Botschafter des Heils in Christo 1862
Die persönliche Gegenwart des Heiligen Geistes auf der Erde - Teil 4/4
5. Die Lehre in Betreff der Person und der Wirksamkeit des Heiligen Geistes in den Briefen der Apostel
Wir kommen jetzt zu dem wichtigsten Abschnitt unseres Gegenstandes. In der Apostel Geschichte ist, wie wir gesehen haben, die Offenbarung der persönlichen Gegenwart des Heiligen Geistes auf der Erde namentlich erwiesen durch allerlei Zeichen, Kräfte und Wunder, wodurch Gott selbst seine Gegenwart auf der Erde kundmachte, der Versammlung seine Anerkennung bezeugte und die Verkündigung der Wahrheit befestigte. Jene Erweisungen würden völlig hinreichen, uns von der Gegenwart des Heiligen Geistes zu überzeugen; doch wird diese herrliche Tatsache erst in ihrer ganzen Schönheit und Wichtigkeit und in ihren unermesslich gesegneten Folgen gesehen und erkannt, wenn wir die Lehre betrachten, die uns die Briefe der Apostel über diesen so köstlichen Gegenstand darbieten. Wir finden darin zweierlei: Seine Innewohnung in den einzelnen Gläubigen und seine Innewohnung in der Versammlung, als einen Leib betrachtet. Als wohnend in den einzelnen Gläubigen ist Er der Geist des Lebens, der Kraft, der Freiheit, der Kindschaft, der Herrlichkeit der Versiegelung – Er ist das Unterpfand ihres Erbes, und ihr Vertreter in ihren Schwachheiten hienieden. Als wohnend in der Versammlung, die durch Ihn gebildet ist, ist Er das Band ihrer Einheit der Spender ihrer Gaben – Der, welcher alles in derselben wirkt, ordnet und leitet. Je mehr wir nun die Köstlichkeit und die Tragweite all dieser Segnungen erkennen, die mit der Gegenwart des Heiligen Geistes in Verbindung stehen und davon abhängig sind, desto mehr werden wir die tröstliche Zusage des Herrn zu würdigen wissen: „Er wird bei euch bleiben in Ewigkeit.“ – Betrachten wir nun zur besseren Übersicht zuerst: a. Die Innewohnung des Heiligen Geistes und deren Wirkung in den einzelnen Gläubigen
Das Erlösungswerk ist vollbracht und das Blut Christi vor dem Gnadenthron. Alle, die an Ihn glauben, sind mit diesem kostbaren Blut besprengt, von all ihren Sünden gereinigt, und also fähig gemacht, eine Wohnstätte Gottes im Geist zu sein. Christus hat, als die ewige Gerechtigkeit der seinigen und als das Haupt der Versammlung, für seine Glieder den Heiligen Geist empfangen (Apg 2,33). Er ist im Namen des Sohnes vom Vater hernieder gesandt. Er wohnt in den einzelnen Gläubigen, versichert sie ihrer Erlösung, ihrer Kindschaft und der ewigen Herrlichkeit, und befähigt sie zugleich, das Werk des Herrn auf der Erde zu vollbringen. Dies alles werden wir bei Untersuchung der betreffenden Schriftstellen deutlich dargestellt finden. In 1. Korinther 6,19 lesen wir: „Wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch ist?“ – So wie Gott ehedem im Tempel zu Jerusalem wohnte, so wohnt Er jetzt in der Person des Heiligen Geistes in den Gläubigen. Gereinigt durch das Blut Christi, ist unser Leib das geheiligte Gefäß, das sich Gott zu seiner Wohnung auserkoren hat. Durch beides, durch die Blutbesprengung Christi und durch die Innewohnung des Geistes, sind wir jetzt völlig für Gott abgesondert – Gefäße seiner Ehre und seines Dienstes; denn „wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“ (2. Kor 3,17).
„Wir aber haben nicht den Geist der Welt, sondern den Geist, der aus Gott ist, empfangen, auf dass wir die Dinge wissen, die uns von Gott aus Gnaden gegeben sind“ (1. Kor 2,12). – Wenn hier auch weniger von der Innewohnung des Heiligen Geistes in allen Christen die Rede ist, sondern von Ihm, als dem, der gegeben ist, die Geheimnisse Gottes zu offenbaren, so bezeugt diese Stelle doch ganz deutlich, dass Er gegeben und gegenwärtig ist. Er gibt Erkenntnis von den Dingen Gottes; (V 10) Er teilt sie mit (V 13), und Er befähigt zu ihrer Annahme (V 14).
In seinem Brief an die Galater fragt Paulus: „Habt ihr aus Gesetzes Werken den Geist empfangen, oder aus der Kunde des Glaubens?“ (Kap 3,2) zu dieser Frage gab die Verwirrung Anlass, die unter den Galatern entstanden war, indem sie, verführt durch Irrlehrer, die Gnade in Christus mit des Gesetzes Werken zu vermengen suchten. In dieser Frage ist aber ganz deutlich ausgedrückt, dass sie den Geist empfangen hatten. – Dasselbe bezeugt Johannes, wenn er in seinem ersten Briefe den Gläubigen schreibt (Kap 3,24): „Hieran wissen wir, dass Er (Gott) in uns bleibt: an dem Geist den Er uns gegeben hat“ (vgl. Kap 4,13).
