Der Prophet Daniel und die Zeiten der Nationen

Daniel 4

Nebukadnezars Brief als Zeugnis zur Herrlichkeit Gottes

„Nebukadnezar, der König, allen Völkern, Völkerschaften und Sprachen, die auf der ganzen Erde wohnen: Friede euch in Fülle! Es hat mir gefallen, die Zeichen und Wunder mitzuteilen, die der höchste Gott an mir getan hat. Wie groß sind seine Zeichen, und wie mächtig seine Wunder! Sein Reich ist ein ewiges Reich, und seine Herrschaft währt von Geschlecht zu Geschlecht!“ (3,31–33).

Dieses Kapitel trägt ein besonderen Charakter durch die Tatsache, dass es einen Brief enthält, der von Nebukadnezar selbst geschrieben und an alle „Völker, Völkerschaften und Sprachen, die auf der ganzen Erde wohnen“ adressiert wurde. Es wurden ihm von Gott viele Zeichen gewährt. Unter den Eindrücken, die durch Daniels Deutung seines Traumes in Kapitel 2 und die Befreiung Sadrachs, Mesachs und Abednegos aus der Macht der Flammen in Kapitel 3 entstandenen waren, hatte er Daniels Gott als den Gott der Götter und Herrn der Könige und als einen Offenbarer der Geheimnisse bekannt. Auch erkannte er an, dass kein Gott war, der befreien konnte, außer dem Gott Sadrachs, Mesachs und Abednegos. Dennoch war sein Herz nicht verändert worden; doch in der vor uns liegenden Aufzeichnung, die wieder sowohl historisch als auch prophetisch ist, wird uns ein Einblick in den Weg gewährt, auf den dieser götzendienerische König schließlich gebracht wurde, um „den König des Himmels“ zu „rühmen... und [zu] erheben und [zu] verherrlichen“ (4,34). Wenn man es in diesem Zusammenhang liest, so kann es keinen Zweifel geben, dass Nebukadnezar sich wirklich mit Herz und Gewissen vor dem Zeugnis, das ihn durch den Propheten Daniel erreichte, beugte, und dass er so ein Diener des „höchsten Gottes“ wurde.

Der Beweis hierfür findet sich in der königlichen Mitteilung an alle seine Untertanen. Er wollte, dass jeder in seinem Königreich über seine „Bekehrung“ in Kenntnis gesetzt wurde. Die Einleitung seines Briefes wurde bereits betrachtet. Sie wird von einem Gruß gefolgt - „Friede euch in Fülle!“ –, welcher in seiner Form nahezu apostolisch ist (vgl. 1. Pet 1,2). In den Versen 32 und 33 nennt er kurz und klar das Ziel, das er mit der Ansprache an seine Untertanen verfolgt: „Es hat mir gefallen, die Zeichen und Wunder mitzuteilen, die der höchste Gott an mir getan hat.“ Dann fließt sein Herz über vor Bewunderung, als er beschreibt, was Gott gewirkt hat, indem er ausruft: „Wie groß sind seine Zeichen, und wie mächtig seine Wunder! Sein Reich ist ein ewiges Reich, und seine Herrschaft währt von Geschlecht zu Geschlecht!“ Es ist gut, zu bekennen, was Gott durch seine Gnade gewirkt hat, wenn die Seele gefesselt ist, denn wie der Apostel lehrt: Wenn das Herz glaubt zur Gerechtigkeit, wird mit dem Mund zur Errettung bekannt. Für Gott sollte ein Bekenntnis abgelegt werden, und wenn dies getan wird, verwandelt es sich in ein Zeugnis zu seiner Herrlichkeit.

Die erneute Unfähigkeit der Weisen

Darauf folgend schildert er seine eigenen persönlichen Umstände zu der Zeit, als die neue Botschaft von Gott ihn erreichte:

„Ich, Nebukadnezar, wohnte ruhig in meinem Haus und hatte Gedeihen in meinem Palast“ (4,1).

Er hatte den Gipfel allen menschlichen Bestrebens erreicht. König über alle Königreiche der Erde hatte er eine unangefochtene Autorität und war voll Gelingen in all seinen Unternehmungen, wobei nichts seine Ruhe störte, ob nun in Bezug auf seine öffentlichen oder privaten Angelegenheiten. Er „wohnte ruhig1 in seinem Haus und „hatte Gedeihen“ in seinem Palast. Kurzgesagt, alles lief blendend bei diesem mächtigen Monarchen, sodass er, wenn menschliches Wohlergehen dies hätte bereiten können, im Genuss vollkommenen Glücks war. Und es scheint, als war er glücklich, doch ohne Gott. Aus diesem heiteren Himmel ohne den Hauch eines kommenden Unglücks schreckten die Warnungen Gottes den König plötzlich auf, um ihn mit Furcht zu erfüllen.

