Botschafter des Heils in Christo 1856

Gedanken über Hebräer 11,1-10

Die Hebräer hatten am Anfang ihres Weges einen großen Kampf der Leiden ausgehalten. In dem Bewusstsein, dass für sie eine bessere und bleibende Habe im Himmel liege, hatten sie Vieles erduldet und selbst den Raub ihrer Güter mit Freuden aufgenommen (Heb 10,3239). Jedoch sehen wir in Hebräer 12,4.5, dass der Apostel ihnen zurufen muss: „Ihr habt noch nicht, gegen die Sünde ankämpfend, bis aufs Blut widerstanden und habt die Ermahnung vergessen, die zu euch als zu Söhnen spricht: Mein Sohn, achte nicht gering des Herrn Züchtigung, noch ermatte, wenn du von ihm gestraft wirst“.

Gott selbst ist es, der unsere Füße auf den Weg des Friedens stellt, und Er ist es auch, der uns auf diesem Weg leitet. Überall, wo wir es brauchen, begegnen wir seiner väterlichen Züchtigung, welche uns seine Liebe und Heiligkeit offenbart. Der Beweggrund aller seiner Züchtigungen ist die Liebe und der Zweck ist die Erlangung seiner Heiligkeit (Heb 12,9.10). Der Vater ist stets um das Glück seiner Kinder bemüht.

Der Brief an die Hebräer zeigt uns unter anderem, dass zwei Dinge zu unserer Errettung und Erlangung der Verheißung nötig sind: zu glauben, und im Glauben auszuharren. Die Hebräer hatten geglaubt, aber der Heilige Geist muss ihnen zurufen: „Denn ihr habt Ausharren nötig, damit ihr, nachdem ihr den Willen Gottes getan habt, die Verheißung davontragt“ (Heb 10,36).

Auf dem Weg des Glaubens gibt es Schwierigkeiten und Kämpfe. Nur durch Glauben können wir auf diesen Weg gelangen. Nur durch Ausharren im Glauben können wir das Ziel erreichen. Jede Last und alle Sünde ist ein Hindernis auf diesem Weg. Das veranlasst den Apostel, die Hebräer auf eine ebenso ernste wie auch liebevolle Weise zu ermahnen, indem er sagt: „Deshalb nun, da wir eine so große Wolke von Zeugen um uns haben, lasst auch uns, indem wir jede Bürde und die leicht umstrickende Sünde ablegen, mit Ausharren laufen den vor uns liegenden Wettlauf, hinschauend auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens, der, die Schande nicht achtend, für die vor ihm liegende Freude das Kreuz erduldete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes“ (Heb 12,1.2).

Der Apostel stellt den Hebräern, die auf dem Weg durch die Wüste ermattet waren, eine Wolke von Zeugen vor, die geglaubt und im Glauben ausgeharrt haben. Diese verstanden den Zweck ihres Pilgerlaufs, und haben einen guten Kampf gekämpft. Sie haben den Wettlauf vollendet, sie haben den Glauben bewahrt; fortan liegt ihnen die Krone der Gerechtigkeit bereit. Sowohl das treue und gläubige Ausharren dieser Zeugen als auch die ernste Züchtigung des liebenden und besorgten Vaters konnten allein ein Mittel sein, die ermatteten Hände und die erschlafften Knie der Hebräer wieder aufzurichten.

Doch auch für uns steht diese, ja sogar eine noch weit größere Wolke von Zeugen, da, weil wir uns in demselben Wettlauf befinden. Auch für uns ist der Weg des Glaubens ein Weg voller Schwierigkeiten und Kämpfe. Auch wir brauchen Ausharren, um die Verheißungen zu erlangen, denn auch uns „ist es in Blick auf Christus geschenkt worden, nicht allein zu glauben, sondern auch für ihn zu leiden“ (Phil 1,29).

Es ist nötig, den Zweck des Kampfs und unseres Ausharrens in dieser Wüste richtig zu verstehen. Der Zweck ist ein doppelter. Im Brief an die Hebräer wird uns das Ausharren in den Versuchungen und Schwierigkeiten als eine Notwendigkeit zur Errettung unserer Seelen und zur Erlangung der Verheißungen vorgestellt. „Lasst uns nun Fleiß anwenden, in jene Ruhe einzugehen, damit nicht jemand nach demselben Beispiel des Ungehorsams falle“ (Heb 4,11).

