Botschafter des Heils in Christo 1864

Betrachtungen über das erste Buch Mose - Teil 1/3

Höchst überraschend ist die Art und Weise, in welcher der Heilige Geist dieses erhabene Buch beginnt. Er stellt ohne Weiteres Gott vor uns hin, und zwar in der wesentlichen Fülle seines Daseins und in der Einsamkeit seines Wirkens. Keine Art von Einleitung findet hier einen Platz. Wir sind zu Gott geführt. Wir hören Ihn, so zu sagen, indem Er das Schweigen der Erde unterbricht und in ihre Finsternis mit Licht eindringt, um eine Sphäre zu enthüllen, in welcher Er seine ewige Macht und Gottheit entfalten will.

Hier ist nichts, woran müßige Neugierde Nahrung finden könnte – nichts für die Spekulation des armen, menschlichen Geistes. Hier ist die Erhabenheit und Wirklichkeit der göttlichen Wahrheit, wie sie in ihrer moralischen Kraft auf das Herz und das Verständnis wirkt. Inmitten der Wege des Geistes Gottes wird müßige Neugierde nimmer durch die Darstellung seltsamer Theorien Befriedigung finden können. Mögen die Geologen das Innere der Erde erforschen und von dort Material zu Tage fördern, um die göttliche Urkunde zu vermehren und ihr zu gewissen Zeiten zu widersprechen; mögen sie forschen und grübeln über ausgegrabene versteinerte Körper, – der Jünger des Herrn klammert sich mit heiliger Freude an das Wort göttlicher Eingebung. Er liest, glaubt, und betet an. Mögen auch wir in diesem Geist unsere Betrachtung über das jetzt offen vor uns liegende, inhaltsreiche Buch beginnen; – mögen wir verstehen, was es heißt, „zu forschen in dem Tempel“, und diese unsere Erforschungen des köstlichen Inhalts der heiligen Schrift stets im wahren Geist der Anbetung fortsetzen.

„Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ (V 1). Dieser erste Ausspruch in den kanonischen Büchern der heiligen Schrift versetzt uns in die Gegenwart dessen, der die unerschöpfliche Quelle alles wahren Heils ist. Man findet hier keine sorgfältigen Beweise über das Dasein Gottes. Der Heilige Geist konnte sich nimmer auf irgendetwas der Art einlassen. Gott offenbart sich selbst. Er machte sich bekannt durch seine Werke. „Die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes, und die Feste verkündigen seiner Hände Werk“ (Ps 19,1). – „Es werden dich preisen alle deine Werke.“ – „Groß und wunderbar sind deine Werke, Jehova, Gott, Allmächtiger!“ – Nur ein Ungläubiger oder ein Atheist könnte nach Beweisen für die Existenz dessen suchen, der Welten ins Dasein rief durch das Wort seines Mundes, und der sich selbst zu erkennen gibt als der Allweise, der Allmächtige, der ewige Gott. Wer außer „Gott“ vermochte etwas zu „erschaffen?“ – „Hebt eure Augen auf in die Höhe und seht, wer diese Dinge erschaffen hat, der herausführt ihr Heer nach der Zahl; Er ruft sie alle bei Namen durch die Größe seiner Stärke, weil Er stark ist an Macht, – nicht eines fehlt“ (Jes 40,26). – „Die Götter der Heiden sind Götzenbilder; aber Jehova macht die Himmel.“ – In dem Buch Hiobs (Kap 38–41) finden wir von Seiten Gottes selbst, in der erhabensten Schilderung, eine Berufung auf das Werk der Schöpfung, als einen unwiderlegbaren Beweis für seine Oberherrschaft; und diese Berufung, während sie dem Verständnis mit dem kräftigsten und schlagendsten Beweis für die Allmacht Gottes entgegenkommt, rührt unsere Herzen durch die darin bekundete Herablassung. Die Majestät und die Liebe, die Macht und die Sorgfalt, – alles ist göttlich. –

