Botschafter des Heils in Christo 1861
Mitteilungen über das Werk Gottes in unseren Tagen
Schottland – Lieber Bruder! Seit meiner Rückkehr aus Schottland fand ich zu meiner größten Freude, dass manche Kinder Gottes mit vieler Teilnahme des dortigen Werkes gedenken. Übrigens ist es auch der Mühe wert, sich über die Bekehrung einer so großen Menge von Sündern zu freuen, da doch über die Bekehrung eines einzigen Sünders Freude ist bei den Engeln Gottes im Himmel.
Bei unserer Ankunft in Glasgow fanden wir Briefe, in welchen wir dringend nach dem östlichen Teil des Landes eingeladen wurden, wo das Werk Gottes sehr gesegnet sein sollte. Wir reisten am Donnerstag hin und verweilten dort bis Samstag; und jetzt beeile ich mich, Ihnen die Erlebnisse in zwei Abendstunden mitzuteilen, die, wie ich hoffe, bei vielen noch lange in gesegnetem Andenken bleiben werden.
Am ersten Abend war eine Gebets Versammlung in dem etwa 8 englischen Meilen von Edinburgh gelegenen Dürfe Cockergie. Unter den Bewohnern dieses Fischerdorfes hatte ein Evangelist, der sehr fähig war, mit solchen Seelen umzugehen, lange Zeit hindurch mit großem Segen gewirkt. Es mochten etwa 120 Personen anwesend sein. Man hatte mich gebeten, eine Anrede an sie zu halten; und ich legte ihnen die Wichtigkeit der von Jesu an die Pharisäer gerichteten Frage: „Was denkt ihr über den Christus?“ ans Herz. Die Wirkung des Geistes Gottes war augenscheinlich spürbar; und ich war überzeugt, dass die Macht Gottes sich offenbaren würde. Nährend meiner Predigt hatten namentlich zwei Frauen meine Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Sie sahen sehr ernst aus, und Tränen füllten ihre Augen. Ich näherte mich ihnen und fragte zunächst die jüngere, ob sie glücklich in Jesu sei?
„O nein, mein Herr“ – war ihre Antwort; – „ich bin nicht glücklich; ich bin sehr unglücklich.“
„Aber in Jesu findet sich doch genug, was Sie, wenn Sie Ihn annehmen, glücklich machen kann.“
„Ich weiß dieses und habe schon lange danach getrachtet; aber ich scheine den Weg noch nicht zu wissen.“
Nachdem ich einige Worte über den Weg Gottes zu unserem Heil gesprochen hatte, wandte ich mich an die ältere Frau, die Mutter der ersteren mit den Worten:
„Aber wie sieht es mit Ihnen aus? Hat in dieser gesegneten Zeit die Gnade Gottes ihr Herz besucht?“
„O nein, mein Herr! Die Gnade scheint bei einem jeglichen einzukehren; nur nicht bei mir;“ – antwortete sie im Ton der tiefsten Wehmut.
„Sagen Sie mir doch einmal“, – fuhr ich fort; – „glauben Sie, dass Jesus für Sie, eine Sünderin, gestorben ist?“
„Ja, ich glaube, dass Er für uns Sünder starb.“
„Und konnten sie glauben, dass Jesus für Sie, eine Sünderin, starb, und Zugleich sagen, dass für Sie keine Gnade da sei?“
„Ich weiß das, aber es ist noch nicht in mein Herz gekommen; denn außer mir scheint jedermann gesegnet zu sein.“
„Nun, wenn es noch nicht zu Ihnen, so ist es doch für Sie gekommen; Sie haben also nur zu glauben und es anzunehmen. Können Sie denken, dass Gott seinen lieben Sohn für Sie am Kreuz sterben ließ und dass Er nun sagen würde, dass keine Gnade für Sie in Christus sei? Aber sagen Sie mir doch, was hat Christus am Kreuz vergossen?“
„Er vergoss sein Blut.“
„Um welcher Ursache willen?“
„Damit unsere Sünden abgewaschen würden.“
„Und sollte wohl dieses Blut die Kraft besitzen, alle unsere Sünden abwaschen zu können, wenn wir unser Vertrauen daraufsetzen?“
„O ja, mein Herr, das glaube ich fest.“
„Wohlan; so können sie auch wohl ihr Vertrauen daraufsetzen. Wenn Sie dieses tun, so sind alle ihre Sünden Ihnen vergeben; die Gnade ist zu Ihnen gekommen; glauben Sie nur. Gewiss, wenn Jesus uns so liebhatte, dass Er sein Leben für uns hingab und sein Blut vergoss, um unsere Sünden hinweg zu, nehmen, dann sind wir gezwungen, Ihn wieder zu lieben und all unser Vertrauen auf Ihn zu setzen. O glauben Sie nur, dass Er Sie liebhat und am Kreuz für Sie starb; glauben Sie es und schenken Sie Ihm ihr Herz.“
Das Zimmer war noch immer gefüllt; nur wenige Personen hatten sich entfernt. An verschiedenen Seiten wurden laute Gespräche geführt; doch der Geist Gottes segnete die Wahrheit an dem Herzen dieser Frau. Nach einer kurzen Pause tiefen Nachdenkens, vermochte sie nicht länger ihre Gefühle zu beherrschen, sondern stürzte auf ihre Knie, faltete ihre Hände und flehte mit lauter, bewegter Stimme zu Gott um Gnade. Dann wandte sie sich an Jesus, an das auf Golgatha geschlachtete Lamm; und ihr Gebet war geeignet, auch die härtesten Herzen zu brechen.
