Botschafter des Heils in Christo 1863

Betrachtung über den zweiten Brief von Paulus an die Korinther - Teil 6/7

Der Apostel kehrt jetzt zu seinem früheren Gegenstand – zu seiner Verbindung mit den Korinthern und der Wahrheit seines Apostelamtes – zurück. Das Auftreten etlicher falschen Lehrer, welche, um die Korinther zu verführen, die Echtheit seines Apostelamtes in Frage stellten, und auf seine Person Schmach und Verachtung zu bringen suchten, machte dies notwendig. Er tritt deshalb auch in diesem letzten Teil seines Briefes, den man als Anhang betrachten könnte, mit großem Ernst gegen jene auf, stellt ihr Verhalten offen ans Licht, begegnet einer Entschuldigung nach der anderen und sucht jeden Einfluss auf die Versammlung abzuschneiden. Er spricht nicht mehr, wie in dem übrigen Teil seines Briefes, in einem Ton zärtlicher, inniger Liebe, sondern verteidigt mit Nachdruck und Schärfe, dem unlauteren Treiben jener falschen Lehrer gegenüber, sein von Gott empfangenes Apostelamt; und dies war umso nötiger, weil mit dem Ansehen desselben auch seine Wirksamkeit unter den Korinthern zu Grund gerichtet war.

Die erste Beschuldigung, die man ihm machte, war, dass er „persönlich unter ihnen gering, abwesend aber kühn gegen sie sei“ (V 1), dass er zwar mit harten Worten drohe, aber seine Drohungen nicht auszuführen wage, wenn er gegenwärtig sei. Dies konnte allerdings denen also scheinen, die den Geist Christi nicht kannten, und nicht verstanden, dass er durch diesen Geist in all seinen Handlungen sich leiten ließ. – „Ich selbst aber, Paulus, ermahne euch durch die Sanftmut und Gelindigkeit des Christus.“ Mit diesen Worten bezeichnet er den wahren Charakter seiner eigenen Sanftmut und Demut, worin er bei seiner Gegenwart unter ihnen gehandelt hatte, – es war Christus Jesus gemäß. „Ich flehe aber, dass ich anwesend nicht kühn sein möge, mit der Zuversicht, womit ich gedenke, gegen Gewisse dreist zu handeln, die uns als nach dem Fleisch wandelnd achten“ (V 2). Es war ihm schmerzlich, von der Rute, d. i. von seiner apostolischen Gewalt, die ihm zur Züchtigung der Ungehorsamen gegeben war, Gebrauch zu machen, namentlich bei den Korinthern, die seine Kinder waren, durch das Evangelium von ihm gezeugt. Dennoch sollten jene seine Gewalt erproben, die in ihrem Mutwillen seine Gelindigkeit, als nach dem Fleisch wandelnd, auslegten. „Denn obwohl wir im Fleisch wandeln“ – sagt er – „so kämpfen wir nicht nach dem Fleisch“ (V 3). Waren, sie selbst auch schwache, ohnmächtige Menschen, so waren doch ihre Waffen im Kampf gegen das Böse nicht schwach und ohnmächtig. „Denn die Waffen unseres Kampfes sind nicht fleischlich, sondern göttlich mächtig zur Zerstörung der Festungen“ – aller Bollwerke Satans, – „zu zerstören die Vernunftschlüsse und alle Höhe, die sich wider die Erkenntnis Gottes erhebt, und nehmen jeden Gedanken unter den Gehorsam des Christus gefangen und stehen bereit, jeden Ungehorsam zu vergelten, wenn euer Gehorsam erfüllt sein wird“ (V 4–6). Die Kraft, womit der Apostel gegen das Böse kämpfte, war auf geistliche Waffen gegründet – auf Waffen, die das göttliche Gepräge hatten, womit er in den Stand gesetzt war, alles niederzumachen – alle falschen, menschlich ersonnenen Lehren, die sich wider die Erkenntnis Gottes erhoben, jedes hochfahrende Herz, 5aß sich weigerte, dein Christus untertan zu sein. Von diesen mächtigen Waffen wollte er Gebrauch machen, und jeden Ungehorsam vergelten, sobald der Gehorsam Deren, die bereit waren, auf Gott zu hören, befestigt worden und die Ordnung unter ihnen wieder völlig hergestellt war. Sein bisheriges Zögern bewies nur seine Schonung und Liebe gegen jene, auf deren Unterwürfigkeit er noch hoffte. O, wie nachahmungswürdig und dem Geist Christi gemäß ist diese Gesinnung und dies Verhalten des Apostels! Geleitet durch den Geist, handelte er in göttlicher Geduld, verfolgte den Weg der Gnade bis aufs Äußerste, um alle wiederherzustellen und zu einem Gott wohlgefälligen Wandel zurückzuführen, die bereit waren, auf Gott zu hören und sich Ihm willig zu unterwerfen. Dann aber wollte er gegen alle, die im Ungehorsam beharrten, die göttliche Autorität in Gericht und Zucht behaupten, deren Gewicht durch das Gewissen und Verhalten derer, die zum Gehorsam zurückgebracht waren, noch fühlbarer wurde.