Wir wollen jetzt einige Stellen folgen lassen, die zu gleicher Zeit die Innewohnung des Heiligen Geistes als die Versiegelung des Gläubigen bis auf den Tag der Erlösung und als Unterpfand der verheißenen Herrlichkeit bezeichnen. Der Apostel schreibt an die Epheser: „Nachdem ihr an Ihn (Jesus) gläubig geworden, seid ihr mit dem Heiligen Geist der Verheißung versiegelt worden, welcher das Pfand unseres Erbes ist, bis zur Erlösung des erworbenen Besitzes, zum Lob seiner Herrlichkeit“ (Kap 1,13–14). Durch die Mitteilung des Geistes hat Gott das ewig gültige Siegel auf alle gedrückt die an Jesus glauben. Und diese Versiegelung gibt unseren Herzen die völlige Sicherheit von dem, was wir glauben, und ist ein Unterpfand für das, was wir zu erwarten haben. Bis zur Erlösung des von Christus erworbenen Besitzes, bis zur wirklichen Empfangnahme unseres Erbes besitzen wir den Heiligen Geist als Unterpfand. Diese Versiegelung ist aber für den Gläubigen nicht mehr eine Sache, die noch geschehen soll, sondern geschehen ist; denn es heißt: „Ihr seid versiegelt worden.“ Dasselbe wird uns bezeugt in Epheser 4,30, wo der Apostel ermahnt: „Betrübt nicht den Heiligen Geist, mit welchem ihr auf den Tag der Erlösung versiegelt seid.“ – Ebenso lesen wir in 2. Korinther 1,22: „Der uns auch versiegelt hat, und das Pfand des Geistes in unsere Herzen gegeben.“ – Ferner in Kapitel 5,5, wo von der Überkleidung oder Verwandlung des Gläubigen in Betreff seines Körpers die Rede ist: „Der uns aber eben hierzu gebildet hat, ist Gott, der uns auch das Pfand des Geistes gegeben hat.“ – Diese Stellen bezeugen Zugleich, dass der Heilige Geist hienieden nicht von uns genommen werden kann; denn die Versiegelung 5es Geistes ist bis auf den Tag der Erlösung – der Erlösung unseres Leibes (vgl. Röm 8,23), und seine Innewohnung als Unterpfand bis zur Erlösung des erworbenen Besitzes – der Erlangung der verheißenen Herrlichkeit. Wir haben jetzt schon den Geist der Herrlichkeit empfangen, wie geschrieben steht: „Der Geist der Herrlichkeit und der Geist Gottes ruht auf euch“ (1. Pet 4,14).
Die Innewohnung des Heiligen Geistes macht uns also unserer Erlösung und der zu erwartenden Herrlichkeit völlig gewiss; und so unermesslich wichtig schon deshalb diese Tatsache ist, so wird doch diese Wichtigkeit durch andere Segnungen, die mit seiner Innewohnung in Verbindung stehen, noch erhöht. – zunächst charakterisiert Er unsere neue Stellung vor Gott. „Ihr aber seid nicht in dem Fleisch, sondern in dem Geist, wenn anders der Geist Gottes in euch wohnt. Wenn aber jemand den Geist Christi nicht hat, dieser ist nicht sein“ (Röm 8,9). Unsere Stellung vor Gott ist nicht mehr im Fleisch – nicht mehr in dem ersten Adam, in seiner Natur und in seinem Willen. Wir werden, wenn anders der Geist Gottes in uns ist, vor Gott als lebend in dem Geist betrachtet. Durch seine Innewohnung sind wir versichert, dass Gott selbst in uns ist. Zugleich ist Er der Geist Christi, durch dessen Kraft Christus gelebt, gewirkt und sich geopfert hat, und durch welchen Er auferweckt ist. Dur ich diesen Geist, der in uns wohnt, besitzen wir dieselbe Kraft, die in Ihm war. Durch Ihn sind wir fähig, die Wünsche und Neigungen des neuen Lebens zu erfüllen und die des Fleisches nieder zu halten; durch Ihn vermögen wir die „Handlungen des Leibes zu töten“ (Röm 8,13). Von diesem Geist spricht Paulus, wenn er seinem geliebten Timotheus, um ihn in seinem verleugnungsvollen Beruf zu ermuntern, schreibt: „Gott hat uns nicht einen Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit gegeben“ (2. Tim 1,7). – Der in uns wohnende Geist ist aber nicht nur die Quelle und die Kraft des neuen Lebens, sondern auch das Leben selbst, denn alle seine Früchte sind Gerechtigkeit; während die Neigungen und Früchte des Leibes, wenn dessen Wille wirksam ist, nichts als Sünde sind, wodurch dieser dem Tod unterworfen ist. Dies bezeugt der Apostel in Römer 8,10: „Wenn aber der Christus in uns ist, so ist der Leib zwar tot, der Sünde wegen, der Geist aber Leben, der Gerechtigkeit wegen.“ Christus, im Geist in uns, ist das Leben; und an diesem Leben wird auch selbst unser Leib in der Auferstehung völlig Teil haben; denn es steht geschrieben: „Wenn der Geist dessen, der Jesus aus den Toten auferweckte, in euch wohnt, so wird der, welcher den Christus aus den Toten auferweckte, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen wegen seines in euch wohnenden Geistes“ (V 11). – Wir haben hier also drei Charaktere des Geistes: Er ist der Geist Gottes, im Gegensatz zu dem Fleisch (V 9), der Geist Christi, der unseren Wandel in der Welt charakterisiert, und der Geist des Lebens, in Verbindung mit unserer Auferweckung (V 11).
Ferner wird durch den in uns wohnenden Heiligen Geist unsere Beziehung zu Gott, dem Vater, charakterisiert. „Ihr habt nicht den Geist der Knechtschaft, wiederum zur Furcht, empfangen“ – d. h. ihr seid nicht nach Sinai zurückgebracht – „sondern ihr habt den Geist der Kindschaft empfangen, in welchem wir rufen: Abba, Vater“ (Röm 8,15). – Unter dem Gesetz gab es keine Kindschaft, keine Freiheit, sondern nur Knechtschaft und Furcht; und darum konnte auch der Heilige Geist, als Geist der Kindschaft, in Keinem wohnen, der unter dem Gesetz war. Aber aufgenommen in das Haus Gottes haben wir für immer den Titel: „Söhne“, und haben als solche den Geist des Sohnes empfangen, wie wir auch in Galater 4,6 lesen: „Weil ihr aber Söhne seid, so sandte Gott den Geist seines Sohnes aus in unsere Herzen, welcher Abba, Vater! ruft.“ Dieser Geist charakterisiert also unsere Stellung als Kinder, unser Verhältnis zu Gott, als unserem Vater, und unterscheidet uns auf das Bestimmteste von den Gläubigen des Alten Testaments. Wir haben den Heiligen Geist als Geist der Kindschaft empfangen; der Geist des Sohnes ist in unsere Herzen gesandt, und Er wird – nach der Verheißung des Herrn – ewig bei uns und in uns bleiben. Wohl können wir Ihn durch Nachlässigkeit im Wandel, durch allerlei Sünden und Untreuen betrüben (vgl. Eph 4,30), und sein Zeugnis in uns schwächen; wohl kann aus Mangel an Erkenntnis der Wahrheit und an dem Bewusstsein der Befreiung der Ruf: „Abba, Vater!“ mit Furcht begleitet sein; aber der Geist selbst wird nimmer von uns welchen, weil der Herr dies verheißen hat, und sein Wort wahrhaftig ist. Durch seine Gegenwart in uns gibt Er Zeugnis mit unserem Geist, dass wir Gottes Kinder sind. Er ist als Person von unserem Geist getrennt, aber im Zeugnis mit ihm vereinigt. Wir rufen: „Abba, Vater!“ denn als solchen kennen wir Gott durch die innewohnende Gegenwart des Heiligen Geistes; und Zugleich ist Er der Geist des Sohnes, gesandt in unsere Herzen, der diesen Ruf hervorbringt und die Gefühle und Neigungen eines Kindes in uns erweckt. Er gibt uns das Zeugnis und das Bewusstsein unserer Kindschaft; und dies Zeugnis ist in völliger Harmonie mit dem unseres Geistes, des durch den Heiligen Geist in uns gewirkten Lebens.
