Botschafter des Heils in Christo 1863
Betrachtung über den zweiten Brief von Paulus an die Korinther - Teil 5/7
Durch diese beiden Kapitel unterbricht der Apostel seinen bisherigen Gegenstand, um die Korinther zu ermuntern, für die armen Heiligen in Judäa eine Liebesgabe bereit zu machen. Es ist schön zu sehen, welch ein warmes Interesse sein Herz an dieser Sache nimmt, wie er alles sagt, was zur Bereitwilligkeit und Freigebigkeit reizen kann. Mit einer besonderen Zuneigung war er den Heiligen in Judäa, die aus seinem Volk waren, zugetan, und mit einer innigen Liebe hing er an der Versammlung zu Korinth, die er sehnlichst in allen guten Werken reich zu sehen wünschte. Ohnedies aber ist es stets eine köstliche und gesegnete Sache, „an den Bedürfnissen der Heiligen teilzunehmen“ (Röm 12,13). Der Apostel ermahnt an einer anderen Stelle die Gläubigen: „Des Wohltuns aber und Mitteilens vergesst nicht; denn an solchen Opfern hat Gott Wohlgefallen“ (Heb 13,16). Und deshalb verdienen sicher die Ermahnungen und Ermunterungen des Apostels in den beiden vorliegenden Kapiteln zu jeder Zeit alle Beherzigung.
Zuerst teilt er nun den Korinthern mit, dass die Gnade Gottes die Versammlungen in Mazedonien zu einer großen Mildtätigkeit bereitgemacht habe (V 1), um sie selbst dadurch zur Nachahmung zu reizen. Und in der Tat waren diese Versammlungen ein würdiges Vorbild in diesem Werk; denn sie befanden sich weder in äußerer Ruhe, noch konnten sie von ihrem Überfluss geben; sondern „bei großer Prüfung der Drangsal“ – sagt der Apostel – „ist die Überströmung ihrer Freude“ – die inmitten jener Drangsale ihr Herz erfüllte – „und ihre tiefste Armut in den Reichtum ihrer Freigebigkeit übergeströmt. Denn nach Vermögen – ich bezeuge es – und über Vermögen waren sie aus eigenem Antrieb willig, und baten uns mit vielem zureden, die Gabe und die Mitteilung des Dienstes an die Heiligen anzunehmen“ (V 2.4). Nichts fehlte, um diese Gabe, als ein angenehmes und Gott wohlgefälliges Opfer zu stempeln. Jene Versammlungen erkannten die Verwendung der irdischen Gaben für die Bedürfnisse der Heiligen als deren schönsten und höchsten Zweck, und sie taten es aus eigenem Antrieb und Zugleich mit der größten Bereitwilligkeit und Aufopferung, und erkannten es sogar als eine Gnade, wenn ihre Gabe der Annahme gewürdigt wurde. Noch mehr. Der Apostel fügt hinzu: „Und nicht, wie wir gehofft, sondern sie haben sich selbst zuerst dem Herrn und uns durch Gottes Willen gegeben;“ (V 5) und danach hatten sie ihre Gabe gespendet. Ihre völlige Übergabe an den Herrn und seine Apostel machte sie wahrhaft fähig, danach auch alles, was sie besaßen, für den Herrn und seinen Dienst zu verwenden. Und dieselbe Bereitwilligkeit hoffte er jetzt auch bei den Korinthern zu finden, zu welcher Hoffnung ihn ihre Rückkehr zum Herrn und ihre Demütigung und Unterwürfigkeit unter das Wort des Apostels ermutigte. Deshalb beredet er den Titus, der schon früher angefangen hatte, jetzt, bei Überbringung dieses Briefes, auch unter ihnen diese Gabe völlig bereit zu machen (V 6). – Sehr gern erkennt der Apostel alles an, was die Gnade Gottes schon unter den Korinthern gewirkt hatte, und benutzt die Erinnerung daran, auch diese Gnade, der armen Heiligen in Judäa zu gedenken, unter ihnen zu verwirklichen. „Gleichwie ihr aber reich seid in allem: im Glauben und Wort und Erkenntnis und allem Fleiß, und eurer Liebe zu uns, dass ihr auch in dieser Gnade reich sein möget“ (V 7). Es ist das Wohlgefallen des Herrn und das stete Bemühen des Geistes, die Heiligen in allen guten Werken überströmend zu machen.