Mit einem gewissen Vorwurf fragt dann der Apostel im Hinblick auf jene falschen Lehrer: „Seht ihr das an, was vor Augen ist?“ Seid ihr so schwach, euch durch den äußeren Schein jener falschen Apostel, die sich selbst erheben und verherrlichen, blenden zu lassen? „Wenn jemand sich selbst zutraut, dass er Christi sei“ – von Ihm zum Diener und Apostel berufen – „der denke dieses wiederum bei sich selbst, dass gleich wie er Christi ist, also auch wir“ (V 7). sein Apostelamt war hinreichend von Gott erwiesen und bestätigt worden. Das Ansehen und der Schein, womit jene sich brüsteten, war bei ihm Wirklichkeit. Er konnte sogar hinzufügen: „Denn wenn ich auch etwas mehr über unsere Gewalt“ – über die apostolische Autorität, wovon er schon oben gesprochen hatte – „rühmen wollte, welche uns der Herr zur Erbauung und nicht zu eurer Zerstörung gegeben hat, so werde ich nicht zu Schanden werden, auf dass ich euch nicht durch Briefe zu schrecken scheine“ (V 8–9). Er besaß also jene Macht zur Züchtigung der Ungehorsamen; er hatte sie vom Herrn empfangen, aber nicht um die Versammlung zu zerstören, sondern sie aufzubauen; und aus diesem Grund gebrauchte er sie mit aller Geduld und Langmut, um jene, die zum Hören bereit waren, und sich warnen ließen, zum aufrichtigen Gehorsam zurückzubringen und also die christliche Einheit in Heiligkeit zu bewahren. Er handelte nicht willkürlich und in unumschränkter Machtvollkommenheit, sondern brachte seine apostolische Autorität in Verbindung mit dem Gewissen der Versammlung. Die falschen Lehrer aber und die leichtfertigen Herzen legten seine Geduld und seine brieflichen Warnungen als ein leeres Drohen aus, indem sie sagten: „Die Briefe sind gewichtig und kräftig, aber die Gegenwart des Leibes ist schwach und seine Rede verächtlich“ (V 10). Wenn er persönlich gegenwärtig sei, dann bitte und stehe er und wage nicht seine Drohungen wahr zu machen. Er versichert aber, dass er in seiner Gegenwart derselbe sein würde, wie in seiner Abwesenheit, indem er sagt: „Ein solcher denke dieses, dass, wie wir abwesend im Wort durch Briefe sind, solche auch anwesend in der Tat sein werden“ (V 11). Wollten sie ans alle seine Ermahnungen und Warnungen nicht hören, so wollte er von seiner apostolischen Macht Gebrauch machen und sie strafen.

Auf eine etwas ironische Weise erklärt er dann, im Blick auf jene falschen Apostel, dass er es nicht wage, sich mit solchen zu vergleichen oder ihnen beizuzählen, die sich selbst empfehlen, da ihnen jede andere Empfehlung mangele, oder die sich selbst an sich selbst messen und sich selbst mit sich selbst vergleichen, da sie kein höheres Muster zum Vergleich kennen als ihre eigene Person. Erfüllt von Eigendünkel waren sie nur mit sich selbst und ihrem Werk beschäftigt. Von solchen sagt der Apostel, dass sie nicht verständig seien (V 12). Sie rühmten sich sogar der Arbeiten anderer, betrogen jene, die schon Christen waren und suchten sie gegen den Apostel aufzuwiegeln, durch dessen Dienst sie die Gnade empfangen hatten. Welch einen Kontrast bildete ihr Betragen zu dem des Apostels. Er sagt: „Wir aber werden uns nicht über das Maß hinaus rühmen, sondern nach dem Maß der Regel, welche der Gott des Maßes uns zugeteilt hat, um auch bis zu euch zu kommen“ (V 13). Gott selbst hatte die Grenze bestimmt und ihnen die Sphäre ihrer Wirksamkeit angewiesen, und dazu gehörte auch Korinth (V 14). Der Herr hatte des Apostels Dienst unter ihnen gesegnet und die Predigt des Evangeliums durch die Gabe des Heiligen Geistes bestätigt. Die falschen Lehrer aber waren eingeschlichen und machten sich ihre Arbeit zu Nutze, betrachteten die korinthische Versammlung als die Frucht ihrer Wirksamkeit und suchten den Apostel durch allerlei Verleumdungen zu verdrängen. Wie aber verhielt er sich im Werk des Herrn? Er ging dahin, wo Christus noch nicht bekannt war, um die Seelen zur Erkenntnis des Herrn zu bringen. Er sagt: „Wir rühmen uns nicht über das Maß hinaus in fremden Arbeiten; haben aber Hoffnung, wenn euer Glaube gewachsen sein wird, unter euch reichlich vergrößert zu werden nach unserem Wirkungskreis; das Evangelium von euch weiter hinaus zu verkündigen, nicht mich dessen zu rühmen, was im Wirkungskreis der anderen bereit ist“ (V 15–16). Erhofft, dass, wenn er die Korinther besucht, sein Dienst unter ihnen durch ihr Wachstum im Glauben erweitert werden würde, so dass er weiter über sie hinaus, in jenen Ländern das Evangelium verkünden könne, die noch in Finsternis und Schatten des Todes lagen. Er erwartete, dass Gott sein Arbeitsfeld erweitern würde; aber er ist weit davon entfernt, sich dessen zu rühmen, was dem Wirkungskreis eines anderen angehörte und bei seiner Ankunft schon fertig da lag, wie es die falschen Apostel in seinem Wirkungskreis taten. „Wer sich aber rühmt, der rühme sich im Herrn“ (V 17), der die Quelle aller Gaben und Segnungen ist, und von dessen Urteil allein alles abhängt. „Denn nicht, der sich selbst empfiehlt, der ist bewährt, sondern den der Herr empfiehlt“ (V 18). Kapitel 11

Der Apostel sah sich genötigt, um noch völliger, dem Einfluss der falschen Lehrer auf die korinthische Versammlung zu begegnen, auf eine noch bestimmtere Weise von sich selbst zu reden. Er nannte es eine Torheit, aber er war dazu gezwungen, weil die Gläubigen zu Korinth im Allgemeinen nicht nüchtern und geistlich genug waren, um jene falschen Lehrer zu unterscheiden und ihrem verderblichen Einfluss mit Entschiedenheit entgegen zu treten. „Ich wollte“ – sagt er – „ihr machtet mich ein wenig in der Torheit ertragen, ja, ertragt mich auch. Denn ich eifere um euch mit Gottes Eifer; denn ich habe euch einem Mann verlobt, um (euch als) keusche Jungfrau dem Christus darzustellen. Ich fürchte aber, dass, wie die Schlange Eva durch ihre List verführte, also auch etwa euer Sinn verdorben (und verrückt) werde von der Einfalt gegen Christus“ (V 1–3). Paulus hatte ein ganzes Herz für Christus, und die Korinther waren seine Kinder, woran er mit der innigsten und zärtlichsten Liebe hing. Er hatte sie als eine keusche Jungfrau Christus verlobt, und war aufs eifrigste und sorgfältigste bemüht, sie in dieser Keuschheit und Reinheit gegen Ihn zu erhalten. Mit der Eifersucht Gottes, der das Herz der Seinen allein zu besitzen wünscht, war er eifersüchtig in Betreff seiner geliebten Korinther, um ihr Herz allein für Christus zu bewahren; aber ach! er war in Furcht, dass dieselbe listige Schlange, die ihren Weg zu dem Herzen Evas gefunden hatte, auch ihren keuschen Sinn gegen Christus verderben und von der Einfalt, die in Ihm ist, verrücken möchte. Und er hatte Ursache zu dieser Furcht, weil sie jene unter sich duldeten, die nur gekommen waren, um dies traurige Machwerk Satans auszuführen.