Wir sehen dann weiter in diesem Kapitel, wie der Geist und das Leben praktischer Weise in uns vereinigt sind. Die ganze Schöpfung seufzt unter der Knechtschaft des Verderbens und liegt gleichsam in Geburtswehen (V 21–22). Sie wartet auf die Offenbarung der Herrlichkeit der Söhne Gottes. Durch unseren Leib sind wir mit dieser Schöpfung verbunden, und insofern auch ihren Leiden mitunterworfen; deshalb „seufzen auch wir, die wir die Erstlinge des Geistes haben, in uns selbst, erwartend die Kindschaft – die Erlösung unseres Leibes“ (V 26). Gleichwie nun einst Jesus, als Mensch hienieden, diese Leiden der Schöpfung, hervorgebracht durch die Sünde, mitfühlte, und an unseren Leiden und Schmerzen völlig Teil nahm, ebenso auch jetzt der Heilige Geist, als wohnend in uns. Durch Ihn steigen unsere Gebete und Seufzer hinauf zu Gott, und Zugleich gibt Er ihnen den wahren Ausdruck. Wenn wir in diesen Umständen nicht auf die rechte Weise zu beten wissen, so „nimmt er sich unserer Schwachheiten an“ und „der Geist selbst bittet für uns in nicht auszusprechenden Seufzern“ (V 26). Dies Seufzen aber geschieht in und nicht außer uns; denn „Der, welcher die Herzen erforscht, weiß, was der Sinn des Geistes ist“ (V 27). Gott findet dies Seufzen des Geistes in unseren Herzen; wie aber würde dies möglich sein können, wenn Er nicht Wohnung in uns gemacht hätte?
Ich möchte hier gleich noch ein anderes Zeugnis von der Gegenwart des Geistes hinzufügen, obgleich es weniger mit den einzelnen Gläubigen als mit der ganzen Versammlung in Verbindung steht. Nachdem Gott in dem Buch der Offenbarung seinen Knechten durch den Apostel Johannes gezeigt hat, „was ist und was nach diesen Dingen sein wird“ (Kap 1,19), nachdem Er von all den kommenden Gerichten (Kap 4–20) und danach von der Herrlichkeit des neuen Jerusalems gesprochen hat (Kap 21–22), kündigt sich der Herr selbst in Kapitel 22,16 als der glänzende Morgenstern an, und „der Geist und die Braut sagen: Komm!“ (V 17) So wie sich also der Geist mit uns eins macht in jenem Seufzen nach Erlösung des Leibes, so macht Er sich auch mit der Versammlung eins in jenem ruhigen und sehnlichen Verlangen nach der Ankunft Christi. Er ist auf der Erde gegenwärtig; Er ist es, der dem Sünder zuruft: „Komm!“ und Er ist es, der in Gemeinschaft mit der Braut dem Herrn entgegenruft: „Komm!“
Eine andere Segnung, die mit der Gegenwart des Heiligen Geistes in Verbindung steht und alle Beachtung verdient, finden wir in Evangelium Johannes 14,20, wo bezeugt wird, dass wir durch den in uns wohnenden Geist die Erkenntnis unserer Bereinigung mit Jesu besitzen. Als der Herr in Vers 16 und 17 jenes Kapitels seinen Jüngern die ewig bleibende Innewohnung des Geistes verheißen hatte, fügt Er Vers 20 hinzu: „An jenem Tag werdet ihr erkennen, dass ich in meinem Vater bin, und ihr in mir und ich in euch.“ Diese Vereinigung mit Christus, deren Band und Kraft der Heilige Geist ist, kann nicht eher verstanden werden, bis dieser in unseren Herzen Wohnung gemacht hat. Derselbe Christus, der in dem Vater ist, ist auch in uns, und wir in Ihm nach der Macht der Gegenwart des Heiligen Geistes, durch welche Gegenwart der Wunsch des Herrn in Evangelium Johannes 17,21: „Auf dass die Liebe, womit du mich geliebt hast, sei in ihnen, und ich in ihnen“, völlig erfüllt ist. – Ebenso ist die wahre Anbetung Gottes von der Gegenwart und Innewohnung des Heiligen Geistes abhängig. Der Herr sagt zu dem samaritischen Weib am Jakobsbrunnen: „Es kommt die Stunde, und ist jetzt, wo die wahrhaftigen Anbeter den Vater in Geist und Wahrheit anbeten werden; denn der Vater sucht auch solche, die Ihn anbeten. Gott ist ein Geist, und die Ihn anbeten, müssen Ihn in Geist und Wahrheit anbeten“ (Joh 4,23–24). Die Anbetung im Geist steht im Gegensatz zu den Formen und Satzungen, ja, zu der ganzen Religion, deren das Fleisch fähig ist. Es ist eine Anbetung nach der Kenntnis der wahren Natur dessen, den wir anbeten, und nach der Gemeinschaft, die der innewohnende Geist in uns wirkt. Wir beten in Wahrheit an, wenn wir Ihn nach der Offenbarung, die Er von sich selbst gegeben hat, anbeten. Solche Anbeter will auch der Vater. Seine Liebe und Gnade verlangt sie; und der Geist der Kindschaft erweckt in uns die Erkenntnis, die Gefühle und die Gemeinschaft, die uns zur wahren Anbetung befähigen. Selbst der schwächste Christ hat jetzt diese Befähigung durch die Innewohnung des Geistes. Wir lesen in 1. Johannes 2,13: „Ich schreibe euch, Kindlein, weil ihr den Vater erkannt habt.