Dieser Brief stellt uns den ganzen Ernst des Ausharrens vor die Seele und zeigt uns, wie schrecklich es ist, wenn wir zurückweichen. „Der Gerechte aber wird aus Glauben leben; und: Wenn jemand sich zurückzieht, so hat meine Seele kein Wohlgefallen an ihm“ (Heb 10,38). Das Ausharren im Leiden und im Kampf des Glaubens hat aber auch die Verherrlichung Gottes und des Herrn zum Ziel, denn das ist es, was unsere Herzen auf dem Weg des Glaubens auch in den schwierigsten Lagen mit Freude und Geduld erfüllt. Gott hat seine Kinder beauftragt, für seinen Namen zu leiden und auszuharren. Er will seinen Namen an ihnen verherrlichen. Er will seine Langmut, Treue, Macht und Liebe an ihnen offenbaren. „Haltet es für lauter Freude, meine Brüder, wenn ihr in mancherlei Prüfungen fallt, da ihr wisst, dass die Bewährung eures Glaubens Ausharren bewirkt. Das Ausharren aber habe ein vollkommenes Werk, damit ihr vollkommen und vollendet seid und in nichts Mangel habt“ (Jak 1,2–4). Überall finden wir, dass die Liebe Gottes für uns tätig ist. Denn „wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken, denen, die nach Vorsatz berufen sind“ (Röm 8,28). Stets finden wir reichlich Ursache, seinen Namen zu preisen.

Petrus sagt: „Denn dies ist wohlgefällig, wenn jemand um des Gewissens vor Gott willen Beschwerden erträgt, indem er zu Unrecht leidet. Aber wenn ihr ausharrt, indem ihr Gutes tut und leidet, das ist wohlgefällig bei Gott“ (1. Pet 2,19.20). Wenn wir in den Leiden um seines Namens willen geduldig ausharren, ist das wohlgefällig vor Gott, denn dadurch wird er durch uns verherrlicht. „Deshalb bitte ich, nicht mutlos zu werden durch meine Drangsale für euch, die eure Ehre sind“ (Eph 3,13). Nichts kann uns von der Liebe des Christus scheiden (Röm 8,35), sondern vielmehr finden wir sie in allen Schwierigkeiten.

Es ist köstlich für uns, wenn wir verstehen, dass wir hier auf der Erde von Gott selbst beauftragt sind, in den Umständen zu leiden, darin zu vertrauen, zu kämpfen und auszuharren. Das offenbart unsere Gemeinschaft mit dem Herrn Jesus und charakterisiert uns als die Träger seines köstlichen Evangeliums. Welch ein Vorrecht für uns, selbst in solchen Umständen Gott zu preisen und zu verherrlichen, worin die Welt nur jammert und wehklagt, seiner Liebe besonders da zu begegnen, wo die Welt nur Kummer und Herzeleid sucht.

In unserem Leben hier auf der Erde ist die Verherrlichung des Namens Gottes das Wichtigste und Wertvollste. Je mehr dies in unserer ganzen Gesinnung in den Vordergrund tritt, desto mehr treten wir selbst zurück. So viel wir unsere eigene Verherrlichung noch im Auge haben, ebenso wenig wird auch der Herr durch uns verherrlicht. Allerlei Wünsche und Unzufriedenheiten beunruhigen das Herz, wo man an sich denkt.

Werfen wir hier einen Blick auf Paulus. Er war im Gefängnis zu Rom und hatte bereits vier Jahre als Gefangener zugebracht. Wie viele Fragen hätten sein armes Herz erfüllen müssen, wenn er an sich gedacht oder seine Lage untersucht hätte. Er aber kannte und verstand den wahren Zweck seines Lebens. Er wusste, dass es nur um die Verherrlichung Gottes ging. Darum dachte er nicht an sich und untersuchte auch nicht seine Lage, sondern freute sich nur, dass der Name Christi an seinem Leib erhoben wurde, sei es durch Leben oder durch Tod (Phil 1,20). Er schreibt den Philippern: „Ich will aber, dass ihr wisst, Brüder, dass meine Umstände mehr zur Förderung des Evangeliums geraten sind, so dass meine Fesseln in Christus offenbar geworden sind in dem ganzen Prätorium und allen anderen, und dass die meisten der Brüder, indem sie im Herrn Vertrauen gewonnen haben durch meine Fesseln, viel mehr sich erkühnen, das Wort [Gottes] zu reden ohne Furcht. Einige zwar predigen den Christus auch aus Neid und Streit, einige aber auch aus gutem Willen; diese aus Liebe, da sie wissen, dass ich zur Verteidigung des Evangeliums gesetzt bin; jene verkündigen den Christus aus Streitsucht, nicht lauter, wobei sie meinen Fesseln Trübsal zu erwecken gedenken“ (Phil 1,12–19). Warum schilderte er nicht seine traurige Lage? Weil es ihm nicht um seine Ehre sondern um die Verherrlichung Christi ging. Warum beklagte er sich nicht über sein Getrenntsein von den Versammlungen, und über die Störung in seinem Aposteldienst? Weil er überzeugt war, dass der Herr sich auf diesem Weg an ihm verherrlichen wollte, und seine Verherrlichung allein wünschte er. Welch einer völligen Hingabe und welch einer tiefen Kenntnis über die Wege Gottes begegnen wir in ihm!