Paulus hatte Christus unter ihnen verkündigt; durch seinen Dienst hatten sie das Evangelium gehört und den Geist empfangen; was aber hatten jene Lehrer, die jetzt unter sie gekommen waren, ihnen gebracht? „Freilich“ – sagt er – „wenn der, welcher kommt, einen anderen Jesus predigt, welchen wir nicht gepredigt haben, oder ihr einen anderen Geist empfangt, den ihr nicht empfangen habt, oder ein anderes Evangelium, was ihr nicht überkommen habt so trügt ihr es mit Recht“ (V 4). Aber sie hatten nichts von ihnen empfangen, sondern sie suchten im Gegenteil, sie dessen zu berauben, worin allein sie ihr Heil gefunden hatten und besaßen. Wie höchst töricht war es nun, auf solche zu hören, Solche unter sich aufzunehmen, und sich mehr oder weniger von dem abzuwenden, durch dessen Dienst sie alle Segnungen empfangen hatten, und der in Wahrheit sagen konnte: „Denn ich achte, ich habe in nichts den noch so großen Aposteln nachgestanden. Wenn ich aber auch unkundig in der Rede bin, so bin ich es doch nicht in der Erkenntnis; sondern in jeder Weise sind wir in allen Stücken bei euch offenbar geworden“ (V 5–6). Der Geist Gottes hatte sie völlig als Apostel und Diener Christi unter ihnen legitimiert. Ihr Vorhandensein als Versammlung Gottes, ihr Glaube, ihr Reichtum an Rebe und Erkenntnis und jeglicher Gabe bezeugte aufs Schlagendste des Apostels Berufung und Sendung von Selten Gottes.

Hatte aber der Apostel etwa darin gesündigt, dass er ihnen das Evangelium umsonst verkündigt, indem er sich selbst erniedrigt und sie erhöht hatte? (V 7) Die falschen Lehrer nahmen von ihnen und mochten sich dessen sogar als einen Beweis ihrer Liebe gegen sie rühmen; aber Paulus war ihnen nie beschwerlich geworden und wollte es auch fernerhin nicht werden. Er war von anderen Versammlungen unterstützt worden, namentlich von Brüdern ans Mazedonien, um ihnen dienen zu können (V 8–9). Und dieses Rühmen, in den Ländern Achajas, das Evangelium umsonst verkündigt zu haben, wovon er auch schon im ersten Briefe spricht, will er sich um keinen Preis nehmen lassen (V 10). seine Feinde mochten dies als Kälte und Lieblosigkeit gegen die Korinther auslegen, indem er sich weigere, den Beweis ihrer Liebe anzunehmen, und darum begegnet er hier solch argwöhnischen Gedanken mit der Frage: „Warum das? Weil ich euch nicht liebe? Gott weiß es. Was ich aber tue, das werde ich auch tun, damit ich denen den Anlass abschneide, welche den Anlass wollen, damit sie worin sie sich rühmen, wie auch wir erfunden würden“ (V 11–12). Er tat es einfach, um den falschen Lehrern die Gelegenheit abzuschneiden, sich selbst etwa durch freiwillige Arbeit unter den Korinthern zu empfehlen, während der Apostel Geld von ihnen empfing. Jetzt freilich schienen sie das Gegenteil zu tun und das kostenfreie Wirken des Apostels als Lieblosigkeit zu deuten. Wie dem aber auch sei, wir haben hier ein schönes Zeugnis von der Lauterkeit, und Selbstverleugnung, womit Paulus seinen Dienst erfüllte. Da wo es das Wohl der Versammlung erheischte, machte er nicht einmal Gebrauch von seinem Recht, sich vom Evangelium zu ernähren, sondern wies vielmehr jede Gabe mit aller Beharrlichkeit zurück und arbeitete lieber Tag und Nacht mit seinen Händen, um niemanden lästig zu werden. Und wenn dies nicht sein konnte, so war er doch gewiss, dass der Herr, dessen Werk er trieb, fähig war, ihn auf alle Weise zu versorgen. Und er täuschte sich nicht. Während er sich weigerte, von den Korinthern etwas zu nehmen, um den Einfluss der falschen Lehrer zu hemmen, hatte Gott die Herzen der Mazedonier willig gemacht, seinen Mangel zu erstatten. Köstliche Erfahrung der treuen Fürsorge Gottes!

In Vers 13–15 bezeichnet nun der Apostel den wahren Charakter jener falschen Lehrer, indem er sagt: „Denn solche sind falsche Apostel, bezügliche Arbeiter, welche die Gestalt von Aposteln Christi annehmen. Und kein Wunder; der Satan selbst nimmt die Gestalt eines Engels des Lichtes an; darum ist es nicht ein Großes, wenn auch seine Diener die Gestalt als Diener der Gerechtigkeit annehmen, deren Ende nach ihren Werken sein wird.“ Sie handeln ganz und gar im Sinn und Geist dessen, dem sie dienen, und werden ein schreckliches Urteil über sich bringen. Wie ernst ist aber auch die Verantwortlichkeit aller derer, die solche Lehrer hören und sich durch dieselben leiten lassen – Lehrer, die nur bemüht sind, das gläubige Herz von der Einfalt gegen Christus zu verrücken und zu elenden Menschensatzungen hinzuleiten!