„Und die Erde war wüste und leer, und Finsternis auf der Tiefe“ (V 2). – Hier zeigte sich in Wahrheit eine Szene, in welcher Gott allein wirken konnte. Seitdem hat der Mensch in dem Stolz seines Herzens sich nur zu bereit gezeigt, in anderen und weit höheren Wirkungskreisen, Gott hemmend in den Weg zu treten; in dieser vor uns liegenden Szene aber hatte der Mensch noch keinen Platz, bis auch er in der Tat, gleich allem anderen, ein Gegenstand der schöpferischen Macht wurde. Gott war allein in der Schöpfung. Er schaute hervor aus seiner ewigen Wohnstätte des Lichts auf die schauerliche Wüste und erblickte dort jene Stätte, wo seine wunderbaren Pläne und Ratschlüsse entfaltet und ausgeführt werden sollten, und wo die zweite Person der ewigen Dreieinigkeit leben, wirken, zeugen, bluten und sterben sollte, um angesichts staunender Welten die herrlichen Vollkommenheiten der Gottheit zur Schau zu stellen. Überall herrschte Finsternis und Unordnung; aber Gott ist ein Gott des Lichts und der Ordnung. „Gott ist Licht und in Ihm ist keine Finsternis“ (1. Joh 1,5). Finsternis und Unordnung – mögen wir es vom physischen, moralischen, geistigen oder geistlichen Gesichtspunkt aus betrachten – können in seiner Gegenwart nicht bestehen. –

„Und der Geist Gottes schwebte auf den Wassern.“ Er ruhte sinnend über dem Schauplatz seines zukünftigen Wirkens. Wahrlich, ein düsterer Schauplatz – ein Schauplatz, der für den Gott des Lichts und des Lebens einen unbegrenzten Raum zum Wirken darbot! Er allein vermochte die Finsternis zu erleuchten, das Leben hervorströmen zu lassen, den Chaos in Ordnung zu verwandeln und zwischen Wassern eine Beste zu bereiten, wo das Leben sich ausbreiten konnte ohne Furcht des Todes. Dieses waren Gottes würdige Unternehmungen.

„Da sprach Gott: Es werde Licht! – und es ward Licht“ (V 3). Wie einfach, und doch wie göttlich! „Er sprach, und es war; Er befahl, und es stand“ (Ps 33,9). Der Unglaube mag fragen: „Wie? wo? wann?“ – Die Antwort wird stets sein: „Durch den Glauben verstehen wir, dass die Welten durch Gottes Wort bereitet sind, so dass das, was man steht, nicht ans dem Erscheinenden geworden ist“ (Heb 11,3). dieses befriedigt eine zum Lernen fähige Seele. Die Philosophie mag verächtlich darüber lächeln und es rohe Unwissenheit oder blinde Leichtgläubigkeit nennen, als völlig angemessen einem barbarischen Zeitalter, aber durchaus unwürdig der Menschen, die in einem aufgeklärten Jahrhundert der Weltgeschichte leben, wo das Museum und das Fernrohr uns mit Tatsachen vertraut gemacht haben, von welchen jene heiligen Schreiber nichts wussten. Welche Weisheit! Welche Gelehrsamkeit! Doch besser – welche Torheit! Welcher Unsinn! Welch totales Unvermögen, den Zweck und die Absicht der heiligen Schrift zu verstehen! Sicher ist es nicht die Absicht Gottes, uns zu Astronomen und Geologen auszubilden, oder uns mit Einzelheiten zu beschäftigen, die das Vergrößerungsglas und das Fernrohr jedem Schulbuben vor das Auge bringt. Sein Zweck ist, uns in seine Gegenwart zu führen, und zwar als Anbeter, deren Herzen und deren Verständnis belehrt und richtig geleitet werden durch sein heiliges Wort. Doch dieses wird nimmer der Fall sein bei dem so genannten Philosophen, der, indem er das verachtet, was er als gemeine und engherzige Vorurteile des frommen Jüngers des Wortes bezeichnet, vertrauensvoll sein Fernrohr ergreift und damit die entfernten Himmel prüft, oder hinabsteigt in die stillen Örter der Erde, um die Schichten, Bildungen, Versteinerungen zu erforschen, und durch dieses alles, wenn es nicht geradezu dem Wort Gottes widerspricht, nach seiner Meinung die inspirierten Mitteilungen der heiligen Schrift gründlich aufzuklären.

