Botschafter des Heils in Christo 1863

Betrachtung über den zweiten Brief von Paulus an die Korinther - Teil 1/7

Beim Schreiben dieses zweiten Briefes finden wir das Herz des Apostels mehr beruhigt und getröstet; es atmet freier, und lässt ohne Rückhalt alle seine Gefühle der Liebe und Zuneigung gegen die Korinther ausströmen. Zuerst hatte der Apostel in der großen Drangsal, die in Asien über ihn gekommen war, den Trost und die Ermunterung Christi reichlich erfahren; (Kap 1) und wenn auch das Gefühl dieses Trostes durch den Mangel an Nachricht aus Korinth ein wenig geschwächt worden war, so wurde es doch, als er diesen Brief schrieb, durch die Ankunft des Titus, der eine so gute Botschaft von dort brachte, aufs Neue erweckt und belebt, so dass er überschwänglich mit Trost und Mut erfüllt war (Kap 7,4–6). In dem Brief selbst kommt er auf seine Leiden in Ephesus zurück, offenbart auf eine erfahrungsmäßige Weise die Macht des Lebens, durch welche er in Christus lebte, und welches seine Entwicklung und seine Kraft hat im Tod für alles, was zeitlich ist, für alles, was uns mit der allen Schöpfung verbindet, sogar für das sterbliche Leben selbst. Zugleich sucht er durch diese Mitteilung seiner Erfahrungen, die geliebten Korinther zu Mitgenossen seiner Freude und seines Trostes zu machen. Bevor wir aber eine allgemeine Übersicht des Briefes geben, wollen wir noch einige Bemerkungen vorausschicken.

Paulus reiste von Ephesus, wo der Aufruhr des Demetrius seiner Wirksamkeit ein Ende gemacht hatte (Apg 19), nach Troas. Hier hoffte er den Tims mit Nachricht aus Korinth, zu treffen; aber Titus war nicht gekommen, und das Herz des Apostels war besorgt und niedergedrückt; ein schönes Zeugnis seiner innigen Liebe gegen die Korinther. Sein Verlangen, von der geliebten Versammlung etwas zu hören, war so groß, dass er, obgleich ihm in Troas eine Tür im Herrn aufgetan (Kap 2,12–13) und er auch für das Evangelium des Christus dorthin gekommen war, dennoch vor Unruhe in seinem Geist nicht dort bleiben konnte, weil er Titus nicht fand. Er reiste nach Mazedonien, um ihm dort zu begegnen. Und wie überschwänglich groß war seine Freude inmitten all der ihn umgebenden Drangsale, als er durch Titus die gute Wirkung seines ersten Briefes vernahm. Das Gewissen der Korinther war aufgewacht, und die Furcht Gottes in ihrem Herzen, sowie die Lauterkeit in ihrem Wandel wiederhergestellt. Das bekümmerte Herz des Apostels lebte wieder auf, die unterbrochenen Gefühle des Trostes, womit der Herr ihn in seinen Versuchungen in Asien getröstet hatte, wurden in reichem Maß erneuert; alle seine Besorgnisse waren verschwunden. O wie mannigfach sind die Erfahrungen derer, die Christus dienen und für die Seelen der Seinen Sorge tragen! Werfen wir jetzt einen kurzen Blick auf den Inhalt der einzelnen Kapitel.

Nach dem gewöhnlichen Gruß (Kap 1,1–2) bricht der Apostel in Worte des Dankes aus gegen den Vater der Erbarmungen und den Gott alles Trostes, der ihn in seinen großen Drangsalen getröstet und ermutigt und ihn dadurch Zugleich befähigt hatte, andere in ähnlichen beiden durch denselben Trost wiederaufzurichten (V 3–7). Dann macht er die Korinther mit seinen Drangsalen in Asien und mit seiner Bewahrung in denselben näher bekannt, in der Überzeugung, dass sie jetzt durch Danksagung an seiner Freude Teil nehmen würden, wie sie es vorher in der Fürbitte für ihn getan hatten (V 8–12). In der letzten Hälfte des Kapitels (V 13–24) sucht er sie über die Veränderung seines Entschlusses, sie zu besuchen, zu beruhigen, was ihm Zugleich Veranlassung gibt, von der Sicherheit und der Bestätigung der Verheißungen Gottes in Christus Jesus zu reden, sowie von unserer Befestigung in Ihm, von unserer Salbung und Versiegelung mit dem Heiligen Geist, wodurch wir jener Verheißungen teilhaftig sind.

Im 2. Kapitel gibt er die wahre Ursache seines Nichtkommens an, und spricht von der Sorge und dem tiefen Kummer, womit sein Herz beim Schreiben des ersten Briefes erfüllt gewesen war (V 1–4). Danach ermahnt er sie, den ausgeschlossenen und jetzt gedemütigten Bruder wieder aufzunehmen, und ist sehr bemüht, auch hierin mit ihnen in völliger Übereinstimmung zu handeln, damit es dem Feind nicht gelinge, durch diesen Fall zwischen ihm und der Versammlung eine Trennung hervorzurufen (V 5–11). Am Schluss spricht er von seiner Unruhe in Troas, von der Köstlichkeit des von ihm verkündigten Evangeliums und von seiner Lauterkeit in der Offenbarung desselben (V 12–17).

Die letzte Bemerkung gibt dem Apostel Anlass, im 3. Kapitel eine Erklärung über das Evangelium im Gegensatz zum Gesetz zu geben, welches die falschen Lehrer mit jenem zu vermengen suchten. Er gibt diese Erklärung mit einer höchst rührenden Berufung auf das Herz der Korinther, die durch sein Mittel bekehrt worden waren (V 1–5). Er spricht dann von der Herrlichkeit des Dienstes des neuen Bundes, im Gegensatz zu dem des alten (V 6–18).

