Botschafter des Heils in Christo 1861
Zur rechten Zeit
Zuweilen gefällt es Gott, eine Seele mit wenigen Worten aufzuwecken. So geschah es vor etlichen Jahren. – Ein Personenzug stand in D. zum Abfahren bereit; die Passagiere waren schon eingestiegen, als ich einen Mann bemerkte, der mit der größten Anstrengung auf den Bahnhof zulief, um noch mitzufahren. – „Abläuten!“ rief der Inspektor. Die Lokomotive gab das Zeichen zum Abfahren. Es war der letzte Augenblick; der Zug setzte sich schon in Bewegung, – da kam gerade der Mann angerannt und wurde noch eingelassen. Es war noch soeben zur rechten Zeit. Er setzte sich neben mich und die Tür wurde zugeschlagen. Ich sagte ganz ruhig: „Und die Tür wurde verschlossen.“ Weiter haben wir, so viel ich mich erinnere, nichts zusammen gesprochen.
Zwei Jahre später, als ich dieses Ereignis schon lange vergessen hatte, kam ein Freund von mir mit jenem Mann in Berührung. In einer Unterredung erwähnte dieser jenen Vorfall und fügte hinzu, dass die Worte: „Und die Tür wurde verschlossen“ den ersten tiefen Eindruck auf seine Seele gemacht hätten. Er habe sie nicht vergessen können. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend seien sie ihm nachgegangen. Er habe erkannt, wie gefährlich es sei, die Errettung seiner Seele bis zum letzten Augenblicke aufzuschieben, und Gott habe dies Ereignis benutzt, um ihn zu Christus zu bringen.
Meine Leser werden sich erinnern, dass der Herr Jesus diese Worte: „Und die Tür wurde verschlossen“ im Gleichnis von den zehn Jungfrauen sagt; und sie sind in der Tat sehr beherzigenswert für alle, die sie hören. Noch währt die Zeit der Gnade – die Zeit, wovon der Apostel sagt: „Siehe, jetzt ist die wohl angenehme Zeit, siehe, jetzt ist der Tag des Heils!“ und worin der Herr Jesus immer noch spricht: „Ich bin gekommen zu suchen und zu erretten, was verloren ist.“ Noch ist die Tür geöffnet; aber bald wird der Zug des Evangeliums gefüllt sein und der letzte Reisende seinen Platz eingenommen haben; und dann? – Kannst du mir sagen, mein lieber Leser, was du fühlen wirst, wenn du zu spät kommst? Bist du zufrieden, Denen zuzugehören, die da rufen werden: „Herr, Herr, tue uns auf!“ und welchen geantwortet wird: „Ihr Wirker der Ungerechtigkeit, ich kenne euch nicht; geht von mir hinaus!“
Die Boten des Evangeliums mahnen zum Einsteigen; aber du sagst vielleicht: „Ich habe kein Bittet, und kann auch noch keins bezahlen.“ Traurige Entschuldigung! Die Zeit eilt dahin, der Zug geht ab, und du kommst zu spät. Und bedenke wohl, wo du bleibst, – in einem Reich, wo Satan herrscht, in einer Welt, über welche sehr bald die Gerichte Gottes hereinbrechen werden. Der Rettungszug steht bereit – bereit, um dich aufzunehmen und dich zum Himmel, zur ewigen Herrlichkeit zu bringen – und du willst ihn versäumen? – deine Entschuldigung zeigt deine Blindheit. Alle, welche in jenen Zug eingestiegen sind, waren ebenso schlecht und ebenso arm wie du. Keiner hatte zu bezahlen, und doch hat jeder ein Bittet – vollkommen gültig bis zum Ziel. Ein anderer zahlte für sie, und zwar der, der es allein konnte, Jesus Christus. Was wir hätten tun müssen, hat Er getan. Sein Werk ist vollbracht, sein kostbares Blut ist vergossen. Dieses Werk und dieses Blut allein tilgen unsere Sünden, bringen uns zu Gott und sicheren uns den Platz in der ewigen Herrlichkeit. Umsonst darfst du einsteigen, umsonst mitreisen, umsonst die Herrlichkeit Gottes empfangen. Gott, dessen Schuldner du bist, fordert nichts von dir; das Opfer Christi hat Ihn völlig zufrieden gestellt. Sein Zorn ist gestillt, seine Gerechtigkeit befriedigt; ja alles ist bezahlt. Gott selbst hat dafür Sorge getragen; denn er kannte unsere schreckliche Armut. Er ist der Gott, der den Gottlosen rechtfertigt. Und wenn du an Ihn, als einen solchen Gott, glaubst, so wird dir dein Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet. Du kannst dann mit allen Gläubigen getrost zu Ihm aufblicken und mit gutem Gewissen und mit ruhigem und glücklichem Herzen ausrufen: „Er hat Jesus um unserer Sünden willen dahingegeben und um unserer Rechtfertigung willen auferweckt.“ Hast du allein im Vertrauen auf das Blut Christi, was von aller Sünde reinigt Deinen Platz in diesem Rettungszug genommen, so kann dich niemand zurückweisen. Jeder Anklage kannst du mit den Worten entgegentreten: „Christus ist es, der gestorben, ja noch mehr, der auch auferweckt, der auch zur Rechten Gottes ist, der auch für uns bittet“ (Röm 8,34). Und dann wirst du aus. allem, was Er für dich getan und was Er noch tut, erkennen, wie sehr Er dich geliebt hat und allezeit liebt.
