Botschafter des Heils in Christo 1865

Elia, der Tisbiter - Teil 2/7

Kaum hatte Elias sein Zeugnis abgelegt, als er schon wieder der öffentlichen Aufmerksamkeit entzogen wurde. Gott berief ihn in die Einsamkeit und Zurückgezogenheit: „Gehe weg von hier und wende dich gegen Morgen, und verbirg dich am Bach Krit, der gegen den Jordan stießt“ (V 3). Diese Worte sind voll tiefer Belehrung. Elias hatte einen sehr hervorragenden Platz unter Israel eingenommen, einen Platz, der die Folge seiner früheren Zurückgezogenheit und Übung in der Gegenwart Gottes war; aber dennoch hielt der treue Herr, für den er gewirkt hatte, es für nötig, ihn aufs Neue in die Einsamkeit zurückzuführen, damit er nicht nur einen hohen Platz unter seinen Brüdern, sondern auch einen niedrigen Platz vor Gott einnehmen möchte. Dies ist sehr zu beherzigen. Wir müssen niedrig gehalten, das Fleisch muss unterjocht werden. Die Zeit unserer Erziehung im Verborgenen muss weithinausgehen über die Zeit unserer Wirksamkeit im Öffentlichen. Dies sehen wir bei Elias. Nachdem er eine Zeit lang mit Gott allein gewesen war, stand er für einen kurzen Augenblick im öffentlichen Zeugnis; aber dann wurde er sogleich wieder in die Abgeschiedenheit zurückgeführt, und zwar auf drei Jahre und sechs Monate. Wie wenig; können wir es ertragen, auf einen Platz der Ehre gestellt zu sein Wie bald vergessen wir uns und Gott! Wir werden jetzt sehen, wie sehr der Prophet es bedurfte, in der Zurückgezogenheit gehalten zu werden. Der Herr kannte seinen Charakter und seine Neigungen, und Er behandelte ihn demgemäß. Es ist wahrlich demütigend zu denken, wie wenig uns anvertraut werden kann auf dem Weg des öffentlichen Zeugnisses für Christus. Wir sind so erfüllt von uns selbst; wir bilden uns eitler Weise ein, dass wir etwas sind, und dass Gott vieles durch uns tun will; daher bedürfen wir, gleich dem Propheten, dass uns gesagt wird: „Verbirg dich“, um aus dem Bereich der Öffentlichkeit entfernt zu werben, damit wir in der heiligen Stille der Gegenwart unseres Vaters unser eigenes Nichts kennen lernen. So behandelte unser hochgelobter Herr seine Jünger, als sie, erfüllt von sich selbst und ihrem Dienst, zu Ihm zurückkehrten und sagten: „Herr, selbst die Teufel sind uns untertan.“ Was war seine Antwort? „Kommt ihr selbst allein an einen wüsten Ort.“ Das geistliche Gemüt wird sehr bald die Wichtigkeit davon erkennen. Wir können nicht immer vor den Augen der Menschen sein; kein Geschöpf vermöchte dies zu ertragen. Der Sohn Gottes selbst suchte beständig einsame Orte, abgesondert von dem Getöse und der Unruhe der Stadt, wo Er einen ruhigen Zufluchtsort zum Gebet und zur verborgenen Gemeinschaft mit Gott finden konnte. „Jesus ging auf den Ölberg.“ „Und des Morgens früh, als es noch sehr Nacht war, stand Er auf und ging an einen wüsten Ort und betete daselbst.“ Dies tat Er aber nicht, weil Er nötig gehabt hätte, sich zu verbergen; denn sein ganzer Pfad auf Erden war, gepriesen sei sein Name! ein Verbergen seiner selbst. Der Geist seines Dienstes ist in jenen Worten ausgedrückt: „Meine Lehre ist nicht mein, sondern dessen, der mich gesandt hat.“ Möchten alle Diener des Herrn dies besser verstehen! Wir alle haben nötig, uns selbst mehr zu verbergen – weit mehr als wir es tun. Der Teufel wirkt stets auf unsere armen, schwachen Herzen, – unsere Gedanken drehen sich so vielfach um uns selbst – ja, wir machen so oft unseren Dienst und die Wahrheit Gottes selbst zu einem Denkmal unseres eigenen Ruhmes. Kein Wunder daher, dass wir nicht viel benutzt werden. Wie könnte der Herr solche Boten gebrauchen, die Ihm nicht die Ehre geben wollen? Wie konnte der Herr Israel gebrauchen, wenn Israel immer geneigt war, sich selbst zu rühmen? Lasst uns denn zum Herrn stehen, dass Er uns mehr wahrhaft demütig, mehr selbstverleugnend, mehr bereitmache, angesehen zu werden als ein „toter Hund“, als „ein Floh“, wie David sagt, oder als „Auskehricht der Welt“, oder als gar nichts, um des Namens unseres geliebten Herrn willen.

In seiner einsamen Zurückgezogenheit am Bach Krit hatte Elias nun viele Tage zu verweilen; doch nicht ohne eine köstliche Verheißung von dem Herrn, dem Gott Israels, in Bezug auf seine äußeren Bedürfnisse. Es begleitete ihn die gnädige zusage: „Ich habe den Raben geboten, dass sie dich daselbst versorgen sollen“ (V 4). Der Herr wollte Sorge tragen für seinen teuren Knecht, während dieser vor den Augen der Welt verborgen war; Er wollte ihm darreichen, was er bedurfte, wenn auch die Raben dazu als Werkzeug dienen sollten. Welch eine merkwürdige Vorsorge! Welch eine beständige Übung des Glaubens für Elias, der darauf angewiesen war, auf den täglichen Besuch der Raben zu warten, deren natürliche Neigung es war, das Mahl des Propheten zu verzehren! Aber waren es die Raben, auf welche Elias vertraute? Gewiss nicht; seine Seele ruhte auf den köstlichen Worten: „Ich habe geboten.“ Für ihn war es Gott und nicht die Raben. Der Gott Israels war bei ihm in seinem verborgenen Orte, – er lebte durch Glauben. Und wie wahrhaft gesegnet ist es für das Herz, sich also in ungeheuchelter Einfalt an die Verheißung anzuklammern! Wie glücklich ist es, durch das Bewusstsein der Gegenwart und Fürsorge Gottes über die Macht der Umstände erhoben zu sein! Elias hatte sich vor den Menschen verborgen, während Gott sich ihm zeigte. Dies wird immer so sein. Lasst uns nur uns selbst bei Seite setzen, so können Wir versichert sein, dass Gott sich in Kraft unseren Seelen offenbaren wird. Wenn Elias darauf bestanden hätte, einen hervorragenden und öffentlichen Platz einzunehmen, so würde er unversorgt geblieben sein. Er musste verborgen werden; denn die Ströme der göttlichen Fürsorge und Erfrischung flossen für ihn nur an dem Ort der Zurückgezogenheit und Selbstverleugnung. „Ich habe den Raben geboten, dass sie dich daselbst versorgen sollen.“ Wenn der Prophet irgendwo anders als an jenem Ort gewesen wäre, so würde er durchaus nichts von Gott empfangen haben. Welche Lehre für uns? Warum sind unsere Seelen oft so leer und dürre? Warum trinken wir oft so wenig aus den Strömen, womit Gott uns in seiner Fürsorge erfrischen will? Weil wir uns nicht genügsam verbergen. Wir können aber nicht erwarten, dass Gott uns stärken und erfrischen wird, um uns selbst hervortun zu können. Er will uns für sich stärken und erfrischen. Wenn wir es nur mehr zu verwirklichen vermöchten, dass wir nicht „unser selbst“ sind, dann würden wir auch mehr geistliche Kraft genießen.