Der Apostel handelte aber nicht in befehlender Weise in dieser Sache, sondern angetrieben „durch den Fleiß der anderen und um die Echtheit ihrer Liebe zu prüfen“ (V 8). Zugleich weist er auf Christus selbst hin, auf die höchste und herrlichste aller Gaben, die uns je gegeben worden ist, noch gegeben werden kann. „Denn ihr wisst“ – sagt er – „die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, dass Er, reich seiend, um euretwillen arm wurde, auf dass ihr durch seine Armut reich würdet“ (V 9). Er gab sich selbst und alles, was sein war, dass in, auf dass wir, die nichts hatten, seinen Reichtum ererben möchten. Er kam auf diese arme Erde, wurde ein Mensch in Knechtsgestalt und machte sich selbst zu nichts, damit wir in seine himmlische Herrlichkeit eingeführt werden konnten. Welch eine Liebe! Und wie sehr sind wir, die Genossen dieser Liebe, deren Schuldner geworben! Und was wir mitzuteilen haben, haben wir vorher selbst von Ihm empfangen, und dennoch ist jede Gabe, die wir in seinem Namen den Heiligen spenden, ein angenehmes Opfer vor Ihm und soll nicht unbelohnt bleiben. Könnten wir nun wohl je einen würdigeren und nützlicheren Gebrauch von den irdischen Gütern machen?
Die Korinther waren schon früher nicht allein bereit gewesen, etwas für die dürftigen Heiligen zusammen zu legen, sondern hatten auch damit begonnen; und jetzt ermuntert sie der Apostel, ihre Bereitwilligkeit durch die Tat zu vollenden, damit es offenbar werde, dass nicht nur das Wollen, sondern auch das Vollbringen bei ihnen sei (V 10–11). „Und jede Bereitwilligkeit ist annehmlich“ – sagt er – „nach dem jemand hat, und nicht, nach dem er nicht hat“ (V 12). Dies ist wohl zu beachten; denn mancher versäumt über dem Seufzen seiner Unfähigkeit, viel geben zu können, die kleine Gabe darzureichen. Gott sieht nicht die Größe der Gabe, sondern das Herz des Gebers an. Auch dachte der Apostel nicht daran, dass andere im Besitz reicher Gaben Ruhe haben, und die Korinther Mangel leiden sollten, indem sie alles hingegeben hatten, sondern es sollte auf dem Grundsatz der Gleichheit sein, – „dass in der jetzigen Zeit euer Überfluss für den Mangel jener, auf dass auch jener Überfluss für euren Mangel dienlich würde, dass Gleichheit da sei“ (V 13–14). Auf diese Weise wurde die gesegnete Einheit der Familie Gottes ans Licht gestellt, wo der Überfluss des einen den Mangel des anderen ersetzt, und also die Bedürfnisse aller gestillt werden; wie geschrieben steht: „Der viel (sammelte), hatte nicht Überfluss, und der wenig (sammelte), hatte nicht Mangel“ (V 15). Also ordnete es der Herr bei Israel in der Wüste, und also soll es jetzt grundsätzlich in der Familie Gottes sein. Alsdann wird sich die lieblichste Harmonie unter den Kindern Gottes offenbaren, und Gott verherrlicht und gepriesen werden.
Paulus dankt nun Gott, dass er so großen Eifer für die Korinther in das Herz des Titus gelegt habe. Dieser, durch seinen ersten Besuch in Korinth ganz und gar befriedigt und ermuntert, nahm mit großer Bereitwilligkeit das zureden an, zum zweiten Male zu ihnen zu gehen, um auch diese Sache aufs Neue unter ihnen anzuregen und völlig in Ordnung zu bringen (V 16–17). Er sollte aber nicht allein kommen; zwei andere Brüder sollten ihm zugesellt werden, welche beide ein gutes Zeugnis halten, was der Apostel hier mit besonderem Nachdruck hervorhebt. Von Ersterem sagt er: „dessen Lob am Evangelium in allen Versammlungen ist.“ Sein treuer Dienst am Evangelium war vor allen offenbar geworden. „Aber nicht das allein“, – fügt er hinzu – „sondern er ist auch von den Versammlungen gewählt worden zu unserem Reisegefährten mit dieser Gnade, welche durch uns zur Herrlichkeit des Herrn selbst (als Beweis) unserer Bereitwilligkeit bedient wird“ (V 18–19). Sowohl die Ehre des Herrn, als auch die bereitwillige Teilnahme der Heiligen an den Bedürfnissen ihrer Mitbrüder wurde dadurch an den Tag gelegt. Wir sehen aber Zugleich, wie sehr der Apostel bemüht war, jeden Anstoß in Betreff dieser Sache zu vermeiden. Er wollte nicht allein nach Jerusalem reisen; er wollte, dass auch andere an der Besorgung dieser reichen Gabe Teil nehmen sollten, und zwar solche, die von vielen gekannt und ein gutes Zeugnis hatten, damit in keinem Herzen zu irgendeinem Argwohn Anlass gegeben würde. „Denn wir sind vorsorglich für das“, – sagt er – „was ehrbar ist, nicht allein vor dem Herrn, sondern auch vor Menschen“ (V 20–21). Eine wichtige Belehrung für uns! Es gibt viele Dinge, wobei es nicht genug ist, vor dem Herrn überzeugt zu sein, treu und gewissenhaft gehandelt zu haben, sondern auch mit Eifer Sorge zu tragen, vor den Menschen ehrbar dazustehen, allen bösen Schein zu vermeiden, auf dass nicht der Name des Herrn verlästert werde.
