Botschafter des Heils in Christo 1862
Die Hand des Hirten
In dem Evangelium Johannes finden wir einen großen Trost in diesen Tagen der Verwirrung. Der Dienst ist hier unbeschränkt und frei. Der Herr arbeitet allein und zwar auf einem Schauplatz anerkannten Abfalls. Die Seinen, zu denen Er gekommen, hatten Ihn nicht aufgenommen; die Welt, die Er geschaffen, kannte Ihn nicht; Er war von allem ausgeschlossen. Aber in diesem Zustand rief Er seine Schafe zu sich. Er findet sie hier und dort. Allen Orten in der Wüste widmet Er seine Tätigkeit, es sei Samaria, oder Judäa. Er beschäftigt sich mit Seelen unmittelbar, persönlich, im Stillen und in der Einsamkeit. Er beschäftigt sich persönlich mit ihnen: „So viele Ihn aber annahmen, denen gab Er das Recht, Kinder Gottes zu werden“ (Joh 1,12). Er ging zu ihnen ein durch die Tür, indem Er aus dem Schoß seines Vaters auf dem Weg der Gnade zu Sündern kam. Die Schafe wurden durch einen Charakter unterschieden: ihre Ohren waren durch den Geist geöffnet, um die Stimme dessen zu hören, der zu ihnen kam durch Gnade vom Vater mit Worten des Lebens und des Heils.
In dieser Weise finden wir es in den ersten Kapiteln dieses Evangeliums, wo uns der Dienst des Herrn mitgeteilt wird. Wir sehen die, welche Er findet und um sich versammelt, lebendig werden, um seine Stimme zu hören und Ihm zu folgen. Dem Andreas, dem Petrus, dem Philippus und dem Nathanael (Kap 1), der Samariterin (Kap 4), dem überzeugten Sünder (Kap 8), dem blinden Bettler (Kap 9), – allen diesen sind Ohren gegeben, um hören zu können, und alle haben, so zu sagen, ihre Ohren horchend gelehnt an seine Türpfosten. Mit anderen Worten, ihre Herzen sind befestigt, ihre Gedanken auf einem Punkt vereinigt, ihr Vertrauen ist gegründet; und Er ist der Gegenstand aller. Alle ihre Bedürfnisse sind an sein Herz niedergelegt.
Sie hören, sie kennen seine Stimme, sie folgen. Dieses Hören ist des Sünders Weisheit, des Sünders Errettung. Er ist weise, stille zu sein; denn er kann nichts zu seinen Gunsten sagen; er ist, ohne zu reden, errettet, wenn er die Gelegenheit ergreift, auf Jesus zu hören. Und in dieser Stellung befanden sich jene. Sie hören, sie kennen seine Stimme, sie folgen. Der eine hat schneller gehört, als der andere; aber das tut nichts; ihre Ohren sind geöffnet für Ihn.
Man sieht sie nicht zusammen verbunden; aber ein jeder ist um Ihn versammelt. Wir finden einen sich frei bewegenden Dienst; und die Auserwählten werden nicht zusammen verbunden gesehen; es sei denn in dem Charakter, den ich bezeichnet habe, dass nämlich jeder ein Ohr habe, die Stimme dieses Hirten zu hören, der durch die Tür eingegangen und aus dem Schoß des Vaters gekommen ist um seine Werke zu tun und seine Worte zu reden.1
In solchem Charakter tritt in den ersten Kapiteln des Evangeliums Johannes der Herr in Gnade auf jeden Schauplatz. Dieses ist sehr leicht zu sehen. Er betritt den Platz, wo Andreas und seine Genossen Ihm als dem Lamm Gottes begegnen. Er geht ein in die Gedanken des in der Einsamkeit sich befindenden Nathanaels, als der Einzige, der für denselben den Himmel öffnen kann; Er geht ein in die Gedanken des Nikodemus, als der Einzige, den der Vater zur Heilung und zum Leben gesandt hat. Er tritt vor das Gewissen der Samariterin als die Gabe Gottes. Er steht vor dem Kranken zu Bethesda, als dessen unmittelbarer Arzt, wirkend nach dem Vorbild seines Vaters. Er tritt unter die Menge als der Gesalbte des Vaters, um der Welt das Leben zu geben. Er begegnet der Schuld des überzeugten Sünders als das Licht des Lebens. Er begegnet der Blindheit des armen Bettlers als das Licht der Welt.
