Botschafter des Heils in Christo 1865
"Fünf Worte"
Es ist oft wunderbar, die Art und Weise zu bemerken, in welcher die Worte der Schrift auf unser Herz wirken. Sie sind in der Tat „wie Stacheln und Nägel, tief eingeschlagen durch die Meister der Versammlungen.“ Manchmal bedarf es nur eines Ausspruchs, oder eines Teiles desselben, um das Herz anzufassen, das Gewissen zu durchbohren und den Geist zu beschäftigen, und dies in einer solchen Weise, dass dadurch die Göttlichkeit des Buches, worin jener Ausspruch sich befindet, gegen alle Streitfragen völlig bewiesen wird. Welch einer Macht des Urteils, welch einer Fülle und Tiefe des Sinnes, welch einer Kraft der Anwendung, welch einer Entfaltung der Quellen der Natur, welch einer Enthüllung des Herzens, welch einer schneidenden Schärfe, welch einer festen Energie begegnen wir überall in dem Wort! Dies erfreut das Herz zu allen Zeiten, aber besonders in der gegenwärtigen, wo der Feind Gottes und des Menschen auf allerlei Weise Kot zu werfen sucht auf die heiligen, von Gott eingegebenen Schriften.
Die vorhergehenden Gedanken haben nicht selten mein Herz beschäftigt, wenn ich obenstehenden Ausdruck las. „Ich wollte“, sagt der sich selbst verleugnende und demütige Apostel, „in der Versammlung lieber fünf Worte durch meinen Verstand reden, auf dass ich auch andere unterweise, als zehntausend Worte in einer Sprache.“ Wie wichtig für alle, die in der Versammlung reden! Wir wissen, dass die fremden Sprachen einen Wert hatten. Sie waren zu einem Zeichen den Ungläubigen. In der Versammlung aber waren sie nutzlos, wenn nicht ein Ausleger da war.
Der große Zweck, in der Versammlung zu sprechen, ist die Erbauung, und dieser Zweck kann zunächst nur, wie wir wissen, dadurch erreicht werden kann, dass man versteht, was gesprochen wird. Es ist ganz und gar unmöglich, dass jemand mich erbauen kann, wenn ich nicht verstehe, was er sagt. Er muss in einer verständlichen Sprache reden und mit einer hörbaren Stimme, anders kann ich keine Erbauung empfangen. Das ist ganz einfach, und verdient die größte Aufmerksamkeit aller, die öffentlich sprechen.
Ferner sollten wir es wohl beachten, dass unsere alleinige Befugnis, in der Versammlung aufzustehen und zu sprechen, die ist, dass der Herr selbst uns etwas zu sagen gegeben hat. Wenn es nur „fünf Worte“ sind, so lasst uns diese aussprechen und uns wieder niedersetzen. Nichts kann unverständiger sein, als zu versuchen, „zehntausend Worte“ zu sprechen, wenn der Herr nur „fünf“ gegeben hat. Es ist sehr zu bedauern, dass sich in den Versammlungen oft etwas der Art vorfindet. Welch eine Gnade würde es sein, wenn wir über das uns zugeteilte Maß nicht hinausgingen! Jenes Maß mag gering sein; es kommt nicht darauf an; lasst uns nur einfach, ernst und wahr sein. Ein ernstes Herz ist besser, als ein fähiger Kopf, und ein brünstiger Geist besser als eine geläufige Zunge. Ein reines, herzliches Verlangen, das wahre Wohl der Seele zu fördern, wird sich bei den Menschen wirksamer und bei Gott annehmlicher erweisen, als die glänzendsten Gaben ohne dieses. Wir sollten ohne Zweifel nach den besten Gaben streben; aber wir sollten vor allem auch den „vortrefflicheren Weg“ im Auge behalten – den Weg jener Liebe, die immer sich selbst verbirgt, und nur den Nutzen der anderen sucht. Damit ist nicht gemeint, dass wir die Gaben geringer achten, sondern dass wir die Liebe höher achten sollen.
Endlich würde es viel dazu beitragen, den Ton der öffentlichen Belehrung und Predigt zu erheben, wenn jene einfache Regel stets beachtet würde: „Nimm dir nicht vor. Etwas sagen zu wollen, weil dir zu reden gegeben ist, sondern rede, weil dir etwas gegeben ist, das gesagt werden sollte.“ Das ist sehr einfach. Es ist ein armes Ding für einen Menschen, wenn er nur sucht, so viel Stoff zusammen zu bringen, als nötig ist, um einen gewissen Raum von Zeit auszufüllen. Dies sollte nimmer der Fall sein. Wenn der Lehrer oder Prediger mit Fleiß auf seinen Dienst achtet – seine Gabe ausbildet – auf die Leitung, Kraft und Segnung Gottes wartet – im Geist des Gebets lebt und die Atmosphäre der Schrift um sich her verbreitet, so wird er immer zum Gebrauch des Meisters zubereitet sein, und seine Worte – seien es „fünf“ oder „zehntausend“ – werden sicher Christus verherrlichen und dem Menschen nützlich sein. Dies wird aber nicht der Fall sein, ohne die Überzeugung, dass Gott etwas zu sagen gegeben hat, und ohne den Wunsch, es zur Erbauung zu sagen. Der Herr möge durch seinen Geist in dieser so wichtigen Sache uns leiten, und unsere Herzen einfältig machen vor Ihm I aller Dienst ist völlig nutzlos, wenn er nicht zur Ehre des Herrn und zum Wohl der Seinen gereicht; ja, er ist oft sogar ein Schaden für uns und andere. Worte ohne Leben und Kraft schwächen uns selbst und die Versammlung. O möchte dies ein jeglicher beherzigen, der lehrend oder ermahnend in der Mitte seiner Brüder auftritt. Unsere Verantwortlichkeit ist groß in dieser Sache; und der Herr gebe, dass wir alle sie fühlen! So gesegnet es auch ist, wenn wir vom Herrn zur Erbauung der Versammlung benutzt werben, so verwerflich ist es auch, wenn wir ohne Ihn uns selbst zu benutzen suchen, und die Versammlung schwächen.