Im 4. Kapitel fährt der Apostel fort, von seinem Dienst zu reden, und zwar in Verbindung mit seinen Leiden, indem er zeigt, dass diese Lehre von Christus, dem Überwinder des Todes, wenn sie wirklich in unserem Herzen aufgenommen wird, uns siegreich macht über alle Furcht des Todes und über alle Leiden und Versuchungen, die mit dem irdischen Gefäß, worin dieser Schatz getragen wird, in Verbindung stehen (V 1–12). Zugleich bekennt er von sich selbst, dass er Vertrauen genug habe, um der Träger dieses Zeugnisses Gottes und der Wahrheit zu sein (V 13–15), und stellt schließlich die Herrlichkeit vor uns hin mit der persönlichen Gewissheit, daran Teil zu haben (V 16–18).

Wir sehen in Kapitel 5, dass die Macht des Lebens in Christus, als verherrlicht, fähig genug ist, uns – plötzlich sogar ohne durch den Tod zu gehen – von allem Sterblichen zu befreien und in die Herrlichkeit zu versetzen (V 1–4). Zugleich ist durch die Kraft des Heiligen Geistes im Herzen eine lebendige und praktische Hoffnung vorhanden, die durch den Glauben hienieden verwirklicht wird (V 5–8). In Verbindung hiermit erinnert der Apostel an den Richterstuhl Christi und an die Notwendigkeit für alle, vor demselben offenbart zu werden; und dieser Gedanke bringt in seinem Herzen die Wirkung hervor, selbst mit Eifer Gott wohlgefällig zu wandeln und anderen mit einer feierlichen Energie die von ihm gekannte und im Tod offenbarte Liebe Christi zu verkündigen (V 9–15). Dann zeigt er das Resultat des Todes und der Auferstehung Christi, wodurch die Gläubigen, ohne weder sich noch andere nach dem Fleisch zu kennen, in eine neue Sphäre, in eine neue Schöpfung versetzt sind (V 16–17), und spricht zuletzt von seiner Gesandtschaft für Christus, von welchem er den Dienst der Versöhnung empfangen hatte (V 18–21).

Indem nun der Apostel durch den Geist dies köstliche Werk fortsetzt, ermahnt er in Kapitel 6 die Korinther, dass sie die ihm dargereichte Gnade nicht möchten vergeblich empfangen haben (V 1–2), erinnert sie dann an die Art und Weise, worin er unter den mannigfachsten und schwierigsten Umständen seinen Dienst fortgesetzt hat (V 3–10), und benutzt Zugleich das innige Verhältnis zu ihnen, sie zu ermahnen, den gesegneten Platz, in den Gott sie gestellt hat, durch wahre Absonderung zu bewahren und in ihrem ganzen Wandel darzustellen (V 11–18). Unsere Verwandtschaft mit Gott fordert aber nicht nur unsere Trennung von der Welt, sondern Zugleich eine Reinigung von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes (Kap 7,1).

Der Apostel kommt nun in Kapitel 7 auf das durch seinen Dienst gebildete innige Verhältnis zwischen ihm und den Korinthern zurück, und sucht es aufs Neue zu beleben und zu befestigen, indem sein Herz sich über alles öffnet, was er in Betreff ihres Zustandes gefühlt hat, und ist Zugleich bemüht, alle die Wunden zu heilen, die durch seinen ersten Brief geschlagen worden sind (V 2–9). Er ist sehr erfreut, die Frucht jener göttlichen Traurigkeit zu sehen, die sich in einem heiligen Eifer gegen die Sünde und in der Verwerfung aller Verbindung mit derselben offenbarte (V 10–16).

In den beiden folgenden Kapiteln (Kap 8 und 9) ermahnt der Apostel auf eine zarte und sehr ermunternde Weise die Korinther, für die dürftigen Heiligen in Jerusalem eine Beisteuer zu bereiten.

In Kapitel 10 kommt er dann auf seinen früheren Gegenstand zurück, spricht von der Echtheit seines Apostelamts und der damit verbundenen Autorität, die er an denen zu betätigen gedenkt, die sie in Frage stellten, sobald einmal der Gehorsam derer, die zu hören bereit waren, befestigt worden war (V 1–11). Danach stellt er das Betragen jener ins Licht, die sich in fremder Arbeit rühmten, und ebenso sein eigenes Verhalten in seinem Dienst. Er war beflissen, Christus da zu predigen, wo sein Name nicht bekannt war, und spricht die Hoffnung aus, seinen Wirkungskreis bis über die Korinther hinaus zu erweitern (V 12–18).

Er fährt dann in Kapitel 11, weil er mit Gottes Eifer um die Korinther eifert (V 1–3), in seinen Beweisen gegen die falschen Lehrer fort, rechtfertigt seinen kostenfreien Dienst unter den Korinthern, den jene als Lieblosigkeit gegen sie zu deuten suchten (V 4–15), und bittet die Korinther, ihn ein wenig zu ertragen, indem er wegen des Einflusses der falschen Lehrer wider seinen Willen genötigt war, wie ein Narr zu handeln und von sich selbst zu reden (V 16–29). Am Schluss des Kapitels erklärt er, sich nur seiner Schwachheiten rühmen zu wollen (V 30–33).

Im 12. Kapitel haben wir den Christen in seinem höchsten und in seinem niedrigsten Zustand. Wir sehen hier deutlich, dass die hohen Offenbarungen nicht der Beweis seiner Kraft sind. Das Fleisch bleibt Fleisch, und Gott muss demselben entgegentreten, um jenen vor Hochmut zu bewahren (V 1–8). Dann finden wir hier die praktische Kraft des Dienstes und die Quelle dieser Kraft (V 9–10). Danach kommt der Apostel aufs Neue auf die Bestätigung seines Apostelamtes und auf sein Verhalten unter ihnen zurück (V 10–19), und spricht schließlich die Befürchtung aus, dass seine Gegenwart wegen des schlechten Zustandes etlicher, Züchtigung und Demütigung mit sich bringen werde (V 20–21).

