Botschafter des Heils in Christo 1866
Der Eifer für Gott - Teil 1/2
Untätigkeit einerseits und unzeitiger Diensteifer andererseits sind zwei Dinge, gegen welche der Christ stets auf seiner Hut sein sollte. Untätigkeit ist durchaus unverträglich mit dem christlichen Charakter. Dieselbe Gnade, die uns mit Scham die Unvollkommenheit unserer Arbeit erkennen lässt, weckt Zugleich das ernste Verlangen in uns, dem Dienst des Herrn alle unsere Kräfte zu weihen. Es ist in der Tat beklagenswert, wenn wir des Anspornens zur Tätigkeit bedürfen. Für den Christen sollte das Wirken für den Herrn ebenso natürlich sein, wie für den natürlichen Menschen das Arbeiten zur Befriedigung seiner irdischen Bedürfnisse. Wenn er nicht wirkt, so hat er viele Ursache zu zweifeln, ob Leben in ihm sei. Der Mensch kann den „Namen haben, dass er lebe“, und dennoch tot sein; aber er kann ohne Leben nicht den Namen haben, dass er Gott diene.
Andrerseits dürfen wir nicht aus dem Gedächtnis verlieren, dass Gott niemandes Schuldner sein will; denn: „Er gibt allen Leben und Odem und alles“ (Apg 17,25) Beständig strebt der Mensch dahin, um Gott zu seinem Schuldner zu machen; allein fruchtlos bleiben seine Anstrengungen; und wer darin beharrt, wird als einer, der wider Gott streitet, erfunden werden. Die Frage zwischen Gott und dem Menschen kann nicht eher zum Abschluss gebracht werden, als bis der Mensch sich als den Empfänger und als den Schuldner Gottes betrachtet; bevor dieses geschieht, ist kein Hinzunahen möglich.
Indes beabsichtige ich jetzt, mehr den zweiten Punkt ins Auge zu fassen. Unzeitiger und verkehrter Diensteifer, als nicht aus der Gemeinschaft mit Gott hervorgehend, soll, im Gegensatz zu dem aus dieser Gemeinschaft strömenden Eifer für Gott, der Gegenstand meiner Betrachtung sein – ein Gegenstand, wozu das Leben und die Zeiten Hiskias mir eine ganz besondere Anleitung geben.
Die Regierungen dreier Könige von Juda sind durch den Heiligen Geist mit drei Propheten in eine genaue Verbindung gebracht. Jesaja, Hosea und Micha erfüllten ihren mühevollen prophetischen Beruf unter den Regierungen der Könige Jotham, Ahas und Hiskia. Ich fühle deutlich, dass eine moralische Verbindung zwischen diesen drei Regierungen bestanden.
Der Tempel zu Jerusalem war von jeher der große Mittelpunkt oder der Sammelplatz der Juden. Alle Zuneigungen jedes gläubigen Israeliten waren mit diesem heiligen Gebäude aufs engste verflochten; und in Betreff der Könige von Juda bildet ihr Verhalten dem Tempel gegenüber den richtigen Maßstab, nach welchem ihr menschlicher und königlicher Charakter beurteilt werden kann. Ein jeder von ihnen, von dem gezeugt wurde.– „Er tat, was dem Herrn wohlgefiel“, zeigte auch ein Herz für den Tempel und den Tempeldienst des Gottes Israels; alle diejenigen aber, welche „taten, was dem Herrn übel gefiel“, waren solche, die das Haus des Herrn verlassen und sich dem Götzendienst hingegeben hatten. –
Jotham, der König von Juda, konnte indessen weder zu der einen noch zu der anderen Klasse gezählt werden. Er war kein Götzendiener; aber dennoch zeigte er nicht jenes warme Interesse, auf welches das Haus des Herrn Anspruch machen konnte. Von ihm kann gesagt werden, dass er außerhalb des Heiligtums sein Werk begann. Er ging hinauf zu den Bergen, um zu bauen, bevor er, um anzubeten ins Heiligtum gegangen war, – er stand auf dem Schlachtfeld, bevor er am Altar gestanden hatte, – er redete mit den Werkleuten und dem Kriegsvolk, bevor er mit den Priestern, den Dienern des Heiligtums, gesprochen hatte. Darum war alles mangelhaft. Freilich hatte er vieles getan: „er baute Schlösser und Türme“ und sogar das „hohe Tor am Haus des Herrn“; ja „er richtete seine Wege vor dem Herrn, seinem Gott.