“ Wäre der Heilige Geist nicht herniedergekommen, und hätte Er nicht Wohnung gemacht in unseren Herzen, so würde diese Erkenntnis mangeln; wir würden weder zu jener Anbetung „in Geist und Wahrheit“, noch zu einer wahren Ausübung der Gemeinschaft mit Gott dem Vater, und dem Herrn Jesus Christus fähig gewesen sein, weil das Band und die Kraft dieser Gemeinschaft gefehlt hätten. Es ist durch den Heiligen Geist, dass der Vater und der Sohn in uns wohnen, dass wir mit dem Himmel in Verbindung gebracht und die unmittelbare Gemeinschaft Gottes genießen. – Endlich ist die Innewohnung des Geistes in uns zum Segen für andere. Wir lesen in Evangelium Johannes 7,37–39: „Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, aus dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen. – dieses aber sagte Er von dem Geist, welche die an Ihn Glaubenden empfangen sollten“, fügt Johannes hinzu. Sie trinken zuerst für sich selbst, stillen ihr persönliches Bedürfnis, und dann werden durch sie auch andere dieser Segnung teilhaftig. Der erquickende und belebende Strom geleitet sie selbst durch diese Wüste und fließt Zugleich aus von ihrem Herzen, wie von dem Herzen Jesu, mit dem sie vereint sind, um alle zu beleben und zu erfrischen, die mit diesem himmlischen und gesegneten Wasser in Berührung kommen. Es ist aber wohl zu beherzigen, und die Ermahnungen der Schrift bezeugen es deutlich (siehe Eph 4,30), dass wir diesen Geist betrüben können. Wir können sein Zeugnis in uns und durch uns für andere durch Nachlässigkeit und Untreue ganz und gar schwächen, und großen Schaden anrichten. Der Herr möge uns deshalb erleuchtete Augen geben, und unseren Herzen sowohl die unermessliche Segnung als auch die ernste Verantwortlichkeit, die mit dieser köstlichen Wahrheit verbunden sind, aufs tiefste einprägen!
Endlich möchte ich noch daran erinnern, dass wir die Zusage des Herrn in Betreff des Geistes: „Er wird euch in alle Wahrheit leiten“, in den Briefen der Apostel völlig bestätigt finden. Johannes schreibt den Gläubigen, um sie von den Einflüssen der Irrlehrer zu bewahren: „Dies habe ich euch von denen, die euch verführen, geschrieben. Und ihr – die Salbung, welche ihr von Ihm empfangen habt, bleibt in euch; und ihr bedürft nicht, dass euch jemand lehre; sondern wie dieselbe Salbung euch über alle Dinge lehrt, und wahr ist und keine Lüge ist, und wie sie euch gelehrt hat, so werdet ihr in Ihm bleiben“ (1. Joh 2,26–27). Diese Salbung ist die Innewohnung des Heiligen Geistes, der in uns bleibt und uns lehrt. Durch Ihn werden wir erleuchtet, und immer mehr zu einer tieferen Erkenntnis Gottes, des Vaters, und unseres Herrn Jesus Christus geführt, sowie zur Erkenntnis der Hoffnung seiner Berufung und des Reichtums der Herrlichkeit des Erbes in den Heiligen, und zur Erkenntnis der überschwänglichen Größe seiner Macht, womit Er Christus aus den Toten auferweckt und Ihn über alles zu seiner Rechten gesetzt hat, und uns mit und in Ihm (Eph 1,15 – Kap 2,10).
So wenig wir nun auch im Stande sein mögen, die ganze Kraft und Ausdehnung, alle die gesegneten Resultate dieser Wahrheit von der Innewohnung des Heiligen Geistes in den Gläubigen zu erfassen, so ist doch das bisher Gesagte schon hinreichend, uns die große Wichtigkeit derselben fühlen zu lassen. Doch betrachten wir jetzt die andere Seite dieses gesegneten Gegenstandes: b. die Innewohnung des Heiligen Geistes in der Versammlung
Der Heilige Geist wirkt durch das Evangelium, um die Liebe und Gnade Gottes zu verkündigen, und um die Auserwählten zu sammeln und aus ihnen einen Leib, den Leib Christi, zu bilden. Jede Seele, die das Leben Christi empfangen und mit dem Heiligen Geist versiegelt ist, gehört zu diesem Leib; sie ist ein Glied Christi, des himmlischen Hauptes. „Denn durch einen Geist sind wir alle zu einem Leib getauft worden, es seien Juden oder Griechen, es seien Sklaven oder Freie, und sind alle in einen Geist getränkt“ (1. Kor 12,13). „Ein Leib und ein Geist, wie ihr auch in einer Hoffnung eurer Berufung berufen seid“ (Eph 4,4). Es gibt nur eine Versammlung, und diese Versammlung ist der Leib Christi, der durch die Taufe des Heiligen Geistes gebildet ist. Jeder wahre Gläubige auf der ganzen Erde gehört dazu, weil er ein Glied Christi ist. Nicht irgendwelche Anerkennung menschlicher Einrichtungen und Satzungen, nicht die Annahme gewisser Formen oder die Ablegung irgendeines Glaubensbekenntnisses, noch die Aufnahme von Seiten der Menschen in ihre besondere Partei befähigen oder berechtigen jemand, diesem Leib anzugehören, sondern allein das Leben Christi und der Heilige, Geist, womit alle versiegelt sind, die in Wahrheit an Christus glauben. Derselbe Geist, der um des Blutes Christi willen, womit wir gesprengt und gereinigt sind, in uns wohnt und unseren Leib zu einem Tempel Gottes gemacht hat, wohnt auch aus demselben Grund in der Versammlung, als dem Leib Christi; und deshalb steht geschrieben: „Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid, und dass der Geist Gottes unter euch wohnt“ (1. Kor 3,16). In dieser Stelle haben wir ein unzweideutiges Zeugnis seiner Gegenwart in der Versammlung. Und gleich wie unser Leib nichts tun kann, ohne den Geist, also ist auch die Versammlung von der Gegenwart des Heiligen Geistes völlig abhängig. Er ist in derselben die Quelle aller Kraft und aller gesegneten Wirkungen. Und durch seine Gegenwart hat auch jeder nationale und bürgerliche Unterschied aufgehört, da ist weder Jude noch Grieche, weder Knecht noch Freier. Alle haben „durch Christus in einem Geist Zugang zu dem Vater“ (Eph 2,18).