Jetzt möchte ich einen Augenblick unsere Aufmerksamkeit auf einige Verse des oben angeführten Kapitels richten. In diesem ganzen Kapitel wird uns das Wesen und die Macht des Glaubens dargestellt. Wir finden darin sowohl den Weg des Glaubens, als auch das Ziel des Glaubens. Der Wandel des Christen ist der Wandel im Glauben, und das Ende des Glaubens ist die Seligkeit der Seele. Diese Seligkeit liegt vor uns und der Weg des Glaubens führt uns dorthin.

„Der Glaube aber ist eine Verwirklichung dessen, was man hofft, eine Überzeugung von Dingen, die man nicht sieht“ (11,1).

Diese einfache aber tiefe Wahrheit zeigt uns das einzige Mittel, um auf dem Weg des Glaubens zu stehen und bis ans Ende zu wandeln. Ohne Glauben ist es unmöglich, durch alle Schwierigkeiten und Hindernisse hindurchzugehen. Ohne Glauben ist es auch unmöglich, vor den Anläufen des Satans in dieser Wüste zu stehen. Der Glaube verwirklicht das, was unsere Hoffnung belebt, und gibt uns Mut in derselben auszuharren. Die Erwartung einer besseren und bleibenden Besitzes war es, wofür die Hebräer alles erlitten und erduldet haben, und sie haben den Raub ihrer irdischen Güter mit Freuden erduldetet (Heb 10,34). Unsere Hoffnung ist, den Herrn zu sehen, immer bei ihm zu bleiben, und in seiner Gemeinschaft ein unverwesliches, unbeflecktes und unverwelkliches Erbteil zu genießen (1. Pet 1,4). Wenn diese Hoffnung nicht nur eine Lehre ist, die wir anerkennen, sondern eine Tatsache, die unser Herz unbeweglich festhält, so schlagen wir dafür die irdischen Dinge aus, wir verleugnen die Gemeinschaft und die Freuden der Welt und harren in den vielfachen Trübsalen aus. Der Glaube aber ist es, der diese Hoffnung jetzt schon in uns belebt und verwirklicht. Durch den Glauben leben wir in der Gegenwart Gottes, genießen die Gemeinschaft des Vaters und des Sohnes, und rühmen uns in der Hoffnung der Herrlichkeit Gottes. „Der Glaube aber ist eine Verwirklichung dessen, was man hofft, eine Überzeugung von Dingen, die man nicht sieht“. Wir leben durch den Glauben auf der Erde gleichsam wie im Himmel. Wir sind glücklich, jetzt schon von den Dingen genießen zu können, die wir noch nicht besitzen, und frei von den Dingen zu leben, die uns umgeben, als solche, die nichts haben, und doch alles haben.

Der Glaube ist aber auch die Überzeugung von Dingen, die man nicht sieht. Von den sichtbaren Dingen sind wir überzeugt und bedürfen dazu keinen Glauben. Die Dinge aber, die im Himmel sind, sind unsichtbar und müssen geglaubt werden. Durch den Glauben aber sind wir eben so sehr von diesen unsichtbaren Dingen überzeugt wie von den sichtbaren. Fehlte diese Überzeugung oder Gewissheit, wie könnten wir uns über diese unsichtbaren Dinge völlig freuen, und wie könnten wir mit solcher Entschiedenheit die sichtbaren Dinge für sie ausschlagen? Wie könnten wir mit Ausharren leiden und kämpfen, wenn wir nicht von dem, was man nicht sieht, ebenso fest überzeugt wären, wie von dem, was man sieht? Der Glaube ist sozusagen das Schauen des Verborgenen, und gibt über das Nichtgeschehene dieselbe Gewissheit, wie wir sie auch über das Sichtbare haben. Der Unglaube aber versteht nichts von dieser Gewissheit, darum lebt er nur nach dem, was irdisch ist.