Es liegt in der Tat viel Bedeutung in dem kleinen Wörtchen „daselbst“. Elias musste an jenem Ort sein, und nicht irgend anderswo, um die Aushilfe Gottes zu genießen; und gerade so ist es jetzt mit dem Gläubigen. Er muss wissen, wo Gott ihn haben will, und daselbst bleiben. Wir haben kein Recht, unseren Platz zu wählen. Denn der Herr „ordnet die Grenzen unserer Wohnung“, und es ist glücklich für uns, dieses zu wissen und uns seinen weisen und gnädigen Anordnungen zu unterwerfen. Es war an dem Bach Krit, und dort allein, wo den Raben geboten war, dem Propheten Brot und Fleisch zuzuführen. Er mochte wünschen, sich anderswo aufzuhalten; aber wenn er dieses getan hätte, so hätte er selbst für sich sorgen müssen. Wie weit glücklicher war es für ihn, Gott es zu überlassen, ihn zu versorgen! Dieses fühlte Elias, und deshalb ging er nach dem Bach Krit, denn „der Herr hatte den Raben geboten, ihn daselbst zu versorgen.“ Die von Gott angewiesene Nahrung ist nur zu haben an dem uns von Gott angewiesenen Platze. Also wurde Elias von Einsamkeit zu Einsamkeit geführt. Er war von den Bergen Gileads herabgekommen mit einer Botschaft von dem Herrn, dem Gott Israels, an den König Israels; und nach Ausrichtung dieser Botschaft wurde er wieder durch die Hand Gottes in ununterbrochene Einsamkeit zurückgeführt, damit dort sein Geist geübt, und seine Kraft in der Gegenwart Gottes erneuert würde. Und wer möchte sein ohne jene süßen und heiligen Unterweisungen, die im Verborgenen empfangen werden? Wer möchte die Erziehung von des Vaters Hand entbehren? Wer– möchte nicht begehren, unter den Augen der Menschen hinweg, und über den Einfluss der irdischen und natürlichen Dinge geleitet zu werden in das reine Licht der Gegenwart Gottes, wo unser Ich und alles um uns her in dem Licht des Heiligtums gesehen und beurteilt wird? Mit einem Wort, wer möchte nicht wünschen, mit Gott allein zu sein – allein, nicht als ein bloß sentimentaler Ausdruck, sondern wirklich und praktisch allein; allein wie Moses auf dem Berg Gottes; allein wie Aaron im Allerheiligsten; allein wie Elias am Bach Krit; allein wie Johannes auf der Insel Patmos; und allein wie Jesus auf dem Berg. Und hier lasst uns fragen, was es heißt, mit Gott allein zu sein. Es heißt, sich selbst und die Welt bei Seite gesetzt zu haben – im Geist erfüllt zu sein mit den Gedanken Gottes, mit seiner Vollkommenheit und Größe – seine ganze Güte vor uns vorübergehen zu lassen – Ihn als den großen Wirker für uns und in uns zu sehen – sich über das Fleisch und seine Neigungen, über die Erde und ihre Wege, über Satan und seine Anklagen zu erheben – und vor allem zu fühlen, dass wir in diese heilige Einsamkeit einzig und ausschließlich durch das kostbare Blut unseres Herrn Jesus Christus eingeführt worden sind. Dies sind Einige von den Früchten unseres Alleinseins mit Gott. Aber in Wahrheit ist es eine Sache, die man schwerlich einem anderen erklären kann; denn jedes geistliche Gemüt wird seine eigenen Gefühle über diesen Gegenstand haben, und wird am besten aus eigener Erfahrung dessen Bedeutung verstehen. Lasst uns wenigstens ernstlich danach trachten, mehr und mehr in dem Verborgenen der Gegenwart unseres Vaters gefunden zu werden – das traurige und schändliche Streben nach Vergrößerung unseres Ansehens abzulegen, und die Freude, die Freiheit, den Frieden und die ungekünstelte Einfachheit des Heiligtums kennen zu lernen, wo Gott in all seinen mannigfaltigen Eigenschaften und Vollkommenheiten vor unserer Seele steht und uns mit unaussprechlicher Wonne erfüllt.

