesteckte Ziel. Wir sind nicht berufen zu laufen, um das Leben zu erlangen; indem die Erlangung desselben nicht eine Folge des Laufens, sondern des „Glaubens an Jesus Christus“ ist, der durch seinen Tod das Leben für uns erworben und dasselbe durch die Macht des Heiligen Geistes in uns gepflanzt hat. Und dieses Leben, als das Leben eines auferstandenen Christus, ist ewig; denn Er ist der ewige Sohn, wie Er selbst. Sich an den Vater wendend, in Johannes 17 sagt: „Gleichwie du Ihm Gewalt gegeben hast über alles Fleisch, auf dass alles, was du Ihm gegeben, er ihnen das ewige Leben gebe.“ Es ist ein Leben ohne Bedingung. Er gibt uns, den Sündern, nicht das Leben und stellt es dann vor uns, um als Heilige danach zu laufen, und zwar mit der traurigen Aussicht, diese kostbare Gabe durch ein Ermatten in den Schranken zu verlieren. Das wäre ein „Laufen aufs Ungewisse“, welches leider so viele versuchen, die da bekennen, die Laufbahn betreten zu haben, ohne zu wissen, ob sie das Leben besitzen oder nicht. Solche Seelen laufen, um das Leben und nicht eine Krone zu erlangen; aber Gott stellt nicht das Leben in die Schranken als eine Belohnung des Sieges, sondern schenkt es beim Auslaufplatz als die Macht, durch welche wir laufen. Die Macht zu laufen und das Ziel des Laufens sind zwei ganz verschiedene Dinge; und dennoch werden sie stets mit einander verwechselt durch Personen, welche unbekannt sind mit dem herrlichen Evangelium der Gnade Gottes, in welchem Christus als das Leben und die Gerechtigkeit aller, die an seinen Namen glauben, und Zugleich alles dieses als eine freie Gabe Gottes, und nicht als eine Belohnung unseres Laufens vor unsere Augen gestellt wird.

In Betracht der schrecklich bösen Folgen des ungleichen Ehejoches, wirkt es hauptsächlich hemmend auf unsere Jüngerschaft, dass wir auf dieselben sehen. Ich sage „hauptsächlich“, weil unser ganzer Charakter und alle unsere Erfahrungen tief dadurch berührt werden. Ich frage sehr oft, ob wohl jemand dem Fortgang des göttlichen Lebens einen empfindlicheren Schlag zu versetzen im Stande sei, als durch das Aufsichnehmen eines ungleichen Jochs. In der Tat beweist die Handlung an und für sich schon, dass der geistliche Verfall mit seinen beunruhigendsten Symptomen bereits hereingebrochen ist; aber bezüglich der Jüngerschaft und des Zeugnisses kann die Lampe als erloschen betrachtet werden. Und ob diese auch von Zeit zu Zeit noch zu einen: matten Schimmer aufflackert, so dient dieses nur dazu, das erschreckende Dunkel der eingenommenen Stellung und der beklagenswerten Folgen, mit einem Ungläubigen in einem ungleichen Joch zu sein, hervortreten zu lassen.

So viel über die Frage des ungleichen Jochs in seinem Einfluss auf das Leben, auf den Charakter, auf das Zeugnis, auf die Jüngerschaft eines Kindes Gottes. Ich möchte jetzt noch ein Wort sagen über seine im Familienkreis hervorgebrachte moralische Wirkung. Auch hier zeigen sich wahrhaft traurige Folgen. Wie könnte es anders sein? Zwei Personen, deren Geschmack, Gewohnheiten, Gefühle, Wünsche, Bestrebungen und Ziele schnurstracks entgegengesetzt sind, haben sich zu dem engsten und innigsten Verhältnis mit einander verbunden. Sie haben nichts mit einander gemein, so dass es bei jeder Bewegung nicht ohne Reibung abgehen kann. Der Ungläubige kann nicht in Wirklichkeit mit dem Gläubigen denselben Weg gehen; und wenn sich auch aus außergewöhnlicher Freundschaft oder aus offenbarer Heuchelei ein Schein von Einwilligung kundgäbe, welchen Wert würde es vor dem Angesicht des Herrn haben, der den Zustand des Herzens in Ansehung seiner selbst beurteilt? Gewiss gar keinen. Wenn aber der Gläubige sich soweit vergisst, in irgendeiner Weise den Weg seines mit ihm ungleich zusammengejochten Gefährten zu wandeln, so kann es nur auf Kosten seiner Jüngerschaft geschehen; und ein verdammendes Gewissen in dem Angesicht des Herrn ist die Folge. Dieses aber führt meistens zur Trägheit des Geistes und wohl gar zur Bitterkeit der Gemütsstimmung im Familienkreis, so dass die Gnade Gottes keineswegs Verherrlicht und der Ungläubige weder angezogen, noch gewonnen wird. Wie beklagenswert ist daher in jeder Weise ein solches Verhältnis! Gott wird entehrt, das geistliche Wachstum gestört, die Jüngerschaft und das Zeugnis umgeworfen; und Frieden und Segen schwinden aus dem häuslichen Kreis. Entfremdung, Kälte, Uneinigkeit, Missverständnisse und andere Dinge werden hervorgerufen, oder es werden, wenn dieses nicht der Fall ist, von Seiten des Christen die Jüngerschaft und das gute Gewissen auf dem Altar des Hausfriedens zum Opfer gebracht. Kurz, von welcher Seite wir auch ein ungleiches Joch betrachten mögen, – es führt stets zu den beklagenswertesten Folgen.