Er versichert endlich in Kapitel 13, dass er zum dritten Male im Begriff sei, zu ihnen zu kommen und jede Sache ohne Schonung zu erproben (V 1–2), und beendigt dann die Frage über seinen Dienst durch die Darstellung einer Tatsache, welche die Korinther ganz und gar in Verlegenheit bringen musste. Wenn nämlich Christus nicht durch ihn gesprochen hatte, so lebte er auch nicht in ihnen; denn er war das Mittel ihrer Bekehrung gewesen (V 3–5). Zugleich zeigt er, wie sehr– er ihre Vervollkommnung wünscht, und wie wenig er geneigt ist, von seiner apostolischen Gewalt Gebrauch zu machen (V 6–10). Er schließt dann den Brief mit einer kurzen Ermahnung und herzlichem Segenswunsch. Kapitel 1–2

Paulus wendet sich als ein durch den Willen Gottes berufener Apostel zum zweiten Male an die Versammlung zu Korinth, sowie an alle Heiligen, die in Achaja wohnten, von welcher Provinz Korinth die Hauptstadt war (V 1).

Er hat in diesem zweiten Brief nicht nötig, wie im ersten, damit zu beginnen, die Korinther an ihre Berufung und ihre Vorrechte, als „Geheiligte in Christus Jesus“, zu erinnern, weil die Heiligkeit jetzt vorhanden war. Der erste Brief hatte jene heilsame Wirkung, wozu der Apostel ihn unter der Leitung des Heiligen Geistes bestimmt hatte, hervorgebracht. Das Gewissen der Korinther war aufgeweckt, und ihr Eifer gegen das Böse wieder erwacht. Dies ist immer das gesegnete Resultat, wenn das Gewissen eines nachlässigen oder gefallenen Christen durch die Wirksamkeit des Geistes in Wahrheit erreicht wird. Und sobald die Heiligkeit des Wandels hervorgebracht ist, erfreut sich das Herz in Gott und ist für seine Liebe und seine Ermunterung geöffnet und empfänglich. So war es bei den Korinthern. Der Apostel konnte jetzt von Gott, von der Offenbarung seiner Gnade und Liebe mit ihnen reden, und Zugleich seine durch den Heiligen Geist gewirkten Gefühle gegen sie frei ausströmen lassen. Und diese Gefühle treten so einfach und wahr bei dem Apostel hervor, dass jedes einfältige Auge sie gleich als ein Werk des Geistes in seinem Herzen erkennt. „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Erbarmungen und Gott alles Trostes, der uns tröstet in aller unserer Drangsal, so dass wir die trösten können, welche in allerlei Trübsal sind, durch den Trost, womit wir selbst Von Gott getröstet worden sind; weil, gleich wie die Leiden des Christus Überschwänglich an uns sind, also auch der Trost durch den Christus überschwänglich ist. Es sei aber, wir werden bedrängt, es ist um eures Trostes und Heiles willen, welches in dem Ausharren derselben leiden, die auch wir leiden, in Kraft bewirkt wird; es sei, wir werden getröstet, es ist um eures Trostes und Heiles willen“ (V 3–6).

Zuerst erhebt sich das Herz des Apostels voll Lob und Dank zu dem Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, und erkennt Ihn an als die Quelle der Erbarmungen und den Urheber alles Trostes. Auf diese Weise werden sich stets die Gefühle eines Herzens kundgeben, das in wahrer Abhängigkeit von Gott und in seiner Gegenwart wandelt. Der Apostel dankt Ihm für den reichen Trost, der ihm in all seiner Drangsal zu Teil geworden ist; aber dann wendet sich sein Herz sogleich zu der Versammlung. Er weiß, welch einen gesegneten Platz sie in dem Herzen Gottes einnimmt, wie innig sie mit Christus verbunden ist. An sich selbst denkt er nicht, weder in seinen Leiden noch in seinen Tröstungen. Christus und die Versammlung sind der stete Gegenstand vor seiner Seele. Seine Verherrlichung und ihre Wohlfahrt sind der leitende Gedanke und der bleibende Zweck in all seinen Mühen und Schwierigkeiten. Er ist zufrieden, zu leiden, wenn er nur weiß, dass dadurch die Geliebten Gottes in Korinth in ihren Leiden getröstet und ermutigt, und in dem von Gott verordneten Pfade befestigt werden. Er lässt denselben Trost, womit Gott zuerst sein eigenes Herz in seinen Leiden aufgerichtet hatte, in ihre Herzen ausströmen. Die erfahrenen Tröstungen in den mannigfachen Versuchungen machten ihn fähig, auch andere in ähnlichen Versuchungen zu ermuntern und zu erfreuen.

Zugleich haben wir hier Gelegenheit, die Langmut Gottes zu bewundern. Inmitten der Leiden für Christus hatten die Korinther an einer Sünde Teil genommen, die Seinen Namen auf eine traurige Weise verunehrte – an einer Sünde, die selbst unter den Nationen nicht stattfand. Dennoch hatte ihnen Gott seine Gnade nicht entzogen. Er ließ sie an jenen Leiden teilnehmen, welche die Echtheit ihres Christentums bezeugten. Und diese Leiden gaben dem Apostel die Versicherung, dass sie sich, wie groß auch ihre moralische Schwachheit gewesen sein mochte, an demselben Trost des Christus erfreuen würden, womit auch sein Herz getröstet worden war. Und Erkannte diesen Trost, er hatte dessen Tiefe und Wirklichkeit erfahren, er wusste, dass er von Gott kam und ein Zeichen seiner Gunst war. Auch erweckte das Böse in der korinthischen Versammlung kein Misstrauen in seinem Herzen über das vorhandene Gute, sondern er schloss vielmehr aus diesem, dass jenes weggetan war. So handelt die Gnade immer; und diese Gnade erfüllte das Herz des Paulus, weil er Christus, der Quelle aller Gnade und Kraft, nahe war.

