Botschafter des Heils in Christo 1861
Das Werk habe ich vollbracht
In dem uns mitgeteilten Gebet des Herrn in Johannes 17 lesen wir die gesegneten Worte: „Ich habe dich auf der Erde, verherrlicht; das Werk habe ich vollbracht, welches du mir gegeben hast, dass ich es tun sollte“ (Joh 17,4). Diese Worte offenbaren uns die sichere und feste Grundlage, worauf der Gläubige vor Gott gestellt ist. Das Gewissen ist hier zum Schweigen und das Herz zur Ruhe gebracht. Gott selbst findet in Betreff unserer Sünde in diesem Werk seine Ruhe. Er ist völlig darin verherrlicht, und jeder Sünder, mögen seine Sünden auch blutrot sein, der Ihm hier im Glauben begegnet, findet vollkommene Gnade und Liebe. Alles Gericht ist vorüber; die Gerechtigkeit und Heiligkeit Gottes findet keinen Tadel an ihm. Beides ist, anstatt gegen ihn, für ihn. Dieses durch Christus vollbrachte Werk ist von Gott selbst ausgegangen; Er ist die Quelle desselben: „ ... welches du mir gegeben hast, dass ich es tun sollte.“ Jesus gab sich – o Dank seiner Liebe! – freiwillig zum Opfer hin; aber Zugleich ist es Gott, der Ihn für uns dahingegeben hat. „Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass Er seinen eingeborenen Sohn dahingegeben hat, auf dass jeder, der an Ihn glaubt, nicht verloren sei, sondern ewiges Leben habe“ (Joh 3,16). Und wiederum: „Der doch seinen eignen Sohn nicht verschont, sondern Ihn für uns alle hingegeben hat...“ (Röm 8,32)
Das Werk Christi ist also nach dem Willen Gottes – es ist die Gabe Gottes – es ist vollbracht durch Christus, und ist bezeugt durch den Heiligen Geist. Dies alles offenbart uns die Vollkommenheit – die göttliche Vollkommenheit dieses Werkes; und auf Grund desselben kann Gott die Gottlosen rechtfertigen, Christus uns vertreten und für uns bitten, und der Heilige Geist uns heiligen. Haben wir unser Vertrauen völlig auf dieses Werk gesetzt, so kann weder die Vergangenheit, noch die Gegenwart, noch die Zukunft uns beunruhigen, noch kann durch irgendetwas die Gerechtigkeit Gottes gegen uns aufgeweckt werden. Gott ist verherrlicht, die Sünde ist getilgt – alles ist Friede. Wir können stets mit Zuversicht ausrufen: „Wenn Gott für uns ist, wer mag wider uns sein? Christus ist es, der gestorben, ja noch mehr, der auch auferweckt, der auch zur Rechten Gottes ist, der auch für uns bittet. Wer wird uns scheiden von der Liebe des Christus“ (Röm 8,31–34).
Es ist bemerkenswert, dass Jesus in dem oben erwähnten Gebet von seinem Werk als von einem vollendeten redet: „Das Werk habe ich vollbracht.“ In Vers 11 sagt Er: „Ich bin nicht mehr in der Welt“ und in Vers 12: „Als ich bei ihnen in der Welt war“ ... Schon vom 13. Kapitel an nimmt Jesus seine Stellung nach der Vollendung seines Werkes, zur Rechten seines Vaters ein. Von dort aus ist Er für die Seinen beschäftigt, wäscht ihnen die Füße, verkehrt mit ihnen und bittet für sie zum Vater. Dies alles aber offenbarte Er im Voraus, solange Er noch in der Welt war, damit die Seinen es sehen und hören und sich freuen möchten. Dies bezeugt Er selbst in Vers 13: „Ich rede dieses in der Welt, auf dass sie meine Freude völlig in sich haben.“ Welch eine Liebe! Was Er redet, was Er tut, was Er offenbart geschieht deshalb, wie wir auch an anderen Stellen finden, „damit wir seine Freude in uns haben möchten und unsere Freude völlig sei.“ Wenn wir in Kapitel 17 sein Gebet zum Vater in Betreff der Seinen hören, so wissen wir, was Er jetzt für uns bittet, nachdem sein Werk vollendet ist und Er zur Rechten Gottes sitzt. Er kann jetzt mit aller Freimütigkeit von uns zum Vater reden; Er kann sein ganzes Herz offenbaren, und die ganze Innigkeit und Fülle der Liebe gegen die Seinen vor dem Vater ausströmen lassen. Die Sünde und Unreinigkeit ist kein Hindernis mehr; sein Werk hat jedes Hemmnis für immer beseitigt. Die Seinen können in glücklicher Ruhe dasitzen und hören, was Er in Betreff ihrer zum Vater redet. Und sie hören nichts, was sie beunruhigen könnte; kein Wörtchen kommt über seine Lippen, was im Stand wäre, ihnen auch nur einen Schatten von Furcht einzuflößen.