Der Apostel fährt dann fort, von sich selbst zu reden. Er bekennt, dass es nichts als Torheit sei; aber, wie schon bemerkt, die Schwachheit der Korinther, die sich durch die fleischliche Selbstüberhebung jener falschen Lehrer täuschen ließen, nötigte ihn, wie ein Tor zu handeln. Er wünscht nicht, für töricht gehalten zu werden; aber wenn sie nicht anders wollen, so mögen sie ihn als einen Törichten annehmen (V 16). Doch bekennt er im Voraus von dieser Zuversicht des Rühmens, wozu er gezwungen sich einlässt: „Was ich sage, sage ich nicht nach dem Herrn“ – nicht in Übereinstimmung mit Ihm, oder mit Rücksicht auf Ihn – „sondern als in Torheit“ (V 17). viele rühmten sich nach dem Fleisch und fanden Eingang unter den Korinthern, so wollte auch er einmal von dieser Art Empfehlung Gebrauch machen und sich nach dem Fleisch rühmen, d. i. seine äußeren oder fleischlichen Vorzüge aufzählen (V 18). „Denn“ – sagt er – „ihr ertragt gern die Toren, weil ihr weise seid. Denn ihr ertragt, wenn euch jemand zu Knechten macht, wenn euch jemand aufzehrt, wenn jemand von euch nimmt, wenn sich jemand überhebt, wenn euch jemanden das Angesicht schlägt“ (V 19–20). Sie waren so weise – wie es den Schein hatte – dass sie sich die Toren, jene prahlerischen falschen Apostel, gefallen ließen, und so tragsam, dass sie ihre Thranney, ihre Habsucht, ihre List, ihre Hoffahrt, ihre Beschimpfungen ganz ruhig entgegennahmen. So hatte allerdings Paulus nicht unter ihnen gewandelt, und das wurde ihm zur Unehre gerechnet. Er war ihnen in keinerlei Weise beschwerlich gewesen; er hatte stets mit großer Sanftmut und Gelindigkeit unter ihnen verkehrt, aber ach! das hielten sie für Schwachheit. „Ich rede in Bezug auf die Unehre: – als wenn wir schwach gewesen wären. Worin aber jemand dreist ist (ich rede in Torheit) bin auch ich dreist“ (V 21). – Wenn jene falschen Apostel sich ein Ansehen als Juden gaben, sich mit der alten Religion Gottes, geheiligt durch ihr Altertum und ihre Überlieferungen, brüsteten, so konnte er es auch. Er besaß alle Anrechte zum Rühmen, worin sie sich großmachten. „Sind sie Hebräer? – ich auch. Sind sie Israeliten? – ich auch. Sind sie Abrahams Samen? – ich auch“ (V 22). Handelte es sich um den christlichen Dienst, so konnte er sagen: „Sind sie Diener Christi? – (ich rede als von Sinnen) – ich bin mehr“ (V 23). Im Blick auf seine Ergebenheit und auf das, was er in seinem Dienst erlitten und durchgemacht hatte, stand er über jenen, welche vorgaben, Diener Christi zu sein, aber im Blick auf die Herrlichkeit dieses Dienstes und auf den Herrn, dem er dargebracht wurde, musste jemand von Sinnen sein, der mehr als Diener Christi zu sein glaubte. Um aber das Gesagte im Vergleich mit jenen sich selbst erhebenden Lehrern zu beweisen, zählt der Apostel nun die einzelnen Erlebnisse in seinem Dienst auf. „In Mühen überschwänglicher in Schlägen übermäßig, in Gefängnissen sehr viel, in Toben oft. Von den Juden habe ich fünfmal vierzig Streiche, weniger einen, empfangen“ (V 24). 1 „Ich bin dreimal mit Ruten geschlagen, einmal gesteinigt worden, dreimal habe ich Schiffbruch erlitten, einen Tag und eine Nacht habe ich in der Tiefe zugebracht“ (V 25). Wahrscheinlich hatte er nach einem erlittenen Schiffbruch einen Tag und eine Nacht auf Schiffstrümmern in offener See zubringen müssen. „Oft auf Reisen, in Gefahren auf Flüssen, in Gefahren von Räubern, in Gefahren von (meinem) Geschlecht, in Gefahren von denen aus den Nationen, in Gefahren in der Stadt, in Gefahren in der Wüste, in Gefahren auf dem Meer, in Gefahren unter falschen Brüdern; in Mühen und Mühsal, in Wachen oft, in Hunger und Durst, in Fasten oft, in Kälte und Blöße; ohne das, was von außen ist“, – was in feindlicher Weise auf ihn eindrang – „(noch) der tägliche Anlauf an mich, die Sorge für alle Versammlungen. – Wer ist schwach, und ich bin nicht schwach?“ In Kraft der Gemeinschaft stellte er sich dem Schwachen zur Seite, auf gleichen Boden mit ihm. „Wer wird geärgert und ich brenne nicht?“ Er selbst wurde zwar nicht geärgert, d. i. zum Unglauben oder zur Sünde verleitet, aber in seinem Herzen fühlte er den tiefsten Schmerz.

Welch ein schönes Gemälde eines Lebens, das in völliger Unterwürfigkeit sich dem Dienst des Herrn widmete. Trübsal und Gefahren aller Art äußerlich, unaufhörliche Angst innerlich, ein Mut, der in keiner Gefahr verzagte und eine Liebe für verlorene Sünder, und für die Versammlung Gottes, die durch nichts geschwächt werden konnte; gewiss, eine solche Hingebung muss das im empfindlichste Herz bewegen. Sie lässt uns unsere Selbstsucht tief fühlen und macht, dass wir uns beschämt vor dem niederweifen, der die lebendige Quelle der Unterwürfigkeit des gesegneten Apostels war, und woraus auch wir allein alle Weisheit und Kraft im Dienst des Herrn zu schöpfen vermögen. Zugleich sehen wir hier, wie das elende Treiben jener falschen Lehrer, um das Ansehen und den Dienst des Apostels zu Grund zu richten, dazu dienen musste, uns in etwa mit der unermüdlichen Arbeit des Apostels, die er in tausendfachen Umständen ausgeübt hat, bekannt zu machen, die uns sonst nirgends in solcher Ausdehnung mitgeteilt wird. In der Apostelgeschichte finden wir nur einiges davon. Der vornehmste Zweck jenes Buches ist, uns mit der Geschichte der Befestigung der Kirche in den großen Grundsätzen, worauf sie gegründet ist, bekannt zu machen und uns zu zeigen, wie sie immer mehr ihren irdischen Charakter verlor und als der eine Leib des verherrlichten Hauptes, Christus, ans Licht trat. Und wenn der Herr kommt, um seine geliebte Versammlung zu sich aufzunehmen, so wird Paulus sicher nicht vergessen sein. Er wird seinen Lohn empfangen nach seiner eigenen Mühe und Treue. Es soll aber auch unsere Mühe im Herrn nicht vergeblich sein; und in diesem Bewusstsein kann die Erkenntnis der christlichen Ergebenheit, wie wir sie hier bei dem Apostel finden, für unseren Glauben von großem Nutzen sein.