Der Trost aber, den Paulus erfahren hatte, stand im Verhältnis zu seinen Leiden. Waren die Leiden des Christus überschwänglich, so waren es auch die Tröstungen durch den Christus. Sie werden die Leiden des Christus genannt, um ihren Charakter zu bezeichnen. Es waren dieselben Leiden, die Christus selbst während seines Wandels und Zeugnisses hienieden erfahren hatte – die Leiden um der Wahrheit und der Gerechtigkeit willen. Alle Erfahrungen aber, seien es Leiden oder Tröstungen, die dem Apostel und seinen Mitarbeitern zu Teil wurden, dienten zum Besten der Versammlung. Waren sie in Bedrängnis, so wurden andere dadurch getröstet und ermutigt, indem Diese sahen, dass jene, die von Gott geehrt waren, sich in denselben Leiden befanden. Und darin ausharrend, wurde das Bewusstsein der Übereinstimmung in derselben gesegneten Sache und die darin erfahrene Gemeinschaft mit Gott zu einem reichen Trost und Segen für sie. – Waren sie getröstet, so war es ebenfalls zum Trost und Heil anderer, indem Diese in ihren eigenen Bedrängnissen Mitgenossen desselben Trostes wurden. – Köstliches Band der Gnade! Jene Leiden der Korinther dienten dazu, um in dem Herzen des Apostels die Liebe zu ihnen und das Vertrauen zu ihrer Aufrichtigkeit aufs Neue zu beleben und zu erfrischen. Deshalb sagt er: „Auch steht unsere Hoffnung über euch fest, wissend, dass, gleich wie ihr Teilhaber der Leiden seid, also auch des Trostes“ (V 7). Ihre Leiden überzeugten ihn, dass Gott noch mit ihnen war, und versicherten ihn Zugleich, dass sie auch Teilhaber des Trostes sein würden.

Nachdem nun der Apostel seine Gefühle auf diese Weise hatte ausströmen lassen, macht er sie mit den von ihm durchlebten Drangsalen selbst bekannt, indem er sowohl in Betreff seiner Leiden, als auch der darin erfahrenen Tröstungen, auf ihre Teilnahme rechnet. „Denn wir wollen nicht, dass ihr unwissend seid, Brüder, was unsere Drangsal betrifft, die uns in Asien widerfahren ist, dass wir übermäßig über Vermögen beschwert worden sind, also dass wir sogar am Leben verzweifelten“ (V 8). – Diese Gelegenheit brachte das bestimmte Bewusstsein von dem, was Leben und Tod ist, vor die Seele des Apostels. Für das menschliche Auge blieb kein Ausweg – für das natürliche Leben keine Hoffnung mehr. Wie aber fand ihn diese Versuchung? Mit dem „Urteil des Todes“ in seinem Herzen. Wir selbst aber hatten das Urteil des Todes in uns selbst, auf das unser Vertrauen nicht auf uns selbst wäre, sondern auf Gott, der die Toten auferweckt“ (V 9). Mit diesen Worten drückt der Apostel nicht so sehr die Größe seiner Leiden aus, sondern berührt vielmehr den Hauptgedanken einer Wahrheit, die in den folgenden Kapiteln dieses Briefes auf eine so klare und ausführliche Weise dargestellt wird. Paulus trug das Kreuz Christi, das Urteil des Todes stets in seinem Herzen. Er hielt sich „selbst für tot und Gott lebend in Christus Jesus, unserem Herrn.“ Nahm man ihm das äußere Leben, so nahm man ihm nichts; denn er war schon mit Christus gekreuzigt. Wenn der Tod einen Menschen findet, bei dem das natürliche Leben nicht mehr in Betracht kommt, so nimmt er ihm nur das, was bereits weggenommen ist. Das Vertrauen des Apostels blieb stets auf den Gott gerichtet, der die Toten auferweckt; und die Kraft des Lebens Christi erfüllte so ganz seine Seele, dass alles, was dem alten Menschen angehörte, für ihn praktisch verschwunden war. Aber Gott, der die Toten auferweckt, ist Zugleich der Retter aus Todesgefahren; „welcher uns von so großem Tod gerettet hat und errettet; auf welchen wir hoffen, dass er uns auch ferner erretten werde“ (V 10), d. i. aus den noch vorhandenen Gefahren.

Die Korinther hatten durch ihre Gebete ihre Teilnahme an den Drangsalen des Apostels bewiesen, und waren durch dieselben zu seiner Rettung behilflich gewesen. Paulus bekennt so gern, dass er ihr Schuldner ist. Selbst die durch ihn offenbar gewordenen Gaben bezeichnet er zum Teil als eine Frucht ihrer Gebete, und weil es also war, so musste auch sein Erfolg am Evangelium ihr eigenes Interesse sein, und daher auch jetzt durch die Danksagung vieler zur Verherrlichung Gottes ausschlagen; „indem auch ihr im Flehen für uns mitwirkt, auf dass über die, mittelst vieler Personen uns (verliehene) Gnaden gäbe durch Biete für uns Danksagung dargebracht werde“ (V 11).

