Botschafter des Heils in Christo 1887
"Denn drei sind, die da zeugen."
Gott allein kann die Leiden Christi in ihrer ganzen Motze verstehen und nach ihrem vollen Werte schätzen. Sicher ist der Tod seines viel geliebten Sohnes teuer in seinen Augen. Aber gerade deshalb hat auch die durch denselben vollbrachte Versöhnung einen so unendlichen Wert vor Ihm. Nicht allein ist durch den Versöhnungstod Christi die Gerechtigkeit Gottes betreffs unserer Sünden vollkommen befriedigt, sondern auch seine Heiligkeit und Majestät sind in der erhabensten Weise ans Licht gestellt und verherrlicht worden. Zugleich ist durch denselben seine Liebe für den verlorenen Sünder offenbart und diesem zugänglich gemacht worden. „Hierin ist die Liebe Gottes zu uns offenbart worden, dass Gott seinen eingeborenen Sohn gesandt hat in die Welt, auf dass wir durch Ihn leben möchten. Hierin ist die Liebe: nicht, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass Er uns geliebt und seinen Sohn gesandt hat als eine Sühnung für unsere Sünden“ (1. Joh 4,9–10). Wir kennen jetzt Gott als den, der in einer Weise für uns ist, dass Er selbst „Seines eignen Sohnes nicht geschont, sondern Ihn für uns alle hingegeben hat“ (Röm 8,31–32). Wir nahen Ihm auf Grund eines Werkes, durch welches Er aufs Höchste verherrlicht worden ist, und wir sind vor Ihn gestellt entsprechend dem vollen Werte dieses Werkes. Deshalb können wir den Wert des Todes Christi und die durch denselben vollbrachte Versöhnung nie zu hochschätzen. Er wird die ganze Ewigkeit hindurch den Gegenstand unserer Unterhaltungen, sowie den Beweggrund unseres Lobes und unserer Anbetung bilden. Wo wäre die Liebe Gottes, wenn Er nur nach seiner Gerechtigkeit mit uns gehandelt hätte, wie wir es verdient haben? Und wo wäre wiederum seine Gerechtigkeit, wenn Er nur nach seiner Liebe mit uns handeln wollte? Wer vermochte hier einen Ausweg zu finden, der sowohl der Gerechtigkeit als auch der Liebe Gottes zugleich vollkommen entsprochen hätte? Ach, so wie „niemand in dem Himmel, noch auf der Erde, noch unter der Erde“ das versiegelte Buch in der Rechten dessen, der auf dem Thron saß, zu öffnen noch es anzublicken vermochte, so war auch niemand in dem ganzen Weltall fähig, auch nur mit einem Finger an dieses große Werk der Versöhnung zu rühren. „Keineswegs vermag ein Mensch seinen Bruder zu erlösen, noch kann er Gott sein Lösegeld geben, (denn kostbar ist die Erlösung ihrer Seele, und er muss davon abstehen auf ewig.“) (Ps 49,7–8) Wer hätte inmitten der Wogen des göttlichen Gerichts stehen können, ohne von denselben für immer verschlungen zu werden? Wer hätte auch um ihren Anblick zu ertragen vermocht? Wer hätte den Kampf mit der Macht der Finsternis aufnehmen können, was doch nur eine Sache von untergeordneter Bedeutung war gegenüber den Schrecken des göttlichen Gerichts? Und dennoch, welch ein Kampf war dieses! „Lege deine Hand an ihn, gedenke des Kampfes; du tust es nicht wieder. Siehe, seine Hoffnung ist betrogen; wird er nicht schon vor seinem Anblick niedergeworfen? Niemand ist so kühn, dass er ihn aufwecke; und wer ist, der vor meinem Antlitz stehen würde?“ (Hiob 40,27–28; 41,1)