Aber obgleich Elias in seiner so glücklichen Einsamkeit am Bach Krit war, so blieb er doch nicht verschont von den tiefen Übungen der Seele, die aus einem Leben des Glaubens hervorgehen. Es ist wahr, die Raben, gehorsam dem göttlichen Befehl, statteten ihm ihre täglichen Besuche ab, und der Krit stoß in seinem ruhigen und ununterbrochenen Lauf weiter, so dass des Propheten Brot ihm gebracht wurde und sein Wasser sicher war; (V 6) und so mochte er, insoweit es ihn persönlich betraf, vergessen, dass die Rute des Gerichts über das Land ausgestreckt war. Aber der Glaube muss auf die Probe gestellt, der Mann des Glaubens muss von sich selbst ausgeleert werden; er muss in der Schule Gottes von einer Klasse zur anderen vorwärtsschreiten, wo stets neue Übungen sich darbieten, wo er, nachdem er durch die Gnade die Schwierigkeiten der einen überwunden hat, mit denen einer anderen ringen muss. Es war daher nötig, dass die Seele des Propheten auf die Probe gestellt wurde, um zu sehen, ob er sich auf den Bach Krit, oder auf den Herrn, den Gott Israels verließ; daher „geschah es nach einiger Zeit, dass der Bach vertrocknete“ (V 7). Wir sind durch die Schwachheit unseres Fleisches immer in Gefahr, unseren Glauben von den Umständen abhängig zu machen, und wenn diese günstig sind, so meinen wir, dass unser Glaube stark sei, und umgekehrt. Aber der Glaube blickt nie auf die Umstände, er blickt direkt ans Gott. Er hat es ausschließlich mit Ihm und seinen Verheißungen zu tun. So war es mit Elias; es kümmerte ihn wenig, ob der Krit fortfuhr, zu fließen oder nicht; Gott war seine Quelle, seine unfehlbare, unerschöpfliche Quelle. Der Bach mochte dem Einfluss der anhaltenden Dürre unterliegen; aber keine Dürre konnte auf Gott Einfluss ausüben; und dies wusste der Prophet. Er wusste, dass das Wort des Herrn ebenso gewiss und sicher war beim ausgetrockneten Bach, als es während der Zeit seines Aufenthalts an dessen Ufern gewesen war. Und so war es; denn das Wort des Herrn geschah zu ihm und sprach: „Mache dich auf und gehe gen Zarpat, welche zu Sidon gehört, und bleibe daselbst; siehe ich habe daselbst einer Witwe geboten, dass sie dich versorge“ (V 9). Elias Glaube sollte noch immer auf derselben unveränderlichen Grundlage ruhen: „Ich habe geboten.“ Wie wahrhaft gesegnet ist dies! Umstände verändern sich, – menschliche Dinge fehlen – irdische Ströme trocknen aus; aber Gott und sein Wort sind dasselbe gestern, heute und in Ewigkeit. Auch scheint der Prophet nicht im mindesten beunruhigt worden zu sein durch diesen neuen Befehl von Oben. Nein; denn gleich dem alten Israel hatte er gelernt, sein Zelt abzubrechen und wieder aufzuschlagen, je nachdem die Wolke, Jehovas sich bewegte. Das Lager vor Alters war berufen, aufmerksam die Räder jenes himmlischen Wagens zu beachten, welche dem Land der Ruhe zurollten, und hier und da in der Wüste anhielten, um einen Ruheplatz zu finden; und gerade so war es mit Elias, er mochte im unerschütterlichsten Vertrauen auf das Wort des Herrn seinen einsamen Posten an den Ufern des Krit nehmen, oder seinen beschwerlichen Weg nach Zarpat wandeln. Dem Israel vor Alters war es nicht gestattet, irgendwie seine eigenen Pläne zu haben; Jehova bestimmte und ordnete alles für sie, – Er sagte ihnen, wann und wo sie sich zu bewegen und anzuhalten hatten, und bezeugte zu verschiedenen Malen seine hohe Freude an ihnen durch die Bewegung der Wolke über ihren Häuptern.

„Wenn die Wolke aber zwei Tage, oder einen Monat, oder länger auf der Wohnung blieb, so lagen die Kinder Israel, und zogen nicht; und wenn sie sich dann erhob, so zogen sie. Denn nach des Herrn Mund lagen sie und nach des Herrn Mund zogen sie“ (4. Mo 9,22–23). Dies war die glückliche Stellung der Erlösten des Herrn, während sie von Ägypten nach Kanaan zogen. Sie hatten niemals ihre eigenen Wege zu gehen. Wenn ein Israelit sich geweigert hätte, zu gehen, wenn die Wolke ging, oder anzuhalten, wenn sie anhielt, dann wurde er in der Wüste umgekommen sein. Der Fels und das Manna folgten ihnen, während sie Jehova folgten; mit anderen Worten, Nahrung und Erfrischung konnten nur auf dem Pfad des einfachen Gehorsams gefunden werden. Ebenso war es mit Elias. Es war ihm nicht erlaubt, seinen eigenen Willen zu haben, – er konnte nicht die Zeit seines Aufenthalts am Krit bestimmen, noch die Zeit seiner Reife nach Zarpat; „das Wort des Herrn“ bestimmte alles für ihn, und wenn er demselben gehorchte, so fand er seinen Unterhalt. Welch eine Lehre für einen Christen! Der Pfad des Gehorsams ist allein der Pfad des Glücks. Würden wir uns selbst mehr Gewalt antun, so würde unser geistlicher Zustand weit kräftiger und gesunder sein. Nichts dient so sehr zur Gesundheit und Tatkraft der Seele als unerschütterlicher Gehorsam; durch die Bemühung im Gehorsam gewinnen wir an Kraft. Dies ist für alle wahr, aber besonders für diejenigen, die befähigt sind, im Werk des Herrn zu arbeiten. Diese müssen vor allen im Gehorsam wandeln, wenn sie anders im Dienst gebraucht werden wollen. Wie hätte Elias später sagen können, als er auf dem Berg Karmel stand: „Wenn der Herr Gott ist, so wandelt Ihm nach“, wenn sein eigener Pfad durch einen eigenwilligen und rebellischen Geist bezeichnet gewesen wäre! Der Pfad eines Dieners muss der Pfad des Gehorsams sein, anders hört er auf, ein Diener zu sein. Das Wort „Diener“ ist ebenso unzertrennlich mit „Gehorsam“ verbunden, wie Arbeit mit Arbeiter. Es hat jemand gesagt: „Ein Diener muss sich regen, sobald die Klingel schellt.“ Möchten wir deshalb alle aufmerksamer sein ans den Schall der Klingel unseres Herrn, und bereitwilliger, in der Richtung zu laufen, in welche sie uns ruft. „Rede, Herr, denn dein Knecht hört.“ Dies ist unsere wahre Sprache. Ob das Wort des Herrn uns aus unserer Zurückgezogenheit in die Mitte unserer Brüder ruft, oder von dort in die Einsamkeit zurück, möge unsere Sprache immer sein: „Rede, Herr, denn dein Knecht hört.“ Das Wort des Herrn und das aufmerksame Ohr eines Dieners sind alles, was wir nötig haben, um sicher und glücklich weiter zu kommen.