Aus dem bisher Gesagten sehen wir deutlich, dass der Apostel von der Aufrichtigkeit ihrer Demütigung überzeugt war. Der erste Brief hatte ihr Gewissen erreicht; das Böse war aus ihrer Wille beseitigt. Der Apostel konnte jetzt, wie wir gesehen haben, den Gefühlen seines Herzens gegen sie freien Lauf lassen. Er spricht von seinen Drangsalen und den ihrigen, und macht sie zu Mitgenossen seines Trostes; er rechnet auf ihr Interesse an seinen Leiden und seinen Freuden, und spricht von ihrer Mitwirkung durch ihre Gebete und von ihrer Danksagung zur Verherrlichung Gottes – kurz, er offenbart die innige Gemeinschaft, in welcher sie zu ihm und dem Werk Christi standen. Und in diesem Vertrauen setzt er seine Mitteilungen fort. Gab es auch noch etliche in Korinth, die den Apostel nicht anerkennen wollten, so erklärt er hier auf eine ganz feierliche Weise, dass er das Bewusstsein mit sich umhertrage, in ungeheuchelter Lauterkeit seinen Verkehr in der Welt, und namentlich unter ihnen, gehabt zu haben. „Denn dies ist unser Rühmen, dass Zeugnis unseres Gewissens: dass wir in Einfalt und göttlicher Lauterkeit, nicht in fleischlicher Weisheit, sondern in der Gnade Gottes unseren Verkehr in der Welt gehabt haben, besonders aber bei euch“ (V 12). Und aus dieser Ursache konnte er auch auf ihre Gebete Anspruch machen.

Die Beschuldigung, dass der Inhalt seiner Briefe nicht der Ausdruck seines Herzens sei, entkräftigt der Apostel dadurch, dass er sagt: „Denn wir schreiben euch nichts anderes, als was ihr kennt, oder auch anerkennt“ (V 13), d. h. wir verhehlen unsere Meinung nicht. Das Geschriebene war in völliger Übereinstimmung mit dem, was sie auch mündlich unter ihnen gelehrt hatten und was von ihnen anerkannt worden war. Und er fügt hinzu: „ich hoffe aber, dass ihr es auch bis ans Ende anerkennen werdet“, dass eure Gesinnung sich nicht ändern wird. Und sowie die Meisten unter ihnen, den Apostel und seine Mitarbeiter, im Blick auf deren lauteres Verhalten und deren Anerkennung von Seiten Gottes, für ihren Ruhm hielten, so Waren auch sie selbst der Ruhm des Apostels am Tag Christi (V 14). Sie waren durch das Wort der Wahrheit von ihm gezeugt, und er hoffte auf ihre Bewährung. Und in diesem Vertrauen hatte er sich vorgenommen, zu ihnen zu kommen, um ihre Herzen zu ermuntern und im Glauben zu befestigen. Er wollte sie sogar einer doppelten Gnade teilhaftig machen, indem er sie sowohl auf seiner Hinreise nach Mazedonien, wo er augenblicklich war, als auch auf seiner Rückreise von dort besuchen wollte – ein deutlicher Beweis seiner Liebe gegen sie und wie gern er unter ihnen war (V 15–16). Er hatte aber sein Vorhaben aufgegeben, und war deswegen von etlichen beschuldigt worden, dass er in Betreff seiner Vorsätze leichtfertig und fleischlich handle.

Bisher nun hatte der Apostel über die Beweggründe seiner Handlungsweise geschwiegen, weil sie es nicht zu ertragen vermochten; jetzt aber war ihr Zustand der Art, dass er frei darüber reden konnte. Nur die Liebe zu ihnen hatte ihn geleitet, nicht zu kommen; und nur die Liebe leitete ihn jetzt, ihnen sein Herz zu öffnen, ihnen die Beweggründe seiner Handlungsweise zu offenbaren und ihr Gewissen darüber zu beruhigen. Zugleich aber bewahrt er seine Freiheit in Christus. Er war ihr Diener in der Liebe; aber er war frei und nur Christus verantwortlich. Er war Herr seiner Handlungsweise, aber in der Unterwürfigkeit Christi. Und diese Unterwürfigkeit, sowie die Liebe zu ihnen, hatten ihn geleitet, so zu handeln, wie er getan hatte. Wir sehen hier, wie er auf der einen Seite seine Autorität bewahrt, und auf der anderen seine Liebe und Zärtlichkeit offenbart. Beides war nötig. Bei ihrer moralischen Schlaffheit bedurften sie mit aller Zärtlichkeit und Sorgfalt behandelt zu werden, damit sie nicht störrig wurden; aber Zugleich musste die Autorität aufrechterhalten werden, damit sie nicht durch Einräumen zu großer Freiheit in alle Art schlechte Wege gerieten.

Paulus hatte also nicht in Leichtfertigkeit gehandelt, und dem Fleisch nach den Vorsatz gefasst, die Korinther zu besuchen, und danach ebenso leichtfertig wieder aufgegeben (V 17), sondern die Liebe war es, die ihn bewegen hatte, den Besuch aufzuschieben. Es war ihm ein unerträglicher Gedanke, zu denen, die er liebte, mit der Rute zu kommen. Seine Handlungsweise war also nicht die Folge seines Wankelmuts, nicht ein fleischliches Ja Ja und Nein Nein, sondern war voll Gewissheit und Sicherheit.