In 1. Korinther finden wir eine sehr klare und ausführliche Belehrung über die Gegenwart und Wirksamkeit des Heiligen Geistes. Wir haben schon in dem vorhin angeführten 13. Verse dieses Kapitels deutlich gesehen, dass es der Heilige Geist ist, durch welchen die Versammlung zu einem Leib gebildet und zusammengefügt ist. Und wohnend in diesem Leib ist Er es auch, der alles darin ordnet und wirkt, der die verschiedenen Gaben austeilt und durch seine Macht zu deren Ausübung befähigt. „Jeglichem aber wird die Offenbarung des Geistes zum Nutzen gegeben. Dem einen wird durch den Geist die Rede der Weisheit gegeben, und einem anderen die Rede der Erkenntnis nach demselben Geist, und einem anderen Glauben in (der Kraft) desselben Geistes usw. Alle diese Dinge aber wirkt ein und derselbe Geist, Jeglichem ins Besondere austeilend, wie Er will“ (V 7–11). Diese Worte bezeugen auf eine sehr bestimmte Weise die Autorität und Macht, die der Heilige Geist in der Versammlung besitzt und ausübt indem Er alles wirkt und selbstständig Gaben austeilt, welchem Er will. Zunächst ist die Welt sein Wirkungskreis, um die Sünder durch das Evangelium Christus zuzuführen; aber dann ist die Versammlung seine Werkstätte, wo Er alles nach eigenem Willen ordnet leitet und wirkt. Durch Ihn sind nicht allein jene Wirkungen oder Gaben, die beim Anfang der Versammlung dazu dienten, die Verkündigung der christlichen Wahrheit zu befestigen, die Gegenwart Gottes in der Person des Heiligen Geistes zu offenbaren (vgl. 1. Kor 14,22) und ihre Anerkennung von Seiten Gottes zu bezeugen, sondern auch die Gaben zur Sammlung und Erbauung der Kirche. Sind Erstere auch, nachdem sie ihren Zweck erfüllt hatten, und namentlich der Untreue der Versammlung wegen, weggenommen worden, so werden doch Letztere bleiben, solange die Versammlung auf der Erde ist. Christus, als Haupt der Versammlung, der Heiland seines Leibes, wird nicht aufhören, sie zu ernähren, zu pflegen, zu erbauen und zu unterweisen, und wird nimmer seinen Geist aus ihrer Mitte wegnehmen. Zwar sind durch die Untreue der Christen, wie durch die der ganzen Versammlung, auch diese Gaben zur Erbauung der Kirche, die durch die Gegenwart und Kraft des Heiligen Geistes ausgeübt werden, in ihrer öffentlichen Wirksamkeit, sowohl in den einzelnen Gläubigen als auch in der Versammlung selbst, unklar und geschwächt, weil der Geist Gottes betrübt ist; aber dessen ungeachtet können wir immer auf die Treue des Herrn rechnen, der unfehlbar seine Versammlung besorgen wird, wenn wir auch in Einzelheiten unserer Untreue wegen gedemütigt worden.
In Epheser 4 ist ebenfalls von den Gaben die Rede, aber namentlich von denen, die zur Bildung und Erbauung der Versammlung dienen. Sie werden dort als Gaben Christi bezeichnet, die von Ihm, als dem Haupt der Versammlung, hervorkommen, und durch die Wirkung des Heiligen Geistes ihr Dasein in den Gläubigen haben. „Christus ist in die Höhe hinaufgestiegen und hat die Gefangenschaft gefangen geführt und hat den Menschen Gaben gegeben“ (Eph 4,8). Die Gläubigen sind so vollkommen befreit, dass sie, anstatt Sklaven Satans zu sein, die Gefäße der Kraft Christi geworden sind, um sein Werk wider den Feind fortzusetzen. Er erfüllt hier nicht als Schöpfer, sondern als Mensch alles. Er ist hinabgestiegen dahin, wo die Kraft Satans und des Todes war, und ist in die Herrlichkeit über alles hinaufgestiegen (V 9–10), und hat vom Staub des Todes bis zum Thron Gottes alles erfüllt. Satan und Tod haben jedes Anrecht verloren. Zwar ist dies noch nicht alles verwirklicht, indem Christus noch nicht völlig seine Macht ausübt; aber Er erfüllt etliche mit seiner Kraft und beehrt sie mit seinen Gaben. Er hat die Versammlung der Knechtschaft des Feindes entrissen; und diese kann jetzt nach der Kraft des in ihr wohnenden Geistes das Gefäß dieser Macht und dieses Zeugnisses sein. Die empfangenen Gaben dienen dazu, die Heiligen vollkommen zu machen (V 12), hier im Glauben und dort in Herrlichkeit. Dies ist das Ziel Gottes: – die Vollendung der Heiligen nach dem Willen seines Herzens; das Mittel dazu ist der Dienst durch die Gaben; und während Christus zur Rechten Gottes sitzt, ist die Versammlung der einzige Leib, der das Gefäß dieses Dienstes und des Geistes ist. Er ist durch diese Gaben zusammengefügt, wächst durch ihre gegenseitige Wirksamkeit bis er hingelangt zu dem Maß des vollen Wuchses der Fülle des Christus. Jeder Gläubige ist, als Glied dieses Leibes, durch die Wirksamkeit des Geistes mit irgendeiner Gabe betraut, und ist verpflichtet, Gott gemäß damit zu handeln, die Seelen zu gewinnen, die Gläubigen zu erbauen und Christus zu verehren (V 13–16).