Freilich ist dieser Pfad des Gehorsams keineswegs ein leichter; er erfordert beständige Selbstverleugnung, und kann nur verfolgt werden, wenn das Auge unverrückt auf Gott gerichtet, und das Gewissen unter der Wirkung seiner Wahrheit gehalten wird. Wahr ist es, dass in jeder Handlung des Gehorsams reiche Belohnung liegt; doch müssen Fleisch und Blut bei Seite gesetzt werden, und das ist keine leichte Sache. Der Pfad des Propheten beweist es. Er wurde zuerst berufen, seinen Platz an dem Bach Krit zu nehmen, um durch Raben gespeist zu werden. Wie konnten Fleisch und Blut dies verstehen? Dann wieder, als der Bach versiegte, wurde er nach einer entfernten Stadt Sidons berufen, um dort von einer armen Witwe ernährt zu werden, welche gerade auf dem Punkt war, vor Hunger umzukommen. Dies war der Befehl: „Mache dich auf und gehe gen Zarpat, welche zu Sidon gehört, und bleibe daselbst; siehe, ich habe daselbst einer Witwe geboten, dass sie dich versorge.“ Und welche Sicherheit erhielt Elias durch seine eigene Überzeugung, als er an diesem Ort anlangte? Durchaus keine; sondern alles konnte ihn nur mit Zweifel und Furcht erfüllen, wenn er auf die Umstände sah. „Und er machte sich auf und ging gen Zarpat. Und da er kam an die Tür der Stadt, siehe, da war eine Witwe und las Holz auf. Und er rief ihr und sprach: Hole mir ein wenig Wasser im Gefäß, dass ich trinke. Da sie aber hinging, zu holen, rief er ihr und sprach: Bringe mir auch einen Bissen Brods mit. Sie sprach: So wahr der Herr, dein Gott, lebt, ich habe nichts Gebackenes, ohne eine Handvoll Mehl im Topf, und ein wenig Öl im Krug. Und siehe, ich habe ein Paar Stücke Holz aufgelesen, und gehe hinein und will mir und meinem Sohn zurichten, dass wir essen und sterben“ (V 10–12). Dies war der Anblick, welcher sich dem Auge des Propheten darbot, als er an seinem von Gott bezeichneten Bestimmungsorte ankam. Wahrlich, ein trüber und niederdrückender Anblick für Fleisch und Blut! Elias aber besprach sich nicht mit Fleisch und Blut; sein Geist war gestärkt durch das unveränderliche Wort Jehovas; sein Vertrauen war auf die Treue Gottes gegründet, und er bedurfte keiner Hilfe von den Dingen, die um ihn her waren. Der Horizont mochte dem sterblichen Auge finster und trübe erscheinen; aber das Auge des Glaubens konnte die Wolken durchdringen und über sie alle hinwegschauen auf den festen Grund hin, der für den Glauben in Jehovas treuem Wort gelegt ist. O wie köstlich ist das Wort Gottes! Wohl mochte der Psalmist sagen: „Deine Zeugnisse nehme ich zum Erbteil ans ewig.“ Kostbares Erbteil! Reine, unverderbliche, unsterbliche Wahrheit! Wie sollten wir unseren Gott preisen, dass Er sie zu unserem sicheren Teil gemacht hat! Mögen alle irdischen Dinge verschwinden – mag die Welt und ihre Lust vergehen – mag alles Fleisch wie dürres Gras verzehrt werden, so wird doch dieses Teil für den Gläubigen eine sichere, eine ewige, eine unvergängliche Wirklichkeit bleiben. „Dank sei Gott für seine unaussprechliche Gabe!“

Aber welche Umstände waren es, denen das Auge des Propheten bei seiner Ankunft in Zarpat begegnete? Eine Witwe und ihr Sohn waren dem Hungertod nahe; sie hatten noch ein wenig Öl und eine Handvoll Mehl. Und doch hieß das Wort: „Ich habe daselbst einer Witwe geboten, dass sie dich versorge.“ Welche Prüfung! Wie höchst geheimnisvoll war alles dieses! Doch Elias „zweifelte nicht an der Verheißung Gottes durch Unglauben, sondern war stark im Glauben, Gott die Ehre gebend.“ Er wusste, dass es der höchste und allmächtige Gott, der Herr des Himmels und der Erde war, welcher für seine Bedürfnisse sorgen wollte; deshalb würde es ihn wenig bekümmert haben, wenn auch gar kein Öl oder Mehl dagewesen wäre. Er blickte über die Umstände hinaus zu dem Gott der Umstände; er sah nicht die Witwe, sondern Gott; er schaute nicht auf die Handvoll Mehl, sondern auf den göttlichen Befehl; und daher war sein Geist völlig ruhig und getrost inmitten von Umständen, die den Geist dessen, der auf das gesehen hätte, was vor Augen war, verdunkelt haben würden. Er war fähig, ohne einen Schatten von Zweifel, zu sagen. „Also spricht der Herr, der Gott Israels: Der Mehltopf soll nicht leer werden, und dem Ölkrug soll nichts mangeln, bis auf den Tag, da der Herr Regen geben wird auf Erden“ (V 14).

Hier haben wir die Antwort des Glaubens auf die Sprache des Unglaubens. „Also spricht der Herr“; dies bringt alles zum Schweigen. Von dem Augenblick an, wo der Geist die Verheißungen Gottes ergreift, sind die Einreden des Unglaubens zu Ende. Der Unglaube setzt die Umstände zwischen die Seele und Gott; der Glaube aber setzt Gott zwischen die Seele und die Umstände; und das ist ein sehr großer Unterschied. Möchten wir in der Macht und Energie des Glaubens zum Preis dessen wandeln, welchen der Glaube immer ehrt!