“ Nichtsdestoweniger gab es bei all diesem noch ein „Aber“ – „die Höhen wurden nicht abgetan, und das Volk opferte und räucherte noch auf den Höhen“ (vgl. 2. Kön 15,35; 2. Chr 27,2). dieses ist eine lehrreiche Lektion für uns. Wir sollten stets mit großer Strenge über den Zustand unserer Herzen wachen, damit nicht unser eigener, wenn auch rechtschaffener und vernünftiger Dienst sich zwischen unsere Seelen und die Person Christi hineindränge. Wir sollen stets, sei es, dass wir predigen, Bücher oder Briefe schreiben. Besuche machen oder dergleichen, die Motive untersuchen, warum wir solches tun; wir sollen stets ein ruhiges Urteil über die geheimen Beweggründe all dieser Handlungen fällen. Wenn der Herr kommt, wird Er nicht bloß das Werk unserer Hände, sondern auch die „Überzeugungen der Herzen“ offenbar machen. Das ist sehr ernst. Manche glänzende Tat – manche geschmückte Predigt – manches gut verfasste Buch – mancher prunkende Besuch wird dann in ewige Vergessenheit versinken oder nur erwähnt werden, um das Gewissen zu verwunden und das Urteil der getäuschten Seele zu verdunkeln, die vielleicht ihr Werk begonnen, ohne aus Erfahrung jene Grundregel des Hauses Gottes zu kennen, dass der Mensch ein Bettler sein muss, oder die, mit anderen Worten, sich selbst in all ihren Worten und Werken zum höchsten Gegenstand gemacht hat.
Hinsichtlich des Königs Ahas haben wir nicht viel zu sagen. Er trat Gott und der Wahrheit offenbar entgegen. Er verwahrloste den Tempel, schloss die Türen, zerschlug alle Gefäße in Stücke und baute Altäre an allen Ecken zu Jerusalem. Dazu Zog er gen Damaskus dem König von Assyrien entgegen und sah dort einen Altar, dessen Bildnis er zu Uria, dem Priester, sandte, der auch zu Jerusalem einen ähnlichen bauen ließ. Auf diese Weise rückte er den wahren Altar von seiner Statte und hob, mit einem Wort, die ganze Ordnung der Anbetung auf. Das waren die Taten des Königs Ahas. Die Geschichte dieses unglücklichen Mannes, von welcher Seite wir ihn auch betrachten mögen, bietet uns eine ernste Warnung, besonders aber, wenn wir in ihm den Nachfolger Jothans erblicken. Wenn unsere Herzen nicht ganz und gar dem Dienst des Herrn gewidmet sind – wenn wir den verborgenen Umgang mit Gott geringschätzen und nicht mit Eifer suchen – wenn das Werk in uns nicht gleichen Schritt hält mit dem Werk außer uns – wenn wir mehr lesen und lehren als beten – wenn unsere Arbeit mehr vor dem Auge des Menschen, als vor dem Auge Gottes geschieht, dann können mir versichert sein, dass wir bald kraftlos zusammenbrechen werden. Gemeinschaft mit Gott ist das einzige Mittel, um Ihm wahrhaft dienen zu können; und wo diese mangelt, da erntet man die bittersten Früchte. In der moralischen Verbindung dieser beiden Regierungen war es unvermeidlich zu erwarten, dass dem unvollkommenen Dienst Jothans der offenbare Abfall des Ahas folgen musste. Wenn wir in den Wäldern bauen können, während der Tempel vernachlässigt wird, dann werden wir uns auch bald von dem wahren Gottesdienst abwenden und uns der Abgötterei hingeben. Mit Recht mögen wir fragen: „Wozu Schlösser und Türme, wenn die Türen des Gotteshauses geschlossen sind? Was nützen Siege über die Amoniter, wenn der Leuchter Gottes von der heiligen Stätte gestoßen ist?“ Sie sind weder von Nutzen, noch von langer Dauer, sondern werden bald den entscheidenden Taten eines Ahas Platz machen, der keine zweideutige Rolle spielen wollte. –
Aus diesen Anmerkungen können wir für uns die nützliche Lehre ziehen, dass die Gemeinschaft mit Gott eine hervorragendere Stelle bekleiden muss, als ein Dienst für Gott. Nie darf der verborgene Umgang mit Gott dem öffentlichen Wirken, selbst in göttlichen Dingen, den Platz räumen. Viele zeigen sich bereit, um scheinbar für Gott glänzende Taten zu vollbringen, während sie vielleicht wenig das Bedürfnis fühlen, mit Ihm im Stillen zu verkehren. O möchten wir doch nie vergessen, dass es, wenn unser Herz nicht ganz und gar dem Herrn angehört, wenig frommt, in welcher Weise unsere Hand äußerlich oder unser