„O teures Lamm Gottes!“ – lief Sie aus. – „Ja, es ist wahr; du bist gestorben und hast dein kostbares Blut für ein so armes, sündiges Geschöpf, wie ich bin, vergossen. O Lamm Gottes! Kehre doch nun auch bei mir ein! Heute Abend noch! Nimm alle meine Sünden hinweg und errette meine Seele!“ –
So betete sie mehrere Minuten. Auch die Tochter und mehrere Anwesende waren tief ergriffen; und ihre Tränen flössen reichlich zu den Füßen Jesu. Doch gepriesen sei Gott! Mutter und Tochter erhoben sich endlich von ihren Knien und bekannten, dass sie Gnade gefunden hätten und darum unaussprechlich glücklich seien. Sie konnten glauben, dass das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, sie von allen Sünden gereinigt habe. Drei oder vier andere legten dasselbe Bekenntnis ab. Auch ihre Herzen waren mit Freude erfüllt. Man stimmte ein Lied an; und nachdem ich auf dringende Bitten das Versprechen, morgen Abend wieder zu kommen, gegeben hatte, verließen wir spät um 11 Uhr das Zimmer.
Freitagabend. Da das Schullokal bis um 9 Uhr noch im Gebrauch war, so hielt ich eine Predigt im Freien. Der Abend war schön; und es waren mehr Zuhörer anwesend, als wir in der Schule hätten erwarten dürfen. Viele Fischer waren gekommen, die das Schulzimmer nicht besucht haben würden. Und auch dieses Mal wurde meine Aufmerksamkeit zuerst wieder auf jene Mutter und Tochter gelenkt. Die Bibel in der Hand, hatten sie sich auf dem grünen Rasen niedergelassen. Nach der Predigt redete ich sie an und fand sie sehr glücklich. Sie versicherten mir, dass nicht der geringste Zweifel, in Betreff ihrer Sündenvergebung und Errettung, in ihrem Herzen zurückgeblieben sei. In diesem Augenblick näherte sich eine alte Frau. Sie hatte die letzten Worte gehört und sagte: „Ich wünschte, dieses auch sagen zu können.“ – Die Tochter begann, ihr das Evangelium zu verkündigen, welches sie selbst durch die Gnade am vorigen Abende angenommen hatte. O welche wunderbare Veränderung bringt doch das kostbare Evangelium zu Wege!
Jetzt betraten wir das Schulzimmer, welches während der Zeit für uns geräumt worden war. Ich bemerkte, dass viele an diesem Abend einen großen Segen erwarteten. Ein ernster Christ sagte zu mir: „Ich bin heute mit 6 Seelen zusammengekommen, die gestern Abend Frieden gefunden haben; und viele andere sind ergriffen. Wir hoffen heute Abend auf einen großen Segen.“ – Ich hatte indessen Gelegenheit mit vielen Anwesenden über den Zustand ihres Herzens zu sprechen. –
Die Gebetstunde begann, sobald man in der Schule Platz genommen hatte. Verschiedene gottselige Männer und etliche vor kurzem bekehrte Jünglinge nahmen Teil an dein Gebet. Einer dieser Letzteren betete mit besonderem Ernst; ihm folgten andere und wieder andere, ohne dass man durch irgendeinen Gesang eine Unterbrechung hervorgerufen hätte. Etwa um 10 Uhr, als eben ein Mann am Beten war, verspürte man eine göttliche Kraft in der Versammlung. Es war in der Tat ein Strom der reichsten Gnade aus dem vollen Meere der ewigen Liebe geflossen. Aller Herzen waren getroffen. Jünglinge und Jungfrauen, Alt und Jung begannen, laut um Gnade zu schreien. Die Brüder, welche gebetet hatten, und alle, die mich umstanden, weinten vor Freude. Dennoch aber war diese Erscheinung verschieden von der im Norden Irlands. Von Krampfanfällen verspürte man hier nichts. Man vergoss viele Tränen; man flehte laut um Gnade; aber dies war auch alles?
Nach etlichen Augenblicken, als einige Ruhe eingetreten war und die Arbeiter ihr Werk übersehen konnten, begannen wir, mit Einzelnen insbesondere zu sprechen. Der Herr hatte in der Tat in vieler Herzen gewirkt, und Er schenkte uns die Freude, sogleich die Frucht unserer geringen Mühe einsammeln zu können. Besonders waren es 12 Seelen, die laut bezeugten, dass sie Frieden mit Gott gefunden hätten. Doch der Tag vor Herrlichkeit Wird dereinst vollkommen die Früchte dieses Abends offenbaren.
Wieder war es 11 Uhr geworden; nur ungern trennte man sich. Es war ein wunderbarer Anblick. Viele arme Frauen hatten ihre Kinder bei sich, da sie daheim keine Wärterinnen hatten. Mit Lob und Dank verließen wir diesen Platz und kamen wohlbehalten zu Haus an.
Herzliche Grüße von ihrem in Christus verbundenen Bruder.