Mit solchen „Widersprüchen der fälschlich so genannten Kenntnis“ haben wir nichts zu schaffen. Wir glauben, dass alle wahren Entdeckungen, – ob in den Himmeln droben, oder in der Erde unten, oder in den Wassern unter der Erde – mit den Mitteilungen des Wortes Gottes im Einklänge stehen; wenn aber nicht, so sind sie nach dem Urteil eines jeden wahren Freundes der Schrift ganz und gar verachtenswert. Dieses gibt dem Herzen große Ruhe in einer Zeit die, wie die gegenwärtige, so fruchtbar ist an gelehrten Spekulationen und hochtrabenden Theorien, welche leider nur zu oft Rationalismus und positiven Unglauben in ihrem Schoß bergen. Es ist daher durchaus nötig, dass das Herz in Betreff der Fülle, der Autorität, der Vollkommenheit, der Majestät und der völligen Inspiration des heiligen Buches ganz fest gegründet sei; denn nur darin liegt die einzige, kräftige Schutzwehr gegen Rationalismus und Aberglauben. Genaue Bekanntschaft mit dem Wort und völlige Unterwerfung unter dasselbe sind die wichtigen Erfordernisse des gegenwärtigen Augenblicks. Möge der Herr in seiner großen Gnade das eine wie das andere in unserer Mitte reichlich vermehren!

„Und Gott sah das Licht, dass es gut war; und Gott schied das Licht von der Finsternis. Und Gott nannte das Licht Tag und die Finsternis nannte Er Nacht.“ – (V 4–5) Hier haben wir die beiden großen Sinnbilder, die durch das ganze Wort hin eine ausführliche Anwendung finden. Die Gegenwart des Lichts macht den Tag, die Abwesenheit desselben – die Nacht. In der Geschichte der Seelen finden wir dasselbe. Es gibt „Söhne des Lichts“ und „Söhne der Finsternis.“ Dieses ist eine scharfbezeichnende, ernste Unterscheidung. Alle, auf welche das Licht des Lebens geschienen hat – alle, welche wirklich besucht worden sind von „dem Aufgang aus der Höhe“ – alle, welche das Licht der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi empfangen haben – alle Diese, wer und wo sie auch sein mögen, gehören der ersten Klasse an; – sie sind „Söhne des Lichts“ und „Söhne des Tages.“ – alle aber, welche sich noch in natürlicher Finsternis, in natürlicher Blindheit und in natürlichem Unglauben befinden – alle, welche in ihren Herzen noch nicht die erquickenden Strahlen der Sonne der Gerechtigkeit empfangen haben – alle Diese sind noch in das Dunkel der geistlichen Nacht eingehüllt; – sie sind „Söhne der Finsternis“ und „Söhne der Nacht.“

Lieber Leser! Mache hier Halt und frage dich in der Gegenwart dessen, der die Herzen erforscht, welcher von diesen beiden Klassen du in diesem Augenblick angehörst. Dass du entweder auf der einen, oder auf der anderen Seite deinen Platz hast, bedarf keiner Frage. Du magst arm, verachtet, ungelehrt sein; aber wenn die Gnade ein Band gewirkt hat, welches dich mit dem Sohn Gottes, dem „Licht der Welt“ verbindet, dann bist du in der Tat ein Sohn des Tages und als solcher bestimmt, bald für immer in der himmlischen Sphäre, in jener Region der Herrlichkeit zu glänzen, deren Zentralsonne das „geschlachtete Lamm“ sein wird. Es ist dieses nicht dein eigenes Werk. Es ist das Resultat des Ratschlusses und der Wirksamkeit Gottes selbst, welcher in Jesu und seinem vollkommenen Opfer dir Licht und Leben, Freude und Frieden geschenkt hat. – Aber bist du noch unbekannt mit der geheiligten Wirkung und dem Einfluss des göttlichen Lichts, sind deine Augen noch nicht geöffnet worden, um die Schönheit im Sohn Gottes zu schauen, ach! dann bist du – wärst du auch im Besitz aller Gelehrsamkeit eines Newton 1 und aller Schätze der Philosophie, und hättest du auch mit Begierde geschlürft all die Ströme menschlicher Weisheit, und trüge endlich auch dein Name den Schmuck aller Gelehrtentitel, welche die Schulen und Universitäten zu verleihen vermögen – so bist du dennoch ein „Sohn der Nacht“, ein „Sohn der Finsternis.“ Und überrascht dich der Tod in deinem gegenwärtigen Zustand, – du wirst eingehüllt werden in die Finsternis und den Schrecken einer ewigen Nacht. Darum, mein Freund, ließ keine Seite weiter, bevor du völlig überzeugt bist, ob du dem „Tage“ oder der „Nacht“ angehörst.

