Botschafter des Heils in Christo 1887
Die Quittung des Steuereinnehmers
Vor einiger Zeit hatte ich einem mir bekannten Steuereinnehmer eine gewisse Summe zu bezahlen. Als mir der Einnehmer die Quittung überreichte, sagte ich: „Es ist eine schöne Sache, niemandem etwas schuldig zu sein.“
„Da haben Sie Recht“, lautete die Antwort; „aber nur wenige Leute können das sagen.“
„Ich kann sagen“, erwiderte ich, „dass ich keinem Menschen auf der ganzen Erde einen Pfennig schuldig bin; allein was noch besser ist, ich schulde auch Gott nichts mehr. Als ein Sünder, dem alles vergeben ist, bin ich Gott allerdings ewiges Lob schuldig; aber was meine Sünden betrifft, so ist meine Schuld völlig bezahlt. Ich besitze eine regelrechte Quittung über die schwere Schuld, welche ich der göttlichen Gerechtigkeit gegenüber hatte. Doch darf ich Sie fragen, ob es bei Ihnen auch so ist?“
„Ich denke doch“, erwiderte er. „Und welche Quittung haben Sie?“ fragte ich weiter.
„Ich habe das Gefühl und die innige Überzeugung, dass meine Sünden mir vergeben sind.“
„O“, erwiderte ich, „das bedeutet nicht viel. Es ist gewiss sehr schön, Gefühle und eine innige Überzeugung zu haben; aber als Quittung ist das keinen Strohhalm wert. Ich habe das Gefühl und die innige Überzeugung, dass ich Ihnen soeben meine Steuern bezahlt habe; aber setzen wir den Fall, ich ginge ohne Quittung fort, und es würde Ihnen ein Unfall zustoßen, ehe Sie das von mir bezahlte Geld in ihre Bücher eingetragen hätten, würde dann nicht ihr Nachfolger den Betrag noch einmal von mir fordern und, wenn ich mich zu zahlen weigerte, mich verklagen? Ich könnte dann wohl sagen: ‚Ich habe das Gefühl und die innige Überzeugung, dass ich dem früheren Empfänger meine Steuern bezahlt habe‘; aber würde man damit zufrieden sein? Würde man nicht die Quittung von mir verlangen? Ohne diese würden mir alle meine Gefühle und Überzeugungen nichts helfen.“
Der Einnehmer, der die Kraft meiner Beweisführung wohl fühlen mochte, sagte nach einigem Besinnen: „Nun, ich denke, der Sühnungstod Christi ist die Quittung.“
„Nein“, entgegnete ich. „Sehen Sie nicht den Unterschied zwischen dem Geld, das ich Ihnen bezahlt habe, und der Quittung, welche Sie mir dagegen einhändigten? Das erstere hat ihren Forderungen an mich genügt; die Quittung dagegen befriedigt mich, weil ich sie in Händen halte; und ich kann von hier weggehen mit der völligen Gewissheit, dass man eine nochmalige Bezahlung dieses Geldes nie von mir verlangen wird.“
Auch das war dem Steuereinnehmer einleuchtend; allein er konnte keine Antwort auf meine Frage finden, die ihn sehr zu interessieren schien, und er wünschte zu wissen, was für eine Quittung ich denn eigentlich besäße. Ich sagte ihm: „Das Blut Jesu Christi hat unsere Schuld bezahlt. Er hat, gepriesen sei sein Name! allen Anforderungen der göttlichen Gerechtigkeit an uns vollkommen genügt. Er hat unseren Platz eingenommen, Er hat unsere ganze Schuld, alle unsere Sünden, getragen, als Er an dem Kreuz hing. Er hat Gott im Blick auf unsere Sünden vollkommen verherrlicht. Er ist für uns zur Sünde gemacht worden. Er hat alles auf sich genommen, was wir verdient hatten, damit wir das besitzen könnten, was Er verdient hat. Er ist an unserer statt gerichtet und bestraft worden, damit wir in Ihm gerechtfertigt und Gott annehmlich gemacht werden könnten. Mit einem Wort, sein kostbarer Tod hat Gott in Bezug auf uns vollkommen befriedigt.“
„Und nun, was ist die Quittung? Die Quittung ist der auferstandene und verherrlichte Christus, ein Christus, sitzend zur Rechten der Majestät in den Himmeln. Das ist die feste und unerschütterliche Grundlage unserer innigen Überzeugung, ja, unserer unumstößlichen Gewissheit, dass unsere Sünden vergeben sind, unsere Schuld bezahlt und jede Verdammnis von uns weggenommen ist. ‚Er ist unserer Übertretungen wegen dahingegeben‘ – das ist die Bezahlung, ‚und Er ist unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden‘ – da haben Sie die Quittung. Der Mensch, welcher unsere Sünden auf das Holz getragen hat, befindet sich jetzt in der Herrlichkeit droben. Wie ist Er dorthin gekommen? Die ewige Gerechtigkeit hat Ihn dorthin versetzt. Auf welchem Grund? Der Grund ist folgender: Er hat alle unsere Sünden, alle unsere Vergehungen völlig ausgetilgt und jede Verdammnis hinweggeräumt. Er hat Gott verherrlicht in allem, worin wir Ihn verunehrt hatten. Er hat das Werk der Erlösung vollbracht und die Gerechtigkeit Gottes vollkommen befriedigt. Darum hat Gott Ihn auferweckt aus den Toten und Ihn zu seiner Rechten gesetzt und mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt. Und diese Krone der Herrlichkeit, welche jetzt seine gesegnete Stirn ziert – und nicht unsere armseligen Gefühle und Überzeugungen – ist die Quittung, welche Gott uns gibt betreffs alles dessen, was wir Ihm schuldeten.“
„Und wenn nun der Teufel oder irgendein anderer Ankläger uns angreifen will, was werden wir ihm sagen? Werden wir Zuflucht nehmen zu unseren innigen Überzeugungen und Gefühlen? Sicherlich nicht. Wir zeigen ihm vielmehr unsere Quittung; wir weisen ihn hin auf den Menschen in der Herrlichkeit, auf den verherrlichten Sieger, dessen Stirn das Diadem der Herrlichkeit trägt. Das ist unsere einzige Antwort; aber sie ist auch völlig genügend. Wir dürfen und können niemals dem Widersacher begegnen mit dem Hinweis auf irgendetwas in uns oder von uns, sei es unsere Buße und Bekehrung, unsere Gefühle und Erfahrungen, oder seien es unsere veränderten Gewohnheiten, unsere neuen Neigungen und guten Werke. Obwohl alle diese Dinge die notwendigen Früchte des neuen Lebens sind, so werden wir doch durch unseren Hinweis darauf nie den Feind zurückschlagen, noch auch völlig in Ruhe sein können. Nein, es gibt nur eine Sache, auf welche wir uns zu berufen haben, und zwar auf die Quittung, welche Gott uns gegeben hat, d. h. auf den Menschen, der auf dem Thron der Majestät in der Höhe verherrlicht ist. Das allem bringt jeden Ankläger zum Schwelgen, genügt dem Gewissen, beruhigt das Herz und verherrlicht Gott, den Gott über alles, gepriesen in Ewigkeit!“ –
Mein Leser, ruhst auch du in dem Glauben an einen gestorbenen und auferstandenen Christus? Gott will nicht, dass du in einer Ungewissen Hoffnung vorangehst; darum hat Er nicht nur in dem Tod seines Sohnes die Schuld des Sünders bezahlt, sondern ihm auch in seiner Auferstehung eine ewig gültige Quittung gegeben.