Botschafter des Heils in Christo 1864
"Prüft aber alles, das Gute haltet fest"
Der folgende Brief ist, bei Niederlegung ihres Amtes, von zwei Priestern der bischöflichen Kirche Englands an ihren Bischof geschrieben worden. Wir teilen denselben hier mit, damit unter des Herrn Segen die klare Beleuchtung der sie bei ihrem Austritt leitenden Beweggründe dazu dienen möge, sowohl die Augen derer zu öffnen, die noch an dergleichen Satzungen gebunden sind, als auch den Glauben derer zu stärken, die bereits den Mut hatten, dieselben zu verlassen. Ehrwürdiger Herr!
Vor sechs Monaten würden wir es für eine bestimmte Unmöglichkeit gehalten haben, Ihnen in einer Weise zu schreiben, die uns jetzt ein Gebot der Pflicht ist. Ungefähr um diese Zeit sprach einer von uns mit einem sehr ernsten christlichen Freunde über den Standpunkt der Kirche; und auf die Bemerkung, dass wir uns lieber über Gegenstände, in denen wir übereinstimmten, unterhalten möchten, antwortete er: „Das ist wahr; aber wir müssen uns vor keiner Besprechung fürchten, über welchen Gegenstand es auch sei.“ Und als wir darauf bemerkten, wir seien völlig überzeugt, dass die englische Kirche unbestreitbar auf einem durchaus biblischen Grund stehe, überreichte er uns etliche Traktate, die wir Ew. Ehrwürden einliegend zusenden. Die Beweisgründe waren uns ganz neu; und der ganze Gegenstand war in einer Weise behandelt, die sich völlig von allem unterschied, was wir früher darüber gelesen hatten.
Wir suchten sie zu widerlegen; wir prüften sie – prüften sie nochmals, wir lasen und beteten. In der Tat waren wir mit Vorurteilen gegen die Einwendungen erfüllt; denn wir hatten die größte Ursache, zu wünschen, dass sie nicht stichhaltig seien. Nichtsdestoweniger aber fühlen wir uns zu dem Bekenntnis verpflichtet, dass sie jeden Widerspruch von unserer Seite besiegt haben; und unsere Prüfung der Traktate endigte mit der vollen Überzeugung, dass sie die Wahrheit enthielten – eine Überzeugung, die alle unsere bisherigen Verbindungen lösen muss, und die unsere Füße auf einen neuen, unbekannten Pfad stellt. Wir wollen in der Kürze die Punkte berühren, die uns zu dieser Überzeugung brachten.
1. Der erste Punkt ist die Einheit des Leibes Christi. Das Wort Gottes erklärt, dass diese Einheit wesentlich und durchaus geistlich ist, aber Zugleich, dass sie in dem Wandel einen Ausdruck finden muss. Das Gebet des Herrn (Joh 17) wird jeden hiervon überzeugen. Überdem finden hier die Ermahnungen des Apostels gegen Sekten und Spaltungen ihre passende Anwendung. Wir werden ermahnt, den „einen Leib“, welcher alle wahre Gläubige in Christus Jesus, aber auch nur solche in sich schließt, nicht zu trennen. Wir werden ermahnt, „unser Zusammenkommen“ nicht zu versäumen. – Um diese äußere Einheit zu bewahren, dürfen wir den Brüdern keinen Stein des Anstoßes vor die Füße legen, müssen, außer zur Unterscheidung in zweifelhaften Fragen, den Schwachen im Glauben aufnehmen, und die ernste Warnung des Apostels beachten: „Wenn jemand den Tempel Gottes verdirbt, diesen wird Gott verderben; denn der Tempel Gottes ist heilig, welcher ihr seid.“
Eine peinliche Frage, die aber dennoch gestellt werden muss, ist diese: „Kann die Kirche von England die Anwendung dieser biblischen Grundsätze in ihrer Mitte dulden?“ Hat sie sich nicht selber an den Platz des „einen Leibes“ gestellt, indem sie alle die, welche sich von ihr, aber nicht von Christus trennen, als solche bezeichnet, die da Spaltungen anrichten? Maßt sie sich zu gleicher Zeit nicht das Recht der Einführung von Zeremonien usw. an, die sie den Gliedern als Bedingung der Gemeinschaft auferlegt und dadurch, indem sie vielen von der Herde Christi die Tür verschließt und mithin selber Spaltungen anrichtet, augenscheinlich den Leib Christi trennt? Wir haben nur eine Antwort auf all diese Fragen.