Der Sohn Gottes allein, gepriesen sei sein teurer Name! hat einen Ausweg gefunden, indem Er herniederkam, um als Mensch sein Leben für uns zu lassen; und sein kostbares Blut ist der untrügliche, ewige Zeuge, dass das große Werk der Versöhnung vollbracht ist. „Weine nicht!“ konnte darum der Älteste dem trauernden Propheten zurufen, „siehe, es hat überwunden der Löwe, der aus dem Stamm Juda ist.“ Und so können auch wir jetzt einem jeden zurufen, der bekümmert und niedergebeugt ist um das Heil seiner Seele: Weine nicht! Glaube an Jesus! Das, was niemand vollbringen konnte, hat Er vollbracht. Er hat die Reinigung unserer Sünden und die Versöhnung zuwege gebracht; das Wasser und das Blut, welche aus seiner durchbohrten Seite geflossen sind, bezeugen es uns. Darum glaube nur! Unsere Erlösung war der Wille Gottes; und Christus kam freiwillig, um diesen Willen zu erfüllen, wie geschrieben steht: „Darum, als Er in die Welt kommt, spricht Er: Schlachtopfer und Speisopfer hast du nicht gewollt, einen Leib aber hast du mir bereitet; an Brandopfern und Opfern für die Sünde hast du kein Wohlgefallen gefunden. Da sprach ich: Siehe, ich komme, (in der Rolle des Buches steht von mir geschrieben) um deinen Willen, o Gott, zu tun“ (Heb 10,5–7). Wie feierlich klingt diese Sprache des Sohnes dem Vater gegenüber! Nichts könnte für das Herz Gottes kostbarer sein, als die Erfüllung dieses Werkes, durch welches es Ihm so zu sagen ermöglicht wurde, sich in der ganzen Herrlichkeit und Vollkommenheit dessen zu zeigen, was Er ist. Nicht nur ist jetzt das offenbart, was Er ist für den verlorenen Sünder, sondern auch das, was Er in sich selbst ist. Deshalb sagt auch der Herr Jesus: „Darum liebt mich der Vater, weil ich mein Leben lasse“ (Joh 10,17).
Was ist nun die Antwort Gottes auf das große Werk der Versöhnung im Blick auf den teuren Herrn selbst? Gott hat Ihn auferweckt aus den Toten. Nachdem das Werk vollbracht und alle die Wogen und Wellen des göttlichen Gerichts über das Haupt des Stellvertreters hingegangen waren, offenbarte sich Gott in seiner ganzen Herrlichkeit als Vater, indem Er seinen innig geliebten Sohn aus dem Grab hervorrief (Röm 6,4). Und „Er hat Ihn hoch erhoben und Ihm einen Namen gegeben, der über jeden Namen ist, auf dass in dem Namen Jesu jedes Knie sich beuge, der Himmlischen und Irdischen und Unterirdischen, und jede Zunge bekenne, dass Jesus Christus Herr ist, zur Verherrlichung Gottes, des Vaters“ (Phil 2,9–11). Er muss in allen Dingen den Vorrang haben und wird dereinst das Haupt von allem sein, was in den Himmeln und was auf der Erde ist (Eph 1,10; Kol 1,18).
In Offenbarung 5 erblicken wir Jesus als den großen Mittelpunkt aller Herrlichkeit. Er steht inmitten des Thrones und der vier lebendigen Wesen und inmitten der Ältesten (V 6). Im 11. Verse tritt dann noch das unzählige Heer der Engel in den Kreis ein; und in Vers 13 erweitert sich der Kreis noch einmal, indem die ganze Schöpfung mit einstimmt in das allgemeine Lob: „Alle Kreatur, die in dem Himmel und auf der Erde und unter der Erde und auf dem Meer ist ...“ Das ganze Weltall ist zu einem gewaltigen Chor vereinigt, um dem, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm Segnung, Ehre, Herrlichkeit und Macht darzubringen. Allein nur die Ältesten geben, in Verbindung mit den vier lebendigen Wesen, den Beweggrund des allgemeinen Lobes an, nicht die Engel, noch die übrige Schöpfung. Sie sagen: „Du bist würdig, das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen; denn du bist geschlachtet worden und hast für Gott erkauft, durch dein Blut, aus jedem Geschlecht und Volk und Sprache und Nation usw.