Es war nun aber sicher höchst schmerzlich für den Apostel, so viel von sich selbst reden zu müssen; er fühlte sich außer seiner gewöhnlichen Sphäre und ruft deshalb aus: „Wenn es gerühmt sein soll, will ich mich meiner Schwachheit rühmen.“ – (V 30) Bei all seinen Erlebnissen, bei all den überstandenen großen Versuchungen, hatte er erfahren, dass er ein schwacher Mensch war. Schwachheit und Ohnmacht war in allen Umständen stets auf seiner Seite gewesen, die Macht und Hilfe aber von Seiten Gottes. Und er bekennt es hier vor allen; er will nur als ein schwacher Mensch gekannt sein, damit dem Herrn allem aller Ruhm bleibe. Er beweist es sogar durch eine Tatsache, deren Wahrheit er auf das feierlichste bezeugt. „Der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der in die Zeitalter gesegnet ist, weiß, dass ich nicht lüge. Zu Damaskus verwahrte der Landpfleger des Königs Aretas die Stadt der Damaszener, und wollte mich greifen. Und ich wurde in einem Korb zum Fenster an der Mauer herniedergelassen und entkam seinen Händen“ (V 31–33). Der Apostel, der so vieles ertragen, der so großen Gefahren und selbst so oft dem Tod entronnen war, offenbarte in diesem Ereignis seine ganze Schwachheit; er musste in einem Korb zum Fenster an der Mauer heruntergelassen werden. Auf solche Weise konnte auch ein Kind entfliehen. Doch hiermit charakterisiert er alle seine Durchhilfen, und deshalb gebührte nicht ihm, sondern in allen seinen Umständen allem dem Herrn die Ehre. Kapitel 12

Der Zustand der Korinther hatte den Apostel, wie wir sehen, gezwungen, von sich selbst zu reden und an Dinge zu denken, die er schon längst hinter sich hatte. Er war genötigt, das gewöhnliche und sichere Geleise zu verlassen und eine Bahn zu betreten, wo der Mensch sich zeigen kann. Er musste es tun um der Schwachheit derer willen, die auf das sahen, was vor Augen war, und um ihnen eine Waffe in die Hand zu geben gegen jene, die sich nach dem Fleisch rühmten. Für ihn selbst aber hatte es keinen Wert. „Zu rühmen nützt mir wahrlich nicht“ – sagt er. Und wenn er auf irgendeine Weise gezwungen war, von sich selbst zu reden, so wollte er sich nur seiner Schwachheiten rühmen, seines Unvermögens inmitten der ihn umgebenden Umstände. Dieses hatte er schon am Ende des vorigen Kapitels bekannt, aber es kommt jetzt noch ein Ereignis in seine Erinnerung, wobei der Mensch, als im Fleisch seiend, sich nicht rühmen konnte. Das ich war hier ganz und gar bei Seite gesetzt. „Zu rühmen nützt mir wahrlich nicht; denn ich werde auf Gesicht und Offenbarungen des Herrn kommen. Ich kenne einen Menschen in Christus, – vor vierzehn Jahren; – (sei es im Leib, ich weiß es nicht; sei es außer dem Leib, ich weiß es nicht; Gott weiß es); – dass derselbe entrückt ward bis in den dritten Himmel. Und ich kenne solchen Menschen, – sei es im Leib, sei es außer dem Leib; ich weiß es nicht; Gott weiß es; – dass er in das Paradies entrückt ward, und unaussprechliche Worte hörte, welche der Mensch nicht sagen darf“ (V 1–4).

Wir haben bei dieser Mitteilung weder an seine wunderbare Bekehrung auf dem Weg nach Damaskus, die weit früher stattfand, noch an seine in Apostelgeschichte 22,17 erwähnte Entzückung im Tempel zu Jerusalem zu denken, sondern an ein Ereignis, das wir nur hier erwähnt finden, und zwar bei einer Gelegenheit, wo man seine göttliche Berufung als Apostel in Frage zu stellen suchte. Von Solchem aber wollte er sich rühmen, weil hier, wie gesagt, das Fleisch gänzlich ausgeschlossen war. Hier wirkte allein die unumschränkte Macht Gottes, in welcher der Mensch kein Teil hat. Der Apostel spricht sogar als von einer dritten Person, von einem „Menschen in Christus“. Ein solcher war bis zum dritten Himmel – bis zum Paradies – entrückt worden. Ob der Leib während dieser Entrückung vom Geist getrennt, oder noch damit verbunden gewesen war, wusste er nicht; wenigstens hatte der Leib kein Teil daran. Aber von Solchem wollte er sich rühmen, und alles, was ihn als Mensch auf der Erde hochstellte, gänzlich bei Seite lassen. Sein Ruhm und die Freude seines Herzens war allein das, was ihn zum Himmel erhob, was ihm dort sein Teil gab, was er in Christus war. Wenn er hieran dachte, war er zufrieden, alles zu vergessen, was ihn hienieden als Mensch bevorzugte. Bei jener Offenbarung war er nur mit Gott beschäftigt, ein Genosse seiner Herrlichkeit. Und dort, wo Gott und seine Herrlichkeit alles sind, hörte er unaussprechliche Worte, die der Mensch nicht sagen darf. Der Mensch im Leib ist nicht fähig, sie zu begreifen, und es war auch nicht angemessen, dass ein sterblicher Mensch sie mitteilte. Doch hatten sie auf den Apostel einen tiefen Eindruck gemacht; sie gaben ihm Mut und Zuversicht, in dem ihm anvertrauten Dienste mit Ausharren voranzugehen. Aber auch für uns sind seine Erfahrungen ein reicher Trost, und ermuntern uns, in dem verordneten Kampf bis ans Ende zu beharren. Bald werden wir für immer bei Christus sein, die Genossen seiner Herrlichkeit, und werden jene wunderbaren Dinge, die kein Mensch sagen darf, ohne Aufhören genießen.