Paulus aber bleibt nicht lange bei sich selbst stehen. Er ist so sehr von dem Heil erfüllt, und sein Herz so ganz mit Christus beschäftigt, dass er die Unterhaltung über die Festigkeit seiner eigenen Grundsätze sofort abbricht und zu der Festigkeit der Wahrheit Gottes übergeht. Er zeigt die sichere Grundlage des Christentums und stellt die großen Grundsätze der christlichen Freude und Sicherheit dar. Zuerst erinnert er an die Treue Gottes, der das unter den Korinthern verkündigte Wort nicht ungewiss nicht Ja und Nein hatte sein lassen. „Denn der Sohn Gottes, Jesus Christus, der unter euch durch uns gepredigt worden ist, durch mich und Silvanus und Timotheus ist nicht Ja und Nein gewesen, sondern es ist Ja in Ihm geworden“ (V 19). In Christus war völlige Gewissheit. So wie Er unter ihnen verkündigt worden war, so blieb es unbeweglich fest. Es war nicht erst Ja und dann Nein, sondern das Ja blieb immer Ja. Gott hat das in Christus bestätigt und gewiss gemacht, wozu seine Macht und Weisheit, ja seine ganze Vollkommenheit erforderlich war. „Denn so viele der Verheißungen Gottes sind in Ihm ist das Ja und in Ihm das Amen, Gott zur Herrlichkeit durch uns. Der uns aber samt euch befestigt in Christus, und uns gesalbt hat, ist Gott, der uns auch versiegelt hat, und das Pfand des Geistes in unsere Herzen gegeben“ (V 20–22).

In diesen Versen gibt es zwei Punkte von großer Wichtigkeit: die Bestätigung aller Verheißungen in Christus, und unser Genuss an der Wirkung dieser Verheißungen. Es handelt sich hier nicht um die Wahrheit, dass Gott Verheißungen gemacht hat, sondern um die Gewissheit und die Erfüllung der von Gott gegebenen Verheißungen, und um den Beweis, dass Gott seine Verheißungen nicht ändert. Gott hatte Verheißungen gegeben dem Abraham ohne Bedingung und Israel mit Bedingung; aber in Christus waren keine Verheißungen, sondern in Ihm war das Amen der Verheißungen, die Erfüllung und Verwirklichung derselben. „Denn so viele der Verheißungen Gottes sind.“ Mit diesen Worten fasst der Apostel alles zusammen: die Vergebung der Sünden, das Leben, die Gerechtigkeit, die Gabe des Heiligen Geistes die Herrlichkeit kurz alles ist in Christus. In Ihm hat Gott alle seine Verheißungen bestätigt und befestigt „in Ihm ist das Ja und das Amen.“ Unter dem Gesetz wurde die Erfüllung der Verheißungen nicht erlangt, weil vom Menschen etwas gefordert wurde. Die Verheißungen waren mit Bedingung; das Gesetz forderte die Gerechtigkeit des Menschen, und diese fehlte. Trotz aller Anstrengung erlangte er die verheißene Sache nicht; das Ja und Amen blieb aus. Es ist unmöglich, irgendeine Wirkung dieser Verheißungen außer Christus zu haben. Alles, was Gott verheißen hat, ist in Ihm, und in Ihm allein empfangen und besitzen wir alles.

Wir finden hier aber noch mehr. Die Gläubigen sind die Gegenstände der Ratschluss Gottes, deren Offenbarung in den Verheißungen enthalten ist. Das Ziel und die erste Sache dieser Ratschlüsse aber ist die Herrlichkeit Gottes die Herrlichkeit dessen, der sich in seinen Wegen der unumschränkten Gnade gegen uns verherrlicht hat; denn in diesen Wegen hat Er offenbart und dargestellt, was Er ist. Deshalb ist die Erfüllung und Verwirklichung das Ja und das Amen dieser Verheißungen zur „Herrlichkeit Gottes durch uns in Christus.“

Hiermit kommen wir zum zweiten Teil der Gnadenwege Gottes. Es ist zur Herrlichkeit Gottes „durch uns.“ Es handelt sich jetzt um den Genuss an der Wirkung dieser Verheißungen. Es ist wahr, Christus ist alles, und alles ist in Ihm; aber auch wir sind in Christus nicht nach der Schwachheit und Unbeständigkeit des menschlichen Willens, sondern nach dem Willen Gottes. „Der uns samt euch befestigt hat in Christus, und uns gesalbt hat, ist Gott“ (V 21). – Die Erfüllung aller Verheißungen ist in Christus, und wir sind durch Gott in Ihm befestigt, so dass wir in Ihm alles, was Gott uns verheißen hat, mit Sicherheit besitzen. Der Apostel spricht hier von dem Weg, auf welchem wir durch die Macht Gottes in seine Gegenwart gebracht sind, d. i. in die Stellung worin jene Macht uns nach Gottes Ratschluss einführte. Doch nicht allein das, sondern wir sind auch durch Gott gesalbt worden; wir haben durch Jesus den Heiligen Geist empfangen. Durch diese Salbung des Geistes sind wir fähig gemacht, das zu verstehen, was uns in Christus Jesus gegeben ist. Der Heilige Geist ist uns aber nicht allein zur Erkenntnis der Gaben in Christus gegeben, sondern Gott hat uns auch durch denselben sein Siegel aufgedrückt ebenso wie Christus, als Er Ihn bei seiner Taufe durch Johannes salbte. Durch dieses Siegel sind wir für Gott abgesondert, für Ihn bei Seite gestellt. Endlich aber ist der Geist, womit wir versiegelt sind, in unseren Herzen das Unterpfand der zukünftigen Herrlichkeit das Unterpfand alles dessen, was wir nachher in und mit Christus besitzen sollen.