“ Sie erkennen den Wert und die Tragweite der Todes Christi und die dadurch offenbarte moralische Herrlichkeit seiner Person. Sie verstehen, dass der Tod die einzig feste Grundlage war, auf welcher die Beziehungen zwischen Gott und einer gefallenen Schöpfung wiederhergestellt werden konnten. Darum erscheint ihnen die moralische Herrlichkeit des Sohnes Gottes, der allein fähig war, diese Grundlage durch das Leiden des Todes zu schaffen, in weit höherem Glanz als alle anderen Herrlichkeiten, wie überaus groß diese auch sein mögen. Er, „das Lamm wie geschlachtet“, ist der Mittelpunkt des Thrones und aller Herrlichkeiten des ganzen Weltalls. Die Gefühle der Freude und Wonne, welche das Anschauen dieser persönlichen Herrlichkeit des Lammes in den Herzen der Ältesten wachruft, finden ihren Widerhall in dem Herzen Gottes selbst. Ihre Gedanken und alle ihre Zuneigungen sind mit den Seinen in diesem einen, über alles kostbaren Gegenstand vollkommen vereinigt. Darum entdecken wir auch nur bei ihnen das, was sich nirgendwo anders in dieser herrlichen Szene findet: „sie fallen nieder und beten an.“ Wie mächtig und ergreifend auch das Lob sein wird, mit welchem die Menge der himmlischen Heerscharen die Würde des Lammes erheben, und wie gewaltig das Echo, welches diese Erhebung in der ganzen Schöpfung finden wird, so übertrifft doch nichts die Süßigkeit und Innigkeit des Vorrechts einer solchen Anbetung. Nichts kann dem Herzen Gottes mehr entsprechen als diese Anbetung; keine Freude kann größer sein für den Anbeter selbst, als die Ausübung derselben. Denn sie entspringt der Kostbarkeit ihres Gegenstandes, während sie zugleich den Anbeter völlig in diesen versenkt. Welch ein Vorrecht! Und stehe, sie ist jetzt schon das Teil eines jeden Gläubigen, der seinen Ruheort in Christus gefunden hat; er kann einstimmen in die Worte des Dichters: Auf dem Lamm ruht meine Seele,
Betet voll Bewundrung an.
Alle, alle meine Sünden
Hat sein Blut hinweggetan. Sel'ger Ruheort! – süßer Friede
Füllet meine Seele jetzt;
Da, wo Gott mit Wonne ruhet,
Bin auch ich in Ruh' gesetzt. Das also ist die Antwort Gottes auf das Werk der Versöhnung im Blick auf den Herrn. Und welches ist seine Antwort in Bezug auf uns? Er hat uns das ewige Leben gegeben. „Und dies ist das Zeugnis: dass Gott uns das ewige Leben gegeben hat, und dieses Leben ist in seinem Sohn.“ Wir haben das Leben im Sohn; es ist das Leben, „welches bei dem Vater war und uns offenbart worden ist.“ Wir besitzen es also in der ganzen Vollkommenheit und Reinheit seiner Quelle. Der Sohn Gottes, der von Ewigkeit her bei dem Vater war, ist die Quelle dieses Lebens, und darum ist es das ewige Leben. Es ist uns gegeben; aber wir besitzen es in dem Sohn, in der Ihm eignen Vollkommenheit der göttlichen Natur. Nichts könnte köstlicher sein als das. Das Leben ist offenbart worden in der Welt; aber es war schon, ehe die Welt war. Und selbst als es im Gewände der Menschheit eine sündige Welt durchschritt, büßte es dadurch nichts ein von seiner göttlichen Vollkommenheit; es bewahrte dieselbe, während es durch alle Verhältnisse dieses Lebens, wie die Sünde sie gestaltet hat, und selbst durch den Tod hindurchging. Es ist, seiner Natur gemäß, unantastbar von dem Bösen. Darum steht geschrieben: „Jeder, der aus Gott geboren ist, tut nicht Sünde, denn sein Same bleibt in ihm; und er kann nicht sündigen, Weiler aus Gott geboren ist“ (1. Joh 3,9). Der Herr konnte den Aussätzigen anrühren, ohne durch diese Berührung verunreinigt zu werden (Mt 8,3).