„Von solchem werde ich mich rühmen“ – sagt der Apostel – „über mich selbst aber werde ich mich nicht rühmen, es sei denn meiner Schwachheiten. Denn wenn ich mich rühmen will, werde ich nicht töricht sein; denn ich werde die Wahrheit sagen. Ich enthalte mich aber dessen, auf dass niemand mich höher achte, als was er an mir sieht, oder was er über mich hört“ (V 5–6). Wie weit war sein Herz davon entfernt, sich selbst zu erheben! So wie er am Ende des vorigen Kapitels, nachdem er die Korinther mit seinen tiefen Wegen hienieden, mit seinen so mannigfach durchlebten Leiden und Gefahren bekannt gemacht hatte, an seine Schwachheit erinnert, und dieselbe durch eine Tatsache feierlich bezeugt, so richtet er auch jetzt ihren Blick aufs Neue darauf, nachdem er von seiner Erhöhung bis zum dritten Himmel gesprochen hat. Er ist ängstlich besorgt, dass ihr Auge irgendwie auf ihm ruhen, ihm als Mensch Kraft und Weisheit zutrauen und Ehre darbringen möge, wie es die falschen Lehrer so gern für sich in Anspruch nahmen, und kommt deshalb immer wieder auf seine Schwachheiten zurück. Er will nicht anders gekannt sein, damit dem Herrn allein aller Ruhm bleibe. Wie so ganz anders ist die Gesinnung eines fleischlich gesinnten Christen! Er wünscht geehrt und selbst höher geachtet zu werden, als man an ihm sieht oder über ihn hört, und ist eifrig bemüht, seine Schwachheiten zu verbergen; während ein wahrhaft demütiges Herz an sich nur seine Schwachheiten sieht und bekennt, und in dem Herrn allein alle Weisheit und Macht erblickt. Diese Gesinnung finden wir in einer so schönen und schlagenden Weise in dem Leben des Apostels. Er wollte nicht höher geachtet sein, als was man an ihm sah und über ihn hörte. Er machte die Korinther sogar auf die Merkmale seiner Schwachheit aufmerksam. „Und auf dass ich mich nicht der Überschwänglichkeit der Offenbarungen überhebe, ist mir ein Dorn ins Fleisch gegeben, ein Engel des Satans, auf dass er mich mit Fäusten schlage, damit ich mich nicht überhebe“ (V 7). Wie lehrreich ist Zugleich diese Erfahrung für uns! Weder des Apostels wunderbare Bekehrung, noch seine öffentliche Berufung des Heiligen Geistes zu seinem apostolischen Dienst, weder seine tiefen Wege hienieden durch Leiden und Gefahren aller Art, noch seine Erhöhung zum Paradies vermochten das Fleisch zu ändern. Es bleibt stets Feindschaft wider Gott. Sicher hatte Paulus eine außerordentliche Mission; aber er hatte sie in einem irdenen Gefäß. Und die Tatsache, dass er solche hohe Offenbarungen empfangen hatte, war nicht seine Kraft; das Fleisch bleibt immer Fleisch. Sobald er zum Bewusstsein seines menschlichen Daseins auf der Erde zurückgekehrt war, war dasselbe sicher darauf bedacht, ihn wegen der besonderen Gunst, die er genossen, in seinen eigenen Augen zu erheben, ihn höher als andere zu stellen, die sich keiner solchen Bevorzugung von Seiten Gottes zu erfreuen hatten. In der Herrlichkeit, außerhalb des Leibes, Gott nahe zu sein, macht nicht aufgeblasen. Dort ist Christus alles und das eigene Ich ist völlig vergessen. Die Gegenwart Gottes lässt uns unsere Nichtigkeit fühlen und bringt das Fleisch zum Schweigen. Aber dort gewesen zu sein, ist eine andere Sache; dann ist das Fleisch beschäftigt, seinen Gewinn daraus zu ziehen, sich dessen zu rühmen, was allein Gott angehört. Ach, wie traurig steht der Mensch da! Gott aber in seiner Gnade ist wachsam. Er sah im Voraus die Gefahr seines armen Dieners, und es war Ihm nicht möglich, ihn dieser Gefahr Preis zu geben. Er begegnet dem Fleisch, indem er ihm einen Zaum anlegt. Zwar haben wir dasselbe für tot zu halten; aber oft bedarf es eines Zaumes, damit es unser Herz nicht von Gott abziehe, unseren Wandel verhindere und unser Zeugnis schwäche. Wir wandeln nur sicher, wenn das Fleisch gezäumt ist, wenn es praktisch so zunichtegemacht ist, dass wir uns dessen, als handelnd in uns, nicht bewusst sind, sondern, in gänzlicher Übergabe an Gott, nach unserem Maß über Ihn und mit Ihm denken. Er gab dem Paulus einen Dorn ins Fleisch, damit er sich wegen seinen überschwänglichen Offenbarungen nicht überheben möchte. Gott erlaubte dem Satan, den er auch zur Demütigung des Hiob gebrauchte, diesen Prüfstein. Täglich ließ er den Apostel fühlen, wie wenig das Fleisch in der Gegenwart Gottes und in dem ihm anvertrauten Dienste tauglich ist. Und es ist glücklich für uns, wenn dies auf dem Weg einer Vorbeugung geschieht, wie bei Paulus, und nicht auf dem demütigenden Wege eines Falles, wie bei Petrus. Dort waren die hohen Offenbarungen, die der Apostel erfahren hatte, die Veranlassung; hier war es Selbstvertrauen mit Eigenwillen vermischt, der sich trotz der Warnungen des Herrn zu behaupten suchte. Wenn wir die Neigung des Fleisches in der Gegenwart Gottes kennen lernen, so gehen wir demütig von dort aus und bedürfen nicht auf andere Meise gedemütigt zu werden. Immer aber ist es nötig, um sicher und gesegnet hienieden zu wandeln, in stetem Bewusstsein unserer Abhängigkeit von Gott und der Schwachheit des Gefäßes, worin seine Offenbarungen, wie hoch oder niedrig ihr Maß auch sein mag, getragen werden, einherzugehen. Und Gott weiß in seiner Regierung die Leiden für Christus und die Züchtigungen des Fleisches in denselben Umständen zu vereinigen, wie wir in Hebräer 12,1–10 sehen. Wurde Paulus in seinem Dienst verachtet und verfolgt, so litt er in Wahrheit für den Herrn; aber nichts desto weniger züchtigte dieselbe Sache sein Fleisch, und verhinderte ihn, sich der empfangenen Offenbarungen, sowie der daraus hervorgehenden Kraft, womit er die Wahrheit darlegte, zu überheben. Das Fleisch ist immer ein lästiger Gesellschafter im Werk des Herrn, und muss allezeit, sei es durch das erfahrungsmäßige Gefühl des Bösen, das darin ist, oder durch die persönliche Erfahrung von dem, was es ist, unterjocht und in unserem Bewusstsein zu nichts werden. Es war sicher für den Apostel sehr demütigend, nach einer solchen Erhöhung bis in den dritten Himmel, die schmerzliche Erfahrung von dem zu machen, was das Fleisch ist – böse verachtungswürdig und selbstsüchtig.

