Botschafter des Heils in Christo 1862
Danksaget dem Gott und Vater allezeit für Alles, im Namen unseres Herrn Jesus Christus
Wenn jemand sich allezeit in allem erfreuen und allezeit für alles danksagen kann, so muss er überzeugt sein, dass er ein gutes Teil besitzt. Der natürliche Mensch kann ein Wort, wie dieses, nicht annehmen. Die Freude, welche einen solchen Geist kennzeichnet, ist nicht eine Freude im Fleisch; denn während diese von dem äußeren Glück abhängig ist, wird jene in ihrer höchsten Ausübung in schmerzlichen Umständen gefunden. Gott scheint an dieser Stelle zu sagen: „Mein Kind, du wirst in keine Umstände, in keine Lage kommen, wo du nicht Ursache hast, zu danken.“ Dies Danksagen ist in uns die Antwort für das, was wir in Gott sehen, es ist der glückliche Ausdruck unseres Gemüts für das, was wir in Ihm gefunden haben. Es bildet auch nicht, so zu sagen, einzelne, abgebrochene Glieder einer Kette, sondern es ist beständig, ununterbrochen, anhaltend.
In dem Herrn Jesus Christus und in Hiob erhalten wir viel Aufklärung über diese Stelle; doch in entgegengesetzter Weise. In Matthäus 11 triumphiert Jesus im Danksagen inmitten der demütigendsten Umstände. Chorazin, Betsaida und Kapernaum hatten bereits seine Rechte verworfen und eine Botschaft von Johannes meldete Ihm, dass dieser in seinem Glauben an Ihn irregeworden war; allein gerade unter diesen entmutigenden Erfahrungen hören wir Ihn sagen: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde.“ In allen Umständen sank Er still und gelassen in den Schoß Gottes, seines Vaters, zurück; in völliger Ergebung und Unterwürfigkeit der Seele ruhte sein Blick auf dessen Ratschlüssen. Er wusste, dass, wenn auch alle hienieden fehlten, Er nicht fehlen konnte; und Er war ganz unterworfen, ganz abhängig von Ihm. Überall begegnen wir der Demut und der Niedriggesinntheit seines Herzens. Solange Er auf der Erde war, wandelte Er im Himmel und in Gott dem Vater. Er nahm hienieden den Platz des Zeugnisses von seinem Vater ein. Und wie gesegnet war die Frucht dieser Unterwürfigkeit für die Seele Jesu! Er wurde der Offenbarer seines Vaters. Man möchte fragen: Wie konnte der Sohn Gottes, Er, der der Erbe des Thrones Davids war, unter solch einer demütigenden Verwerfung danksagen? Doch Er tat es; Er rief aus: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde;“ und stets nahm Er nachher unter all den schweren und niederdrückenden Lasten den Platz als Offenbarer seines Vaters ein. In Ihm sehen wir den, der in allen Dingen danksagen konnte; und dies Geheimnis bestand allein darin, dass Er hienieden im Himmel und mit Gott wandelte. Hierin lagen die geheimen Quellen seiner Kraft. Und will Er dies Geheimnis für sich selbst behalten? O nein; Er sagt: „Diese Quellen habe ich für euch geöffnet. Ich möchte euch in mein Geheimnis: ‚allezeit und für alles zu danksagen‘, eintreten lassen. Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.“
Das Straucheln Hiobs erscheint wie ein dunkler Hintergrund zu diesen Vollkommenheiten, die in dem Sohn Gottes so hell hervorstrahlen. Wir sehen in Kapitel 1,13–21, dass Hiob, obwohl er niederfiel, und den Namen Jehovas pries, Ihm doch nicht für alle seine Trübsale danksagte. Dies geht deutlich aus dem 3. Kapitel hervor. Hiob erfreute sich im Glück – nicht im Herrn, sondern in seinem Wohlstand. Er lebte in den Umständen; er sagte gleichsam stets zu sich selbst: „Jene köstlichen Dinge, woran ich meine Freude habe – meine Söhne und Töchter und meine Kamele usw. – werde ich vielleicht in einigen Tagen verlieren; ich muss bei dem Gedanken an ihre Entbehrung immer zittern.“ Dies geht deutlich aus den beiden letzten Versen dieses Kapitel hervor, wo er ausruft: „Denn das ich fürchte, kommt über mich, und das ich besorge, trifft mich. Ich habe keine Stille, und kann nicht rasten und nicht ruhen, und kommt immerdar Ungemach.“ Hiob hatte jene Hoheit der Seele, die ein Wandel über den Umständen hervorbringt, nicht erreicht; und hierin finden wir auch die eigentliche Wurzel von Hiobs Straucheln. Er war mit den Umständen beschäftigt und nicht mit dem Gott der Umstände; denn sobald jene angetastet wurden verfluchte er seinen Tag (V 1).