Verstand durch gelehrte Abhandlungen Ihm dient! Das Fundament unseres Gebäudes ist wurmstichig, und dieses wird bald über unseren Häuptern zusammenstürzen und uns unter seinen Trümmern begraben; und je prächtiger die Zusammenstellung des Baus ist, desto größer wird beim Einsturz das Getöse und desto trübseliger die Verwüstung sein. Ich fühle es, wie sehr es die Christen bedürfen, diesen Dingen eine ernste Aufmerksamkeit zuzuwenden, zumal da unsere Zeit reich ist an äußerem Schein, aber arm an geistlichem Leben – reich an Werken des Kopfes und der Hände, aber arm an Werken des Herzens und der Seele – reich an Taten für das Auge des Menschen, aber arm an Taten für das Auge Gottes. Mögen wir doch unaufhörlich um Kraft – geistliche Kraft zu Gott stehen, ohne welche alles völlig eitel ist. –
Wir wenden uns jetzt zu der Regierung des Hiskia, dessen Geschichte uns mehr befriedigen wird, als diejenige seiner beiden Vorgänger auf dem Thron von Juda. Über ihn lesen wir: „Er tat auf die Türen am Haus des Herrn, im ersten Mond, im ersten Jahre seines Königreichs und stellte sie wieder her.“ Dieses war ein guter Anfang – eine ermutigende Bürgschaft für das, was seine ganz. Laufbahn zu sein verhieß. Eine mit Gott begonnene Laufbahn führt gewiss am Ende zum Sieg. Man mag auf dem Weg vielen Verleugnungen, Schwierigkeiten, Versuchungen, Trübsalen und vielen dunklen Wolken begegnen, so wird es sich dennoch endlich herausstellen, dass ein im Heiligtum begonnener Weg in Herrlichkeit endet. „Sie, welche gepflanzt sind in dem Haus Jehovas werden blühen in den Vorhöfen unseres Gottes“ (Ps 92,13). Hiskia schien dieses durch die Gnade erfahren zu haben. Er nimmt, wie wir sehen, seinen Lauf von dem rechten Punkte aus. Er schreitet nicht in die Wälder, um zu bauen, sondern greift sogleich das Werk einer Reformation an; Er sendet die Leviten, um das Innere des Hauses des Herrn zu reinigen und setzt auf diese Weise, so zu sagen, Gott wieder in seine Rechte ein, und zwar in der festen Überzeugung, dass, war einmal dieser Hauptschritt getan, alles Übrige leicht folgen sollte. Hierin könnten wir von Hiskia vieles lernen. Die Erfahrung und das Wirken des Christen hängen ganz von dem Platz ab, den Gott in seinem Herzen einnimmt, oder, mit anderen Worten, es gibt eine moralische Verbindung zwischen dem Grad, wie wir Gott würdigen, und unserem Betragen. Sind unsere Begriffe von Gott gering, so wird auch das Maß unseres christlichen Wandels ein geringes sein, sind sie hingegen erhaben, so werden auch die Resultate demgemäß sein. Darum als Israel am Fuß des Horeb „Seine Herrlichkeit vertauschte gegen das Bild eines Stiers, der Gras frisst“, sagt der Herr: „Dein Volk hat es verdorben“ (2. Mo 32,7). Was anders konnte das Volk tun, als verderben, nachdem seine Vorstellungen von der Würde und der Majestät Gottes so tief herabgesunken waren, dass sie sich für einen Augenblick einbilden konnten, dass er „einem Stier, der Gras frisst“, gleich sei. Dasselbe finden wir auch in Römer 1. Durch den Geist geleitet, zeigt uns der Apostel, dass die Ursache all der Gräuel der Heiden in dem Umstand zu suchen sei, dass sie „Gott kennend, ihn als Gott nicht verherrlicht haben.“ Dieser Grundsatz übt einen äußerst mächtigen Einfluss aus. Wir erniedrigen uns selbst in dem Maß, als wir uns eine mehr sinnliche Vorstellung von Gott machen. Diese Wahrheit lässt uns in die geheimen Schlupfwinkel unserer Herzen eindringen, um dort vor dem scharfen, durchdringenden Auge Gottes zu untersuchen, wie hoch wir jeden Tag, jede Stunde seinen Wert schätzen. Wir dürfen es nicht versäumen auf diesen Punkt der Wahrheit unser ganzes Augenmerk zu richten; jede Nachlässigkeit hierin wird unzweifelhaft die Ursache der Trägheit und der traurigen Gleichgültigkeit in unserem Wandel sein. Er hat dann nicht den ersten Platz in unserer Liebe und wir leben nicht in der Atmosphäre seiner