Zugleich sehen wir hier den großen Unterschied zwischen Christus und jedem Menschen, wie bevorzugt dieser auch sein mag. Christus konnte auf dem Berg mit Mose und Elias in der Herrlichkeit sein, und durch den Vater selbst als dessen Sohn bezeichnet werden, und dann in die Ebene, in die Gegenwart Satans und der Menge, zurückkehren; aber immer, so verschieden auch diese Szenen sein mochten, war Er gleich vollkommen. In den Aposteln, besonders in Paulus finden wir bewunderungswürdige Tugenden – Werke, wovon Jesus sagt, dass sie größer seien, als die Seinen – mannigfache Erfahrungen des Herzens und erstaunliche Höhe durch Gnade – mit einem Wort, wir finden in diesem außerordentlichen Diener des Herrn durch den Heiligen Geist eine wunderbare Macht offenbart; aber wir finden nicht die Gleichheit, die in Christus war. Die Demütigung war nötig, um der Erhebung des Fleisches vorzubeugen und ihn seine stete Abhängigkeit von Gott fühlen zu lassen. Alles, was von uns ist, unser ganzes Ich ist nur Schwachheit – nur Hindernis.

Es handelt sich bei diesem Dorn, der dem Apostel gegeben wurde, nicht um die Sünde im Fleisch, nicht um eine ungezähmte Leidenschaft oder Begierde, was sogar manche Gläubige daraus haben machen wollen, sondern, im Gegenteil, es war etwas, wodurch das Fleisch in Schranken gehalten und gezähmt wurde. Wir können aus Galater 4,13 schließen, dass jener Dorn irgendein demütigendes Übel an seinem Körper sein musste und besonders geeignet, um den Apostel in seinem Predigen verächtlich zu machen – ein fühlbares Gegengewicht zu seinen überschwänglichen Offenbarungen. Er wünschte sehr, von diesem Dorn befreit zu werden, und bekennt selbst: „Für dieses habe ich dreimal zum Herrn gefleht, dass er von mir abstände“ (V 8). Sobald er aber die Antwort Gottes vernommen: „Meine Gnade ist dir genug; denn meine Kraft wird in der Schwachheit vollbracht“ (V 9), war er völlig befriedigt. Er wusste jetzt, dass jener Dorn kein Beweis der Ungnade Gottes, sondern ein Zeugnis seiner vorsorglichen Liebe war. Was er in den Augen der Menschen galt, war ihm ein Geringes. Er war völlig zufrieden, wenn er wusste, dass die Gnade Gottes mit ihm war, und dass Er sein Werk, trotz des elenden Werkzeuges, unaufhörlich und zu seiner Verherrlichung allein fortsetzte. Er hörte sogar, dass Gott seine Kraft gerade da vollbringt, wo die Ohnmacht und Schwachheit des Gefäßes verwirklicht, wo das Fleisch zu seinem nichts zurückgebracht ist. Nie kann die Kraft Christi sich mit der Kraft des Menschen vorbinden, noch in irgendeiner Weise davon abhängig sein. Und ganz beruhigt und erfreut bekennt der Apostel: „Daher will ich mich denn vielmehr am allerliebsten mein er Schwachheiten rühmen, auf dass die Kraft des Christus mir einwohne“ (V 9). Er ist so sehr von der Ehre Christi und von der Herrlichkeit seiner Macht durchdrungen, dass er sich seiner Schwachheiten rühmt, und zufrieden ist, in seinem ganzen Ich zunichtegemacht zu sein, weil dies der Macht Christi Gelegenheit gab, auf ihm zu ruhen und sich völlig als seine Macht zu offenbaren, während er selbst das gesegnete Gefäß war, worin sie sich offenbarte. „Deshalb habe ich Wohlgefallen an Schwachheiten, an Schmähungen, an Nöten, an Verfolgungen, an Drangsalen, um Christi willen. Denn wenn ich schwach bin, dann bin ich mächtig“ (V 10). Welch eine Sprache! Und welch ein Unterschied zwischen ihm und allen denen, die jenen Umständen auszuweichen suchen, oder gar dann murren, anstatt Wohlgefallen daran zu haben! Woher aber kommt dieser Unterschied? Allein aus der verschiedenen Gesinnung gegen Christus. Paulus hatte ein großes Herz für Ihn; Christus war Ihm alles. Er achtete alle Vorzüge des Fleisches für Verlust und Dreck; er war ganz zufrieden, sie völlig einzubüßen und zu vergessen für die vortreffliche Erkenntnis Jesu Christi, seines Herrn. Er trat mit Freuden ganz und gar zurück und verzichtete auf alles, wenn nur Christus verherrlicht und die Macht, die durch ihn wirkte, nicht als seine, sondern als die Macht Christi offenbar wurde. Gewiss, ein solches Herz hat Wohlgefallen an den Wegen, wo das Fleisch in seiner Ohnmacht und Nichtigkeit gesehen und Christus Gelegenheit hat, seine Kraft hervorstrahlen zu lassen.