Nicht die geringste Anklage, nicht der leiseste Tadel wird gehört; ihrer Mängel und Gebrechen erwähnt Er mit keinem Wort. Alles, was Er sagt, offenbart nur seine unendliche Liebe und Fürsorge für die Seinen – alles betrifft ihre Erhaltung und ihre Segnung. Mag es sich um die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Seinen handeln – seine Gnade, Liebe und Güte hat alles ausgefüllt. Sein Werk hat sie errettet; Er übergibt sie dem Vater zur Bewahrung;
Er bittet für ihre Einheit untereinander und mit Ihm und dem Vater, und Er begehrt, dass seine eigne Herrlichkeit völlig das Teil ihrer Segnung sei. O wie glücklich ist der, der diese unaussprechlich gesegneten Worte des Herrn hört und sagen kann: Sie sind auch für mich; auch ich soll sie hören, damit meine Freude völlig sei! Doch wie schwach ist das Vertrauen und wie mangelhaft die Erkenntnis des Herrn und seines Werkes derer unter den Seinen, die diese Worte hören und lesen und immerfort mit einem unruhigen Gewissen und einem mit Furcht erfülltem Herzen einhergehen!
Es kann aber der Herr nur auf Grund seines eigenen Werkes mit solcher Freimütigkeit zum Vater reden. Nie kann unsere Treue oder unser Wandel der Beweggrund dazu sein. Sein Werk allein hat uns so nahegebracht und in eine solch gesegnete Stellung vor Gott gesetzt, dass Er in vollkommener Ruhe von seiner Liebe und Treue gegen uns und von unseren himmlischen Segnungen reden kann Er hat nicht mehr nötig, von unseren Sünden vor Gott zu reden; denn Er selbst hat sie völlig getilgt. Sogar das heilige Auge Gottes sieht nicht einen Flecken an den Seinen. Sie sind so rein, als sein Blut sie rein zu waschen vermochte und sind so vollkommen, als sein Werk sie vollkommen machen konnte. Sie sind bekleidet mit der Gerechtigkeit Gottes; ihre Stellung ist Christus Jesus gemäß. Er nahm unseren Platz ein und erduldete, was wir verdient hatten, und brachte uns in seinen Platz, um zu empfangen, was Er verdient hat. O bewundernswürdige Gnade und Liebe! Wo ist solch ein Jesus wie unser Jesus! Haben die Seinen in sich selbst auch keinen Wert, so sind sie doch seinem Herzen unendlich teuer. Der Vater hat sie Ihm gegeben, und Er hat sie mit seinem eigenen Blut vom Verderben erlöst und sie in seine gesegnete Stellung gebracht – eine Stellung, wo jetzt schon für den Glauben nichts anders übrigbleibt, als zu bewundern, zu preisen und anzubeten.
Doch nicht allein vor dem Vater kann Jesus so freimütig von den seinigen reden, sondern auch jedem Feind und allen Anklagen gegenüber. „Wer ist, der verdamme? – Christus ist es, der gestorben, ja noch mehr, der auch auferweckt, der auch zur Rechten Gottes ist, der auch für uns bittet.“ Wir sehen in Johannes 9, dass seine Arme geöffnet waren, um den Blindgeborenen, der seines Bekenntnisses wegen aus der Synagoge gestoßen wurde, zu empfangen und ihm den Gottes Sohn zu offenbaren, (Joh 9,35–37) und Er konnte vor den Pharisäern mit aller Zuversicht von den Seinen bekennen: „Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir, und ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie gehen nicht verloren ewiglich, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen“ (Joh 10,27–28). Überall kann Er mit solcher Bestimmtheit von den Segnungen der Seinen reden. Nichts kann Ihn daran hindern; sein Werk hat sie in eine Stellung gesetzt, die durch nichts angetastet werden kann. – „Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen?“ So können alle triumphierend ausrufen, die das gesegnete Wort des Herrn: „Das Werk habe ich vollbracht!“ gehört und geglaubt haben.