Also eingehend durch die Tür als der Hirte der Schafe, errettet und segnet Er, macht lebendig und weist alle andere zurück. Er will weder Richter, noch König sein, weder seine Macht entfalten, noch sich selbst einen Namen in dieser Welt verschaffen. Er kam aus dem Schoß des Vaters; Er offenbarte den Vater; Er war voll Gnade und Wahrheit; und zu der Herde eingehend, war sein einziger Zweck, zu segnen.
Und weiter muss ich bemerken, dass Er ihnen in allen Zuständen begegnete; dem einen heute, dem anderen morgen. Wir finden also in den ersten Kapiteln des Evangelium Johannes einen sich frei bewegenden, unbegrenzten Dienst. Er bildet kein Ganzes aus ihnen. Durch Ihn gehen sie zur Tür ein und finden Errettung und Weide und Leben in Überfluss. Aber eine Herde und ein Hirte ist es. Er bringt sie nicht zurück zu dem Schafhof Jerusalems; Er lagert sie weder um die Stiftshütte, noch bringt Er sie unter die Schatten des Libanons. Lässt Er sie dann aber unbeschützt? Werden sie versammelt, um Gefahren ausgesetzt zu sein? Im 10. Kapitel, wo wir seine eigene Erklärung über seinen Dienst finden, beantwortet Er diese Frage. Er sagt uns, dass sich, wie wohl seine Schafe nach seiner freien Weise versammelt sind, dieselben auf einem Platz ewiger Sicherheit befinden. Sie waren gefunden in einer Welt voll Abfall, auf einem Schauplatz unendlicher Verwirrung, in einer pfadlosen Wüste, wo Tod und Finsternis herrschten, und wo alle Fundamente morsch waren. Der Herr hatte etliche in Samaria, Etliche in Galiläa, Etliche in Judäa gefunden; und versammelt um Ihn, hatte Er ewige Ruhe und Sicherheit für sie. Sie sind zu Ihm selbst gekommen und haben dort einen Platz gefunden voll Kraft – eine Festung, einen starken Turm, einen unerschütterlichen Felsen, der allen Angriffen der Feinde trotzt. Es ist seine eigene Hand und des Vaters Hand. Ein sicherer Platz! Eine Herde, durch diese Hand festgehalten, ist für ewig geborgen. Niemand kann sie aus seiner Hand reißen.
Noch einmal sage ich: in diesem allen liegt für uns ein großer Trost; denn wir befinden uns auf einem Schauplatz voll Verwirrung und Abfall, wie der Dienst des Herrn im Evangelium Johannes uns sehen lässt. Das Werk Christi durch seinen Geist und sein Evangelium ist jetzt ebenso unumschränkt und frei, als damals. Seine Auserwählten werden überall gefunden; aber sie haben Ohren empfangen, um seine Stimme zu hören, – Ohren, die horchend an seine Türpfosten gelehnt sind. Sie sind um Ihn versammelt, um Heil, Weide und Leben im Überfluss zu finden und werden gehalten durch die unbesiegbare Stärke seiner und des Vaters Hand.
Möchten wir, geleitet durch den Geist, und belehrt durch das Wort, unseren Platz in der Versammlung Christi einnehmen, wie wir denselben hier in der Hand Christi sehen! Möchten wir denselben nicht allein erkennen, sondern Gnade empfangen, unsere Berufung zu genießen und vor Ihm zu wandeln, der als Haupt über alles der Versammlung gegeben ist!
Fußnoten
- 1 Der Leser muss wohl bedenken, dass das oben Gesagte allein auf die ersten Kapitel des Evangeliums Johannes Bezug hat. In der Apostelgeschichte und in den Briefen wird uns gezeigt, dass die Gläubigen zusammengefügt werden mussten. „Es ist ein Geist und ein Leib“ hier auf der Erde.