Der nächste Punkt, wobei ich verweilen möchte, ist die Erschaffung der Lichter. „Und Gott sprach: Es werden Lichter an der Beste des Himmels, die da scheiden Tag und Nacht und geben Zeichen, Zeiten, Tage und Jahre; und seien Lichter an der Feste des Himmels, dass sie scheinen auf Erden; und es geschah also. Und Gott machte zwei große Lichter, das große Licht, das den Tag regiere, und das kleine Licht, das die Nacht regiere; dazu auch die Sterne“ (V 4–6).

Die Sonne ist der große Mittelpunkt des Lichts und der Mittelpunkt unseres Systems. Rings um sie herum wälzen sich die kleineren Himmelskörper, und von ihr empfangen sie ihr Licht. Daher kann sie mit Recht als ein passendes Sinnbild dessen betrachtet werden, der als die „Sonne der Gerechtigkeit mit Heil unter seinen Flügeln“ aufgehen wird, um die Herzen derer zu trösten, die den Herrn fürchten. Das Paffende und Schöne dieses Sinnbildes wird aber erst dem völlig erscheinen, der nach durchwachter Nacht die aufgehende Sonne mit ihren glänzenden Strahlen den östlichen Himmel vergolden sieht. Die Nebel und Schatten der Nacht sind alle zerstreut, und die ganze Schöpfung scheint die wiederkehrende Leuchtkugel zu begrüßen. Also wird es sein, wenn die Sonne der Gerechtigkeit aufgeht. Die Schatten der Nackt werden fliehen und die ganze Schöpfung wird erfreut sein über das Dämmern eines „Morgens ohne Wolken“, – über das Anbrechen eines glänzenden und nimmer endenden Tages der Herrlichkeit.

Der Mond, dunkel in sich selbst, empfängt all sein Licht von der Sonne. Er lässt das Licht der Sonne wiederstrahlen, außer wenn die Erde und deren Einflüsse dazwischentreten. 2 Kaum ist die Sonne an unserem Horizont hinab gesunken, so eilt der Mond herbei, um ihre Strahlen aufzufangen und dieselben auf eine dunkle Welt zurück zu werfen. Sollte er aber während des Tages sichtbar sein, so zeigt er stets ein bleiches Licht – die notwendige Folge des Eintritts in die Gegenwart des höheren Glanzes. Wie aber schon bemerkt worden, tritt zuweilen die Erde dazwischen und verbirgt durch dunkle Wolken, dicke Nebel und kalte Dünste, die von der Oberfläche derselben aufsteigen, vor unseren Blicken sein silberfarbenes Licht.

Wie nun aber die Sonne ein schönes und passendes Sinnbild von Christus ist, so erinnert uns der Mond in einer auffallenden Weise an die Versammlung. Die Quelle ihres Lichts ist dem Auge verborgen. Die Welt sieht Ihn nicht; sie aber sieht Ihn und hat den Beruf, seine Strahlen auf eine verfinsterte Welt zurückzuwerfen. Nur durch die Versammlung oder Kirche bietet sich der Welt ein Weg dar, um etwas von Christus zu lernen. „Ihr“ – sagt der Apostel – „seid unser Brief ... gekannt und gelesen von allen Menschen.“ – Und wiederum: „die ihr offenbart seid, dass ihr ein Brief Christi seid“ (2. Kor 3,2–3).