„Ich sah einen Traum, und er erschreckte mich; und Gedanken auf meinem Lager und Gesichte meines Hauptes ängstigten mich. Und von mir wurde Befehl gegeben, alle Weisen von Babel vor mich zu führen, damit sie mir die Deutung des Traumes kundtäten. Darauf kamen die Wahrsagepriester, die Sterndeuter, die Chaldäer und die Wahrsager herbei; und ich trug ihnen den Traum vor, aber sie taten mir seine Deutung nicht kund“ (4,2–4).

Der Traum entfloh nicht, wie im vorherigen Fall, seiner Erinnerung, noch verstand er, was er gesehen hatte, obgleich er bestürzt war – bestürzt, da er fühlte, dass er etwas von folgenschwerer Bedeutung für sein Königreich enthielt. Er erließ daher sofort einen Befehl, dass man alle Weisen Babylons herbringen sollte, damit sie ihm die Deutung des Traumes kundtun würden. Nachdem sie ihre Unfähigkeit in Kapitel 2 bewiesen und gleichzeitig gelernt hatten, dass Daniel allein sein Geheimnis enthüllen konnte, mag es merkwürdig erscheinen, dass Daniel nicht sofort vor den König gerufen worden war. Es gibt keine Verbundenheit zwischen dem natürlichen und dem geistlichen Menschen. Saul war froh, die Dienste Davids mit seiner Harfe und mit seinem Schwert zu nutzen, und dennoch hasste er ihn. In gleicher Weise hatte Nebukadnezar von der Deutung Daniels profitiert. Doch er konnte den nicht lieben, der der Repräsentant des Gottes des Himmels vor ihm war. Wenn er es also ohne Daniel schaffen könnte, so würde er dies bevorzugen; und dementsprechend versuchte er es zunächst mit seinen eigenen Weisen. Wieder trat ihre Unfähigkeit zu Tage. Die Weisheit des Menschen beschränkt sich auf irdische Dinge, doch Nebukadnezars Traum kam vom Himmel. Das Thema war außerhalb aller menschlicher Gedanken, auch wenn es sich auf die Erde bezog. Um die Dinge Gottes zu verstehen, muss der Mensch von Gott belehrt werden, und dies waren die Weisen Babylons nicht. In seinen Absichten durchkreuzt, berichtet uns der König:

„Und zuletzt trat vor mich Daniel, dessen Name Beltsazar ist, nach dem Namen meines Gottes, und in dem der Geist der heiligen Götter ist; und ich trug ihm den Traum vor“ (4,5).

Dieser Vers zeigt klar, dass Nebukadnezar die Fähigkeiten Daniels als ein Offenbarer der Geheimnisse nicht vergessen hatte, auch wenn er die Quelle seiner Inspiration nicht gekannt haben kann, noch dass er Gottes Gefäß des Geistes der Weissagung war. Er ließ ihn lediglich rufen, aus der Not heraus, da in all seinen Königreichen niemand anderes war, der seinen Traum hätte deuten können. Jede Einzelheit des Traumes war im Gedächtnis des Königs fest verankert, und er fuhr fort, ihn Daniel vorzutragen.

Der Traum Nebukadnezars und seine Deutung durch Daniel

„Beltsazar, du Oberster der Wahrsagepriester, da ich weiß, dass der Geist der heiligen Götter in dir ist und dass kein Geheimnis dir zu schwer ist, so sage mir die Gesichte meines Traumes, den ich gesehen habe, und seine Deutung. Was nun die Gesichte meines Hauptes auf meinem Lager betrifft, so sah ich: Und siehe, ein Baum stand mitten auf der Erde, und seine Höhe war gewaltig. Der Baum wurde groß und stark, und seine Höhe reichte bis an den Himmel, und er wurde gesehen bis an das Ende der ganzen Erde; sein Laub war schön und seine Frucht zahlreich, und es war Nahrung an ihm für alle; die Tiere des Feldes fanden Schatten unter ihm, und die Vögel des Himmels wohnten in seinen Zweigen, und alles Fleisch nährte sich von ihm. Ich sah in den Gesichten meines Hauptes auf meinem Lager: Und siehe, ein Wächter und Heiliger stieg vom Himmel herab. Er rief mit Macht und sprach so: Haut den Baum um und schneidet seine Zweige weg; streift sein Laub ab und streut seine Frucht umher! Die Tiere unter ihm sollen wegfliehen und die Vögel aus seinen Zweigen! Doch seinen Wurzelstock lasst in der Erde, und zwar in Fesseln aus Eisen und Kupfer, im Gras des Feldes; und vom Tau des Himmels werde er benetzt, und mit den Tieren habe er teil am Kraut der Erde. Sein menschliches Herz werde verwandelt und das Herz eines Tieres werde ihm gegeben; und sieben Zeiten sollen über ihm vergehen. Durch Beschluss der Wächter ist dieser Ausspruch, und ein Befehl der Heiligen ist diese Sache, damit die Lebenden erkennen, dass der Höchste über das Königtum der Menschen herrscht und es verleiht, wem er will, und den Niedrigsten der Menschen darüber bestellt. Diesen Traum habe ich, der König Nebukadnezar, gesehen; und du, Beltsazar, sage seine Deutung, da alle Weisen meines Königreichs mir die Deutung nicht kundzutun vermögen; du aber vermagst es, weil der Geist der heiligen Götter in dir ist“ (4,6–15).

