Botschafter des Heils in Christo 1862
Die stete Bemühung Gottes um die Seinen
Es gibt wohl keine Sache, die das Herz des Christen in dieser Wüste, in der Gegenwart des Feindes, umgeben von Versuchungen aller Art und im Blick auf seine eigene Schwachheit, so zu beruhigen vermag, als das Bewusstsein der steten Sorge und Bemühung Gottes um die Seinen. Er kann uns nie versäumen, nie in den Umständen uns allein lassen; und der Beweggrund seiner Bemühung sind nicht nur unsere Bedürfnisse, sondern die völlige Liebe und das zärtlichste Mitgefühl seines Herzens. Es ist seine eigene Freude, die Befriedigung seiner eigenen Liebe, sich um uns zu bemühen. Sind einerseits die mannigfachen Versuchungen dieses Lebens auch da, um uns zuzubereiten, so sind sie andererseits für unseren Gott und Vater stets eine Gelegenheit, uns zu zeigen, wie groß seine Liebe und sein Mitgefühl gegen uns ist. O möchte dies Bewusstsein nie schwach bei uns werden, so würde in allen Umständen unser Herz ruhig und mit Lob und Dank erfüllt sein! Wir würden nicht so leicht an Selbsthilfe denken, sondern auf seine Güte warten. Alle Selbsthilfe verhindert Ihn, sich an uns zu verherrlichen, und uns, Ihn für seine Hilfe zu preisen.
Wenn wir in der heiligen Schrift die Wege der einzelnen Heiligen oder des Volkes Gottes im Allgemeinen verfolgen, so finden wir oft das Fehlen der Seinen, ihren Mangel an Vertrauen; aber eins finden wir nie: das Nachlassen der Treue und Liebe Gottes gegen sie. Überall begegnen wir den Fußstapfen seiner Liebe. Sein Auge wacht, sein Ohr ist geöffnet, sein Arm ist ausgestreckt, sein Mund zum Trösten bereit und sein Herz mit dem zärtlichsten Mitgefühl erfüllt. Und wie wir Ihn in seinem Wort finden, so ist Er immer; seine stete Bemühung um die Seinen ist unveränderlich, wie seine Liebe und Treue.
Seine Sorge erstreckt sich aber nicht allein auf unsere Bewahrung und Durchhilfe in den äußeren Umständen, sondern ist ebenso völlig auf unsere innere Erziehung bedacht, auf unseren Wachstum in der Gnade und Erkenntnis nach dem Bild dessen, der uns erschaffen hat. Unsere Blicke mögen oft mehr auf jenes als auf dieses gerichtet sein; aber ein treuer Vater ist am meisten für die Erziehung seiner Kinder besorgt, und der „Vater der Geister“ wird sich sicher nicht durch einen „Vater nach dem Fleisch“ beschämen lassen. Die heilige Schrift – sowohl das Alte als das Neue Testament – liefert uns auch in dieser Beziehung die deutlichsten Beweise der unermüdlichen Sorge Gottes für die Seinen. Und Er ist stets derselbe geblieben. Blicke in dein eigenes Leben, geliebter Leser, wenn du anders sein Eigentum bist, und du wirst mit mir bekennen müssen: Gott hat es seinerseits weder an Zeit, noch an Gelegenheit, weder an Mitteln, noch an Gaben fehlen lassen, um uns zu unterweisen, zu befestigen und zu einem würdigen Wandel zu leiten. Doch erlaube mir in der Gegenwart dieses treuen und fürsorgenden Gottes die ernste Frage, die für mich selbst gleich wichtig ist, an dein Gewissen zu richten: Wie hast du diese stete Bemühung Gottes um dich bisher gewürdigt und angewandt? Du hast sein Wort, die Offenbarung seines Ratschlusses und seines Willens, in deinem Haus; welchen Gebrauch machst du davon? Forschest du mit Eifer darin, um immer tiefer in seine herrlichen Geheimnisse einzudringen? Richtest du dich im Licht seiner alles erforschenden Wahrheit und lasst du sein Wort reichlich in dir wohnen? Gottes treue Fürsorge hat es durch alle die Jahrhunderte hindurch für uns aufbewahrt und uns ganz nahegebracht; wie sehr sollte schon dieses uns ermuntern, stets mit dankbarem Herzen einen gesegneten Gebrauch davon zu machen!