Diese unzweideutigen und zahlreichen Zeugnisse in den Briefen. der Apostel werden hinreichen, uns völlig zu überzeugen, dass der Heilige Geist sowohl in jedem einzelnen Gläubigen als auch in der Versammlung, dem Leib Christi, wohnt; und es wird unsere Herzen mit großer Freude und Gewissheit, und auch mit Lob und Dank gegen Gott erfüllen, wenn wir im Blick auf die unermesslichen Segnungen, die mit seiner Gegenwart, sowohl für das christliche Leben, als auch für den praktischen Zustand der Versammlung, verbunden sind, auf das Wort des Herrn vertrauen: „Er bleibt bei euch in Ewigkeit.“ Im Gegenteil aber, wenn diese Zusage fehlte, oder das Bleiben des Heiligen Geistes von unserer Treue im Wandel abhängig wäre, so hätten wir alle Ursache bange und verzagt zu sein. Gott aber sei Dank, dass seine Gegenwart und sein Bleiben, sowohl in den einzelnen Gläubigen als auch in der Versammlung, nur eine Frucht des Werkes Christi und von diesem Werk allein abhängig ist. Wir können diese Betrachtung nicht gut schließen, ohne noch vorher einen kurzen Blick auf die traurigen Folgen zu werfen, die durch die Vernachlässigung dieser gesegneten Wahrheit: die persönliche Gegenwart des Heiligen Geistes auf der Erde, sei es aus Mangel an Erkenntnis derselben, sei es aus Mangel an wahrer Gottesfurcht und Unterwürfigkeit des Herzens, hervorgerufen sind. – Wenn der christliche Leser mit Aufmerksamkeit, und mit der heiligen Schrift in der Hand, dieser Betrachtung von Abschnitt zu Abschnitt gefolgt ist, so wird er sicher die Überzeugung gewonnen haben, dass der Heilige Geist, obwohl Er von Ewigkeit her war und von Anfang der Schöpfung an gewirkt hat, dennoch während der Periode des Mm Testaments nicht aus der Erde wohnte, und dass die Erfüllung der mannigfachen Verheißungen seiner persönlichen Offenbarung oder Ausgießung erst am Pfingsttag nach der Himmelfahrt des Herrn erfüllt wurde, dass Er von jenem Tag an bis in Ewigkeit bei und in den Gläubigen bleiben wird, und dass Er, solange die Versammlung auf dieser Erde besteht, der Sachwalter, Ordner, Leiter und Lehrer derselben ist. Wir haben gesehen, dass durch seine Innewohnung in den Gläubigen die Herzen derselben ihrer Erlösung und der zukünftigen Herrlichkeit vollkommen gewiss gemacht und von der Welt und Sünde völlig abgesondert sind, und dass jedes Verhältnis, in welches sie zu Gott, dem Vater, und Christus Jesus gebracht sind, sowie die gesegnete Gemeinschaft mit beiden, durch seine Gegenwart und Kraft verwirklicht und genossen wird. Ebenso haben wir gesehen, dass durch seine Innewohnung in der Versammlung, die durch seine Gegenwart gebildet ist, Er einem jeglichen ins Besondere austeilt, wie Er will, dass Er alles darreicht, was zur Bildung und Erbauung der Versammlung nötig ist. Wo aber diese Wahrheit geglaubt und auf die Gegenwart des Heiligen Geistes vertraut wird, da wird auch völlige Hingabe und Unterwürfigkeit sein. Man wird sich sorgfältig hüten, selbst mit Furcht und Zittern, um nicht durch eigenmächtiges Wirken, in das Amt des Geistes einzugreifen und seine Autorität und seine Wirksamkeit zu schwächen. Es bedarf aber nicht viel Licht, um zu sehen, wie sehr die Versammlung oder Kirche hierin gefehlt hat und noch immer fehlt. In einer schrecklichen Ausdehnung ist die Gegenwart und die Autorität des Heiligen Geistes in derselben verkannt und bei Seite gesetzt worden. Und gerade in dem Maß, wie dieses geschehen, hat sich der Mensch an seine Stelle gesetzt. Er hat nach eigenem Gutdünken Einrichtungen getrosten, Ordnungen eingeführt – sogar neue Ämter geschaffen, wovon die Schrift nichts weiß – und hat auf diese Weise die Kirche zu vergrößern und zu erbauen getrachtet. Man hat Personen in so genannte geistliche Ämter eingeführt und mit Diensten betraut, denen nicht nur jede Begabung des Geistes zu einem solchen Dienste, sondern oft sogar der lebendige Glaube an Christus fehlt. Man sucht die Gabe des Geistes durch die Weisheit dieser Welt zu ersetzen; man sucht durch Studium zu erlangen, was allein der Heilige Geist nach seinem freien Willen austeilt. Wenn wir dieses ganze Verfahren im Licht jener Wahrheit, die uns in 1. Korinther 13 und anderen Stellen der Schrift offenbart ist, betrachten, so muss jeder Gläubige, selbst der schwächste, bekennen, dass es dabei nicht mehr der Heilige Geist ist, „der Jeglichem ins Besondere austeilt, wie Er will“, sondern dass der Mensch es tut, wie er will. Und wenn wir dies erkennen, was erwartet der Herr von uns? Diese Frage wird für uns wichtig sein, wenn anders die Liebe und Furcht Gottes und das Bewusstsein unserer ernsten Verantwortlichkeit in unseren Herzen wohnt; und wir werden dann sicher zugeben, dass Er von uns erwartet, dass wir uns in keiner Weise an einer Sache beteiligen, wodurch die Gegenwart und die Autorität des Heiligen Geistes tatsächlich verkannt und bei Seite gesetzt wird. Wenn wir es schon für unsere Pflicht halten, nicht da am Tisch des Herrn zu erscheinen wo der Nichtbekehrte, sobald er nur gewissen Formen genügt hat eingeführt wird und erscheinen darf, oder wenn dieser Tisch zum Tisch einer besonderen Partei erniedrigt wird, wo es, um Teil zu haben und mit allen dasselbe Vorrecht zu genießen, nicht genügt, einfach ein Glied des Leibes Christi zu sein, sondern auch noch gewisse Einrichtungen und Satzungen anerkannt werden müssen – wie vielmehr ist es unsere ernste Pflicht, uns von jeder Sache fern zu halten, wodurch der Heilige Geist, der selbst Gott ist, in seiner eigenen Person betrübt und verunehrt wird! Und dies geschieht nicht allein in jener groben Weise, wo es auch dem schwächsten Auge nicht entgehen kann, sondern auch in einer feineren, in den vielen kleineren Parteien oder Sekten; denn wenn wir auf die Gegenwart des Geistes unser Vertrauen setzen und mit Unterwürfigkeit des Herzens seine Autorität anerkennen, so werden wir nichts anders tun, als uns einfach im Namen Jesu versammeln, um die Wirksamkeit des Heiligen Geistes bitten auf die Offenbarung der Gaben desselben warten und die offenbar gewordenen anerkennen und benutzen. Gewiss, dies ist es, was der Herr von uns erwartet. Und Er hat seine Versammlung völlig lieb; Er wird es an nichts mangeln lassen, was zu ihrer Auferbauung nötig ist. O möchten deshalb alle die Seinen im Vertrauen auf seine Gnade und Liebe, und im Bewusstsein ihrer Verantwortlichkeit, sich von allem fernhalten, wodurch sein Name verunehrt, der Heilige Geist in der Versammlung betrübt und seine Autorität nicht anerkannt wird, und sich mit aller Unterwürfigkeit des Herzens seiner Leitung überlassen!