Nebukadnezars Traum teilt sich in drei Abschnitte:

  1. Sein Hauptthema (V. 7–9)
  2. Das Gericht über den Baum (V. 10–13)
  3. Das Ziel des ausgeführten Gerichts (V. 14)

Da alle diese Teile von Daniel aufgegriffen werden, können wir mit der Deutung fortfahren, nachdem wir zunächst die Wirkung betrachtet haben, die der Bericht des Königs auf Daniel hatte.

 „Da entsetzte sich Daniel, dessen Name Beltsazar ist, eine Zeit lang, und seine Gedanken ängstigten ihn. Der König hob an und sprach: Beltsazar, der Traum und seine Deutung ängstige dich nicht. Beltsazar antwortete und sprach: Mein Herr, der Traum gelte deinen Hassern und seine Deutung deinen Feinden!“ (Daniel 4,16)

Die Bedeutung des Traums wurde seiner Seele offenbart, während er ihn hörte, und als er seine Tragweite für den König in seiner Anwendung verstand, entsetzte er sich und seine Gedanken ängstigten ihn. Es mag scheinen als zögerte er, ihm die Bedeutung des Traumes zu sagen. Dies merkte Nebukadnezar, und er sagte: „Beltsazar, der Traum und seine Deutung ängstige dich nicht. Beltsazar antwortete du sprach: Mein Herr, der Traum gelte deinen Hassern und seine Deutung deinen Feinden!“ Man mag sich fragen, ob Daniel, als er dies sagte, die Stellung seines prophetischen Amtes als Botschafter Gottes aufrechterhielt; und es ist zu bemerken, dass in der Aufzeichnung dieses Satzes der Name Daniel nicht genannt wird. Er wird zum ersten und einzigen Mal „Beltsazar“ genannt – nicht „Daniel, dessen Name Beltsazar war“, sondern einfach Beltsazar –, der dem König antwortete.

Wie auch immer es sein mag, Daniel begann, dem König die Deutung seines Traumes kundzutun:

„Der Baum, den du gesehen hast, der groß und stark wurde und dessen Höhe an den Himmel reichte und der über die ganze Erde hin gesehen wurde, und dessen Laub schön und dessen Frucht zahlreich war und an dem Nahrung war für alle, unter dem die Tiere des Feldes wohnten und in dessen Zweigen die Vögel des Himmels sich aufhielten: Das bist du, o König, der du groß und stark geworden bist; und deine Größe wuchs und reichte bis an den Himmel und deine Herrschaft bis ans Ende der Erde“ (4,17–19).

Das Bild eines Baumes zur Beschreibung des Menschen in seiner irdischen Größe wird in den Propheten häufig gebraucht. So sagt Hesekiel: „Siehe, Assur war eine Zeder auf dem Libanon, mit schönen Zweigen, ein schattendes Dickicht und von hohem Wuchs; und sein Wipfel war zwischen den Wolken ...  Ich hatte ihn schön gemacht in der Menge seiner Schösslinge; und es beneideten ihn alle Bäume Edens, die im Garten Gottes waren“ (Hesekiel 31,3.9). Diese auffällige Verbindung hilft uns gut, die symbolische Bedeutung des Traumes Nebukadnezars zu verstehen, und befähigt uns zu sehen, was für eine passende Veranschaulichung der Erhöhung irdischer Regierung er ist, die allen Rängen und Stellungen des Menschen weitreichenden und bewahrenden Schutz bietet. Das Vieh des Feldes und die Vögel des Himmels werden erwähnt, weil sie beide gleichermaßen in seine Hand gegeben worden waren (2,38). So werden sie, genauso wie die Menschenkinder, als seiner Autorität untergeordnet und durch sie beschützt angesehen. Daher sagt Daniel richtig zum König: „...der du groß und stark geworden bist; und deine Größe wuchs und reichte bis an den Himmel, und deine Herrschaft bis ans Ende der Erde.“

