Botschafter des Heils in Christo 1861
Bist du deiner Errettung sicher? - Teil 2/2
Die Gewissheit, gerettet zu sein, ist eine Sache, deren außerordentliche Wichtigkeit wohl niemand in Abrede stellen wird. Und dennoch wird vielleicht mancher diese Zeilen flüchtig durchlaufen, ohne sich einer solch schätzbaren Gnade erfreuen zu können. Einen solchen nun hat vornehmlich der Verfasser dieses Aufsatzes im Auge; und sein Gebet ist, dass der Herr diese Bemühung an dem Herzen desselben reichlich segnen möge.
Es handelt sich also, mein geliebter Leser, zunächst um deine Sicherheit und deinen Frieden. Ich setze natürlich voraus, dass du an das Dasein eines Gottes glaubst, dass du die Bibel für das Wort Gottes hältst, dass du an ein künftiges Gericht glaubst und darauf vorbereitet zu sein wünschest. Ich setze voraus, dass du der Zahl solcher Menschen angehörst, die im Allgemeinen allen Wahrheiten des Christentums ihre Zustimmung geben und die oft mit den Dingen der Ewigkeit beschäftigt sind, für welche aber die, ihr ewiges Los betreffende Frage noch nicht entschieden ist. Heute hoffst du, ein Christ zu sein, und morgen fürchtest du, dass du es nicht seist. Und wird einmal geradezu die Frage an dich gerichtet: „Bist du wirklich ein Christ? Bist du deiner Seligkeit gewiss?“ – so wirst du plötzlich fühlen, dass dieses eine ungelöste Frage für dein Herz ist. Ist dies nicht dein Zustand, mein Freund?
Aber wie ist es möglich, dass du in solcher Ungewissheit fortleben, kannst? Wärest du in der strengsten Bedeutung ein Ungläubiger, verachtetest du gleich vielen sowohl den Namen Christi, als auch die Worte Gottes, spottetest du mit der Sünde und mit der Vorstellung von einer Ewigkeit, – dann würde man deinen Zustand betrauern müssen, aber sich nicht über deine Sorglosigkeit wundern können. Glaubtest du nicht an Gott, kein Wunder, wenn du, da du seiner Gunst nicht gewiss wärst, Dich beruhigen könntest; – erwartetest du nichts in der Ewigkeit, kein Wunder, wenn du dich nicht darauf vorbereitetest. Oder wärst du auch gerade nicht ungläubig, aber sorglos in Betreff der Ewigkeit, oder lägest du gänzlich gefangen in den Stricken weltlicher Vergnügungen, so dass kein Gedanke an Gott und an das kommende Gericht in deiner Seele Raum fände, – auch dann würde man deine Torheit bedauern, aber sich nicht über deine gänzliche Gleichgültigkeit in Betreff deiner Errettung wundern können. Aber an diese Dinge zu glauben, oder doch wenigstens dieses von sich zu behaupten, ja selbst ein Verlangen nach Errettung zur Schau zu tragen, und dennoch von Woche zu Woche, von Monat zu Monat, von Jahr zu Jahr in solcher Ungewissheit fortzuleben, – ich frage dich, lieber Leser: Wie ist es möglich?
In anderen Dingen ist Ungewissheit dir unerträglich. Hast du schon am Sterbebett deiner Eltern, deiner Geschwister, deiner Gattin, deiner Kinder oder irgendeiner dir nahestehenden Person gestanden? Nicht wahr? in Todesangst hingen deine Blicke an den Lippen des Arztes, um dessen Ausspruch zu hören und dadurch dem unerträglichen Zustand zwischen Furcht und Hoffnung enthoben zu werden. – Hast du nicht bei irgendeiner wichtigen Angelegenheit einmal den Verhandlungen eines Gerichtshofes beigewohnt, und zwar in dem Augenblick, wo der Richter sich erhob, um – vielleicht das Todesurteil über einen Gefangenen auszusprechen? – Wie stockte da der Atem der dem Urteil entgegen harrenden Zuschauer! Wie klopften da die von Furcht und Hoffnung gefolterten Herzen derer, die dem Gefangenen im Leben nahegestanden! Wie starr waren ihre Blicke auf das Gesicht des Richters gerichtet, als ob sie das Urteil herauslesen wollten, noch bevor der Mund es aussprach! Und wer kann sich eine Vorstellung machen von den Gefühlen, die, schwankend zwischen Furcht und Hoffnung, das Herz des unglücklichen Gefangenen durchkreuzten? – Aber dergleichen ernste Auftritte stehen, wie nachhaltig auch ihre Eindrücke sein mögen, fast in keinem Vergleich mit den ernsten Fragen der Ewigkeit. – Ach! wenn du wahrhaftig glaubtest an einen Gott, an einen Himmel, an eine Hölle, an einen Erlöser, wie würdest du dann Ruhe haben können, ohne gewiss –zu sein, dass der Erlöser auch der deinige, dass die Hölle für dich verschlossen und der Himmel deine selige Wohnung in der Ewigkeit sei! Nein, unmöglich würdest du essen, trinken, ruhen und deinen Geschäften nachgehen können, bevor die Frage deiner Zukunft in deinem Herzen entschieden wäre.