Wenn uns die Umstände überwältigen, so kommt es daher, dass wir nicht als Kinder „in Gott dem Vater und dem Herrn Jesus Christus“ leben. Das Beispiel Hiobs ist in dieser Beziehung sowohl belehrend als auch warnend. Was ist gewöhnlicher, als ein Kind Gottes sagen zu hören: „Ich sehe nicht ein, wie ich Gott für diesen Weg, für dieses Leiden, für diese Demütigung danksagen könnte.“ – Diese Einsicht aber fehlt dir deshalb, geliebter Leser, weil du nicht mit Gott und in Ihm gewandelt hast. Andere mögen ausrufen: „O, wir beklagen uns nimmer; wir sind immer bereit, zu nehmen, was Gott schickt und Ihm dafür zu danken.“ Doch ich frage: Ist es Wirklich so? Erinnerst du dich keiner Sache, vielleicht etwas aus der vergangenen Woche, auf welches Gott hinweisen und fragen könnte: „War das ein Danksagen?“ –
Ich möchte nun noch darauf aufmerksam machen, dass etwas überaus Köstliches in den Worten liegt, welche diese Ermahnung in Betreff des Danksagens begleiten: „dem Gott und Vater im Namen unseres Herrn Jesus Christus.“ Es sind die Pfeiler, durch welche die Wahrheit in ihrer Kraft zu der Seele herniedergebracht wird. Wie gewaltig auch das Ungewitter toben und der Sturm wüten mag, Gott hat, so zu sagen, ein Schirmzelt über dich ausgebreitet, und diese Worte sind wie die vier Pfeiler, auf denen das Zelt getragen wird. Es ist der Vater, der deinen Titel, als Sohn, der deine gesegnete Stellung mit dem Herrn Jesus Christus in Verbindung bringt, so dass du im Stand bist, bei jedem Ungemach, was dir begegnet, zu sagen: „Es liegt für mich ein Segen darin.“ seine Liebe ist in allen Umständen bemüht um uns. Wir sind seinem Herzen teuer und stets ein Gegenstand seiner zärtlichsten Fürsorge. Er leitet uns an seiner treuen Vaterhand und führt uns stets die besten Wege. Es mag uns an Einsicht fehlen, den Segen eines Weges oder eines Ungemachs zu erkennen; aber wir werden immer fähig sein, Ihn für alles zu preisen, wenn wir unverrückt in seiner Gegenwart wandeln. Möchten wir auf allen Wegen Ihm nur willig folgen, und nicht auf das Fleisch Rücksicht nehmen, welches fortwährend die Umstände anschaut und spricht: „Siehe, jene Hindernisse, jene Schwierigkeiten, jene raubgierigen Löwen – wie kannst du es wagen, zu folgen?“ – Nie gab eine Seele Gott die Ehre, ohne einen Segen darin zu finden.
Vielleicht gibt es auch irgendein gefährliches Geschwür – etwas, das Gott in einem stolzen Herzen sieht – ein Geschwür, welches geöffnet werden muss, um von seiner eiternden Flüssigkeit gereinigt zu werden; und wenn wir dieses nicht hinter dem Vorhang haben lernen wollen, so müssen wir es außer demselben tun. Wenn wir uns nicht im Verborgenen seiner Gegenwart richteten, so wird das Übel heraustreiben und wir werden schmerzliche Wege durchmachen müssen. David würde seine so ernsten Züchtigungen nicht nötig gehabt haben, wenn das Böse auf einem gelinderen Weg hätte unterjocht werden können. Gott benutzt bei uns, wie auch bei David die Fehltritte, um uns zu reinigen, „auf dass wir seiner Heiligkeit teilhaftig werden.“ Er ruft uns gleichsam immer zu: „Ihr seht welch eine Art von Gemeinschaft und Verwandtschaft ich zwischen euch und mir errichtet habe. Ich bin euer Gott und ihr seid meine Knechte; ich bin euer Vater und ihr seid meine Söhne. Ich meine es in allem, was ich auch über euch kommen lasse, gut mit euch; ihr werdet immer gesegnet sein, wenn ihr alles mit mir, als eurem Gott und Vater und mit dem Herrn Jesus Christus in Verbindung bringt.“ Von diesem allem aber erkennen wir nichts, solange wir mit uns selbst oder mit den Umständen beschäftigt sind. Geblendet durch Unglauben sehen wir dann nur auf das, was geeignet ist, unsere Herzen mit Unruhe und Furcht zu erfüllen. Wir sind niedergedrückt und voll Sorge; aber die Danksagung eines mit Friede und Freude erfüllten Herzens fehlt. Was kann auch in uns oder in den Dingen um uns her gefunden werden, dass unsere Herzen in Wahrheit erfreuen könnte? Da ist ja alles dem Wechsel und der Nichtigkeit unterworfen. Der Gegenstand unserer Freude kann nur der Herr sein; und nur das was Er ist und was Er zu jeder Zeit und in allen Umständen für uns ist, kann allein unsere Herzen mit Lob und Dank erfüllen. Verwirklicht Ihn unser Glaube da, wo Schwierigkeiten und Hindernisse sind, wo Trost und Kraft mangelt, wo das Auge nichts sieht und die Hand nichts findet, so haben wir stets genug, und das Herz wird mit Danksagung durch alles hindurchgehen. Der Apostel ermahnt die Philipper, alle ihre Anliegen nicht nur mit Bitten und Flehen, sondern auch mit Danksagung vor Gott kund werden zu lassen. Fehlt Letzteres, so mögen wir wohl in den Umständen Vertrauen zu der Macht Gottes haben; aber da ist kein völliges Vertrauen zu seiner Liebe; denn wo dieses ist, da ist auch Danksagung und Zugleich Ergebung in den Willen Gottes, weil das Bewusstsein vorhanden ist, dass alle Dinge zum Guten für uns mitwirken, und alle seine Wege für uns gesegnet sind.
Der Herr mache uns deshalb fähig, in allen Umständen uns Ihm völlig zu ergeben und auf allen Eigenwillen zu verzichten; denn also geziemt es uns!