Ein Unterschied zwischen dem Haupt aus Gold aus Kapitel 2 und dem Baum hier in ihren jeweiligen Anwendungen sollte bemerkt werden. Beide beziehen sich auf Nebukadnezar, wie deutlich gesagt wird; doch erstere bezieht seine Dynastie mit ein, denn erst am Ende seiner Regierungszeit taucht das zweite der vier prophetischen Königreiche auf. Letzteres ist ein Bild von Nebukadnezar selbst, wie in dem ausgeführten Gericht sichtbar wird. Es muss jedoch hinzugefügt werden, dass dieser Zerfall, wie später erläutert werden soll, tatsächlich typisch für den Charakter der heidnischen Regierungsmächte ist, bis zu ihrer Zerschlagung bei der Erscheinung Christi zur Aufrichtung seines Königreiches.

Nachdem die Bedeutung des Bildes gegeben wurde, fährt Daniel mit seiner Deutung fort:

„Und dass der König einen Wächter und Heiligen vom Himmel herabsteigen sah, der sprach: „Haut den Baum um und verderbt ihn! Doch seinen Wurzelstock lasst in der Erde, und zwar in Fesseln aus Eisen und Kupfer, im Gras des Feldes; und vom Tau des Himmels werde er benetzt, und er habe sein Teil mit den Tieren des Feldes, bis sieben Zeiten über ihm vergehen“ – dies ist die Deutung, o König, und dies der Beschluss des Höchsten, der über meinen Herrn, den König, kommen wird: Man wird dich von den Menschen ausstoßen, und bei den Tieren des Feldes wird deine Wohnung sein; und man wird dir Kraut zu essen geben wie den Rindern und dich vom Tau des Himmels benetzt werden lassen; und es werden sieben Zeiten über dir vergehen, bis du erkennst, dass der Höchste über das Königtum der Menschen herrscht und es verleiht, wem er will. Und dass man gesagt hat, den Wurzelstock des Baumes zu lassen: Dein Königtum wird dir wieder zuteilwerden, sobald du erkannt haben wirst, dass die Himmel herrschen“ (4,20–23).

Nichts hätte genauer sein können als diese Deutung, und sie wird in voller Länge wiedergegeben, damit der Leser merkt, wie sie sich bis in die Einzelheiten erfüllte. Es konnte nicht anders sein, denn es war eine durch Daniel gegebene göttliche Darstellung des Gesichtes Nebukadnezars. Es ist nun verständlich, warum Daniel, als das Gericht sich vor ihm auftat, das den König erreichen sollte, versucht war zu sagen: „Der Traum gelte deinen Hassern.“ Allein der Mut, den ihm sein Sinn für seinen Auftrag von Gott verlieh, befähigte ihn, den Ausblick auf die Zukunft des Königs zu so furchtlos enthüllen; und es brauchte den Mut des jüdischen Propheten der Gefangenschaft, vor dem Monarchen der Welt zu stehen und ein solch überwältigendes Unheil zu verkünden. Es scheint, als sei Daniel selbst berührt worden, denn er bittet den König mit ernstlich flehenden Worten:

„Darum, o König, lass dir meinen Rat gefallen und brich mit deinen Sünden durch Gerechtigkeit und mit deinen Ungerechtigkeiten durch Barmherzigkeit gegen Elende, wenn dein Friede Dauer haben soll“ (4,24).

Wie Paulus vor Felix, zeugte Daniel vor Nebukadnezar von Gerechtigkeit, Enthaltsamkeit und kommendem Gericht (vgl. Apg 24,25). Doch wir lesen nicht, dass der König zitterte. Die Botschaft war jedenfalls überbracht und die Bitte vorgebracht worden; und das folgenschwere Gespräch zwischen dem Propheten und dem Monarchen war beendet.

Das Gericht über Nebukadnezar und seine Bedeutung

„Dies alles kam über den König Nebukadnezar. Nach Verlauf von zwölf Monaten ging er auf dem königlichen Palast in Babel umher; und der König hob an und sprach: Ist das nicht das große Babel, das ich zum königlichen Wohnsitz erbaut habe durch die Stärke meiner Macht und zu Ehren meiner Herrlichkeit? Noch war das Wort im Mund des Königs, da kam eine Stimme vom Himmel herab: Dir, König Nebukadnezar, wird gesagt: Das Königtum ist von dir gewichen! Und man wird dich von den Menschen ausstoßen, und bei den Tieren des Feldes wird deine Wohnung sein, und man wird dir Kraut zu essen geben wie den Rindern; und es werden sieben Zeiten über dir vergehen, bis du erkennst, dass der Höchste über das Königtum der Menschen herrscht und es verleiht, wem er will. In demselben Augenblick wurde das Wort über Nebukadnezar vollzogen; und er wurde von den Menschen ausgestoßen, und er aß Kraut wie die Rinder, und sein Leib wurde benetzt vom Tau des Himmels, bis sein Haar wuchs wie Adlerfedern und seine Nägel wie Vogelkrallen“ (4,25–30).