„Denn durch diesen (Glauben) haben die Alten Zeugnis erlangt“ (11,2).

Dieses Zeugnis empfingen sie von Gott selbst. Er bezeugte ihnen, dass Er Wohlgefallen an ihnen habe. Gott offenbart sich dem Glauben, und wir verwirklichen durch denselben unsere Gemeinschaft mit Ihm. Das Zeugnis, das die Alten durch den Glauben erlangten, ist für uns zum Trost und zur Ermunterung aufbewahrt. „Denn alles, was zuvor geschrieben worden ist, ist zu unserer Belehrung geschrieben, damit wir durch das Ausharren und durch die Ermunterung der Schriften die Hoffnung haben“ (Röm 15, 4). Diese Zeugnisse fordern uns auch auf, zu glauben und im Glauben auszuharren, damit auch wir durch den Glauben ein Zeugnis von Gott erlangen.

„Durch Glauben verstehen wir, dass die Welten durch Gottes Wort bereitet worden sind, so dass das, was man sieht, nicht aus Erscheinendem geworden ist“ (11,3).

Wir verstehen durch den Glauben, dass Gott der Schöpfer der Welten, dass Er der Allmächtige ist. Durch sein Wort bereitete Er das Seiende aus dem Nichtseienden, durch sein allmächtiges Wort entstanden die Welten. Der Glaube kennt und besitzt den Gott, der allmächtig ist, der das Nichtseiende ruft, wie wenn es da wäre. Wie tröstlich für uns, Ihn auf dem Weg durch diese Wüste zu kennen und zu besitzen. Für Ihn, den Allmächtigen, gibt es auf diesem Weg keine Schwierigkeiten und Hindernisse, und ebenso wenig für den Glaubenden, der mit Ihm, dem Allmächtigen, wandelt. Wie unmöglich wäre es aber, diese Schwierigkeiten zu überwinden, vor der List und Bosheit der sichtbaren und unsichtbaren Feinde siegreich zu stehen, wenn wir nicht im Glauben mit dem Gott wandelten, der allmächtig ist. So offenbarte Er sich dem Abraham, der sich als Fremdling im Land der Verheißung inmitten der Feinde aufhielt. „Ich bin Gott, der Allmächtige; wandle vor meinem Angesicht und sei vollkommen“ (1. Mo 17,1).

Auch wir sind durch den Glauben im Land der Verheißung im Himmel, inmitten der geistlichen Mächte der Bosheit in den himmlischen Örtern (Eph 6,12), und sind dennoch zuversichtlich, weil Gott, der Allmächtige, mit uns ist. Die Unruhe und Besorgnis des Herzens auf dem Weg durch die Wüste, hat immer ihren Grund in der Mangelhaftigkeit des Glaubens. Der Unglaube sieht die Schwierigkeiten und Hindernisse, und ist mit ihnen beschäftigt, weil er nicht den allmächtigen Gott hat. Ist aber der Glaube wirksam, so beschäftigen wir uns nicht mit den Hindernissen und der Macht der Feinde, noch mit unserer Ohnmacht, weil dieses nur schwächt, sondern mit Gott dem Allmächtigen. Wir gehen getrost durch Alles hindurch. Wir harren aus in jeder Trübsal, indem wir ausharren im Glauben, denn für den Glauben gibt es, wie schon erwähnt, ebenso wenig unüberwindliche Schwierigkeiten und Feinde wie für Gott, den Allmächtigen, selbst. Wie ruhig und sicher lässt uns diese Gewissheit den Weg des Glaubens gehen! Wir gehen voll Mut und Vertrauen durch alle Schwierigkeiten hindurch. Wir halten die vielfältigen Versuchungen aus, weil wir durch den Glauben Gott, den Allmächtigen, schauen, der uns stets voran geht und durch Alles hindurchführt.

„Durch Glauben brachte Abel Gott ein vorzüglicheres Opfer dar als Kain, durch das er Zeugnis erlangte, dass er gerecht war, wobei Gott Zeugnis gab zu seinen Gaben; und durch diesen redet er noch, obgleich er gestorben ist“ (11,4).