Es ist aber noch ein anderer Punkt in dieser lieblichen Geschichte, der wohl zu beherzigen ist, dass nämlich der Tod stets den Geist dessen umschwebt, der nicht durch Glauben wandelt. „Dass wir essen und sterben“, war die Sprache der Witwe. Tod und Unglauben sind unzertrennlich verbunden. Der Geist kann nur durch die Energie des Glaubens auf dem Pfad des Lebens geleitet werden. Wenn diese Energie nicht vorhanden ist, so ist kein Leben, keine Macht, keine Erhebung da. So war es mit dieser armen Witwe. Ihre Hoffnung des Lebens gründete sich auf das Fass Mehl und auf den Krug Öl; über diese Dinge hinaus sah sie keine Quelle des Lebens, keine Hoffnung der Erhaltung. Ihre Seele kannte noch nicht den wahren Segen der Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott, dem allem die Ausgänge des Todes gehören. Sie war noch nicht fähig, „wider Hoffnung auf Hoffnung“ zu leben. Ach! welch ein armes, zerbrechliches, schwankendes Ding ist jene Hoffnung, welche sich nur auf einen Ölkrug und auf ein Mehlfass gründet! Wie ärmlich müssen jene Erwartungen sein, die nur auf der Kreatur beruhen! Und sind wir nicht alle nur zu sehr geneigt, uns auf etwas zu stützen, das ebenso erbärmlich und niedrig in den Augen Gottes ist, als eine Handvoll Mehl! Ja wahrlich; und es muss also sein, wo nicht Gott von der Seele erfasst wird. Für den Glauben ist es entweder Gott oder Nichts. Eine Handvoll Mehl wird in der Hand Gottes und in den Augen des Glaubens ein ebenso gutes Mittel zum Unterhalt sein, als tausend mit Rindern bedeckte Hügel. „Wir haben hier nur fünf Brote und zwei kleine Fische; aber was ist dies unter so viele?“ Dies ist die Sprache des menschlichen Herzens; aber der Glaube sagt niemals, was ist dies unter so viele, sondern was ist Gott unter so viele? Der Unglaube sagt: Wir sind nicht fähig; der Glaube sagt: Gott aber ist wohl fähig. Und würde es nicht gut sein, bevor wir zu unserem Gegenstand zurückkehren, diese Grundsätze auf den armen, hilfsbedürftigen Sünder anzuwenden? Wie oft findet man nicht solche, die allerlei vergebliche Mittel anwenden, um die Vergebung ihrer Sünden zu erlangen, anstatt sich allein an das auf dem Kreuz vollbrachte Werk Christi anzuklammern, welches für immer die Anforderungen der göttlichen Gerechtigkeit befriedigt hat, und deshalb gewiss fähig ist, die Stimme eines schuldigen Gewissens zu beschwichtigen. „Ich habe niemanden, wenn das Wasser sich bewegt, der mich in den Teich lasse; und wenn ich komme, so steigt ein anderer vor mir hinein.“ Dies ist die Sprache eines Menschen, der noch nicht gelernt hat, von aller menschlichen Hilfe ab auf Jesus hinzuschauen. „Ich habe niemanden“, sagt der arme, schuldige, ungläubige Sünder; aber ich habe Jesus, sagt der Gläubige, und er kann hinzufügen: „So spricht der Herr; die reinigende Kraft des Blutes soll nicht aufhören, noch sein Wert sich verringern, bis zu der Zeit, wo der Herr seine Erlösten für immer in seine eigenen himmlischen Wohnungen sicher heimgebracht haben wird.“

Wenn diese Zeilen dem Auge eines armen, zitternden Sünders begegnen sollten, so möchte ich ihn einladen, seine Zuflucht zu der köstlichen Wahrheit zu nehmen, dass Gott in seiner unendlichen Gnade das Kreuz Christi zwischen sich und seine Sünden gesetzt hat, wenn er nur dem göttlichen Zeugnis glauben will. Der große Unterschied zwischen einem Gläubigen und einem Ungläubigen ist dieser: Der Erstere hat Christus zwischen sich und seinen Sünden, der Letztere hat seine Sünden zwischen sich und Christus. Bei dem Gläubigen ist Christus der Gegenstand, worauf das Auge ruht. Er blickt nicht auf die Größe seiner Sünde, sondern auf den Wert des Blutes und auf die Köstlichkeit der Person Christi. Er weiß, dass Gott jetzt nicht ans dem Richterstuhl, sondern auf dem Gnadenthron sitzt. Würde Er auf jenem seinen Platz genommen haben, so würden seine Gedanken nur mit der Sünde beschäftigt sein, weil Er aber auf diesem ist, so sind, gepriesen sei sein Name! Seine Gedanken einzig und allein mit dem kostbaren Blut Christi beschäftigt. O, möchten wir doch mehr mit himmlischen Gedanken erfüllt und völliger von den Dingen und Gedanken der Erde getrennt sein! Der Herr gebe dies allen seinen Heiligen!