Noch mehr. Ich setze voraus, – denn bei den meisten Lesern dieses Blattes darf ich es voraussetzen – dass du das köstliche Vorrecht genießest, Dich mit anderen Gläubigen zu versammeln zum Brechen des Brotes, zum Gebet, zur gegenseitigen Erbauung, Ermunterung, Ermahnung und Belehrung. Betrachtest du dieses in Wahrheit als ein gesegnetes Vorrecht? Erblickst du darin die treue Fürsorge und Bemühung Gottes um das Wohl deiner Seele? Oder ist deine Teilnahme mehr Gewohnheit oder Rücksicht gegen andere? Nimmst du aus jenen Stunden, wo du mit den Seinen versammelt bist, immer etwas mit in dein Haus, in deine Familie, in deine Werkstatt, in dein tägliches Leben? Dienen sie in Wahrheit dazu, dich immer mehr mit Erkenntnis seines Willens zu erfüllen und zu einem immer treuen und würdigeren Wandel zu leiten? Wenn das ist, so ist in der Tat Gottes Fürsorge für dich auf diesem Weg nicht umsonst, und sein Herz erfreut sich an deiner Freude und deinem Frieden.
Noch mehr. Gott hat dafür Sorge getragen, dass das, was zu deiner Erbauung und Belehrung dienlich ist, nicht nur durch das Wort Gottes selbst und nicht nur durch das gesprochene Wort in der Versammlung, sondern auch durch verschiedene Schriften dir nahegebracht wird. Was für einen Gebrauch machst du nun von solchen Schriften, die wirklich zu deiner Auferbauung und Belehrung gesegnet sein können? Nimmst du auch diese Gabe mit Danksagung aus der Hand dessen, der so bemüht um dich ist? Erkennst du auch darin seine liebende Fürsorge? Liest oder betrachtest du diese Schriften mit Eifer und mit Nutzen für deine Seele? Tust du es, so wirst du sicher auch dadurch gesegnet sein, und die Liebe dessen preisen, der auf alle Weise seine Bemühung um dich an den Tag legt. Noch mehr. Gott erweist seine Fürsorge auch in speziellen, brüderlichen Ermahnungen gegen dich. Doch was für einen Wert hat diese Segnung für dich? Sind dir solche Ermahnungen unlieb oder willkommen? Betrachtest du sie als eine treue Bemühung Gottes oder als eine lästige Zudringlichkeit? Beurteilst du den Ermahner und die Art und Weise seiner Ermahnung, oder erblickst du darin den Herrn und seine fürsorgende Liebe gegen dich? O wie oft wird gerade in dieser Sache, die doch für unseren gesegneten Fortgang von so großer Wichtigkeit ist, die Bemühung Gottes um uns verkannt und geringgeschätzt!
Endlich erinnere ich an die mannigfachen Führungen des Herrn an die Umstände, worin wir versetzt sind, an die Züchtigungen und Demütigungen, die uns hienieden zu Teil werden und deren alleiniger Zweck ist, uns zu erziehen, uns der Heiligkeit Gottes immer mehr teilhaftig zu machen. Auch du, geliebter Leser, wirst sicher hierin nicht vergessen sein. Doch ich frage dich: Nimmst du alles als eine Gnadenspendung aus seiner Hand? Sprichst du in allen seinen Wegen und Führungen mit gebeugtem Herzen: „Der Herr ist da, um mich zu segnen; der stets um mich besorgte Vater hat mir etwas zu sagen?“ O wie glücklich und getrost würde es dein Herz machen, wenn deine Augen in Wahrheit überall die fürsorgende Liebe Gottes erblickten, und wie gesegnet für dich, wenn seine Bemühung von dir anerkannt und beherzigt würde!
Das möge der Herr allen den Seinen in Gnaden verleihen!