Nicht weniger betrübend ist die Wirkung eines ungleichen Jochs in Bezug auf die Kinder. Diese stehen meistens von Seiten des unbekehrten Teiles des Elternpaares. Dort kann keine Herzenseinheit in der Erziehung der Kinder, kein gegenseitiges zutrauen in Betreff ihrer sein. Der eine Teil wünscht sie in der Zucht und Ermahnung des Herrn und der andere in den Grundsätzen der Welt, des Fleisches und des Teufels zu erziehen; und da die Sympathien der Kinder, wenn sie heranwachsen, sich Letzterem zuwenden, so ist leicht zu begreifen, welches das Ende sein wird. Kurz, es ist eine ungeziemende, schriftwidrige und vergebliche Anstrengung, mit einem „ungleichen Joch“ zu ackern, oder das Feld mit „verschiedenen Samen zu besäen“, und alles wird enden in Trauer und Verwirrung. 1

Bevor wir diesen Teil unserer Betrachtung verlassen, wollen wir noch einen Blick auf die Beweggründe werfen, die gewöhnlich die Christen antreiben, in das ungleiche Joch der Ehe einzutreten. Wir wissen leider, wie leicht das arme Herz sich selbst von der Rechtmäßigkeit eines Schrittes, den es zu tun wünscht. Zu überreden, und wie der Teufel diese Überzeugung durch scheinbare Beweisgründe zu unterstützen sucht, die uns so klar und zur Genüge den moralischen Zustand der Seele erkennen lassen. Schon unsere Gedanken in Betreff einer solchen Sache beweisen es, wie unfähig wir sind, mit einem nüchternen Sinne und einem geistlich erleuchteten Gewissen die ernsten Folgen eines solchen Schrittes prüfen zu können. Wenn das Auge einfältig wäre, oder wenn wir, mit anderen Worten, nur mit einem Gegenstand, nämlich mit der Herrlichkeit und Ehre des Herrn, beschäftigt wären, so würden wir dem Gedanken, auf unseren Nacken ein ungleiches Joch zu nehmen, nimmer Raum geben, und folglich uns keine Schwierigkeit oder Verlegenheit in Betreff dieser Sache bereiten. Ein Wettläufer, dessen Auge auf die Krone gerichtet war, konnte nimmer durch den Gedanken, einen Zentner auf seine Schultern zu laden, in Verlegenheit gebracht werden. Wie hätte auch ein solcher Gedanke sein Gemüt durchkreuzen können? Hatte ein wahrer Wettläufer nicht vielmehr eine bestimmte und fast fühlbare Vorstellung von allem, was sich ihm, während er die Schranke durchlief, als ein Hindernis erweisen konnte? Gewiss, und folglich wird er ein solches bei der geringsten Wahrnehmung von sich abgestoßen haben. 2 Würde es, bezüglich einer schriftwidrigen Heirat, also bei Christen sein, – es würde sie vor einer Welt voller Trauer und Verlegenheiten bewahren. Aber ach! so steht es nicht bei ihnen. Das Herz verlässt die wahre Gemeinschaft und ist moralisch unfähig, die sich unterscheidenden Dinge zu prüfen; und in diesem Zustand gewinnt der Teufel einen leichten Sieg und rasche Fortschritte in seiner gottlosen Anstrengung, den Gläubigen zu bewegen, sich selbst mit „Belial“, mit „Gesetzlosigkeit“, mit „Finsternis“ und mit einem „Ungläubigen“ zusammen zu jochen.