Nachfolgend wird die Geschichte der Erfüllung der Prophezeiung Daniels beschrieben. „Dies alles“, schreibt er, „kam über den König Nebukadnezar.“ Dann finden wir die Umstände, unter denen das angedrohte Gericht ausgeführt wurde. Zwölf Monate waren vergangen, und es wird nirgends berichtet, dass der König durch die empfangene Warnung auch nur besorgt war. Der Himmel war noch immer klar, ohne eine Wolke am weiten Horizont. Dieser Umstand mag uns äußerst verwunderlich vorkommen, wenn wir nicht bedenken, dass uns täglich Sünder begegnen, die an der Schwelle zur ewigen Pein stehen und davon völlig unberührt sind. Der Tod muss kommen, und das Gericht wird folgen, und dennoch sind die Menschen unbekümmert und leichtsinnig.

So war es auch bei Nebukadnezar, und so lesen wir: „Nach Verlauf von zwölf Monaten ging er auf dem königlichen Palast in Babel einher.“ Und worüber dachte er nach? Seine eigene Größe, Macht und Herrlichkeit. „Und der König hob an und sprach: Ist das nicht das große Babel, das ich zum königlichen Wohnsitz erbaut habe durch die Stärke meiner Macht und zu Ehren meiner Herrlichkeit?“ All dies war eine Verherrlichung seiner selbst, der vollendete Hochmut des menschlichen Herzens, hervorgebracht aus seiner Erhöhung und seinem Reichtum – der Hochmut, der vor dem Fall kommt. Der Ursprung seiner Macht war ihm verkündet worden (Kapitel 2); doch dies hatte er vollkommen vergessen, indem er die ganze Herrlichkeit seines Königreiches sich selbst zuschrieb. Als er die Pracht seines Palastes und der großen Stadt mit einem vor Hochmut und Stolz strotzenden Herzen überblickte, schrieb er alles der Macht seiner eigenen Stärke zu und verkündete, dass dies alles zur Ehre seiner eigenen Herrlichkeit war. Gott kam in seinen Gedanken nicht vor, noch nicht einmal seine eigenen falschen Götter. Seine Vision war auf sein eigenes Ich begrenzt – auf sich selbst als die Quelle all seiner Herrlichkeit, und sich selbst als das Zentrum all seiner Werke. Was für ein Einblick in das menschliche Herz! Uns wird damit gestattet, den moralischen Zustand dieses gigantischen Baumes zu betrachten, bevor er nach dem göttlichen Beschluss abgehauen wird.

Die Ähnlichkeit zwischen dieser Begebenheit und dem Gleichnis von dem reichen Mann, dessen Boden vielfache Frucht brachte, fällt dem Leser sofort auf. Während dieser sich zu seinem eigenen Gedeihen beglückwünschte, seine Scheuen zu vergrößern beabsichtigte und Jahre selbstsüchtigen Genusses vor sich sah, kam das Gericht: „Du Tor! In dieser Nacht wird man deine Seele von dir fordern“ (Lk 12,16–20). In gleicher Weise, als Nebukadnezar den Hochmut seines Herzen in seinem törichten Rühmen offenbarte, „noch war das Wort im Mund des Königs, da kam eine Stimme vom Himmel herab: Dir, König Nebukadnezar, wird gesagt: Das Königtum ist von dir gewichen!“ Dann wird das Gericht durch die Stimme wiederholt, das bereits von Daniel vorhergesagt worden war, und es wird augenblicklich ausgeführt. „In demselben Augenblick wurde das Wort über Nebukadnezar vollzogen; und er wurde von den Menschen ausgestoßen, und er aß Kraut wie die Rinder, und sein Leib wurde benetzt vom Tau des Himmels, bis sein Haar wuchs wie Adlerfedern und sein Nägel wie die Vogelkrallen.“ Wenn Gott spricht, wird es erfüllt, und was Er befiehlt, bleibt immer bestehen.