Dieses Leben charakterisiert also unsere gegenwärtige Stellung als Gläubige vor Gott. Wie viel oder wenig dasselbe von uns verstanden und verwirklicht wird, kommt hier durchaus nicht in Betracht. Ein jeder wahre Gläubige besitzt es, und darum gilt für einen jeden das Wort: „Hierin ist die Liebe mit uns vollendet worden, auf dass wir Freimütigkeit haben an dem Tag des Gerichts, dass, gleich wie Er ist, auch wir sind in dieser Welt“ (1. Joh 4,17). Welch eine Tatsache! Er, der auf dem Richterstuhl sitzen und nach seiner Gerechtigkeit richten wird, findet in uns nur das, was der göttlichen Vollkommenheit seiner eignen Natur entspricht. Wir sehen daher, dass die Ältesten, welche den Thron des Gerichts umgeben, in keiner Weise durch die von demselben ausgehenden Gerichte beunruhigt werden (Off 4). Wie wäre es auch möglich, da sie ja die Natur dessen haben, der auf dem Thron sitzt? Der Apostel sagt: „Wir wissen, dass wir aus Gott sind.“ Alles, was aus Gott ist, ist heilig, und wir sehen, dass die Braut in Offenbarung 21 als „die heilige Stadt“ bezeichnet wird; sie kommt hernieder „aus dem Himmel, von Gott.“ Dort ist der Ursprung sowohl des einzelnen Gläubigen, als auch der ganzen Versammlung Gottes; denn alle haben das ewige Leben. Aus demselben Grund entspricht die heilige Stadt auch vollkommen dem „goldenen Rohr“, dem Maßstab der göttlichen Gerechtigkeit; denn sie ist „reines Gold, gleich reinem Glas.“ Wir sind Gottes Gerechtigkeit geworden in Christus (2. Kor 5,21).
Es ist von großer Schönheit, dieses Leben zu betrachten, wie es in vollkommener Weise durch Jesus offenbart worden ist, und zwar unter den niederdrückendsten Umständen, gegenüber solchen, die in ihrer Gleichgültigkeit und Gefühllosigkeit Ihn weder beachteten noch verstanden; unter dem beständigen Widerspruch von Seiten der Sünder und unter mannigfachen Prüfungen selbst seitens seiner Jünger. Er offenbarte es inmitten all der Versuchungen, durch welche wir hienieden zu gehen haben; denn Er ist in allem versucht worden in gleicher Weise wie wir, ausgenommen die Sünde (Heb 4,15). Er war „ein Mann der Schmerzen und mit Leiden bekannt“ (Jes 53,3). Aber was bezeugen seine Tränen, die Er hienieden weinte, anders als die Gnade und Schönheit, den himmlischen Charakter dieses Lebens? Denn Er war der Sohn Gottes, in dessen Macht es stand, sich jeden Augenblick aus allen diesen Umständen und Versuchungen zurückzuziehen. Aber Er tat es nicht, sondern harrte aus und überließ sich gänzlich Gott, als ein von Ihm abhängiger Mensch. Er trat freiwillig in alle diese Umstände ein und wählte diesen Platz der Erniedrigung als den, der am meisten geeignet war, um das Leben, die ganze Schönheit und Vollkommenheit der Natur dessen zu entfalten, der Licht und Liebe ist. Darum entäußerte Er sich seiner Herrlichkeit als Sohn Gottes, unterwarf sich allem und harrte in völliger Abhängigkeit aus bis zum Tod, ja, zum Tod des Kreuzes. „Denn diese Gesinnung sei in euch, die auch in Christus Jesus war, welcher, da Er in Gestalt Gottes war, es nicht für einen Raub achtete, Gott gleich zu sein, sondern sich selbst zu nichts machte und Knechtsgestalt annahm, indem Er in Gleichheit der Menschen geworden ist, und in seiner Stellung wie ein Mensch erfunden, sich selbst erniedrigte und gehorsam ward bis zum Tod, ja, zum Tod des Kreuzes“ (Phil 2,5–8). Wer wäre fähig, die moralische Herrlichkeit dieses Lebens zu beschreiben? Keine menschliche Zunge ist dazu imstande. Nie hatten die Engel eine so tiefe, freiwillige Selbsterniedrigung, aber auch nie hatte die Erde ein solches Leben gesehen! Welch ein duftender Wohlgeruch mühte dieses Leben für Gott sein! Und welch eine überaus bewunderungswürdige Gnade, dass wir jetzt sagen dürfen: Das ist unser Leben! „Und dies ist das Zeugnis: dass Gott uns das ewige Leben gegeben hat, und dieses Leben ist in seinem Sohn. Wer den Sohn hat, hat das Leben.“