Wir haben hier also drei Charaktere des Geistes. Wir sind gesalbt, um die Gedanken Gottes und die Dinge, die in der Herrlichkeit unser Teil sind, zu verstehen wir sind in Betreff unserer Person mit dem Siegel Gottes gezeichnet, um jetzt schon, als abgesondert von der Welt, zu genießen, was uns in Christus Jesus gegeben ist und wir haben den Geist als Unterpfand der zukünftigen Herrlichkeit in unseren Herzen. alles ist also vollkommen sicher und gewiss, weil es in Christus ist. Gott hat dafür gesorgt, dass keine Ungewissheit da sei; Er lässt uns schon jetzt von diesen herrlichen Dingen genießen, und hat uns auch für den völligen Genuss und Besitz sicher gemacht. Kapitel 2

In den beiden letzten Versen des vorigen Kapitels bezeugt der Apostel nochmals auf eine feierliche Weise, indem er Gott zum Zeugen anruft, warum er nicht nach Korinth gekommen sei. Es war allein ihrer Verschonung wegen. Dies sagte er aber nicht, wie es leicht missgedeutet werden konnte, um über ihren Glauben zu herrschen; sondern um Mitarbeiter ihrer Freude zu sein; denn sie standen durch den Glauben. Er wollte alles aus dem Weg zu räumen suchen, wodurch ihre Freude im Glauben gestört werden konnte; und deshalb war er auch weggeblieben, um nicht bei seiner Gegenwart genötigt zu sein, Zucht an ihnen auszuüben. Vielmehr hatte er bei sich selbst beschlossen, nicht wieder in Traurigkeit zu ihnen zu kommen (V 1). Denn die natürliche Folge würde gewesen sein, dass er auch sie würde traurig gemacht haben. Und „wenn ich euch traurig mache wer ist es doch, der mich fröhlich macht, als der, welcher durch mich traurig gemacht wird?“ (V 2) Es ist so lieblich zu sehen, wie sehr sich der Apostel mit den Korinthern eins macht. Sind sie traurig, so ist auch er traurig; und wo soll er dann Trost finden? Nur die Liebe Christi ist fähig, solche Gefühle in dem Herzen zu erwecken. Fern von aller Eigenliebe und Selbstsucht ist sie stets mit anderen beschäftigt. „Und dieses hier habe ich euch geschrieben, auf dass ich bei meiner Ankunft nicht Traurigkeit habe von denen, (über welche) ich mich erfreuen sollte, indem ich euch allen vertraue, dass meine Freude die euer aller ist. Denn aus vieler Drangsal und Herzensangst habe ich euch mit vielen Tränen geschrieben, nicht dass ihr traurig gemacht werden solltet, sondern dass ihr die Liebe erkanntet, welche ich überschwänglicher zu euch habe“ (V 3–4). Welch ein Zeugnis seiner Liebe zu den Korinthern waren diese Gefühle und diese Tränen des Apostels, womit er seinen ersten Brief geschrieben hatte! Ihr Zustand erforderte solche ernste Zurechtweisungen; aber der Gedanke, dass sie dadurch traurig gemacht würden, beugte ihn tief darnieder. Dies ist stets die Gesinnung eines Herzens, worin die Liebe Christi wohnt und wirkt. Diese Liebe leitete den Apostel, als er schrieb; und er erwartete, die Korinther würden erkennen, dass er nicht schrieb, um sie traurig zu machen, sondern weil er vor allen sie so ausnehmend liebte.

Jetzt kommt der Apostel auf die Sache jenes Hurers zurück, wovon im ersten Briefe die Rede ist, und welche ein Gegenstand tiefer Betrübnis gewesen war. Aber mit welcher Zartheit und Schonung spricht er davon! Wie sehr ist er bemüht, das Band der Einheit zwischen ihm und der Versammlung zu befestigen! „Wenn aber jemand Traurigkeit verursacht hat, der hat nicht mich traurig gemacht, sondern teilweise damit (ich nicht beschwere) euch alle“ (V 5). Er drückt die Überzeugung aus, dass das, wodurch sein Herz beschwert und besorgt gewesen war, auch das ihrige niedergebeugt habe; und dies hatten sie durch ihr ernstes Verfahren gegen jenen Gefallenen bewiesen. Sie waren zum Teil alle durch jene Sünde traurig gemacht worden, was, der Apostel voraussetzt und besonders hervorhebt, um sie nicht zu beschämen. Er stellt sie mit sich auf gleichen Boden; sie haben mit ihm dieselbe Gesinnung in jener Sache an den Tag gelegt. Die Bestrafung aber, die durch die Masse der Korinther ausgeübt war, hatte den so tief Gefallenen gedemütigt; der Zweck der Ausschließung war erreicht. Darum ermahnt er sie jetzt, ihn wiederaufzunehmen, ihn wieder zu trösten, weil er in Gefahr war, durch die Zucht der vielen ganz überwältigt zu werden. „Genügend ist Solchem diese Strafe, die von den vielen ist, so dass ihr im Gegenteil lieber vergeben und ermuntern solltet, damit solcher durch übermäßige Traurigkeit nicht etwa verschlungen werde. Darum bitte ich euch, Liebe an ihm zu betätigen“ (V 6–8). Eine sehr beherzigenswerte Sache. Sobald eine Sünde offenbar wird, und keine wahre Demütigung vorhanden ist, muss die Zucht ausgeübt werden nicht, zudem Zweck, den Schuldigen zu bestrafen, sondern um ihn wiederherzustellen. Sobald deshalb die Demütigung erfolgt ist, soll die Zucht aufhören. 1 Der Eifer für die Heiligkeit des Herrn und die Liebe zu dem Schuldigen sind die einzigen Motive, die die Herzen derer leiten sollen, welche die Zucht handhaben.