Befindet sich das Herz in völliger Gemeinschaft mit Gott, so ist es ganz und gar seinem Wort unterwürfig; es sieht die Dinge, wie Er sie sieht; es nennt sie, wie Er sie nennt, und nicht wie der Teufel oder sein eigenes fleischliches Herz sie nennen würden. Auf diese Weise entflieht der Gläubige dem verführerischen Einfluss einer Täuschung, die oft angewandt wird, um ihn vorwärts zu treiben – nämlich der Täuschung eines falschen Religionsbekenntnisses von Seiten jener Person, die er zu heiraten wünscht. Wie gewöhnlich ist ein solcher Fall. Es ist leicht, gewisse Symptome zur Schau zu tragen, als ob man auf die Dinge Gottes sein Vertrauen setze; und das Herz ist trügerisch und gemein genug, irgendein Religionsbekenntnis abzulegen, um nur seine Zwecke zu erreichen. Und nicht dieses allein, sondern der Teufel, verwandelt in einen Engel des Lichts, wird zu diesem falschen Bekenntnis; ermuntern, um dadurch umso kräftiger die Füße des Kindes Gottes zu umstricken. Also geschieht es, dass sich Christen in dieser Sache mit einem Beweis von Bekehrung begnügen oder zufrieden zu sein bekennen, den sie unter anderen Umständen als äußerst unvollkommen und schwach betrachten würden. Aber ach! die Erfahrung öffnet bald die Augen für die Wirklichkeit. Die Entdeckung wird schleunigst gemacht, dass das Bekenntnis nur eitles Gepränge war, und dass das Herz in und von der Welt ist. Eine entsetzliche Entdeckung! Wer vermag die Einzelheiten der bitteren Folgen einer solchen Entdeckung – die Angst des Herzens – die lauten Vorwürfe und Schläge des Gewissens – die Scham und Verwirrung – den Verlust des Friedens und des Segens – die Verwirkung des geistlichen Friedens und der Freude – die Aufopferung eines nützlichen Lebens – wer vermag sie zu schildern? Der Mensch erwacht von seinem trügerischen Traum und öffnet sein Auge über der schrecklichen Wirklichkeit, sich für sein ganzes Leben mit „Belial“ zusammengejocht zu haben. Ja, also benennt es der Heilige Geist. Es ist dieses nicht eine Folgerung, oder ein Urteil, wozu man durch langes Nachsinnen gelangt, sondern eine klare und bestimmte Darstellung des Heiligen Geistes, dass es sich also im Betreff dessen verhält, der – was auch immer die ihn beeinflussenden Beweggründe sein mögen – in ein ungleiches Ehejoch eintritt.

O mein geliebter Leser! Wenn du in Gefahr bist, in solch ein Joch einzutreten, dann bitte ich dich im feierlichsten Ernst und mit der herzlichsten Liebe Halt zu machen und diese Sache mit der Wage der Heiligkeit abzuwägen, bevor du um ein Haar breit auf diesem verhängnisvollen Pfad vorwärtsgehst. Du kannst fest versichert sein, dass du nicht sobald diesen Schritt getan haben wirst, oder dein Herz wird mit hoffnungsloser Reue bestürmt und dein Leben durch unzählige Sorgen verbittert sein. Lass dich durch nichts bewegen, Dich mit einem Ungläubigen zusammen zu jochen. Sind deine Neigungen gefesselt? Dann wisse, dass es nicht die Neigungen deines neuen Menschen, sondern der alten und fleischlichen Natur sind, welche du zu kreuzigen und bei Seite zu setzen berufen bist. Du solltest zu Gott um geistliche Kraft flehen, um über den Einfluss solcher Neigungen erhoben zu sein und sie ihm zum Opfer zu bringen. Oder sieht dein Interesse dabei auf dem Spiel? Dann wisse, dass es nur dein Interesse ist, und dass du, wenn du deinen Zweck erreichst, das Interesse Christi durch dein zusammenjochen mit „Belial“ aufopferst. Außerdem sind es nur zeitliche und nicht ewige Interessen. Die Interessen des Gläubigen und diejenigen Christi müssen in Wirklichkeit dieselben sein; und daher ist es klar, dass die Interessen Christi, sowie seine Ehre, seine Wahrheit und seine Herrlichkeit aufgeopfert sind, wenn ein Glied seines Leibes mit „Belial“ verbunden ist. Das ist der wahre Weg, diese Frage zu behandeln. Was sind etliche Hunderte oder etliche Tausende für einen Himmelserben? Gott kann dir mehr, als dieses geben. Wie? Du wärst auf dem Weg, für eine erbärmliche Handvoll Gold – durch Dinge, die durch den Gebrauch zu verderben sind, die Wahrheit Gottes und dazu deinen Frieden und deine Glückseligkeit aufzuopfern? Ach nein, Gott wolle es verhüten! Fliehe, wie der Vogel flieht vor dem Fallstrick, den er sieht und kennt. Strecke deine Hand aus nach einer wahren, entschiedenen, aufrichtigen Jüngerschaft, und nimm dein Messer und schlachte deine Neigungen und deine Interessen am Altar Gottes. Und wird hier auch nicht eine hörbare Stimme vom Himmel deiner Handlung Beifall zollen, so wirst du doch das unschätzbare Zeugnis eines zustimmenden Gewissens und eines ungetrübten Geistes haben – eine reichliche Belohnung für das kostbarste Opfer, welches du zu bringen im Stande bist. Möge der Geist Gottes Kraft geben, den Versuchungen Satans zu widerstehen!