Es ist nun notwendig, die Bedeutung dieses Gerichtes zu erforschen. Bei genauerer Untersuchung wird gefunden werden, dass es eine dreifache Bedeutung hat – eine persönliche, eine moralische und eine prophetische. Zunächst sollte die persönliche Bedeutung betrachtet werden. Diese findet sich in der Tatsache, dass das, was Nebukadnezar auferlegt wurde, ein direktes Gericht Gottes über seinen persönlichen Hochmut war, denn so kann seine Selbst-Vergötterung genannt werden. Der Hochmut des Menschen ist einer der besonderen Gegenstände des Hasses Gottes; und da er sich in dem König von Babylon in einer extremen Form äußerte, fiel er unter die Hand des Gerichtes Gottes. Einige haben sich bestrebt, seinen Zustand auf natürliche Weise zu beschreiben, indem sie ihn für eine besondere Form der Verrücktheit hielten. Dennoch stellt sich wieder die Frage: Woher kam er? Der biblische Erzähler gibt uns die Antwort – eine Antwort, die von dem König selbst aufgezeichnet wurde –, dass es von der Hand Gottes kam als ein gerechtes Gericht über Nebukadnezars überheblichen Hochmut und seine Prahlerei. Nachdem das Gericht ein Jahr vorher angekündigt worden und somit Raum zur Buße gegeben worden war, wurden ihm nun durch eine Stimme aus dem Himmel die Worte Daniels ins Gedächtnis gerufen, genau in dem Moment, als der strafende Schlag in Begriff stand, über ihn zu kommen. Ihm war die Herrschaft über die Erde anvertraut worden, und Gott zog ihn nun zur Verantwortung und strafte ihn entsprechend, und doch in Gnade, genauso wie in Gerechtigkeit, denn das Ziel war, ihn zu lehren, „dass der Höchste über das Königtum der Menschen herrscht und es verleiht, wem er will“ (4,14).

Die moralische Bedeutung dessen, was über Nebukadnezar kam, ist – falls überhaupt möglich – von noch größerer Bedeutung. Er wurde von den Menschen verbannt, wurde dem Vieh der Erde gleich, denn er aß Gras wie die Ochsen, und in seiner körperlichen Verfassung ging es ihm sogar noch schlechter als dem Vieh des Feldes. All dies bringt seinen moralischen Zustand sowie den Charakter der Macht zum Ausdruck, die er losgelöst von Gott ausübte. Um es mit den Worten eines anderen auszudrücken: „Die Macht wird auf den Zustand des Viehs herabgesetzt, das Gott nicht kennt und keinen menschlichen Verstand besitzt. Das einzige wirkliche Privileg des Menschen, das ihn adelt, ist dass er zu Gott aufschauen und Ihn anerkennen kann. Ohne dies schaut er nach unten, er kann nicht zu sich selbst hingelangen (he cannot suffice to himself), er ist entwürdigt ... Hochmut und Unabhängigkeit trennen den Menschen von Gott; er wird zum Vieh, seines eigenen wahren Verstandes entbehrt.“ Der physische Zustand dieses Monarchen ist daher ein moralisches Bild, und zwar eines, über das häufig nachgedacht werden sollte, insofern es den Zustand des Menschen nach der Beurteilung Gottes offenbart, wenn er sich seiner Macht rühmt, seine eigene Ehre sucht und seine Unabhängigkeit geltend macht. Doch es geht noch über den König selbst hinaus; es umschließt auch den Charakter seiner Herrschaft und seines Königreiches. Wenn also das erste Königreich in der Hand des Menschen götzendienerisch wurde (Kapitel 3), so wird es in Kapitel 4 bestialisch in dem Sinne, dass es, abgetrennt von Gott, jeglicher menschlichen Intelligenz entbehrt, nach unten schaut und sich ausschließlich von den Motiven und Zielen der Erde nährt. Denn wenn der Mensch in seiner Selbsterhöhung Gott aus seinen Gedanken ausschließt und sich selbst zum Mittelpunkt und Ziel macht, dann ist er moralisch nicht besser dran als das Vieh. Wie der Psalmist sagt: „Der Mensch, der in Ansehen ist und keine Einsicht hat, gleicht dem Vieh, das vertilgt wird“ (Psalm 49,20).

Schließlich gibt es noch den prophetischen Aspekt. „Sieben Zeiten“ sollten über den König in seiner Erniedrigung vergehen, bevor er wiederhergestellt werden sollte. Es heißt nicht „Jahre“ (auch wenn die „Zeiten“ möglicherweise „Jahre“ sein könnten), sondern „Zeiten“. Der Ausdruck ist vage, während die Zahl Sieben ihm eine sehr präzise Bedeutung verleiht, nämlich die eines vollkommenen Zeitabschnittes, eines Zeitabschnittes, der die gesamte Dauer der Zeiten der Nationen umfasst. Wir begreifen daher, dass alle vier Königreiche – und diese umfassen, wie wir uns erinnern, die gesamte Epoche der heidnischen Regierungen – denselben moralischen Charakter vor Gott haben werden; dass die Macht, die durch sie ausgeübt werden wird, außerhalb von Gott sein und für das eigene Ich genutzt werden wird, für den Menschen und irdische Ziele, ohne Rücksicht auf die Gedanken Gottes oder Verantwortlichkeit Ihm gegenüber, der die Macht verliehen hat.