Wenden wir uns jetzt zu unserem Gegenstand zurück. – Der Mann des Glaubens muss auf alle Weise geprüft werden. Jede neue Szene und Stellung im Leben des Gläubigen ist nur der Eintritt in eine neue Klasse der Schule Christi, wo er eine neue und natürlich auch eine schwierigere Aufgabe zu erlernen hat. Aber man möchte fragen, inwiefern die Umstände in Zarpat für Elias schwieriger gewesen seien als am Bach Krit? War es nicht besser, auf menschliches Mitgefühl angewiesen zu sein, als Raben zu seinen Versorgern zu haben? Und war es ferner nicht angenehmer, von menschlichen Wesen bedient zu werden, als in der Einsamkeit des Baches Krit zu wohnen? Ohne Zweifel möchte dies der Fall sein; aber die Einsamkeit hat ihr Süßes und die Gesellschaft hat ihre Versuchungen. Allerlei selbstsüchtige Absichten machen sich unter den Menschen geltend, und verbittern das Angenehme und die Bequemlichkeit, welche die menschliche Gesellschaft darbieten kann. Der Prophet hörte solche Worte nicht, wie diese: „für mich und meinen Sohn“, als er sich an jenem einsamen Bach aufhielt. Dort gab es kein solch selbstsüchtiges Interesse, das seinen Unterhalt und seinen Genuss beschränkte. Sobald er aber aus seiner Zurückgezogenheit in die menschliche Gesellschaft zurückgekehrt war, da musste er fühlen, dass das menschliche Herz es nicht liebt, sein eigenes Interesse im mindesten beeinträchtigt zu sehen. Er musste die tiefe Bedeutung der Worte, „für mich und meinen Sohn“, welche die verborgenen Quellen der Selbstsucht und mithin den gefallenen Zustand der Menschen offenbaren, kennen lernen. Aber ohne Zweifel war es für das Herz der Witwe ganz natürlich, zuerst an sich selbst und ihren Sohn zu denken, als an irgend sonst jemanden. Dies tut die Natur immer. Höre die folgenden Worte eines wahren Naturkindes: „Sollte ich mein Brot und mein Wasser und mein Geschlachtetes nehmen, dass ich für meine Scherer geschlachtet habe, und Leuten geben, die ich nicht kenne, wo sie her sind?“ (1. Sam 25,11) Die Natur wird das Ihrige immer zuerst suchen, und es kommt dieser verdorbenen Welt nicht in den Sinn, die menschliche Seele so zu erfüllen, dass sie zum Wohl anderer überströmt. Dies zu tun, ist allein das Vorrecht Gottes. Es ist eine ganz vergebliche Mühe, zu versuchen, das Herz des Menschen durch irgendein Mittel weit zu machen, ausgenommen durch die überströmende Gnade Gottes. Diese allein kann die Tür seiner Zuneigungen für jeden Notleidenden weit öffnen. Die menschliche Wohltätigkeit mag vieles tun, wenn reichliche Hilfsquellen die Möglichkeit der eigenen Entbehrung verhindern; aber nur die Gnade wird einen Menschen befähigen, das eigene Interesse den Bedürfnissen anderer unterzuordnen. „Die Menschen werden dich preisen, wenn du dir selbst wohltust.“ Dies ist der Grundsatz der Welt, und nichts kann uns befähigen, denselben zu verlernen, als die Erkenntnis der Tatsache, dass Gott uns Gutes getan hat, und dass Er es ferner tun wird bis ans Ende. Die Erkenntnis dieses göttlichen Grundsatzes befähigte den Propheten, zu sagen: „Mache mir am ersten ein kleines Backwerk davon, und bringe mir es heraus; dir aber und deinem Sohn sollst du danach auch machen“ (V 13). Mit diesen Worten drückte Elias einfach die göttlichen Ansprüche auf die Vorräte der Witwe aus; und wie wir wissen, Wird die wahre und wirkliche Befriedigung dieser Ansprüche eine reiche Ernte des Segens für die Seele sein. In diesem allen lag eine Anforderung an den Glauben der Witwe. Sie war berufen, in einer schwierigen und versuchungsvollen Lage einfach in der Energie des Glaubens zu handeln, gestützt auf eine göttliche Verheißung: „Also spricht der Herr, der Gott Israels: Der Mehltopf soll nicht leer werden und dem Ölkrug soll nichts mangeln, bis auf den Tag, da der Herr Regen geben wird auf Erden“ (V 14). Und ist es nicht also bei einem jeden Gläubigen? Ohne Zweifel; wir müssen im Glauben handeln. Der große wirkende Grundsatz in der Seele des Christen muss immer auf die Verheißung Gottes gegründet sein. Es würde sich von Seiten der Witwe für die Übung des Glaubens keine Gelegenheit geboten haben, wenn der Krug voll gewesen wäre; aber als er geleert, als sie zu ihrer letzten Handvoll gekommen war, und ihr gesagt wurde, diese Handvoll zuerst einem Fremden zu geben, so war dies sicher eine Anforderung, welcher nachzukommen nur der Glaube sie befähigte. Aber der Herr handelt oft mit seinem Volk, wie Er mit seinen Jüngern bei Speisung der Fünftausend handelte, wo wir lesen: „Dies sagte Er aber, um sie zu versuchen; denn Er selbst wusste, was Er tun wollte.“ Er lässt uns oft in versuchungsreiche Umstände eintreten, wodurch unser Glaube auf eine schwere Probe gestellt wird; aber sobald wir gehorchen, erkennen wir nicht nur den Beweggrund dazu, sondern bekommen auch Kraft, um vorwärts zu gehen. In der Tat werden alle die göttlichen Anforderungen an unsere Handlungen durch den Grundsatz geleitet, der in dem Befehl an die Kinder Israel ausgedrückt wird: „Sage den Kindern Israel, dass sie ziehen.“ Wohin sollten sie ziehen? Durch das Meer. Sonderbarer Weg! Doch hinter diesem versuchungsvollen Befehl sehen wir die Gnade, welche die Fähigkeit gibt, ihn auszuführen, indem der Herr zu Moses sagt: „Du aber hebe deinen Stab auf, und recke deine Hand über das Meer, und teile es voneinander, dass die Kinder Israel hineingehen, mitten hindurch, auf dem Trocknen“ (2. Mo 14,16). Der Glaube befähigt einen Menschen, auszugehen, ohne zu wissen wohin.

Aus dieser wahrhaft interessanten Szene ist also mehr zu lernen, als der bloße Grundsatz des Gehorsams; wir sehen auch, dass nichts als die Macht der göttlichen Gnade den menschlichen Geist erheben kann über die kalte Atmosphäre der Selbstsucht, worin der gefallene Mensch lebt, und sich bewegt, und sein Wesen hat. Die Strahlen des göttlichen Wohlwollens, welche in die Seele scheinen, zerstreuen jene Nebel, in welche die Welt eingehüllt ist, und befähigen den Menschen, nach höheren und edleren Grundsätzen zu denken und zu handeln. Diese arme Witwe hatte ihr Haus verlassen und wurde durch keinen höheren Beweggrund, als das eigene Interesse und die Selbsterhaltung geleitet, und hatte keinen besseren Gegenstand vor ihren Augen als den Tod. Und ist es in irgendeiner Weise anders mit der Menge, die uns umgibt? Ist es in irgendeiner Beziehung besser mit jedem nicht wiedergeborenen Menschen? Nicht im Geringsten. Der Ausgezeichnetste, der Geistvollste, der Gelehrteste – mit einem Wort, jeder Mensch, in dessen Geist das Licht der göttlichen Gnade noch nicht eingedrungen ist, wird durch Beweggründe des eigenen Interesses und der Selbsterhaltung, gleich der armen Witwe, geleitet, und hat keine glänzendere Aussicht vor sich als den Tod. Jedoch die Gnade Gottes verändert schnell die Lage der Dinge. Auf die Witwe wirkte sie mächtig; sie sandte sie zurück nach ihrem Haus, beschäftigt und besorgt für einen anderen, und erfüllte ihre Seele mit neuer Hoffnung des Lebens. Und so wird es immer sein. Sobald die Seele mit der Wahrheit und der Gnade Gottes in Gemeinschaft tritt, wird sie auf einmal von diesem gegenwärtigen bösen Zeitlauf befreit und dem Strom entrissen, der mit reißender Schnelligkeit Millionen auf seiner Oberfläche dahintreibt. Die Seele wird alsdann durch himmlische Beweggründe geleitet, und durch himmlische Gegenstände belebt. Die Gnade lehrt den Menschen, für andere zu leben und zu wirken. Je mehr unsere Seelen die Süßigkeit der errettenden Liebe kosten, desto ernstlicher wird unser Wunsch sein. Anderen zu dienen. O, dass ein jeder in dieser Zeit der traurigen Kälte und Gleichgültigkeit tiefer und bleibender die alles vermögende Macht der Liebe Christi fühlen möchte! Wollte Gott, dass wir alle in dem Bewusstsein leben und wirken möchten, dass wir nicht unser selbst, sondern teuer erkauft sind!