Bedenke doch, mein Freund, dass Gott in diesem Augenblick mit einem freundlichen, oder mit einem zürnenden Blick auf dich herabsieht, und dass der Pfad, auf dem dein eilender Fuß sich bewegt, unausbleiblich, entweder zum Himmel oder zur Hölle führt. Ob du ungewiss über das Ziel dieses Pfades bist, ändert die Sache nicht. Denke dir einmal, du wärst in Köln und stiegst in einen Eisenbahnwaggon. Der Zug setzt sich in Bewegung und ein Mitreisender fragt Dich: „Wohin, mein Freund?“ – Antwort: „Ich hoffe nach Düsseldorf.“ – „Wie, nach Düsseldorf?“ – ruft jener verwundert aus; – „das muss ein Irrtum sein, denn dieser Zug fährt nach Mainz.“ – „Ei, das will ich nicht hoffen“, – wendest du ein, – „denn sonst hätte man mich falsch berichtet; ich hoffe doch in Düsseldorf anzukommen.“ – „Nimmermehr“, – wendet der Fremde ein, – „Düsseldorf liegt hinter Ihnen; mit jeder Minute entfernen Sie sich mehr von diesem Ort und nähern sich in entgegengesetzter Richtung der Stadt Mainz. Ich rate Ihnen, an der nächsten Station auszusteigen.“ – Siehst du, lieber Leser, wenn du in verkehrter Richtung reisest, so wird die Sache dadurch nicht geändert, dass du über den Weg im Ungewissen bist; und darum ist es nötig, dass du dich vorher nach dem Weg genau erkundigst, ehe du die Reise antrittst. Und dennoch kannst du sorglos vorwärtsgehen, – unbekümmert um deine Ungewissheit in Betreff der Ewigkeit, ob du dich auf dem Weg des Lebens oder des Todes befindest. Ach! mit rascherer Eile, als dich die Kraft des Dampfes zu tragen vermag, stiegst du hin zum ewigen Heil oder zur ewigen Qual. Und fragt man dich: „Wohin, mein Freund?“ – so antwortest du mit Gleichgültigkeit: „Ich weiß es so recht nicht.“ – In diesem Fall aber ist es möglich, dass du, ohne es recht zu wissen, auf deinem Weg zu ewigem Verderben vorwärts eilst. – „Das hoffe ich nicht“, – wendest du ein. Aber wird diese Hoffnung die Sache ändern? Gehst du den Weg des Todes, so kann dies eitle Hoffen zwar dein Gewissen einschläfern, aber ist außer Stand, den Weg des Verderbens in den Weg des Lebens umzuwandeln. Und wärst du wirklich errettet und selig und auf dem Weg zum Himmel, wie viel besser würde es für deinen Frieden sein, dieses wahrhaftig zu wissen.