In Abel finden wir die Wirksamkeit des Glaubens. Er bringt aus den Erstlingen seiner Herde Gott ein Opfer dar. Er setzte den Tod eines andern zwischen sich und Gott, weil er das Gericht der Sünde anerkannte, und an die Versöhnung glaubte. Gott sah mit Wohlgefallen auf Abel und sein Opfer, und gab ihm Zeugnis, dass er gerecht war, und gab auch Zeugnis zu seinen Gaben. Der Glaube opferte, und Gott bekannte sich sowohl zu den Opfernden, als auch zu dem Opfer. Wir finden auch Kain beschäftigt, ein Opfer darzubringen, auch er ist ein Anbeter Gottes, aber nur äußerlich, ein Anbeter ohne Glauben. Er hat nicht das Bewusstsein der Sünde. Er bringt dem Herrn ein Opfer von den Früchten des Landes, und denkt nicht daran, dass diese dem Fluch unterworfen sind. Er erkennt weder die Sünde noch deren Gericht. Sein Herz ist völlig verblendet und sein Gewissen verhärtet. Er opfert, was ihm gefällt, und damit soll auch Gott zufrieden sein. Er kennt Gott nicht, und darum zweifelt er auch nicht an seiner Annahme bei Gott. Doch Gottes wohlgefälliger Blick ruht weder auf ihm, noch auf seinem Opfer. Die Gnade Gottes ist dem Kain unerträglich. In seinem Herzen wohnen Lüge, Hass und Mord. Er ist ein sehr deutliches Vorbild der Juden. Er sündigte an seinem Bruder, weil er sowohl die Gnade, als auch deren Gegenstand hasste, wie jene an dem Herrn Jesus sündigten, der unter uns wohnte voller Gnade und Wahrheit (Joh 1,14).

In Abel aber und seinem Opfer haben wir ein Vorbild auf den Herrn Jesus. Dieser ist das Opferlamm für uns. Er hat sich selbst für uns als Darbringung und Schlachtopfer Gott zu einem duftenden Wohlgeruch hingegeben (Eph 5,2). In seinem Tod haben wir das Gericht über die Sünde und unsere Versöhnung. Aber auch hier ist die Wirksamkeit des Glaubens nötig, denn nur den Glaubenden kann zugerufen werden: „Da wir nun, Brüder, Freimütigkeit haben zum Eintritt in das Heiligtum durch das Blut Jesu, auf dem neuen und lebendigen Weg, den er uns eingeweiht hat durch den Vorhang hin, das ist sein Fleisch, und einen großen Priester haben über das Haus Gottes, so lasst uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen, in voller Gewissheit des Glaubens, die Herzen besprengt und so gereinigt vom bösen Gewissen und den Leib gewaschen mit reinem Wasser“ (Heb 10,19–22). Der Glaube bringt nur dieses Opfer zwischen Gott und uns, und wir wissen, dass wir völlig versöhnt und gerechtfertigt sind. Die Auferstehung Jesu Christi ist das Zeugnis von seiner Opfergabe und unserer Rechtfertigung. Er, „der unserer Übertretungen wegen hingegeben und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden ist. Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus“ (Röm 4,25; 5,1). In seinem Tod haben wir die Versöhnung und die Rechtfertigung, und in seiner Auferweckung das völlige Zeugnis davon.

Gott redet durch Abel in einem Bild zu uns, obgleich er gestorben ist. In Wirklichkeit aber redet Er zu uns durch Christus, der gestorben und auferstanden ist. Wir genießen jetzt durch den Glauben von der Darbringung und dem Opfer seiner selbst. Wir nahen in Ihm unserm Gott als Versöhnte und Gerechtfertigte und haben den Heiligen Geist empfangen, den Geist der Sohnschaft, der ein lebendiger Zeuge unserer Sohnschaft und unsers Erbteils mit unserem Herrn Jesus Christus ist. Solange wir den Opfertod des Herrn Jesus nicht zwischen Gott und uns durch den Glauben haben, solange stehen wir auch in keiner Gemeinschaft mit Ihm. Durch Christus redet Gott zu uns. Er war in Christus, und hat uns mit sich selbst versöhnt (2. Kor 5,18). Sein Opferblut ist stets vor Ihm im himmlischen Heiligtum, und durch dieses Blut ist Er es selbst, der uns rechtfertigt. Wir nahen im Glauben, gestützt auf dieses Opfer, und sind stets angenehm und wohlgefällig vor Ihm. Wir sind gereinigt vom bösen Gewissen, wenn wir durch den Glauben den Wert dieses Opfers vor Gott erkannt und verstanden haben. Durch den Glauben sind wir in der Kraft des Blutes Christi immer als die gereinigten Anbeter im Heiligtum vor Gott, und unser Dienst ist wohlgefällig vor Ihm. Der Glaube allein gibt uns wahrhaft Freimütigkeit, stets durch das Opfer Christi Gott zu nahen, ohne ein Bewusstsein von Sünden zu haben.