Die Witwe von Zarpat lernte diese Gnade kennen. Der Herr machte nicht nur seine Ansprüche auf die Handvoll Mehl und den Krug Öl geltend, sondern legte auch seine Hand an ihren Sohn – den teuersten Gegenstand ihrer Zuneigung. Der Tod besuchte das Haus, wo der Prophet des Herrn, in Gesellschaft mit der Witwe und ihrem Sohn, die köstlichem Früchte des göttlichen Wohlwollens genoss. Wir lesen in Vers 17: „Und nach diesen Geschichten ward des Weibes, der Hauswirtin, Sohn krank, und seine Krankheit ward sehr hart, bis dass kein Odem mehr in ihm überblieb.“ Dieser Sohn aber, wie wir wissen, hatte ihr, sowie sie selbst, im Weg gestanden, der göttlichen Anforderung sofort Gehorsam zu leisten. Deshalb haben wir in dem Tod dieses Kindes eine ernste Unterweisung für jeden Heiligen. Wenn irgendein Gegenstand ist, seien es Eltern oder Kinder, Mann oder Weib, Bruder oder Schwester, dem wir erlauben, uns auf unserem Pfad des Gehorsams und der Nachfolge Christi aufzuhalten, so können wir versichert sein, dass dieser Gegenstand entfernt werden wird. Die Witwe hatte ihrem Sohn einen höheren Platz in ihren Gedanken eingeräumt, als dem Propheten des Herrn; und der Sohn wurde ihr weggenommen, damit sie lernen möchte, dass nicht nur „die Handvoll Mehl“ Ihm unterworfen und für Ihn bereit sein sollte, sondern auch ihr teuerster irdischer Gegenstand. Es bedarf kein geringes Maß des Geistes Christi, um alles für Gott in Bereitschaft zu halten. Wir sind so geneigt, die Dinge als unsere eigenen anzusehen, anstatt uns zu erinnern, dass alles, was wir sind und haben, dem Herrn angehört, und dass wir schuldig sind, es zu jeder Zeit auf seinen Wink hinzugeben. Dies ist nicht nur eine Sache des wahren Gehorsams, sondern es dient Zugleich zu unserem dauernden Wohl und unserer wahren Glückseligkeit. Die Witwe gehorchte dem Befehl Gottes, als er die Handvoll Mehl von ihr verlangte, und was geschah? Sie und ihr Haus wurden jahrelang versorgt! Wiederum legt der Herr die Hand an ihren Sohn, und was geschieht? Ihr Sohn wird vom Tod auferweckt durch die mächtige Kraft Gottes, um sie zu lehren, dass Er nicht nur das Leben erhalten, sondern auch geben kann. Die Auferstehungsmacht offenbarte sich in ihren Umständen; und sie empfing jetzt ihren Sohn, wie sie vorher ihren Unterhalt empfangen hatte, unmittelbar aus der Hand des Herrn, des Gottes Israels. Wie glücklich, abhängig zu sein von einer solchen Güte! Wie glücklich, zu unserem Mehlfass oder unserem Ölkrug zu gehen, und ihn täglich durch die gütige Hand unseres Vaters wieder gefüllt zu finden! Wie glücklich, den teuersten Gegenstand unserer Zuneigung in Abhängigkeit von der Auferstehungsmacht zu besitzen! Das sind die Vorrechte selbst der schwächsten Gläubigen.

Eine andere Wirkung des göttlichen Besuchs war, dass bei der Witwe eine ernste Frage über ihre Sünde erweckt wurde. Sie rief aus: „Was habe ich mit dir zu schaffen, du Mann Gottes? Du bist zu mir hereingekommen, dass meiner Missetat gedacht und mein Sohn getötet würde“ (V 18). Wenn der Herr uns nahetritt, dann wird das Gewissen wach und zart, was immer höchst gesegnet ist. Man kann oft im gewöhnlichen Laufe des Lebens, von Tag zu Tag vorwärtsgehen im Genüsse eines gefüllten Topfes oder Kruges, ohne eine tiefe Übung des Gewissens vor Gott. Letzteres wird man nur da finden, wo in wirklicher Gemeinschaft mit Gott gewandelt wurde, oder wo die Hand des Herrn uns heimsucht. Hätte der Herr nur die Notdurft der armen Witwe von Tag zu Tag befriedigt, so möchte in ihrem Gemüt vielleicht nie eine Frage in Betreff ihrer Sünde entstanden sein; aber als der Tod eintrat, begann das Gewissen zu wirken; denn der Tod ist der Sünde Lohn. In allen Wegen Gottes mit uns offenbart sich eine zweifache Handlung: die Handlung der Gnade und die Handlung der Wahrheit. Letztere enthüllt das Böse und Erstere schafft es hinweg; diese offenbart, was der Mensch ist, und jene, was Gott ist; diese bringt die verborgenen Werke des Bösen im menschlichen Herzen ans Licht, jene offenbart die reichen und unerschöpflichen Quellen der Gnade im Herzen Gottes. Doch beide sind nötig, – die Gnade zur Feststellung unserer Segnung, die Wahrheit zur Rechtfertigung des Charakters und der Eigenschaften Gottes. Wie gesegnet ist es, zu wissen, dass beides, „Gnade und Wahrheit, durch Jesus Christus geworden ist.“ Die göttliche Handlung mit der Witwe würde nicht vollständig gewesen sein, wenn sie nicht zu dem Bekenntnis gebracht worden wäre: „Nun erkenne ich, dass du ein Mann Gottes bist, und des Herrn Wort in deinem Mund ist Wahrheit“ (V 24). Sie hatte die Gnade kennen gelernt in der wunderbaren Hilfe in der Not; sie lernte die Wahrheit kennen in dem Tod ihres Sohnes. Und wenn wir nur geistlicher wären, so würden wir stets diese beiden Seiten in der Erziehung unseres Vaters bemerken. Wir sind beständig Gefäße seiner Gnade; aber immer wieder empfangen wir Beispiel seiner Wahrheit durch die Führungen seiner Hand, um das Böse aus den verborgenen Winkeln unseres Herzens hervorzubringen, damit wir es richten und hinweg tun. Solange wir unseren Topf und unseren Krug gefüllt sehen, ist das Gewissen geneigt, zu schlummern; aber wenn Jehova durch seine züchtigende Hand an die Tür unserer Herzen anklopft, so wacht es sofort auf und beginnt das Selbstgericht.