Es wird nun ferner bei der Untersuchung dieses köstlichen Gegenstandes, für jeden Leser ganz unzweifelhaft sein, dass es sich in der Schrift, wenn von dem Heiligen Geist die Rede ist, um die wirkliche Person des Geistes, um die dritte Person in der Gottheit, und nicht um eine abhängige Kraft oder um einen göttlichen Einfluss handelt, wie von etlichen behauptet worden ist. Eine solche Behauptung aber schwächt nicht nur das Gefühl unserer Verantwortlichkeit, sondern erniedrigt auch die Person des Heiligen Geistes selbst, und zwar ebenso sehr, wie einst der Herr Jesus erniedrigt wurde, wenn man Ihn für nichts weiter als den Sohn des Zimmermanns hielt. Er wohnt und wirkt als Person, sowohl in den einzelnen Gläubigen, als auch in der Versammlung; und also spricht die Schrift von Ihm. Er wirkt mit dem Vater und dem Sohn. Er teilt nach eigenem Willen einem jeglichen ins Besondere aus. Es sind Verschiedenheiten von Gnadengaben, von Diensten, von Wirkungen; aber es ist derselbe Geist derselbe Herr und derselbe Gott (1. Kor 12,4–6). Der Heilige Geist ist eine freie und selbstständige Person und diese Person ist Gott (vgl. 1. Kor 12,6 und 11). Er ist von dem Vater und dem Sohn hernieder gesandt und wohnt seit jenem Pfingsttag (Apg 2) Persönlich auf der Erde. Sowohl der einzelne Gläubige als auch die Versammlung im Allgemeinen, als Leib betrachtet, sind seine beständige Wohnung hienieden. Jene sind, wie wir gesehen, mit diesem Geist gesalbt und versiegelt bis auf den Tag der Erlösung, und sie haben die bestimmte Zusage des Herrn: Er bleibt bei euch in Ewigkeit. – Diese Wahrheit leitet uns aber noch auf einen anderen Punkt.
Es ist in unseren Tagen fast allgemein unter den Gläubigen das Bedürfnis gefühlt und ausgesprochen worden, um eine neue Ausgießung des Heiligen Geistes zu bitten, und in vielen großen und keinen Gebetsversammlungen, nah und fern, ist diese Bitte kundgeworden. Wir möchten nun aber fragen: Ist es der Heilige Geist, der dieses Bedürfnis erweckt hat, und kann eine solche Bitte im Namen Jesu geschehen? Diese Frage ist von der größten Wichtigkeit; und sie muss, wie jeder Gläubige, der diese Betrachtung ohne vorgefasste Meinung gelesen hat, völlig überzeugt sein wird, auf das Bestimmteste verneint werden, wenn darunter eine ähnliche Ausgießung, wie am Pfingsttag in Apostelgeschichte 2, gemeint ist. Wie kann der Heilige Geist eine solche Bitte in unseren Herzen erwecken, da Er uns durch den Mund des Apostels versichert hat, dass wir durch Ihn bis auf den Tag der Erlösung – d. i. der Erlösung unseres Leibes – versiegelt seien? Und wie kann der Herr eine solche Bitte unterstützen, nachdem Er uns die bestimmte Zusage gegeben: „Er wird bei euch bleiben in Ewigkeit und wird in euch sein?“ Gewiss, eine solche Bitte kann nur eine Geringschätzung dieser Zusage und Zugleich ein großes Misstrauen gegen das Wort des Herrn kundgeben. Was aber der Herr zugesagt hat, das hält Er gewiss. Wir können stets auf seine Treue und Wahrheit rechnen. Hat die Versammlung auch ihrer Untreue wegen jene Gaben verloren, die eine Zierde und ein Zeugnis der Anerkennung Gottes vor den Augen der Welt waren, so wird doch der Geist selbst ihr bleiben, weil dessen Bleiben ohne Bedingung zugesichert ist; und der Heilige Geist in seiner Person ist mehr wert als alle Gaben zusammen, so über? aus wichtig und notwendig diese auch immerhin sind. Versteht man aber unter jener Bitte eine größere Wirksamkeit des Geistes, eine größere Fülle seiner Gaben und seiner Kraftäußerung in den Gläubigen, um befähigt zu sein, mit größerer Energie und Freimütigkeit durch Wort und Wandel Zeugnis von Christus abzulegen, dann ist sie völlig an ihrem Platz. Solche Bitten und deren Erhörung finden wir auch in der heiligen Schrift (Apg 4,29–31). – Im Allgemeinen aber hat man bei solchen Bitten um eine Ausgießung des Heiligen Geistes außergewöhnliche Erweckungen und Bekehrungen im Auge; allein zu diesem Zweck ist keine besondere, Ausgießung und Sendung, sondern nur eine größere Wirksamkeit des Heiligen Geistes nötig. Wenn man aber jene Ausgießung am Pfingsttag für nichts weiter, als eine außergewöhnliche Erweckung hält, so hat man jenes gesegnete Ereignis noch nie verstanden. In diesem Fall glaubt man nicht an die Ausgießung oder Offenbarung der Person des Heiligen Geistes, sondern nur an einen göttlichen Einfluss oder an eine abhängige Kraft, die an jenem Tag in reichem Maß auf der Erde wirksam war, und um deren Wiederholung man bittet. Bei solchen Gedanken aber haben wir unsere eigene Meinung und nicht das Wort Gottes; – und was wird die Folge sein? Ein unberechenbarer Schaden, sowohl in Bezug auf unser inneres Leben als auch in Bezug auf unsere Stellung als Glied des Leibes Christi. O möchten wir dies nicht für geringachten! Das, was uns in gegenwärtiger Zeit so besonders Not tut und zur Verherrlichung des Namens Gottes gereichen würde, ist die gläubige Annahme seines Wortes, die vertrauensvolle Anerkennung der persönlichen Gegenwart des Heiligen Geistes, herniedergekommen vom Himmel, um auf ewig bei den Gläubigen und in ihnen zu sein und eine völlige Unterwerfung unter seine Leitung. Dies ist es – ich wiederhole es – was der Herr von uns erwartet und was zu unserer Heilung in Bezug auf viele Dinge gereichen würde. Ja, dies ist es, was uns vor allem Not tut, und gegenwärtig, in Bezug auf uns selbst, sogar mehr Noch tut, als große Erweckungen, so segensreich und wünschenswert diese auch in der Tat sind. Wir sind aber leider viel eher bereit, um solche außerordentlichen Erweckungen zu bitten und sie zu bewundern, ja, uns selbst sogar in ihnen zu rühmen, als uns persönlich der einfachen Wahrheit mit Demut zu unterwerfen.