In Betreff der Ausübung der Zucht hatte Paulus die Bewährung der Korinther kennen gelernt. Sie hatten ihren Gehorsam gezeigt, und jetzt erwartete der Apostel dasselbe in Betreff der Aufnahme (V 9). Und wenn die Korinther dem Schuldigen etwas vergaben, so tat er es auch. Er wünschte auch hierin mit der Versammlung in völliger Übereinstimmung zu handeln, damit Satan in dieser Sache keinen Anlass nehmen möchte, um zwischen ihm und den Korinthern Uneinigkeit zu bringen (V 10–11). Der Apostel kannte die Gesinnung des Feindes; er wusste, zu welchem Zweck er diese Sache so gern benutzt hatte. Darum erklärt der Apostel, wie bei der Ausschließung, so auch bei der Wiederaufnahme, sich völlig eins mit der Versammlung. Und der Apostel vergab in der Person Christi. Wir sehen also auch hier, wie bei der Ausschließung, Christus, die Versammlung und den Apostel gemeinschaftlich handeln. Und in Wahrheit kann in beiden Fällen diese Handlung nur dann gesegnet sein, wenn die Versammlung sie in Gemeinschaft mit Christus vollbringt.

Weiter stellt nun der Apostel seine Liebe zu den Korinthern auf eine noch deutlichere Weise ans Licht. Er macht sie mit den Gefühlen bekannt, die ihretwegen auf der Reise sein Herz überwältigt hatten. Anstatt persönlich nach Korinth zu kommen, hatte er Titus mit einem Brief dorthin gesandt; er selbst aber war am östlichen Ufer des Meeres durch Kleinasien gereist und nach Troas gekommen, wo er dem Titus zu begegnen hoffte. Als er aber diesen daselbst nicht fand, und wegen der Korinther sehr bekümmert war, hatte er keine Ruhe in seinem Geist, um dort das Werk des Herrn zu vollbringen, obgleich der Herr ihm daselbst eine Tür geöffnet hatte. Er nahm Abschied, und reiste weiter nach Mazedonien, wo er dann, wie wir später hören, den Titus wirklich fand (V 12–13). Zugleich aber war er innerlich bewegt, dass er Troas verlassen hatte; denn für ein Herz, dem Christus alles ist, ist es sicher höchst schmerzlich, eine Gelegenheit zur Verkündigung der frohen Botschaft unbenutzt vorübergehen zu lassen, umso mehr, wenn der Herr die Tür geöffnet, wenn Er die Herzen geneigt gemacht hat, es anzunehmen, oder es doch wenigstens zu hören. Die Tatsache, dass er Troas verließ, war jedenfalls ein schlagender Beweis seiner Liebe gegen die Korinther, und seiner großen Anhänglichkeit an sie. Und er teilt ihnen diese Umstände mit, um auch in ihren Herzen dies Band der Liebe, zwischen ihm und ihnen, immer mehr zu befestigen. Beim Gedanken an den Verlust der Verkündigung des Evangeliums in Troas, tröstet er sich mit dem Bewusstsein, dass Gott ihn allezeit im Triumphzug umherführe, und ihm, wo es auch sein mochte, die Gelegenheit darbot, das Evangelium des Christus zu offenbaren. „Gott aber sei Dank, der uns allezeit im Triumphzug in Christus umherführt, und den Wohlgeruch seiner Erkenntnis durch uns an jedem Ort offenbart“ (V 14). Und das Evangelium, das Zeugnis von Christus, was Gott durch ihn ausbreitete, vergleicht er mit dem Wohlgeruch der Gewürze, die bei den Triumphzügen der weltlichen Siegel jener Zeit verbrannt wurden, bei welcher Gelegenheit etliche Gefangene sterben mussten und andere freigelassen wurden, indem er sagt: „Weil wir Gott der süße Geruch Christi sind.in Betreff derer, die errettet werden und in Betreff derer, die verloren gehen; den einen ein Wohlgeruch des Todes zum Tod, den anderen aber ein Wohlgeruch des Lebens zum Leben“ (V 15–16). Überall, wohin Paulus kam, verbreitete das Evangelium diesen Wohlgeruch, der für jene, die in ihren Sünden beharrten, ein Geruch des Todes, und für die, die es annahmen, ein Geruch des Lebens wurde. Die wahre Verkündigung des Evangeliums bleibt also nie ohne Wirkung; und dies macht alle, die mit der Verkündigung desselben betraut sind, verantwortlich, es nach dem Willen Gottes zu offenbaren. Und beim Gedanken an die große Wichtigkeit und den Wert des Evangeliums, und im Blick auf die Schwachheit dessen, der es verkündigt, ruft der Apostel aus: „Wer ist dazu fähig? Denn wir verfälschen nicht, wie so viele, das Wort Gottes, sondern als aus Lauterkeit, sondern als aus Gott, vor Gott, reden wir in Christus“ (V 17). Der Apostel arbeitete in der wahren christlichen Lauterkeit. Was er verkündigte, kam aus Gott; und er verfälschte es nicht, sondern er verkündigte es vor Gott und in der Kraft und in der Abhängigkeit von Christus. Von Ihm war sein ganzes Wesen durchdrungen; und hierin lag der Grund seiner Fähigkeit, und liegt die wahre Fähigkeit aller, die sein kostbares Evangelium verkündigen (Fortsetzung folgt).

Fußnoten

  • 1 In unseren Tagen sind viele Christen der Meinung, dass die Wiederaufnahme eines Gefallenen nicht eher erfolgen dürfe, bis sich dieser seiner Vergebung völlig bewusst und sein Herz wieder glücklich sei; allein man verkennt dabei die wahre Stellung der Versammlung in ihrer Einheit mit Christus. Die Wiederaufnahme eines Schuldigen von Seiten der Versammlung soll für jenen erst das Zeugnis der Vergebung sein, und wodurch er wieder wahrhaft glücklich wird. Paulus sagt den Korinthern nicht: „Nehmt ihn auf, denn sein Herz ist wieder glücklich“, sondern: „damit er nicht durch übermäßige Traurigkeit verschlungen werde.“ Es handelt sich hierbei allem um die Frage, ob der Schuldige gedemütigt ist. Jenes Verfahren aber bringt sowohl diesen als auch die Versammlung in eine falsche Stellung; man trennt letztere von Christus.
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