Dies ist ein sehr ernster Gedanke, und zwar in vielerlei Hinsicht. Es zeigt, dass keine Verbesserung in den Regierungen der Erde erwartet werden kann, und dass es daher mehr als nutzlos für den Christen ist (abgesehen von der Unvereinbarkeit mit seiner himmlischen Berufung), sich auf das Meer politischer Unruhe zu begeben in der Hoffnung, irgendeine Verbesserung des Zustands der Dinge um ihn herum zu erwirken. Nicht einen Moment lang kann geleugnet werden, dass der Zustand des Menschen in dieser Welt durch gerechte und segensvolle Gesetze verbessert werden kann, doch es bleibt die Frage: Werden irgendwelche politischen Veränderungen oder Gesetzesbeschlüsse den moralischen Charakter der menschlichen Regierung oder ihrer Untertan verändern? Unser Kapitel zeigt wie viele andere Kapitel, dass der Charakter dieses ersten Königreiches sich in seines Nachfolgern wiederholen wird; und es wird, wie wir aus dem Buch der Offenbarung wissen, in der schlussendlichen Form des letzten der vier prophetischen Königreiche ohne jegliche Tarnung gesehen werden. Wenn irgendjemand diese Aussage bezweifelt, dann lass ihn den Pfad menschlicher Regierungen von den Tagen des Königs von Babylon bis zur heutigen Zeit verfolgen. Lass ihn die Geschichte von Eroberungen, Kriegen und Dynastien durchwaten, und lass ihn sich dann die Frage stellen, ob er irgendeine Zeitperiode nennen kann, in der die Macht des Thrones von Gott ausging oder für Ihn ausgeübt wurde. Er wird ohne Zweifel finden, dass einige wenige Herrscher gottesfürchtige Männer gewesen sind; doch er wird auch anerkennen müssen, dass wie groß auch ihre Frömmigkeit gewesen sein mag, sie den Kurs oder den Charakter ihrer Regierungen nicht ändern konnten. Die bestehenden Mächte sind von Gott eingesetzt, und daher sollte der Christ ihr alle geforderte Ehre und Unterwerfung zollen. Doch dies widerspricht in keinster Weise der Tatsache, dass der Zustand Nebukadnezars in seinem moralischen Aspekt, wie er in unserem Kapitel beschrieben wird, den Charakter der Königreiche darstellt, die die Zeiten der Nationen ausfüllen.

Die Umkehr Nebukadnezars

Nachdem wir die Bedeutungen der Erniedrigung Nebukadnezars verfolgt haben, können wir nun ihre Wirkung auf Nebukadnezar selbst betrachten. Die „sieben Zeiten“ können sich auch auf diese Wirkung beziehen. Die Zeitspanne war göttlich festgelegt, und trägt (wie in analogen Fällen in den typischen Büchern) ohne Zweifel der Veränderung in seiner Seele Rechnung. Anders gesagt, seine Erniedrigung sollte eine vollkommene Zeitspanne lang anhalten, wie durch die Zahl Sieben angezeigt wird, bis das von Gott beabsichtigte Werk in seiner Seele erreicht werden sollte. Daher sagt er:

„Und am Ende der Tage erhob ich, Nebukadnezar, meine Augen zum Himmel, und mein Verstand kam mir wieder; und ich pries den Höchsten, und ich rühmte und verherrlichte den ewig Lebenden, dessen Herrschaft eine ewige Herrschaft ist und dessen Reich von Geschlecht zu Geschlecht währt. Und alle Bewohner der Erde werden wie nichts geachtet, und nach seinem Willen tut er mit dem Heer des Himmels und mit den Bewohnern der Erde; und da ist niemand, der seiner Hand wehren und zu ihm sagen könnte: Was tust du?“ (4,31–32).

Das Ziel des Handelns Gottes mit ihm war erreicht, denn der König hatte nun die ihm zugedachte Lektion gelernt, dass „der Höchste im menschlichen Königreich regiert und es gibt, wem immer Er will“ (4,22.29).

Lasst uns dennoch sein Bekenntnis genauer betrachten. In dem Gericht, das ihn heimgesucht hatte, war er ein Vieh der Erde. Wie wir gesehen haben ist es charakteristisch für das Vieh, nach unten zu schauen und keinen menschlichen Verstand zu besitzen. Es ist daher äußert interessant, dass in dem Moment, als Nebukadnezar seine Augen erhob, sein Verstand wiederkehrte. So war es auch mit dem verlorenen Sohn, der in ein fernes Land gereist war: Er kam dann zu sich, als er sich dem Haus seines Vaters wieder zuwandte. Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Weisheit, und diese Aussage wird in der Erfahrung des Königs von Babylon illustriert. Indem er aufsah zu der Hand, die ihn geschlagen hatte, begann er zu verstehen, denn er begriff zum ersten Mal seine Verantwortlichkeit gegenüber dem Herrn.