Es könnte nun aber jemand einwenden, dass doch selbst die Apostel für die Gläubigen in Samaria um den Heiligen Geist gebetet hätten (Apg 8,15). Doch untersuchen wir diese Stelle etwas näher. – In jenem Kapitel, Apostelgeschichte 8, wird uns erzählt, dass Philippus in eine Stadt von Samaria hinabging und Christus verkündigte (V 5). Und viele glaubten dem Philippus und wurden getauft, sowohl Männer als Weiber (V 12). Als aber die Apostel, die in Jerusalem waren, hörten, dass Samaria das Wort Gottes angenommen habe, sandten sie den Petrus und Johannes zu ihnen (V 14). Und dies geschah wohl aus folgender Ursache. Bisher war das Evangelium nur den Juden verkündigt worden; jetzt aber hatten es auch die Samariter angenommen, die keine Juden waren, obwohl sie mit jenen mehr in Verbindung standen, als mit den Heiden, weshalb auch die Apostel kein Bedenken hatten, dort hinzugehen. Diese kamen nun, um durch ihre Autorität das Werk zu bestätigen, und auch die Samariter verstehen zu lassen, dass das Heil von den Juden komme (Joh 4,32). „Die Apostel nun, als sie hinab gekommen waren, beteten für sie, dass sie den Heiligen Geist empfangen möchten (Denn Er war noch nicht auf einen von ihnen gefallen, sondern sie waren allein auf den Namen des Herrn Jesus getauft). Da legten sie ihnen die Hände auf und sie empfingen den Heiligen Geist“ (V 15–17). Dies nun war doch keinesfalls eine neue Ausgießung des Heiligen Geistes vom Himmel, wie am Pfingsttag, sondern eine Mitteilung des Geistes, der schon herniedergekommen war und seine Wohnung auf der Erde genommen hatte. Man könnte höchstens aus diesem Ereignis schließen, dass jemand eine Zeitlang gläubig sein könnte, ohne den Heiligen Geist zu haben. Jedenfalls geht der Glaube der Mitteilung des Geistes voraus, wie wir auch sehr deutlich in Epheser 1,12 lesen: „Nachdem ihr an Ihn (Jesus) gläubig geworben, seid ihr mit dem Heiligen Geist der Verheißung versiegelt worden.“ Eins ist aber gewiss, dass alle in Ephesus, die an Jesus glaubten, mit diesem Geist versiegelt worden waren. Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben, und Zugleich alle durch Christus erworbenen Segnungen; deshalb wird auch ein jeglicher, der an Ihn glaubt, mit dem Geist der Verheißung versiegelt.
Ähnliches finden wir in Apostelgeschichte 10, wo uns die Bekehrung des Kornelius mitgeteilt wird. Petrus wagte nicht eher bei einem Heiden einzukehren, bis ihm der Herr erschienen war; und selbst nachdem er dem Kornelius und seinem Haus das Evangelium verkündigt hatte, musste noch der Herr, um ihm seine Vorurteile ganz zu benehmen, auf eine besondere Weise, ähnlich der des Pfingstfestes, ihm zeigen, dass Er auch die Heiden angenommen habe, welches aus den Worten des Petrus deutlich hervorgeht: „Kann auch jemand das Wasser verwehren, dass diese, Welche, gleich wie auch wir, den Heiligen Geist empfangen haben, nicht getauft werden“ (V 47). In demselben Augenblicke, als diese Heiden das Wort von Jesu hörten und an Ihn glaubten, empfingen sie den Heiligen Geis– ein Ereignis, was sich noch täglich wiederholt; – sie wurden des Geistes teilhaftig, der schon in der Versammlung seine Wohnung genommen hatte.
Ein drittes Ereignis ähnlicher Art finden wir in Apostelgeschichte 19,1–6. Paulus fand in Ephesus etliche Jünger, die mit der Taufe des Johannes getauft waren und von der Ausgießung des Heiligen Geistes noch nichts wussten. Sie erkannten auch von Jesu nur so viel, als Johannes ihnen davon hatte mitteilen können. Dies aber war nicht hinreichend, indem Johannes mit der Taufe der Buße taufte und das Volk aufforderte, an den nach ihm Kommenden zu glauben, das ist an Christus Jesus. „Als sie es aber gehört hatten, wurden sie auf den Namen des Herrn Jesus getauft, und als Paulus ihnen die Hände aufgelegt hatte, kam der Heilige Geist auf sie“ (V 5–6). Auch dies war natürlich nichts anders, als eine Mitteilung des Geistes, der seit Pfingsten auf der Erde persönlich gegenwärtig war.
Es würde nun gewiss sehr töricht sein, bei diesen Ereignissen an eine besondere Ausgießung des Heiligen Geistes vom Himmel zu denken, und dadurch seine Gebete um eine solche Ausgießung zu rechtfertigen. Dies aber werden wir umso weniger tun können, wenn wir dem Wort Gottes glauben, das uns, wie wir bei dieser Betrachtung gesehen haben, auf eine klare und ausführliche Weise belehrt, dass der Heilige Geist nicht als eine abhängige Kraft oder ein göttlicher Einfluss, sondern als eine freie und selbstständige Person, als die dritte Person in der Gottheit, an jenem Pfingsttag ausgegossen ist, und in Ewigkeit bei und in den Gläubigen bleiben wird. – O der Herr gebe, dass alle die Seinen mit einfältigem und demütigem Herzen zu dieser gesegneten Wahrheit zurückkehren, dass sie die bleibende Gegenwart des Geistes sowohl in den einzelnen Gläubigen als auch in der Versammlung mit Danksagung anerkennen und sich seiner Leitung mit aller Demut unterwerfen!