Es gab aber auch für Elias eine Stimme in dieser Heimsuchung. Er hatte sich selbst der Witwe in dem Charakter eines Mannes Gottes vorgestellt und es war daher nötig, seine Berufung zu diesem Charakter zu bewahrheiten. Jehova tat dies nach seiner Gnade für ihn, durch die Auferweckung des Kindes. „Nun erkenne ich“, sagte sie, „dass du ein Mann Gottes bist.“ Die Auferweckung war es, welche seinen Anspruch auf ihr Vertrauen rechtfertigte. Die Erweisung eines gewissen Maßes von Auferstehungskraft in dem Leben des Christen ist nötig, bevor seine Ansprüche auf diesen Charakter völlig gerechtfertigt erscheinen. Und dies wird geschehen durch den Sieg über das eigene selbst und alle bösen Wirkungen desselben. Der Gläubige ist mit Christus auferstanden, – er ist zum Teilhaber der göttlichen Natur gemacht; aber er ist noch in der Welt und trägt mit sich umher den Leib der Sünde, und wenn er sich da nicht selbst verleugnet, so wird er seinen Charakter als Mensch Gottes bald in Frage gestellt finden. Es würde jedoch ein armseliger Gegenstand sein, nur zu suchen unser eigenes Ansehen aufrecht zu erhalten. Der Prophet hatte ein höheres und edleres Ziel, und zwar die Wahrheit des Wortes Gottes in seinem Mund zu erweisen. Das ist ein passender Gegenstand für den Mann Gottes. Sein eigener Charakter und Ruf waren Dinge von geringer Wichtigkeit für ihn, ausgenommen wo sie mit dem Wort des Herrn verbunden waren. Der Apostel Paulus ging nur aus dem Grund zur Verteidigung seines Apostelamtes in seinen Briefen an die Galater und Korinther über, um den göttlichen Ursprung des von ihm gepredigten Evangeliums aufrecht zu erhalten. Es kümmerte ihn wenig, was sie von Paulus dachten; aber es war ihm viel daran gelegen, was sie von dem Evangelium des Paulus hielten. Um dessentwillen war er bemüht, zu beweisen, dass das Wort des Herrn in seinem Mund Wahrheit war. Und wie wichtig war es für den Propheten, ein solches Zeugnis für den göttlichen Ursprung seines Dienstes zu haben, bevor er den Schauplatz betrat, auf welchem er sich in Kapitel 18 bewegt. Dieses Zeugnis erlangte er besonders bei seiner Zurückgezogenheit in Zarpat. Daselbst wurde sein Glaube befestigt; er empfing ein göttliches Siegel für seinen Dienst; er wurde fähig gemacht, aufs Neue seine öffentliche Laufbahn mit der glückseligen, Gewissheit zu betreten, dass er ein Mann Gottes und das Wort des Herrn in seinem Mund Wahrheit sei. 1

Diese Geschichte hat für uns aber auch noch eine vorbildliche Bedeutung. Christus selbst beruft sich auf die Sendung des Propheten zu der heidnischen Witwe, und dies gibt uns Anleitung, darin ein schönes Vorbild von der Aufnahme der Heiden in die Kirche Gottes zu erblicken. „In Wahrheit sage ich euch: viele Witwen waren in den Tagen Elia in Israel, als der Himmel drei Jahre und sechs Monate verschlossen war, so dass in dem ganzen Land eine große Hungersnot ward; und zu keiner von ihnen ward Elias gesandt, als allein nach Sarepta in Sidon, zu einem Weib, die Witwe war“ (Lk 4,25–26). Der Herr Jesus hatte sich Israel vorgestellt als der Prophet, aber keine Anerkennung gefunden; die Tochter Zions weigerte sich, die Stimme ihres Herrn zu hören. Die Worte der Gnade, die von seinem Mund ausgingen, wurden durch die fleischliche Frage beantwortet: „Ist dieser nicht der Sohn Josephs.“ Deshalb findet sein Geist, angesichts der Geringschätzung und Verwerfung von Seiten Israels, eine Erquickung in der glücklichen Betrachtung, dass es noch Gegenstände außerhalb der jüdischen Grenze gab, zu welchen die göttliche Gnade, deren Kanal Er war, in ihrer ganzen Fülle und Reinheit ausströmen konnte. Die Gnade Gottes ist der Art, dass, wenn sie durch den Stolz, den Unglauben oder die Herzenshärtigkeit der einen aufgehalten wird, sie nur desto reichlicher ausströmt zu anderen. „Ich habe dich auch zum Licht der Heiden gemacht, dass du seist mein Heil bis an der Welt Ende“ (Jes 49,6). Es ist aber nicht unser Zweck, hier weiter auf die Berufung der Heiden einzugehen, sondern nur auf eine einfache und praktische Weise das Leben und den Dienst unseres Propheten zu betrachten, und zwar mit dem herzlichen Wunsch, dass es dem Herrn Wohlgefallen möge, diese Betrachtungen zur Ermunterung und zur Auferbauung seiner Heiligen dienen zu lassen! (Fortsetzung folgt)

Fußnoten

  • 1 Ich möchte hier noch ein Wort über die Aufrecht Haltung des eigenen Ansehens hinzufügen. Es ist traurig, wenn ein Diener Gottes hierzu genötigt ist. Es zeigt, dass entweder etwas Schlechtes bei ihm selbst ist, oder bei denen, die es für ihn nötig gemacht haben, also zu handeln. Wenn aber eine solche Rechtfertigung erforderlich ist, so gibt es eine große Sache, die stets klar vor unserer Seele stehen muss, dass es uns nämlich nur um die Ehre Christi und die Reinheit der Wahrheit zu tun ist. Es ist oft der Fall, dass, wenn irgendeine Beschuldigung gegen unseren Dienst oder unseren persönlichen Charakter gemacht wird, wir schnell bei der Hand sind, uns selbst zu verteidigen. Doch sollten wir uns zu jeder Zeit erinnern, dass wir, getrennt von unserer Verbindung mit Christus und seinen Heiligen, nichts sind als Staub und Asche, unwert eines jeden Gedanken oder Wortes. Es sollte daher weit von uns entfernt sein, die Behauptung unseres eigenen Ansehens zu suchen. Wir sind nach einem gewissen Maße berufen, die Bewahrer des Ansehens Christi zu sein, und vorausgesetzt, dass wir dieses unbefleckt aufrecht halten, so haben wir nicht nötig, für uns selbst Sorge zu tragen. Der Herr gebe uns allen Gnade, zu wandeln in dem bleibenden Bewusstsein unserer hohen Würde und heiligen Verantwortlichkeit als „der Brief Christi, gekannt und gelesen von allen Menschen.“
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