Welch eine verantwortliche Stellung! Wie ernst sollte die Versammlung in all ihren Wegen gegen alles wachsam sein, was den Widerschein des himmlischen Lichts Christi verhindern könnte! Wie aber vermag sie dieses Licht zurückstrahlen zu lassen? Dadurch dass sie dasselbe in ungetrübtem Glänze auf sich scheinen lässt. Wandelte die Versammlung nur im Licht Christi, so würde sie auch ohne Zweifel sein Licht zurückfallen lassen; und dieses würde sie stets in der ihr geziemenden Stellung erhalten. Der Mond hat kein eigenes Licht; und ebenso verhält es sich mit der Versammlung. Sie ist nicht berufen, sich selbst vor der Welt zur Schau zu stellen. Sie ist nur schuldig, das empfangene Licht wiederstrahlen zu lassen. Sie hat die Verpflichtung, mit heiligem Fleiß den Pfad, den Er hienieden betrat, zu betrachten und durch die Energie des in ihr wohnenden Heiligen Geistes auf diesem Pfad zu folgen. Aber, ach! die Welt mit ihren Nebeln, ihren Wolken und ihren Dünsten tritt dazwischen und verbirgt das Licht und besteckt den Brief. Man vermag oft nur wenig von den Zügen des Charakters Christi bei denen zu entdecken, welche sich nach seinem Namen nennen; ja bei manchen Gelegenheiten stellen sie eher einen herabwürdigenden Gegensatz, als eine Ähnlichkeit dar. Würden wir Christus mehr unter stetem Gebet betrachten, gewiss wir würden auch ein treueres Bild von Ihm darstellen.

Die Sterne sind entfernte Lichter; sie leuchten in anderen Sphären und stehen, außer dass man ihr Funkeln sehen kann, mit unserem System in einer nur geringen Verbindung. „Es unterscheidet sich Stern vom Stern an Herrlichkeit.“ Also wird es sein in dem zukünftigen Reiche des Sohnes. Er selbst wird hervorleuchten in lebendigem, ewigem Glänze und sein Leib, die Versammlung, wird treu seine Strahlen auf alles um sich her zurückwerfen, während die Heiligen persönlich leuchten werden in jenen Sphären, welche ihnen der gerechte Richter, als eine Belohnung des treuen Dienstes in der finsteren Nacht seiner Abwesenheit, zuerkennen wird. Dieser Gedanke sollte uns ermuntern, mit einem ernsten und anhaltenden Eifer in den Fußstapfen unseres abwesenden Herrn zu wandeln (Lk 19,12–19).

Danach sind die niedrigen Ordnungen der Schöpfung eingeführt. Das Meer und die Erde sind gemacht, um Leben hervorzubringen. Es mag sich jemand berechtigt fühlen, in den Verrichtungen jedes aufeinander folgenden Tages eine Vorbildung der verschiedenen Haushaltungen und ihrer großen charakteristischen Grundsätze zu erblicken. Ich möchte nur dazu bemerken, dass es beim Behandeln der Schrift in einer solchen Weise durchaus erforderlich ist, mit heiligem Eifer über die Wirkung der Einbildungskraft zu wachen, sowie strenge die Aufmerksamkeit auf die allgemeine Übereinstimmung der Schrift zu richten; denn sonst möchten wir in traurige Irrtümer verfallen. Ich fühle keine Freiheit in mir, mich auf solch eine Art von Auslegung einzulassen und werde mich daher nur auf das beschränken, was ich als den einfachen Sinn des geheiligten Textes zu erkennen glaube.

Wir werden jetzt den Platz des, über die Werke der Hand Gottes gesetzten Menschen betrachten. Nachdem alles geordnet war, bedurfte die Schöpfung eines Hauptes. „Und Gott sprach: Lasst uns Menschen machen, nach unserem Bild; die da herrschen über die Fische im Meer und über das Gevögel des Himmels, und über das Vieh und über die ganze Erde und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht. Und Gott schuf den Menschen nach seinem Bild, nach dem Bild Gottes schuf er ihn, und schuf sie als Mann und Frau. Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehrt euch und füllt die Erde und macht sie euch untertan und herrscht über die Fische im Meer und Über das Gevögel des Himmels und über alles Tier, das auf Erden kriecht“ (V 26–28). – Der Leser wird die Abwechslung in den Ausdrücken: „Er schuf ihn“ und „er schuf sie“ bemerkt haben. Zwar wird uns erst im nächsten Kapitel die wirkliche Tatsache der Bildung des Weibes mitgeteilt; jedoch finden wir hier, dass Gott sie zusammen segnet und ihnen gemeinschaftlich den Platz der Regierung über die Erde einräumt. Alle die niedrigen Klassen der Schöpfung werden unter ihre vereinte Herrschaft gestellt. Eva empfing alle ihre Segnungen in Adam; in ihm erlangte sie auch ihre Würde. Obwohl noch nicht tatsächlich ins Dasein gerufen, so ward sie doch nach Vorkenntnis Gottes als ein Teil des Mannes betrachtet. „Meinen Keim sahen deine Augen, und in dein Buch waren sie alle geschrieben; während vieler Tage wurden sie gebildet, als nicht einer von ihnen war“ (Ps 139,16).