Aber aus diesem Grund ist auch das Leben des Herrn Jesus der Maßstab und die Richtschnur unseres Wandels. Wir sind „schuldig, selbst auch so zu wandeln, wie Er gewandelt hat“ (1. Joh 2,6). Daher auch die Ermahnung: „Alle Bitterkeit und Wut und Zorn und Geschrei und Lästerung sei von euch weggetan, samt aller Bosheit. Seid aber gegen einander gütig, mitleidig, einander vergebend, wie auch Gott in Christus euch vergeben hat. Seid denn Nachahmer Gottes, als geliebte Kinder, und wandelt in Liebe, gleich wie auch der Christus uns geliebt und sich selbst für uns hingegeben hat als Darbringung und Schlachtopfer, Gott zu einem duftenden Wohlgeruch“ (Eph 4,31–32; 5,1–2). Es ist unser hohes Vorrecht, Nachahmer Gottes zu sein, weil wir seines Lebens, seiner göttlichen Natur teilhaftig sind. Möchte daher unser ganzes Verhalten, möchten alle unsere Worte und Handlungen nur der Ausdruck dieses Lebens sein! Möchten wir stets daran denken, dass wir deshalb hier sind, um dasselbe in der Macht und Energie des Geistes zu offenbaren! Ja, möchten alle die Versuchungen, Schwierigkeiten und Prüfungen, welchen wir hienieden begegnen, bei uns nichts anders als die Schönheit dieses Lebens ans Licht stellen! Es tut Not, mit anhaltendem Gebet vom Herrn die Gnade zu erstehen, dass sich durch uns das Wort des Apostels bestätigen möge: „Allezeit das Sterben Jesu am Leib umhertragend, auf dass auch das Leben Jesu an unserem Leib offenbar werde“ (2. Kor 4,10).
So sind wir denn vollkommen gereinigt, mit Gott versöhnt, und besitzen das ewige Leben. Dennoch könnten wir dies durch das Zeugnis des Wassers und Blutes allein nicht wissen, wenn wir nicht auch das Zeugnis des Geistes hätten. Ja, wir würden die Bedeutung des Wassers und Blutes nie in ihrer ganzen Tragweite verstanden haben, wenn der Heilige Geist nicht gekommen wäre und es uns offenbart hätte. Darum sagt der Apostel: „Und der Geist ist es, der da zeugt, weil der Geist die Wahrheit ist.“ Obwohl daher in geschichtlicher Reihenfolge der Geist der Dritte unter den drei Zeugen ist, so ist Er doch in der Anwendung des Zeugnisses der Erste. „Denn drei sind, die da zeugen: der Geist und das Wasser und das Blut, und die drei sind einstimmig.“ Nur durch Ihn ist uns die ganze Tragweite des Todes Christi offenbart worden. Die Jünger des Herrn z. B. befanden sich in gänzlicher Unwissenheit betreffs der himmlischen Stellung des Gläubigen in Christus und aller damit verbundenen herrlichen Wahrheiten, trotzdem sie wussten, dass der Herr gestorben, aus den Toten auferstanden und gen Himmel gefahren war. Der Herr hatte ihnen diese Wahrheiten nicht mitgeteilt, auch nach seiner Auferstehung nicht, obwohl Er ihnen wiederholt erschien und vieles mit ihnen redete. Ihr damaliger Zustand gestattete Ihm nicht, ihnen dies mitzuteilen; Er musste zu ihnen sagen: „Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen“ (Joh 16,12). Und außer Ihm gab es niemanden auf der Erde, der es ihnen hätte mitteilen können. Denn wer hätte diese herrlichen Dinge wissen können, da wo alles durch die Wirksamkeit des Lügners von Anfang in Finsternis gehüllt war? Wie konnte man da nach Wahrheit suchen, wo selbst Israel, der einzige Zeuge Gottes, in Verbindung mit der Welt das Licht von sich gestoßen hatte in der Verwerfung des Herrn?