göttlichen Güte und Liebe; und unser eigener Zustand, unsere Erfahrung, unser Dienst, unser Kampf, unsere Schwachheit und unsere Leiden haben sich in hohem Grad zwischen unsere Seelen und Gott gestellt und verdüstern das lebengebende Licht seines Antlitzes. Wenn wir aber mit unserer eigenen Angelegenheit so sehr erfüllt sind, dass sie unser Herz und Gewissen verhindern in der rettenden Liebe und in der Kraft des Erlösungswerkes zu ruhen, so werden mir unvermeidlich in äußere Wirkheiligkeit und Gesetzlichkeit und endlich gar in völlige Weltlichkeit und moralische Verderbtheit versinken. Die erste Handlung des Königs Hiskia leitet uns nach meiner Meinung zu dieser Anschauung. Er hatte einen guten Grund gelegt; er hatte nach jener Vorschrift gehandelt, die später der Herr Jesus seinen Jüngern gab: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit; und alle diese Dinge werden euch dazu gegeben werden“ (Mt 6,33). Er fühlte, dass seine Schlösser und Türme dem Haus Gottes nachstehen mussten. Er konnte nicht in einem getäfelten Haus wohnen, während der Tempel des Herrn die Spuren einer traurigen Verwahrlosung an sich trug. Darum ging er in das Innere des Heiligtums und begann dort sein Werk. Verweilen wir hier einen Augenblick, um den Unterschied zwischen göttlichem und menschlichem Wirken ins Auge zu fassen. Der Mensch sagt: Beginne mit dem Äußeren und wirke auf das Innere. Die Schrift sagt: Beginne mit dem Innern, und das äußere Werk wird folgen. Der Mensch sagt: Gehe in die Wälder und baue Schlösser und Türme, und dann komm ins Heiligtum, um dort alles in Ordnung zu bringen. – Die Schrift sagt: „Geh zuerst ins Innere des Hauses des Herrn und säubere es von Stufe zu Stufe“, bis du dich in dem geeigneten Zustand befindest, die etwa nötigen Schlösser und Türme zu bauen. – Der Mensch sagt: Du musst wirken, um zu leben; – und die Schrift sagt: Du musst leben, um zu wirken.–Die Sprache des Menschen lautet: Tue und lebe; – und die Sprache Gottes: Lebe und tue. – Welch ein Trost für einen Sünder, welcher fühlt, dass Gott seinen Bedürfnissen entgegenkommt! –
Kommen mir indes zu dem Gegenstand unserer Betrachtung zurück. Nach meiner Meinung werden wir, wenigstens hinsichtlich der Reformation, in allen Handlungen Hiskias eine göttliche Ordnung finden. Er betrat nicht nur den rechten Pfad, sondern er harrte auch darin. Man kann von ihm sagen, dass er – mit Ausnahme in der Sache der Botschafter des Königs von Babel, denen er seine Schätze zeigte – seine Laufbahn mit Gott begann, fortsetzte und endete. Er beschloss, das Passah des Herrn zu halten und also nach der Größe der Gedanken Gottes über Israel zu handeln. Er wollte nicht selbstsüchtig die Beziehung dieses großen Festes, oder die reinigende Wirkung des Blutes, für die Grenzen Judas oder Jerusalems absperren, sondern gab unmittelbar den Befehl, dass „das Brandopfer und Sündopfer für das ganze Israel dargebracht werden sollten“ (2. Chr 29,24). Freilich war Israel schändlich abgewichen und in Abgötterei Versunken; aber sollte dieses ihn abhalten? Das Blut, welches Juda reinigen konnte, vermochte auch Israel zu reinigen; und beide bedurften es in gleichem Maß. Und in der Tat, jede von Gott unterwiesene Seele wird mit ihren Gedanken die ganze Familie Gottes umfassen. Es existiert keine Zergliederung des Leibes Christi; es kann nur von dem Ganzen, oder sonst von keinem Leib die Rede sein. Wollen wir irgendeine Wahrheit in ihrem vollen Umfange betrachten, so müssen wir sie als dem ganzen Leib angehörend betrachten. Die Erlösung, in welcher wir stehen, der Dienst, durch welchen wir aufrechterhalten werden, die Hoffnung, die uns belebt, – alles muss in Verbindung mit dem ganzen Leib beschaut werden. „Meinen Keim sahen deine Augen, und in dein Buch waren sie alle geschrieben.“ – „Er bewahrt alle seine Gebeine; nicht eins von ihnen wird gebrochen“ (Ps 139,16; 34,2).