Es wird kaum die Bemerkung nötig sein, dass in Fällen, wo die Bekehrung erst nach der Heirat stattfindet, die Gestalt der Sache wesentlich verändert ist. Dort werben z. B. keine Gewissensbisse sein. Und ob sich unstreitig auch hier Schwierigkeiten, Verlegenheiten und Trübsale zeigen werden, so kann die Seele, wenn sie sich nicht mit Überlegung und vorsätzlich hineingestürzt hat, weit freimütiger die Trauer und Sorge in die Gegenwart des Herrn bringen: und – gepriesen sei Gott! – wir wissen, wie bereit Er ist, zu vergeben und die Seele, welche ihren Irrtum und ihren Fehltritt bekennt, wiederherzustellen und zu reinigen von aller Ungerechtigkeit. Das mag einem jedem, der nach seiner Verheiratung zu Gott gebracht ist, zum Trost dienen. Über dies hat der Geist Gottes einem solchen eine besondere Anweisung und gesegnete Ermunterung in den Worten gegeben: „Wenn ein Bruder ein ungläubiges Weib hat, und es ist ihr wohlgefällig, bei ihm zu wohnen, so lasse er sie nicht von sich. Und ein Weib, das einen ungläubigen Mann hat, und es ist ihm wohlgefällig, bei ihr zu wohnen, verlasse ihn nicht. Denn der ungläubige Mann ist geheiligt durch das Weib; und das ungläubige Weib ist geheiligt durch den Mann; sonst wären eure Kinder unrein; nun aber sind sie heilig. ... Denn was weißt du, Weib, ob du den Mann erretten wirft? Oder was weiht du, Mann, ob du das Weib erretten wirst?“ (1. Kor 7,12–16) (Schluss folgt)

Fußnoten

  • 1 Es gibt viele Fälle, in welchen man Personen vereinigt findet, die, obwohl sie nicht geradezu in einem „ungleichen Joch“ sind, mindestens sehr schlecht zusammenpassen. Ihr Geschmack, ihr Gemüt, ihre Gewohnheiten und Anschauungen sind total verschieden, und zwar so sehr, dass sie, anstatt ein erwünschtes Gleichgewicht zu bewahren (wozu entgegengesetzte Gemüter bei weisem Verhalten fähig sein mögen), ein beständiges Gezanke im Gang erhalten, den häuslichen Zirkel in Verwirrung bringen und den Namen des Herrn verunehren. All diesem würde sehr vorgebeugt sein, wenn die Christen mehr auf Gott warten und mehr seine Verherrlichung, als ihre persönlichen Neigungen und Interessen zu ihrem Ziel wählen würden.
  • 2 Es ist für den Christen wichtig, die Worte Jesu: „Wenn dein Auge einfältig ist, so wird dein ganzer Leib Licht sein“, – im Auge zu halten. Wenn ich in Betreff meines Weges in Verlegenheit bin, so habe ich Ursache zu fürchten, dass mein Auge nicht einfältig ist; denn sicher ist die Verlegenheit kein Beweis, dass der „ganze Leib Licht“ ist. Wir stehen oft um die Führung in Sachen, mit denen wir, wäre das Auge einfältig und der Wille unterwürfig, nicht das Geringste zu tun haben würden; und wir sollten es daher nicht nötig haben, in Betreff ihrer zu beten. Ein Beten um Ding, in Betreff derer das Wort Gottes so klar ist, verrät die Tätigkeit eines aufrührerischen Willens. Mit Recht bemerkte unlängst jemand: „Wir suchen oft den Willen Gottes, indem wir zu missen wünschen, wie wir in Umständen zu handeln haben, in denen wir uns gegen seinen Willen befinden; und wäre das Gewissen in einer gesunden Tätigkeit, so würde deren erste Wirkung sein, uns davon los zu machen.“ Unser eigener Wille brachte uns hinein, und nichtsdestoweniger möchten wir uns des Trostes erfreuen, dass Gott uns auf unserem selbsterwählten Pfad leite. Sicher ist es, dass, wenn wir uns in der Nähe Gottes befinden, wir nicht in Betreff seines Willens beunruhigt sind. „Wenn dein Auge einfältig ist, so wird dein ganzer Leib Licht sein“, und daher, wenn unser ganzer Leib nicht Licht sein wird, so ist sicher auch unser Auge nicht einfältig. „Das ist ein armseliger Trost“, wirst du sagen. Ich antworte: „Es ist ein reicher Trost für die, deren einziger Wunsch es ist, ein einfältiges Auge zu haben und mit Gott zu wandeln.“
Nächstes Kapitel »« Vorheriges Kapitel