Aber, wird man vielleicht einwenden, das Wort Gottes war doch da; die Jünger besaßen die Schriften des Alten Testaments. Das ist wahr; aber obwohl diese Schriften von Christus, von den Leiden, die ans Ihn kommen sollten, und von den Herrlichkeiten danach gezeugt haben (1. Pet 1,11), so sagen sie doch nichts von unserer himmlischen Stellung in Christus. Wohl hat der Herr selbst nach seiner Auferstehung seine ratlosen Jünger auf die Schriften verwiesen, indem Er zu ihnen sagte: „O ihr Unverständigen und trägen Herzens, zu glauben an alles, was die Propheten geredet haben! Mutzte nicht der Christus dies leiden und in seine Herrlichkeit eingehen? Und von Moses und von allen Propheten anfangend, erklärte Er ihnen in allen Schriften das, was Ihn betraf.“ Und wiederum: „Dies sind die Worte, die ich zu euch redete, als ich noch bei euch war, dass alles erfüllt werden muss, was von mir geschrieben steht in dem Gesetz Moses und den Propheten und Psalmen. Da öffnete Er ihnen das Verständnis, dass sie die Schriften verstanden, und sprach zu ihnen: Also ist es geschrieben, und also mühte der Christus leiden und am dritten Tage aus den Toten auferstehen, und in seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden verkündigt werden an alle Nationen, anfangend von Jerusalem. Ihr aber seid Zeugen hiervon; und siehe, ich sende die Verheißung meines Vaters auf euch. Ihr aber bleibt in der Stadt, bis ihr angetan werdet mit Kraft aus der Höhe“ (Lk 24). Der Herr hat also seinen Jüngern die Schriften erklärt und ihnen das Verständnis geöffnet, um dieselben verstehen zu können. Aber was war es, das Er ihnen aus den Schriften erklärte? Das, was Ihn betraf, was von Ihm geschrieben stand. Er bewies ihnen die Notwendigkeit seines Leidens und Sterbens, und seines darauf gegründeten Eingehens in die Herrlichkeit, und Er ließ sie verstehen, dass jetzt, auf Grund dieser Tatsachen, allen Nationen Buße und Vergebung der Sünden verkündigt werden kann. Sie selbst sollten die Zeugen dieser Wahrheit sein und dieselbe verkündigen, nachdem sie den Heiligen Geist empfangen haben würden. Ohne Zweifel empfingen hier die Jünger ein eingehendes Verständnis über die Folgen des Todes, der Auferstehung und der Verherrlichung Christi; und sicherlich war die Botschaft, welche ihnen zu gleicher Zeit von dem Herrn anvertraut wurde, eine überaus kostbare und herrliche, umso mehr, als sie „von Jerusalem anfangen“ sollte. Dieser verbrecherischen Stadt, die sich in besonderer Weise des Todes des Sohnes Gottes schuldig gemacht hatte, sollte zuerst und vor allen die Botschaft der Gnade gebracht werden. Aber war diese Gnadenbotschaft das ganze Resultat des Werkes Christi? New; so unendlich kostbar sie auch ist, indem sie jedem, auch dem größten Sünder, Vergebung zusichert, wenn er Buße tut, so finden wir doch in ihr noch kein Wort von unserer himmlischen Stellung. Die Offenbarung dieser Stellung und die Einführung in dieselbe sollten dem von dem Himmel herniederkommenden Heiligen Geist vorbehalten bleiben. Sie war eine ganz neue, bis dahin gänzlich unbekannte Sache. Darum sagte der Herr auch zu seinen Jüngern: „Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, gekommen ist, wird Er euch in die ganze Wahrheit leiten“ (Joh 16,13). Erst nachdem der Heilige Geist in den Jüngern Wohnung gemacht hatte, waren diese fähig, die ganze Tragweite des Todes und der Auferstehung Christi zu verstehen. Und nicht nur lernten sie diese als eine bloße Lehre kennen, sondern sie traten auch in der Kraft des Geistes in dieselbe als in eine neue Stellung ein. Der Geist ist in uns die Macht des Lebens; ohne Ihn würden wir es weder genießen noch verwirklichen können.