Also steht es mit der Versammlung – der Braut des zweiten Mannes. Sie ward von Ewigkeit gesehen in Christus, ihrem Haupt und Herrn. „So wie Er uns vor Grundlegung der Welt in Ihm auserwählt hat, dass wir heilig und tadellos vor Ihm in Liebe sein sollten“ (Eph 1,4). Bevor noch ein einziges Glied der Kirche den Odem des Lebens einatmete, waren alle schon nach Gottes ewigem Willen „zuvor bestimmt, dem Bild seines Sohnes gleichförmig zu werden.“ Die Ratschlüsse Gottes stellen die Versammlung als notwendig hin zur Vollendung des geheimnisvollen Menschen; und darum ist sie berufen, die „Fülle dessen zu sein, der alles in allem erfüllt.“ Es ist dies ein bewundernswürdiger Titel; er enthüllt völlig die Würde, die Wichtigkeit und die Herrlichkeit der Versammlung.

Man ist heutzutage gewohnt, die Seligkeit und Sicherheit als das einzige Ziel der Erlösung zu betrachten; aber wie gar gering ist eine solche Meinung von diesem Gegenstand! Dass alles, was in irgendeiner Weise dem Einzelnen angehört, vollkommen sichergestellt ist, unterliegt – Gott sei dafür gepriesen! – nicht dem geringsten Zweifel. Nichtsdestoweniger ist dieses der kleinste Teil der Erlösung. Dass die Herrlichkeit Christi in das Dasein der Kirche oder Versammlung gehüllt und damit verknüpft ist, dieses ist eine Wahrheit von weit höherer Würde, Tiefe und Macht. Wenn ich nach der Autorität der heiligen Schrift berechtigt bin, mich als einen Bestandteil von dem zu betrachten, dessen Christus unumgänglich bedarf, dann kann ich nicht länger zweifeln an der völligsten Vorsorge betreffs aller meiner persönlichen Bedürfnisse. Und ist die Kirche nicht Christus unumgänglich nötig? Ohne Zweifel. „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Gehilfin machen, die für ihn sei.“ – Und wiederum: „Denn der Mann ist nicht aus dem Weib, sondern das Weib aus dem Mann; denn der Mann ward auch nicht um des Weibes willen geschaffen, sondern das Weib um des Mannes willen. ... Dennoch ist weder der Mann ohne das Weib, noch das Weib ohne den Mann in dem Herrn. Denn gleich wie das Weib aus dem Mann, also ist auch der Mann durch das Weib. Alles aber aus Gott“ (1. Kor 11,8–12). Es gilt daher nicht länger die bloße Frage, ob Gott einen armen, hilflosen Sünder segnen, ob Er seine Sünden tilgen und ihn in der Macht göttlicher Gerechtigkeit empfangen könne. Gott hat gesagt: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei.“ – Er ließ daher weder den „ersten Menschen“ ohne eine „Gehilfin“, noch vermochte Er den „zweiten“ ohne eine solche zu lassen. Wie im ersten Fall ohne Eva eine Lücke in der Schöpfung gewesen wäre, so würde – o staunenswürdiger Gedanke! – im letzteren Fall ohne die Braut eine Lücke in der neuen Schöpfung sein.

Lasst uns jetzt untersuchen, in welcher Weise Eva ins Dasein gerufen wurde. Wir werden dabei in den Inhalt des nächstfolgenden Kapitels eingreifen müssen. In der ganzen Schöpfung ward keine Gehilfin für Adam gefunden. Ein „tiefer Schlaf“ musste auf ihn fallen und eine Gefährtin aus ihm selbst gebildet werden, um Teil zu nehmen an seiner Herrschaft und seiner Segnung. „Da ließ Gott, der Herr, einen tiefen Schlaf fallen auf den Menschen, und er entschlief; und nahm seiner Rippen eine und schloss die Stätte zu mit Fleisch. Und Gott, der Herr, baute ein Weib aus der Rippe, die er von dem Menschen nahm, und brachte sie zu ihm. Da sprach der Mensch: Das ist doch Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch. Man wird sie Männin heißen, darum, dass sie vom Mann genommen ist“ (Kap 2,21–23).