Der andere Bruder, der Titus begleiten sollte, war oft in vielen Stücken als fleißig erprobt, und durch große Zuversicht zu den Korinthern zu noch größerem Fleiß angespornt worden (V 21). „Set es nun, was Titus betrifft – er ist mein Genosse und Mitarbeiter bei euch – seien es unsere Brüder – (sie sind) Gesandte der Versammlungen, die Herrlichkeit Christi“ (V 22). Der Gedanke an den köstlichen Dienst jener Arbeiter im Werk des Herrn, sowie an die herrliche und erhabene Stellung der Versammlung, als die Herrlichkeit Christi, wodurch jene gesandt waren, sollte die Korinther leiten, diese Brüder mit Ehrerbietung zu empfangen, und vor den Versammlungen durch große Bereitwilligkeit zur Mitteilung den Beweis ihrer Liebe zu geben, und das Rühmen des Apostels über sie zu bewahrheiten.
Es könnte hier noch bemerkt werden, dass die Besorgung dieser Kollekte die Veranlassung zu alle dem wurde, was dem Apostel in Jerusalem begegnete. Sie machte seinem äußeren Dienst ein Ende, verhinderte seinen Weg nach Spanien und vielleicht auch nach anderen Orten; aber auf der anderen Seite gab sie Gelegenheit, den Brief an die Epheser, Philipper, Kolosser, an Philemon und vielleicht auch an die Hebräer zu schreiben. O wie wenig kennen wir die Tragweite der Umstände, in welche wir hienieden eintreten! Doch wie glücklich ist es, zu wissen, dass wir durch den geleitet werden, der den Ausgang jedes Weges kennt, und welcher macht, dass alle Dinge zum Guten mitwirken müssen. Kapitel 9
Noch einmal gibt hier der Apostel von der Bereitwilligkeit der Korinther Zeugnis, und benutzt dasselbe, sie jetzt zu einer umso größeren Freigebigkeit zu ermuntern. Er hatte dieselbe schon früher bei den Mazedoniern gerühmt, und dadurch viele zur eifrigen Nachahmung gereizt (V 1–2), und jetzt sendet er die Brüder voraus, um alles vorzubereiten, damit nicht, wenn er mit den Mazedoniern zu ihnen komme, sein Ruhm über sie zunichtegemacht würde, oder sie selbst in Betreff der an ihnen gepriesenen Freigebigkeit beschämt da stünden, und damit auch der von ihnen im Voraus angekündigte Segen wirklich als ein Segen, zum Lob und zur Verherrlichung Gottes, und nicht als ein Zeugnis ihres Geizes ausschlagen möchte (V 3–5). zudem steht es aber auch unumstößlich fest: „Wer kärglich sät, wird auch kärglich ernten, und wer reichlich sät, wird auch reichlich ernten“ (V 6). So ist es im Natürlichen und so ist es im Geistlichen. Hier ist die Zeit der Aussaat, dort der Ernte, und wir haben das gesegnete Vorrecht, selbst das Irdische also verwenden zu können, dass wir droben das Himmlische dafür ernten. Was werden aber jene ernten, die die irdischen Güter für sich benutzt haben, um sich die Wüste zu versüßen, das Leben hienieden bequem und angenehm zu machen und die Fremdlingschaft zu vergessen? Ach, das Wort selbst gibt eine ernste und feierliche Antwort: „Wer für sein eigenes Fleisch sät, wird von dem Fleisch Verderben ernten“ (Gal 6,8). – „Und ein jeder“ – fährt der Apostel in Betreff des Mitteilens fort – „wie er sich in seinem Herzen vorsetzt, nicht mit Verdruss oder aus Zwang“ – nicht, weil er dazu genötigt wird, oder mit einem unzufriedenen und murrenden Herzen – nicht um dem Urteil der Menschen zu entgehen, oder aus bloßem Pflichtgefühl, um sein Gewissen zu beruhigen, sondern in glücklicher Freiheit des Herzens; – „denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb“ (V 7).