So bezeugt uns also der Geist, dass wir das ewige Leben besitzen, während das Wasser und das Blut ein beständiges Zeugnis von dem Tod Christi ablegen, von dieser ewigen, unwandelbaren Grundlage, auf welcher uns das Leben geschenkt ist. Dieses einstimmige Zeugnis nun muss unseren Herzen jeden Zweifel und jede Ungewissheit betreffs unserer Stellung vor Gott benehmen; geben wir noch allerlei Zweifeln und Befürchtungen Raum, so beweisen wir dadurch, dass wir dem Zeugnis Gottes nicht glauben, und wir machen Ihn zum Lügner; denn „wer Gott nicht glaubt, hat Ihn zum Lügner gemacht.“ Welch eine große Sünde begehen daher alle, welche, anstatt in einfältigem Glauben die Segnungen ihrer herrlichen Stellung zu genießen und zu verwirklichen, in Zweifel und Ungewissheit verharren, indem sie der Wahrheit dieses Zeugnisses stets ein „Aber“ entgegenzusetzen haben. Geziemt es uns, auch nur die geringsten Einwendungen zu machen, wenn Gott selbst uns auf Grund des Todes Christi für vollkommen rein erklärt und sagt, dass Er betreffs unserer Sünden völlig befriedigt und verherrlicht sei? Sollen wir unseren trügerischen Herzen und unseren täuschenden Gefühlen mehr glauben als Gott? Sollen wir nicht vielmehr mit demütigem und dankbarem Herzen dem Wort Gottes glauben, wenn Er bezeugt, dass wir nach unserem Zustand im Fleisch samt allen unseren Sünden vor seinem Angesicht für immer hinweggetan sind, und nicht mehr im Fleisch, sondern in Christus vor Ihm stehen, heilig und tadellos vor Gott in Liebe (Eph 1,4)? Möge Gott uns bewahren vor einer solchen Verunehrung seines herrlichen Namens, dass wir irgendwelchen Zweifel in sein köstliches Zeugnis setzen und Ihn dadurch zum Lügner machen! Vielmehr lasst uns, gleich Abraham, Ihm die Ehre geben, indem wir durch einen unbedingten und einfältigen Glauben den Tod Christi in seinem vollen Werte und in seiner ganzen Tragweite anerkennen! Denn wer Gott glaubt, verherrlicht Ihn.
Und beachten wir wohl: „Wer an den Sohn Gottes glaubt, hat das Zeugnis in sich selbst.“ Wir haben alsdann nicht nur das äußere Zeugnis von Seiten Gottes, sondern auch in unserem Innern eine felsenfeste Überzeugung von der Wahrheit. Indes dürfen wir nicht denken, dass der Apostel unseren Glauben abhängig machen wollte von dem, was in uns ist (Das wäre ein verhängnisvoller Irrtum, den die Apostel nie gelehrt haben, der aber trotzdem in unseren Tagen weit verbreitet ist und seine verderblichen Früchte erzeugt. Er ist eben die Ursache des Ungewissen und schwankenden Zustandes so vieler Seelen, welche bekennen, an Jesus als ihren Erretter zu glauben, und dennoch Jahr und Tag ohne wahren Frieden und ohne wahre Kraft dahingehen. Sie machen ihren Glauben abhängig von ihren Erfahrungen und Gefühlen). Der Apostel sagt nicht: wer an das Zeugnis in sich selbst glaubt; sondern: wer an den Sohn Gottes glaubt. Der Glaube hat nicht seine eignen Erfahrungen zum Gegenstand, sondern vielmehr den Sohn Gottes; er steht daher in völligem Einklang mit dem Vater und dem Heiligen Geist. Denn das Auge des Vaters ruht mit Wohlgefallen auf dem Sohn, dem Gegenstand seiner höchsten Wonne, und der Heilige Geist ist herniedergekommen, um von Ihm zu zeugen und uns mit seiner Herrlichkeit bekannt zu machen. „Denn Er wird nicht aus sich selbst reden, sondern alles, was irgend Er hören wird, wird Er reden, und das Kommende wird Er euch verkündigen. Er wird mich verherrlichen, denn von dem Meinen wird Er empfangen und euch verkündigen. Alles, was der Vater hat, ist mein; darum sagte ich, dass Er es von dem Meinen empfängt und euch verkündigen wird“ (Joh 16,13–15). Ist daher das Auge des Glaubens auf den Sohn gerichtet, so kann der Heilige Geist dessen Herrlichkeit vor uns entfalten, und diese erfüllt selbstredend das Herz mit überschwänglicher Freude und Kraft. Wie könnten da Zweifel und Ungewissheit sein? Dennoch macht der Glaube diese seine Freude und Kraft niemals zu seinem Gegenstand oder Stützpunkt; vielmehr ruht er stets auf dem Zeugnis, „das Gott gezeugt hat über seinen Sohn“, dem Zeugnis, welches der Geist in Verbindung mit dem Wasser und dem Blut ablegt. Der Tod Christi ist die Tatsache, auf Grund deren wir das ewige Leben haben; er ist die ewige Bürgschaft unserer unantastbaren, unerschütterlichen Stellung vor Gott und aller unserer damit verbundenen Segnungen, „Dies habe ich euch geschrieben, auf dass ihr wisst, dass ihr das ewige Leben habt, die ihr glaubt an den Namen des Sohnes Gottes.“