Wenn wir nun Adam und Eva, wozu uns die Schrift völlig berechtigt, als ein Vorbild von Christus und der Kirche betrachten, so sehen wir, dass der Tod Christi notwendig vollendet sein musste, bevor die Kirche – obwohl nach dem Vorsatz Gottes vor Grundlegung der Welt in Christus gesehen und auserwählt – gebildet werden konnte. Zwischen dem verborgenen Ratschluss Gottes und der Offenbarung und Erfüllung desselben herrscht eine große Verschiedenheit. Bevor der göttliche Ratschluss in Bezug auf die Versammlung oder Kirche verwirklicht werden konnte, musste der Sohn verworfen und gekreuzigt werden; Er musste seinen Platz im Himmel einnehmen und, um die Gläubigen zu einem Leib zu taufen, den Heiligen Geist hernieder senden. Nicht als ob einzelne Seelen vor dem Tod Christi nicht lebendig gemacht und gerettet worden seien. Sie waren es ohne Zweifel. Adam und von Zeitalter zu Zeitalter tausend andere wurden kraft des Opfers Christi gerettet, obwohl dieses Opfer noch nicht vollendet war. Aber die Errettung einzelner Seelen und die Bildung der Kirche durch den Heiligen Geist sind zwei ganz verschiedene Dinge. Leider wird diese Unterscheidung nicht genug in Betracht gezogen; und selbst wo sie in der Theorie verteidigt wird, ist sie nur selten von jenen praktischen Resultaten begleitet, die aus einer so erhabenen Wahrheit hervorströmen sollten. Der alleinige Platz der Kirche – ihre spezielle Verwandtschaft mit dem „zweiten Mann“, dem Herrn vom Himmel – ihre unterscheidenden Vorrechte und Würden – dieses alles würde, wenn aufgenommen durch die Kraft des Heiligen Geistes, die reichsten, die seltensten und die lieblichsten Früchte hervorbringen (Siehe Eph 5,23–32).

Wenn wir nun auf das uns vorliegende Vorbild unseren Blick richten, so können wir uns in etwa eine Idee von den Resultaten bilden, welche aus dem Verständnis der Stellung und der Verwandtschaft der Kirche hervorgehen sollten. Wie viele Liebe schuldete Eva dem Adam! Welche Nähe genoss sie! Welche Innigkeit der Gemeinschaft! Welch völlige Teilhaftigkeit an allen seinen Gedanken! In all seiner Würde, in all seiner Herrlichkeit war sie vollständig eins mit ihm. Er herrschte nicht über sie, sondern mit ihr. Er war Herr der ganzen Schöpfung, und sie war eins mit ihm; ja – wie bereits bemerkt worden – sie ward gesehen und gesegnet in ihm. Um des „Mannes“ willen ward sie ins Dasein gerufen. Gewiss nichts kann als Vorbild von größerem Interesse sein. Zuerst ward der Mann geschaffen, dann das Weib in ihm gesehen und aus ihm gebildet; – wahrlich all dieses liefert eines der ergreifendsten und lehrreichsten Vorbilder. Nicht als ob eine Lehre auf ein Vorbild begründet werden könnte, – aber wenn wir die Lehre in anderen Teilen des Wortes völlig und klar niedergelegt finden, dann sind wir fähig gemacht, das Vorbild zu verstehen, zu würdigen und zu bewundern.