Du sagst nun vielleicht: „Deine Worte kommen mir sehr fremd vor. Ein anderer Bote hat mir gesagt, dass ich erst viel beten und ringen und alle meine Sünden bereuen müsste, ehe ich meinen Platz einnehmen dürfte. Das habe ich nun auch schon seit Jahren zu tun gesucht, aber ich weiß nicht, ob Gott damit zufrieden ist. Ich habe nie vorher gehört, dass alles getan sei, dass ich umsonst ein Billet bekomme, weil das Blut Christi mein Fahrgeld bezahlt hat.“ – Jener Bote, mein Freund, der deine Werke forderte, war von einer anderen Gesellschaft; und ich kann dir sagen, dass alle Passagiere, die sich in dessen Zuge befinden, unsicher sind, ob ihr Reisegeld wirklich bezahlt ist. Ich gehörte auch einst zu dieser Gesellschaft und reiste mit jenen Passagieren, aber ich war nie recht glücklich. Es war ein öder und dunkler Weg. Aus einem Tunnel ging es in ein anderes, und kein Wagen war erhellt. Es ging immer bergab, und wir waren alle unsicher, wohin wir fuhren. Da wurde ich mit der freien Gnade Gottes bekannt, und verließ jenen Zug; und ich kann dir versichern, dass ich dies nie bereut habe.
Du magst fragen: „Ist denn keine Bekehrung nötig?“ Gewiss, und die Bekehrung besteht gerade darin, dass man dem Zeugnis von dem Tod und der Auferstehung Christi glaubt. Oder du sagst: „Man muss doch von der Sünde und der Welt Abschied nehmen.“ – das ist wahrender ich sähe nie einen Menschen schneller von einem Ort wegreisen, als wenn er in einem Kurierzug seinen Platz genommen hatte. Willst du wirklich die Sünde und die Welt verlassen, so glaube an den Herrn Jesus Christus, nimm ohne Geld deinen Platz in seinem vollendeten Werk und du wirst völlig getrennt sein. Du brauchst nur durch Glauben in den Rettungszug einzusteigen; für das Hinwegkommen hast du nicht zu sorgen. Das Blut Christi ist dein Lösegeld und die allmächtige Kraft Gottes bringt dich ohne Gefahr weiter.
Der Teufel hat viele Wege; aber alle führen zur Hölle. Zum Himmel führt nur ein Weg. Jesus allein ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Gehörst du aber vielleicht zu jenen, die da sagen: „Lass mich in Ruhe, ich will nicht reisen“, so wisse, mein Freund, dass du dich täuschst. Reisen musst du; du bist auf dem Weg zur Ewigkeit. Jeder Tag bringt dich einen Schritt näher zum Himmel oder zur Hölle. Nichts ist gewisser als dieses. Und einer ruft vom Himmel: „Siehe, ich komme bald!“ Gleichst du etwa jenen Toren, welche sagen: „Wir glauben nicht, dass Er kommt“; oder jenen, welche ausrufen: „Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche“, oder gar jenen Spöttern, welche von jeher mit hochmütigem Gespött fragten: „Wo ist die Verheißung seiner Ankunft?“ – Ich versichere dir, Er wird kommen; sein Wort kann nimmer trügen. Er wird kommen, um die Seinen in die ewige Herrlichkeit einzuführen, und Er wird kommen, um die Welt zu richten, um die, welche nicht geglaubt haben, zu zerstören; ja, unerwartet wird Er hereinbrechen, wie die Fluch in den Tagen Noahs, wie das verwüstende Feuer über Sodom und Gomorra.
Glaubst du aber, dass Jesus wiederkommen wird, so frage ich dich: „Bist du bereit, Ihm entgegen zu gehen? Kannst du mit ruhigem und glücklichem Herzen sagen: Komm Herr Jesu, komme bald!?“ Oder musst du sagen: „Meine Sünden sind noch nicht vergeben, und darum fürchte ich mich.“ Blicke mit Vertrauen auf das Kreuz. Dort findest du dein Lösegeld, dort die Tilgung aller deiner Sünden. „Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du errettet sein.“ Taufende, welche den Namen Christi tragen, liegen im Schlaf der Sünde; ihre Lampen sind erloschen und in ihren Gefäßen ist kein Öl. Welch ein Erwachen wird es sein, wenn der mitternächtliche Ruf erschallt: „Der Bräutigam kommt!“ Und ein Schrecken wird alle ergreifen, wenn der als Richter erscheint, den sie als Heiland nicht wollten. Lass dich bitten und warnen, mein Freund. Entfliehe aus der Mitte derer, die in sorgloser Gleichgültigkeit, oder im Sündentaumel dahingehen, bis es zu spät ist. Ja, entfliehe und erwarte den, der dich geliebt hat und für dich gestorben ist; „denn noch um ein gar Kleines und der Kommende wird kommen und nicht verziehen.“ Und dann kannst auch du sagen: Fahre hin, du arme Welt voll Elend, Sünd und Tod, und sei willkommen, du ewige und herrliche Freude; ich werde für immer bei, dem Herrn sein!