„Durch Glauben wurde Henoch entrückt, damit er den Tod nicht sehe, und er wurde nicht gefunden, weil Gott ihn entrückt hatte; denn vor der Entrückung hat er das Zeugnis gehabt, dass er Gott wohlgefallen habe“ (11,5).

Durch den Glauben erkennen wir Gott als den Allmächtigen, als den Schöpfer der Welten. Durch den Glauben verstehen wir in Christus Jesus unsere Versöhnung und Rechtfertigung, und durch den Glauben wissen wir, dass die Versammlung so wie Henoch entrückt wird. Henoch lebte zwar in dieser Welt, aber er lebte im Glauben mit Gott. Durch diesen Glauben ging er selbst an dem Tod vorüber. Er wurde von Gott entrückt und auf dieser Erde nicht mehr gefunden. Doch vorher hat er von ihm das Zeugnis seines Wohlgefallens erlangt.

Er ist ein treues Vorbild der Versammlung. Auch diese ist noch in der Wüste, umgeben von mancherlei Versuchungen, aber inmitten dieser Versuchungen lebt sie mit Gott. Dies ist wenigstens ihre Stellung nach den Gedanken Gottes, und wie gesegnet ist es, wenn sie diese Gedanken verwirklicht. Sie sieht um sich her das Nichtige und Vergängliche, aber sie weiß, dass dies nicht ihr Teil ist. Hier unten ist nicht ihre Heimat, sondern nur eine Wüste, wo sie fremd und nicht gekannt ist. Ihre Heimat ist himmlisch, wo sie mit Christus die himmlische Herrlichkeit genießen wird. Wenn sie auch weiß, dass es dem Menschen gesetzt ist, einmal zu sterben, so erwartet sie durch den Glauben dennoch nicht den Tod, sondern ihre Entrückung in die himmlische Herrlichkeit. Sie erwartet nicht, entkleidet, sondern überkleidet zu werden (2. Kor 5,4). Gott wird sie durch Christus von der Erde hinweg nehmen, und sie wird auf dieser Erde nicht mehr gefunden werden, denn ihre Berufung ist himmlisch. Der Geist Gottes in ihrer Mitte bezeugt ihr, dass Gott Wohlgefallen an ihr hat. Er nennt ihre Glieder: Auserwählte, Heilige und Geliebte Gottes. Und wenn sie mit Christus in Herrlichkeit erscheint, so wird auch die Welt erkennen, dass sie vom Vater geliebt ist, wie Er selbst. Die Versammlung selbst versteht jetzt schon, dass sie mit Christus, ihrem verherrlichten Haupt im Himmel, eins ist, wenigstens sollte sie es verstehen und durch den Glauben dieser Berufung gemäß leben. Gott liebt seine Versammlung selbst in allen ihren Mängeln und Gebrechen. Er ist immer treu. Seinen Ratschluss kann niemand verhindern. Dies ist ein großer Trost für die Seinigen in jeder Zeit und Lage. Er wird den Herrn Jesus senden und wir werden Ihm entgegengerückt werden und in der himmlischen Herrlichkeit allezeit bei Ihm sein (1. Thes 4,17). „Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden zwar nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden“ (1. Kor 15,51).

„Ohne Glauben aber ist es unmöglich, ihm wohlzugefallen; denn wer Gott naht, muss glauben, dass er ist und denen, die ihn suchen, ein Belohner ist“ (11,6).