Der 8. Psalm liefert uns eine schöne Darstellung des Menschen, den Gott über das Werk seiner Hände gesetzt hat. „Wenn ich anschaue deinen Himmel, das Werk deiner Finger, den Mond und die Sterne, die du bereitet: – Was ist der Sterbliche, dass du sein gedenkst, und der Sohn des Menschen, dass du ihn besuchst! Denn ein wenig hast du ihn unter die Engel erniedrigt, und mit Herrlichkeit und Majestät hast du ihn gekrönt. Über die Werke deiner Hände lasst du ihn regieren; alles hast du unter seine Füße gestellt: Schafe und Ochsen allesamt, und auch die Tiere des Gefildes, Vögel des Himmels und Fische des Meeres, was die Pfade der Meere durchwandert“ (Ps 8,3–8). – Hier ist der Mann dargestellt ohne irgendeine unterscheidende Erwähnung des Weibes. Und dieses ist ganz bezeichnend; denn das Weib ist gesehen in dem Mann. –

In keinem Teil des Alten Testaments finden wir eine direkte Offenbarung des Geheimnisses der Kirche. Der Apostel sagt ausdrücklich: „Welches in anderen Geschlechtern den Söhnen der Menschen nicht kundgemacht worden, wie es jetzt seinen heiligen Aposteln und Propheten (des Neuen Testaments) durch den Geist offenbart worden ist“ (Eph 3,5). Aus diesem Grund ist in dem vorerwähnten Psalm nur der „Mann“ vor unsere Augen gestellt; aber wir wissen, dass der Mann und das Weib als unter einem Haupt betrachtet werden. Dieses alles wird in dem zukünftigen Zeitalter sein vollkommenes Gegenbild finden. Dann wird der– wahre Mann, der Herr vom Himmel, seinen Sitz auf dem Thron einnehmen und in Gemeinschaft mit seiner Braut, der Versammlung, über eine wiederhergestellte Schöpfung herrschen. Die Versammlung, lebendig hervorgegangen aus dem Grab Christi, ist ein Teil von seinem Leib, „von seinem Fleisch, von seinem Gebein.“ Er, das Haupt, und sie, der Leib, bilden einen Menschen, wie wir im 4. Kapitel an die Epheser lesen: „Bis wir alle hingelangen werden zu der Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zu einem vollkommenen Mann, zu dem Maß des vollen Wuchses der Fülle des Christus.“ Indem daher die Kirche einen Teil von Christus bildet, so wird sie auch in der Herrlichkeit einen nur für sie allein bestimmten Platz einnehmen. Kein anderes Geschöpf war mit Adam so nahe verwandt, als Eva; denn keines war ein Teil von ihm. Also wird auch die Kirche in der zukünftigen Herrlichkeit bei Christus den allernächsten Platz einnehmen.

Doch nicht nur das, was die Kirche sein wird, sondern auch was sie ist, erregt unsere Bewunderung. Sie ist jetzt der Leib, dessen Haupt Christus ist; sie ist jetzt der Tempel, in dem Gott selbst Wohnung gemacht hat. Ist aber dieses die gegenwärtige und die zukünftige Würde dessen, von dem wir durch Gottes Gnade einen Teil bilden, gewiss dann geziemt uns ein heiliger, ein unterwürfiger, ein abgesonderter und ein würdiger Wandel.

Möge der Heilige Geist dieses alles völliger und kräftiger in uns entfalten, damit ein tieferes Gefühl von dem unserer hohen Berufung würdigen Zustand und Charakter unsere Herzen erfülle! „Damit ihr, erleuchtet an den Augen eures Herzens, wisst, welches die Hoffnung seiner Berufung ist, und welcher der Reichtum der Herrlichkeit seines Erbes in den Heiligen, und welche die überschwängliche Größe seiner Macht an uns, den Glaubenden, nach der Wirkung der Kraft seiner Stärke, welche Er in dem Christus gewirkt hat, da Er Ihn aus den Toten auferweckt und Ihn zu seiner Rechten in den himmlischen Örtern gesetzt hat, übel alle Fürstentümer und Gewalt und Herrschaft und jeglichen Namen, der genannt wird, nicht allein in diesem, sondern auch in dem zukünftigen Zeitalter, und alles unter seine Füße unterworfen, und Ihn als Haupt über alles der Versammlung gegeben hat, welche sein Leib ist – die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt“ (Eph 1,18–23). (Fortsetzung folgt)

Fußnoten

  • 1 Der Name eines englischen Astronomen (Anmerkungen des Übersetzers).
  • 2 Es ist eine interessante Erscheinung, dass der Mond, durch ein gutes Fernrohr besichtigt, den Anblick eines ruinierten Naturzustandes gewährt.
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