Wenn dein Gewissen in der Tat erwacht ist, wenn du in der Gegenwart Gottes die Bürde der Schuld und des Gerichts fühlst, womit du von Natur und wegen deiner Werke beladen bist, dann kannst du ohne Gewissheit, keine Ruhe, keinen Frieden haben. Und es wäre wirklich besser, dass der Friede, den du wirklich nie gekannt hast, Dir fremd bliebe, solange die, deine Zukunft betreffende Sache nicht geordnet ist. O gäbe doch der Herr, dass Deren viele wären, die da fühlten die Qual der Sünde und die Bürde der Schuld und des Gerichts! Gewiss, dann würde die Bekehrung, oder was man dafürhält, sich nicht so oft als eine Täuschung ausweisen, wie das leider in unseren Tagen häufig der Fall ist. –
Lieber Leser! Lass dich doch bewegen, nicht länger, in Betreff deiner Errettung, in Ungewissheit zu bleiben. Der Gedanke an die Ewigkeit ist zu ernst, als dass du es wagen konntest, ihr entgegen zu gehen mit der gebräuchlichen Ausrede: „Ich hoffe selig zu werden; ich denke auf dem Weg zum Himmel zu sein.“ – Nein; entweder haben wir Vergebung, oder wir haben sie nicht; entweder sind wir Kinder Gottes durch den Glauben an Christus Jesus, oder Kinder des Zorns, wie auch die Anderen. Die Möglichkeit ist für dich vorhanden, deinen Zustand mit Gewissheit zu erkennen. Ruhe nicht, bevor du ihn kennst. Stände dein Haus in Flammen und wärst du ungewiss, ob man des auflodernden Feuers Meister werde, gewiss, du würdest nicht Ruhe haben, als bis du des Erfolges gewiss wärst. – Brächte die Post dir einen Brief, der dich, bis ein zweiter käme, in Ungewissheit ließe, ob du dich dann erklären und mit Weib und Kindern den Bettelstab ergreifen müsstest, unmöglich würdest du in der Zwischenzeit Ruhe haben können. – Vernimmst du, dass ein Schiff, auf welchem dein Kind oder eine andere teure Person sich befand, untergegangen und nur ein geringer Teil der Mannschaft gerettet sei, ohne Zweifel würdest du unter der Folter der Ungewissheit die genauesten Erkundigungen einziehen. Was aber ist dieses alles im Vergleich zu dem, worüber du bist jetzt nicht Gewissheit gesucht hast. An Gott zu denken, ohne zu wissen, ob er dem Vater in Christus ist, – zum Himmel empor zu blicken, ohne zu wissen, ob dort ein Erbteil für dich bereit liegt, – auf die Hölle nieder zu schauen mit dem Bewusstsein, sie verdient zu haben, ohne zu wissen, dass du wirklich der Verdammnis entgegen gehst, – an die Ungewissheit des Lebens zu denken und an die Gewissheit, dass Christus bald als Richter in Macht und Herrlichkeit erscheinen wird, ohne zu wissen, ob Er dich bei seiner Ankunft annehmen oder auf ewig von seinem Angesicht und von der Herrlichkeit seiner Macht entfernen wird, – des Abends dich ruhig nieder zu legen, und nicht zu wissen, dass du vielleicht in der ewigen Verdammnis erwachen könntest, – sag, mein lieber Leser, wie ist es möglich?
O möchte doch jetzt noch der Gedanke an die Ewigkeit dein Gewissen so sehr beschweren, dass du keinen Augenblick mehr Ruhe hättest, solange du nicht weißt, ob du vom Tod zum Leben hinübergegangen bist! Wie glücklich würdest du sein, wenn auch du die Schriftstellen auf dich anwenden könntest, die wir bereits im ersten Teil betrachtet haben und von denen ich folgende in deine Erinnerung rufen möchte: „Gerechtfertigt also aus Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus.“ – „Wir wissen, dass, wenn unser irdisches Haus dieser Hütte zerstört wird, wir einen Bau von Gott haben, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist in den Himmeln.“ – „Geliebte! Jetzt sind wir Gottes Kinder, und es ist noch nicht offenbart worden, was wir sein werden; wir wissen aber, dass, wenn Er offenbart ist, wir Ihm gleich sein werden, denn wir werden Ihn sehen, wie Er ist.“
Siehe, mein Freund! Welch eine Gewissheit genossen jene Christen! Nur das Evangelium vermag sie zu geben. O möchte doch ein jeder, der diese Zeilen liest, nicht eher ruhen, als bis er der Errettung seiner Seele gewiss ist! Gott gebe dieses um Jesu willen!