„Wir wandeln durch Glauben, nicht durch Schauen“ (2. Kor 5,7). Solange wir auf dieser Erde sind, kann sich Gott nur dem Glaubenden offenbaren. Nur an diesem hat Er sein Wohlgefallen. Wer zu Ihm naht, muss von seiner Gegenwart und von seiner Gnade durch den Glauben überzeugt sein. Seine Gegenwart richtet, Seine Gnade vergibt, und Er belohnt die, die Ihn suchen. Wer Ihm naht, ohne die Überzeugung seiner Gegenwart, wer Ihn sucht ohne die Gewissheit seiner Belohnung, d. h. eine Gewissheit durch den Glauben, der ist nicht angenehm vor Ihm. „Ohne Glauben ist es unmöglich, Ihm wohlzugefallen.“

Der glaubende Abel hatte das Zeugnis von Gott, dass er gerecht war. Durch Gesetzeswerke aber wird kein Fleisch gerechtfertigt (vgl. Röm 3,20.28; Gal 3,28). Selbst Israel hat die Gerechtigkeit Gottes nicht erlangt. Der Glaube aber besitzt sie. Israel ist verworfen, weil es dem Zeugnis Gottes nicht glaubte und den Messias nicht annahm. Durch Unglauben ist Israel gefallen und kann nur durch den Glauben, und zwar auf Grund seiner unumschränkten Gnade, wieder aufgerichtet werden. Dieses Volk ist nicht für immer verstoßen, „denn die Gnadengaben und die Berufung Gottes sind unbereubar“ (Röm 11,29). Doch wird es zukünftig durch viele und schwere Gerichte hindurchgehen und geläutert werden, jedoch wird nur ein Überrest errettet werden (vgl. Röm 9,27). In dem folgenden Vers finden wir in Noah, der durch die Gerichte, durch die Wasser der Sintflut, hindurchging und errettet wurde, ein Vorbild auf diesen Überrest. Henoch wurde vor den Gerichten hinweg gerückt, weil er mit Gott wandelte und er wurde nicht mehr gefunden. Noah geht durch die Gerichte und bleibt bewahrt. Ebenso wird die Versammlung vor den Gerichten hinweg genommen, weil sie durch den Glauben mit Gott wandelt, und an der himmlischen Berufung Teil hat. Israel aber geht durch die Gerichte und wird geläutert. Der Überrest wird errettet werden.

„Durch Glauben bereitete Noah, als er einen göttlichen Ausspruch über das, was noch nicht zu sehen war, empfangen hatte, von Furcht bewegt, eine Arche zur Rettung seines Hauses, durch die er die Welt verurteilte und Erbe der Gerechtigkeit wurde, die nach dem Glauben ist“ (11,7).

Noah glaubte dem Ausspruch Gottes, obgleich er noch nichts von dessen Erfüllung sah. Er war aber durch den Glauben so fest von der Erfüllung dieses Ausspruchs überzeugt, dass er, von Furcht bewegt, eine Arche zur Rettung seines Hauses baute. Der Glaube gibt uns immer eine völlige Überzeugung von dem, was Gott geredet hat. Als alles Fleisch auf der Erde seinen Wandel verderbte und im Unglauben verharrte, da wandelte Noah im Glauben mit Gott. Der Glaube bewahrt das Wort Gottes inmitten einer verderbten und ungläubigen Welt. Noah war ein Prediger der Gerechtigkeit und des Gerichts, und wurde selbst errettet. „Er fand Gnade in den Augen des Herrn“ (1. Mo 6,8.9) und ererbte die Gerechtigkeit nach dem Glauben. Er verurteilte die Welt durch Wort und Tat. Sein Glaube, durch den er die Arche baute, war ein entschiedenes Zeugnis gegen die Ungläubigen. Wenn wir den Weg des Glaubens gehen, so stehen wir immer im Gegensatz zu der ungläubigen Welt. Diese wird durch den Glauben und seine Werke stets verurteilt.

So sehr nun auch jeder Gläubige hier Grundsätze findet, nach welchen auch er nur Gott wohlgefällig und als ein Zeugnis durch diese Welt gehen kann, so findet doch, wie schon bemerkt, die Geschichte Noahs in dem Überrest Israels seine vornehmste Anwendung. Dieser Überrest ist ein Zeuge der Gerechtigkeit und des Gerichts Gottes, und wird, wenn auch durch viele Drangsale gehend, dennoch bewahrt bleiben. Gott selbst hat ihm eine Arche, eine Zufluchtsstätte in der Wüste bereitet, bis die Tage des Zorns vorüber sind (Sach 14,3–11; Off 12,14). Dann wird auch Israel eine Ernte der Gerechtigkeit sein, nicht der Gerechtigkeit nach dem Gesetz, sondern nach dem Glauben. Alle seine Übertretungen und Vergehungen werden dann vergeben sein.