2. Ein anderer Punkt ist die Ausübung der Zucht in der Kirche. Die Worte unseres Herrn in Matthäus 18,15.17 sind sehr deutlich, können aber im Blick auf die Grundsätze der Staatskirche nimmer befolgt werden. Der Apostel (2. Kor 6,14–18) warnt uns, „nicht in einem ungleichen Joch mit den Ungläubigen zu sein“, und ermahnt uns, aus ihrer Mitte zu gehen und uns abzusondern, um von Gott als Söhne und Töchter erkannt zu werden. In der Tat, das Wort Gottes ist Betreffs dieser Sache überall sehr klar. Aber kann die englische Kirche hierin die Prüfung bestehen? Ist es nicht die Klage ihrer Verteidiger, dass die Zucht in ihren aus Gläubigen und Ungläubigen bestehenden Gemeinden nicht gut ausgeübt werden könne? Oder nehmen sie sonst nicht die Zuflucht zu der Erklärung, dass bei dem gegenwärtigen Zustand der Kirche das Unkraut nicht aus dem Weizen gejätet werden könne. Und doch erklären die Worte des Herrn in diesem Gleichnis deutlich, dass Er nicht von der Kirche, sondern von der Welt redet – und mithin ist das Resultat, dass die Welt und die Kirche ganz zu einer und derselben Sache geworden sind. Die Diener der Kirche haben sogar in der Welt einen großen Namen; Welt und Kirche gehen Hand in Hand; und das Ärgernis des Kreuzes scheint fast verschwunden zu sein.
3. Und nun die Frage des Amtes. In der Theorie bekennt die Kirche von England, dass die Berufung ins Amt von Gott kommen müsse; in der Praxis aber verleugnet sie dieses. Die, welche durch die Hände ihres Bischofs ordiniert sind, werden über Kirchen und Kirchspiele angestellt, und dieses in sehr vielen Fällen, ohne dass sie aus Erfahrung wissen, ob ein Heiliger Geist ist oder nicht. Indem man jede wahre Ordnung über den Haufen stößt, stellt man ungöttliche Menschen über das Volk des Herrn, oder sendet man blinde Leiter der Blinden, um von einer Kirche zu sprechen, die sie nicht kennen, oder von einem Glauben, den sie selber nicht besitzen. Ew. Ehrwürden werden doch wohl einen solchen Zustand nicht als das Werk Gottes bezeichnen? Gott sendet und wirkt, durch welchen Er wirken will, unbekümmert um jede bestehende Ordnung; ja, es kann nicht geleugnet werden, dass Er oft gerade die reichlich segnet, die durchaus gegen die bestehende Kirchenordnung handeln. Er bekümmert sich keineswegs um die Anordnungen des Menschen; Er zerstört sie überall, während hingegen der Mensch sich weigert, das Werk Gottes anzuerkennen, wenn es auf sektiererischem Weg, wie er es nennt, ins Leben getreten ist.
4. Und endlich die Ordnung des öffentlichen Gottesdienstes. Wir finden eine sehr bestimmte Vorschrift für die Ordnung in der Kirche Gottes in 1. Korinther 11 und 14, wo selbst die geringsten Dinge z. B. das Bedecken oder Entblößen des Hauptes, geregelt sind. Aber um welcher Ursache willen achtet man nicht auf diese Vorschriften? Antwort: weil sie nicht mehr passen für unsere Zeit. Stattdessen hat man uns eine Liturgie gegeben, eine menschliche Erfindung, welche offenbar das Wirken des Heiligen Geistes ausschließt, welcher dient, wie und durch wen Er will. Die wirklich schriftgemäßen Vorschriften können, wie Ew. Ehrwürden beistimmen werden, in unseren Tagen keine Ausführung finden, ohne eine direkte Verwerfung der bestehenden Ordnung, zufolge welcher das ganze Werk der Auferbauung einem Mann anvertraut ist, der – ob dazu geeignet oder nicht – Hirte, Lehrer und Evangelist sein muss, und dieses alles mit Ausschluss eines jeden anderen, wie fähig und geistlich derselbe auch sein möge.
Mit der tiefsten Betrübnis reden wir über diese Dinge. In der Absicht, einen so folgeschweren Schritt zu tun, sind wir nicht mit Fleisch und Blut zu Rat gegangen; und wir können uns im festen Vertrauen auf Ihn berufen, der allein in Betreff der Reinheit der Beweggründe, unsere Herzen zu prüfen vermag. Wir müssen der Überzeugung unseres Herzens gehorchen; und indem wir dieses tun, trennen wir uns von der Kirche Englands. Wir trennen uns von keinem der Kinder Gottes. Wir suchen nur in Demut des Geistes die Grundsähe Gottes in Betreff der Trennung von dem Bösen oder von der Welt in Ausübung zu bringen. Einem jeglichen aus dem Volk Gottes reichen wir die Bruderhand und wünschen mit einem Herzen voll Liebe in der innigsten Gemeinschaft mit ihm zu leben.
Wir wünschen eine Antwort von Ew. Ehrwürden, auf dass wir wissen auf welche Weise, ohne Ihnen viel Mühe zu machen, die notwendig gewordene Trennung bewerkstelligt werden kann; und wir schließen mit der wohlgemeinten Versicherung, dass der Schritt, den wir tun, getan wird mit einer aufrichtigen und herzlichen Betrübnis über die Notwendigkeit, Bande lösen zu müssen, die so manche angenehme Erinnerung für uns haben.