Das Herz des Apostels ist so sehr mit der Verherrlichung Christi erfüllt, dass er mit Schmerz daran gedenkt, auch nur einen Augenblick von sich gesprochen zu haben, außer sich seiner Schwachheiten zu rühmen, und ruft deshalb aus: „Ich bin ein Tor geworden, ihr habt mich gezwungen“ (V 11). Er war von denen dazu gezwungen worden, die an sich selbst die Vortrefflichkeit seines Dienstes rühmten, und auf dessen Wirkung unter ihnen er selbst sich berufen konnte. „Denn ich sollte von euch empfohlen werben; denn ich habe in nichts den noch so großen Aposteln nachgestanden, wenn ich auch nichts bin. Die Zeichen des Apostels sind ja unter euch gewirkt worden, in aller Geduld, in Zeichen und Wundern und mächtigen Taten“ (V 11–12). jene Zeichen, wodurch Gott seinen apostolischen Dienst legitimierte, waren durch die Wirkung des Geistes in reichem Maß unter ihnen hervorgebracht worden, obgleich er selbst nur ein nichtiges Werkzeug war. Wenn sie in irgendeiner Weise hinter anderen Versammlungen in Betreff des Beweises seines Apostelamtes zurückgeblieben waren, so war es allein darin, dass sie nichts zu seiner Unterhaltung beigetragen hatten. Er konnte mit aller Freimütigkeit fragen: „Denn worin ist es, dass ihr gegen die anderen Versammlungen verkürzt worden seid, es sei denn, dass ich selbst euch nicht lästig geworden bin? Verzeiht mir dieses Unrecht“ (V 13). War es denn wirklich ein Unrecht? Jedenfalls war es eine Verkürzung für sie; denn wenn am Tag Christi die dem Apostel dargereichten Gaben der Philipper, die ein duftender Wohlgeruch, ein angenehmes, Gott wohlgefälliges Opfer waren, sich als eine reichliche Frucht offenbaren, die ihnen zugerechnet wird (Phil 4,17–18), so gehen die Korinther in dieser Beziehung leer aus. Diese Verkürzung aber war ihre eigene Schuld, weil der Apostel wegen ihrer Aufnahme der falschen Lehrer gezwungen war, also zu handeln, was er auch fernerhin tun wollte. „Siehe, dieses dritte Mal bin ich in Bereitschaft, zu euch zu kommen, und will euch nicht lästig sein“ (V 14). Doch nicht lange konnte der Apostel bei einer Sache stehen bleiben, welche die Korinther aufs tiefste beschämen musste. Seine Liebe fand einen Ausweg, um sie auf eine ganz zarte und liebevolle Weise zu beruhigen. Es ist wahr, als Apostel und Diener Christi hatten sie Verpflichtungen gegen ihn; aber es gab noch ein anderes Verhältnis zwischen ihm und den Korinthern, das auf einem anderen Grund ruhte. Sie waren seine Kinder, die er durch das Evangelium gezeugt hatte, was er oft in seinen Briefen hervorhebt, und dieses Verhältnis legte vornehmlich ihm, als Vater, Verpflichtungen auf; und was tat er lieber, als diese erfüllen. „Denn ich suche nicht das eure, sondern euch. Denn die Kinder sollen nicht für die Eltern Schätze sammeln, sondern die Eltern für die Kinder. Ich will aber sehr gerne für eure Seelen (alles) verwenden und verwendet werden, wenn ich auch, je reichlicher ich euch liebe, umso weniger geliebt werde“ (V 14–15). Welch eine Liebe ohne Selbstsucht! Sie war zu jedem Opfer bereit und verzichtete auf alle Anerkennung. Wie unerschöpflich aber muss die Quelle sein, woraus diese Liebe floss, und aus welcher auch wir alle unsere Segnungen empfangen haben und täglich empfangen.

„Sei es aber, dass ich euch nicht beschwert habe; – sondern weil ich listig bin, habe ich euch mit Hinterlist gefangen“ (V 16). Dies war ein anderer Vorwurf seiner Gegner. Wenn sie auch zugeben mussten, dass er selbst niemand beschwerlich gewesen war, so betrachteten sie dies nur als eine seine List, um den Schein seiner Uneigennützigkeit aufrecht zu erhalten, während er sich durch Verwendung anderer Arbeiter schadlos zu halten gewusst habe. Was aber konnte er ihnen erwidern? „Habe ich euch übervorteilt durch einen von denen, die ich zu euch gesandt habe? Ich habe Titus gebeten, und den Bruder mit ihm gesandt. Hat euch Titus übervorteilt? Haben wir nicht in demselben Geist gewandelt? Nicht in denselben Fußstapfen?“ (V 17–18) Es war in der Tat ein gesegnetes Werk der Gnade, die in jenen Mitarbeitern im Dienst unter den Korinthern dieselbe Gesinnung gewirkt hatte. Der Apostel konnte sich mit aller Freimütigkeit darauf berufen, weil die Korinther selbst davon überzeugt waren; und dies musste jede Anklage derer, die, weil selbst durch schlechte Motive geleitet, auch bei anderen dieselbe voraussetzten, völlig zu Boden werfen. Doch sicher war es für ein Herz, dem solche schlechte Wege fremd waren, höchst schmerzlich, sich damit zu beschäftigen und darin zu rechtfertigen. Aber die Liebe trägt alles; sie geht selbst in alle die Dinge ein, worin das schwache und selbst süchtige Herz umherirrt und sucht es ohne Ermüden zur Einfalt gegen Christus zurückzuführen.

Jene Rechtfertigung des Apostels aber geschah nicht, um sich vor ihnen zu verantworten, oder sie zu Richtern seines Verhaltens zu machen, o nein! er redete stets vor dem Angesicht Gottes in Christus, dem allein er verantwortlich war, und hatte bei allen. nur ihre Erbauung, die Vollendung ihres christlichen Lebens zum Zweck (V 19). Er fürchtete aber, dass, wenn er zu ihnen käme, sie sich gegenseitig so finden würden, wie sie nicht erwarteten: dass viele da sein würden, die zwar den Namen Christi bekannten, aber nach den Begierden und Lüsten der sie umgebenden Welt wandelten, und dass er deshalb bei seiner Gegenwart gedemütigt sein würde, und über viele zu trauern habe, die zuvor gesündigt und über ihre Missetat nicht Buße getan hätten (V 20–21). (Schluss folgt)

Fußnoten

  • 1 Nach 5. Mose 25,3 durfte einem Schuldigen vor Gericht nicht mehr als vierzig Schläge gegeben werden, und deshalb war es in der späteren jüdischen Rechtspflege gebräuchlich, nur neun und dreißig zu geben, aus Vorsicht, um nicht durch zu viele Schläge das Gesetz zu übertreten. Diese Art Straft wurde gewöhnlich in den Synagogen vollzogen (vgl. Mt 10,17).
Nächstes Kapitel »« Vorheriges Kapitel