„Durch Glauben war Abraham, als er gerufen wurde, gehorsam, auszuziehen an den Ort, den er zum Erbteil empfangen sollte; und er zog aus, ohne zu wissen, wohin er komme. Durch Glauben hielt er sich in dem Land der Verheißung auf wie in einem fremden und wohnte in Zelten mit Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheißung; denn er erwartete die Stadt, die Grundlagen hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist“ (11,8–10).

Abraham wurde berufen, seine Familie, die dem Götzendienst ergeben war, zu verlassen, und in ein Land zu ziehen, das ihm selbst noch unbekannt war. Er glaubte und gehorchte. Wenn Gott gesprochen hat, so ist der Glaubende dem Wort gehorsam. Er folgt, ohne zu wissen wohin. Gott aber teilt sich dem Glauben mit und erweckt Vertrauen in den Herzen. So zieht Er diese zu sich. Für den Glauben ist auch das geschriebene Wort von derselben Autorität, als wenn Gott persönlich mit uns redete. Er will, dass wir das Wort als von Ihm selbst annehmen. Abraham wusste nicht, wohin er kam, aber Gott hatte ihm gesagt, er solle ausgehen, und das war für ihn genug. Obgleich nun Gott den Abraham in Kanaan eingeführt hatte, so durfte er doch nichts von diesem Lande besitzen. „Und die Kanaaniter und die Perisiter wohnten damals im Land“ (1. Mo 13,7). Er brauchte Glauben und Ausharren, um die Verheißungen zu erlangen. Ebenso ist es mit der Versammlung, während sie in der Wüste ist. Durch den Glauben ist sie im Land der Verheißung, in dem himmlischen Kanaan droben1. Aber sie findet dort die geistlichen Mächte der Bosheit. Auf der Erde ist sie ungekannt, ein Fremdling und Pilger.

Abraham lebte im Lande der Verheißung, inmitten der Feinde, aber in der Gewissheit, dass ihm das Land verheißen war. Es ist etwas Hartes für das Fleisch, alles zu verlassen und nichts in dieser Welt zu finden. Es erfordert einen ernsten Kampf des Glaubens, alles zu verleugnen, und stets zu hoffen und zu warten. Gehen wir aus Ägypten, d. h. aus der Welt, so finden wir eine Wüste. Der Glaube aber hat die Verheißungen Gottes, und kennt seine Gedanken. Dafür gibt er Alles hin, was sichtbar ist. Die Berufung und die Erlösung machen uns auf der Erde nur zu einem Fremdling, selbst im Land der Verheißung, bis zur Ausführung des Gerichts. Abraham wohnte mit Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheißung in Zelten, zum Zeugnis, dass sie nur Durchreisende oder Fremdlinge waren. Aber er durfte durch den Glauben die Stadt sehen, die Grundlagen hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist. Auf diese Stadt wartete er.

Sobald wir aus der Welt und ihrem Dienst ausgegangen sind, sobald wir uns von den Dingen, die unser Herz fesselten, getrennt haben, nimmt uns Gott an. Der Glaube findet ihn überall. Er erscheint oft dem treuen Abraham, als er noch im Land der Verheißung ein Fremdling war, und unterhält sich mit ihm über die Erfüllung der Verheißungen. Zunächst offenbart Gott sich uns, um uns zu sich zu ziehen, und um uns von dieser Welt abzusondern. Dann aber lässt Er uns die Offenbarungen seiner selbst in dem Segen seiner Gemeinschaft genießen. Der Herr lehre uns, dass wir schon jetzt durch den Glauben die geistlichen Segnungen in den himmlischen Örtern genießen (vgl. Eph 1,3) und warten, bis uns der Herr Jesus in die himmlische Herrlichkeit einführt. „Denn unser Bürgertum2 ist in den Himmeln, von woher wir auch den Herrn Jesus Christus als Heiland erwarten, der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichförmigkeit mit seinem Leib der Herrlichkeit, nach der wirksamen Kraft, mit der er vermag, auch alle Dinge sich zu unterwerfen“ (Phil 3,20.21).

Fußnoten

  • 1 Kanaan ist ein Bild der himmlischen Örter, in die wir schon jetzt versetzt sind, aber es ist kein Bild vom Himmel, wie wir ihn als ewige Heimat erwarten.
  • 2 In der bei der Abfassung der Botschafter verwendeten Übersetzung stand hier „Wandel“, was einen etwas anderen Gedanken nahelegt: wir leben sozusagen jetzt schon im Himmel und erwarten von dort auch die Erlösung unseres irdischen Körpers.
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