Und dieser weite Blick und dieses volle Herz für das ganze Volk befähigten Hiskia, durch das ganze Land Israel die Botschaft zu senden: „Ihr Kinder Israel! bekehrt euch zu dem Herrn, dein Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, so wird Er sich kehren zu den Entronnenen, die von euch übergeblieben sind aus der Hand der Könige zu Assur“ (2. Chr 30,6). Wie viele moralische Kraft und welch geistliches Verständnis; finden wir in dieser Botschaft! Sie hat ihre Quelle im Heiligtum; sie wird ausgerichtet durch jemanden, der in einen: gewissen Maße in die Größe der göttlichen Gesinnung eingedrungen ist. Es ist die Absicht Gottes, dass Juda und Israel noch gemeinschaftlich die irdischen Vorhöfe betreten und die Wirksamkeit desselben Opfers genießen sollen. Joschafat hatte mit Ahab, dem König Israels, einen Bund wider die Syrer geschlossen (2. Chr 18). dieses war, wie wir wissen, durchaus verkehrt, wenn gleich der Zweck, Ramot und Gilead aus den Händen des Königs von Syrien zu befreien, gerade nicht verwerflich war. Ramot war eine jener Freistädte, deren Wiedereroberung dem König Joschafat so wünschenswert sein musste, dass selbst ein Bund mit Ahab gerechtfertigt schien. Dennoch war es ein tadelnswerter Schritt. Die Grundlage dieses Bundes taugte nicht; er war nicht gegründet auf das „Blut des Lammes“; und daher konnte Gott ihn nicht billigen; und für Joschafat wurde dieses Bündnis hernach eine Quelle vieler Trübsale.
So aber war es nicht mit Hiskia. Er vereinigte Juda und Israel nicht, um eine Freistätte zu erobern. Nein, sein Trachten war, ihre Zerstreuten Stämme um den einen Altar zu Jerusalem zu versammeln. Er hatte einen Vereinigungspunkt aufgerichtet, um welchen sich jeder Israelit, eben weil er ein Israelit war, scharen durfte, welcher aber für die, welche unbeschnittenen Herzens waren, nichts Anziehendes hatte. Was aber befähigte ihn zu einer solch allgemeinen Einladung? Hätte Hiskia sich von dem kalten, dürren Ausschließungseifer des Menschen leiten lassen, so würde er die Kinder Israel bei ihren Götzen gelassen und nur an seinen eigenen und an den Genuss derer gedacht haben, die mit ihm in einer engeren Verbindung standen. Aber nein; sein Herz war weich und weit geworden in der Gegenwart Gottes. Er fühlte die Lieblichkeit und die Kraft des Versöhnungsblutes und erkannte, dass dieses Blut allein den Bedürfnissen des abgöttischen Israels entsprechen konnte. Er wusste, dass das auf dem Altar geschlachtete Lamm der einzige Vereinigungspunkt aller war; und darum trachtete er in der anziehenden Kraft der Gnade, „die zerstreuten Kinder Gottes“ zusammen zu bringen. Wie viel Lehrreiches liegt in all diesem für einen jeden unter uns! Sollten wir uns nicht fragen, warum bei uns so wenig von dieser gewinnenden Kraft der Gnade zu finden ist? Warum sammeln wir die Kinder Gottes nicht um uns? O sicher es kommt daher, dass wir in unseren: Wandel so wenig den Herrn Jesus darstellen, der gesagt hat: „Ich, wenn ich von der Erde erhöht bin, werden alle zu mir ziehen“ (Joh 12,32). (Schluss folgt)