Zum Schluss empfiehlt der Apostel die Korinther der reichen Güte Gottes: „Gott aber ist mächtig, alle Gnade auf euch überströmen zu lassen, auf dass ihr in allem, allezeit alle Genüge habend, zu allem guten Werk Überströmend seid“ (V 8). Gott gibt nicht kärglich; auch fehlt es Ihm weder an Liebe, noch an Macht, um die Seinen mit der Fülle seiner Segnungen zu überschütten. Er kann sie in Umstände versetzen, um ihre guten Werke zu vervielfältigen und sie selbst zu aller Freigebigkeit reich zu machen. Nur da, wo der Unglaube im Herzen wirkt, blickt man auf sich, berechnet den Verlust und befürchtet den eigenen Mangel; aber der Glaube ruht auf Gott und nimmt aus seiner reichen, nie vermindernden Schatzkammer allerlei Gaben, und teilt aus mit fröhlichem und dankbarem Herzen. Wandelnd in den Fußstapfen Christi, handelt er Gott gemäß, von dem geschrieben steht: „Er hat ausgestreut, Er hat den Armen gegeben, seine Gerechtigkeit bleibt in Ewigkeit“ (V 9; Ps 112,9). Er, der den Samen verleiht dem Sämann und das Gedeihen der Frucht, d. i. Brot zur Speise gibt, reicht auch den Samen für jene dar, die im Glauben säen, vermehrt ihn sogar, und vervielfältigt den Ertrag ihrer Gerechtigkeit – die Frucht ihrer praktischen Gerechtigkeit oder ihrer guten Werke, indem sie von Ihm auf alle Weise zu aller Freigebigkeit reich gemacht worden sind (V 10–11). – Ach, wie arm und enge erscheint das menschliche Herz im Blick auf diese unerschöpfliche Quelle, auf diese Fülle der Reichtümer Gottes, die der Apostel hier dem Auge des Glaubens eröffnet! Und Gott will uns zu Spendern seiner Segnungen machen. Seine Liebe lädt uns ein, zu nehmen und auszuteilen; und je mehr wir zu empfangen und mitzuteilen verstehen, desto mehr will Er darreichen. Welch ein gesegnetes Vorrecht! O möchten wir es doch besser zu würdigen verstehen!
Durch jene Bereitwilligkeit und Freigebigkeit in Betreff der irdischen Güter wurden aber noch andere gesegnete Früchte hervorgebracht: – „welche durch uns“ – d. i. durch das Mittel des apostolischen Dienstes in dieser Sache – „Gott Danksagung bewirkt. Denn das Ausrichten dieses Dienstes ist nicht allein eine Erfüllung des Mangels der Heiligen, sondern ist auch durch viele Danksagung zu Gott überströmend“ (V 12). Die gesegnete Wirkung ihrer praktischen Liebe, ausgeübt im Namen Jesu, ersetzte nicht nur den Mangel der Heiligen in Judäa, sondern erfüllte auch die Herzen dieser mit Lob und Dank gegen Gott, indem sie sahen, dass ihre Wohltäter dahin gebracht waren, den Namen Christi zu bekennen und ihr Bekenntnis mit Unterwürfigkeit des Herzens unter sein Evangelium in einer tätigen Liebe und Freigebigkeit an den Tag zu legen (V 13). Und dieser Gedanke erweckte Zugleich in ihnen das herzliche Verlangen, jene zu sehen und für sie zu beten – jene, die mit so aufopfernder Liebe für ihre Bedürfnisse Sorge trugen und an denen sich die überschwängliche Gnade Gottes so reichlich erwiesen hatte (V 14). Auf diese Weise wurde das Band der ewigen Liebe auf beiden Seiten befestigt, und Gott alle Ehre gegeben. Jene, welche mitteilten, taten es um des Herrn willen, und verherrlichten seinen Namen, und jene, welche empfingen, erkannten darin des Herrn Güte und Gnadenwirkungen, und strömten gegen Ihn über in Lob und Dank. Welch eine Fülle von Segnungen entspringen aus jenen, an und für sich so wertlosen und vergänglichen Dingen, wenn sie als Gaben Gottes betrachtet und zu seiner Verherrlichung benutzt werden! Und es handelt sich dabei, wie wir gesehen haben, nicht um die Größe der Gaben, sondern um das Herz des Gebers. Gesegnet alle, die Glauben und Liebe genug haben, hierin Gott gemäß zu handeln. Was aber auch immer die ganze Frucht der Gnade sein mag, wir finden ihren Beweis und ihre Macht in dem, was Gott gegeben hat, und haben deshalb alle Ursache, mit dem Apostel auf die Quelle aller Gnade zurückzublicken und auszurufen: „Gott aber sei Dank für seine unaussprechliche Gabe!“ (Fortsetzung folgt)