Man bemerke, dass das erste, was er mit seinem wiedergewonnenen Verstand tut, das Loben des Höchsten ist, Ihn als den ewigen Gott zu preisen und zu ehren, als den souveränen Herrscher, sowohl im Himmel als auch auf der Erde. Das ist überaus schön, und es ist der sichere Beweis für das, was wir unter einem Werk der Gnade an der Seele verstehen. Die Eigenschaft, mit der er Gott in seinem Lobpreis betitelt – „der Höchste“ – ist ebenfalls bedeutsam. Dieser Titel wird erstmals in Verbindung mit Melchisedek gefunden, der der Priester des höchsten Gottes genannt wird, und der zur Segnung Abrams auf seiner Rückkehr von der Schlacht der Könige sagte: „Gesegnet sei Abram von Gott, dem Höchsten, der Himmel und Erde besitzt!“ (1. Mo 14,18.19).

Dies lehrt uns deutlich, wie auch anderen Schriftstellen entnommen werden kann, dass dies der Titel ist, den Gott in dem kommenden Zeitalter annehmen wird, wenn Er wahrhaftig die Erde und den Himmel besitzen wird. Daher liegt auch eine prophetische Bedeutung in dem Gebrauch dieses Titels durch Nebukadnezar, der damit anerkannte, dass Gott, obgleich Er ihm die Herrschaft über die Erde übertragen hatte, doch sowohl im Himmel als auch auf der Erde nach seinem Willen handelt. Wir haben bereits die Tatsache hervorgehoben, dass Nebukadnezars Erniedrigung der Charakter der heidnischen Regierungen bis zum Ende vorschattet; und jetzt lernen wir, dass die Nationen durch Gericht dazu gebracht werden werden, Gott anzuerkennen. Wir lesen daher im Propheten Zephanja: „Darum harrt auf mich, spricht der HERR, auf den Tag, da ich mich aufmache zur Beute! Denn mein Rechtsspruch ist, die Nationen zu versammeln, die Königreiche zusammenzubringen, um meinen Grimm über sie auszugießen, die ganze Glut meines Zorns; denn durch das Feuer meines Eifers wird die ganze Erde verzehrt werden. Denn dann werde ich die Lippen der Völker in reine Lippen umwandeln, damit sie alle den Namen des HERRN anrufen und ihm einmütig dienen“ (Zeph 3,8.9).

Gottes Gnade kommt zum Ziel

Daniel hatte dem König gesagt, dass ihm das Königreich gegeben werden würde. Danach hatte er gelernt, dass die Himmel regieren. Auch diese Prophezeiung bewahrheitete sich, denn er fügt weiter hinzu:

„Zur selben Zeit kam mir mein Verstand wieder, und zur Ehre meines Königtums kamen meine Herrlichkeit und mein Glanz mir wieder; und meine Räte und meine Gewaltigen suchten mich auf, und ich wurde wieder in mein Königtum eingesetzt, und ausnehmende Größe wurde mir hinzugefügt“ (4,33).

Gott erfüllt also sein Wort durch den Mund seines Dieners; nicht ein Jota oder ein Strichlein fiel auf die Erde, und Nebukadnezar bekennt freudig die göttliche Treue und zeichnet sie auf. Angesichts des Hochmuts der Mächte, die überall erscheinen, und inmitten der Verwirrung der Erde ist es keine kleine Ermutigung zu sehen, dass Gott durch alles hindurch die Erfüllung seiner Absichten erreicht, und dass schließlich alle Heiden, genauso wie all seine früheren Völker zu williger Unterwerfung unter Christus gebracht werden, wenn Er sein Königreich aufrichtet und seine Herrschaft auf der ganzen Erde ausdehnen wird.

Das Kapitel endet mit einem weiteren Lobpreis:

„Nun rühme ich, Nebukadnezar, und erhebe und verherrliche den König des Himmels, dessen Werke allesamt Wahrheit und dessen Wege Recht sind, und der die zu erniedrigen vermag, die in Stolz einhergehen“ (4,34).

Wenn man den Nebukadnezar, der Gott diesen Lobpreis widmet, mit dem Nebukadnezar vergleicht, der bei der Betrachtung seiner Stadt sagte: „Ist das nicht das große Babel, das ich ... erbaut habe?“ – dann können wir nur ausrufen: „Was hat Gott gewirkt!“ Er hatte in der Tat seine Macht erwiesen, um den zu erniedrigen, der in Hochmut wandelte; und darüber hinaus hatte Er, indem Er ihn erniedrigte, das Herz des Monarchen auf so wirksame Weise verändert, dass er sich demütig der Hand zuwandte, die ihn geschlagen hatte und bekannte, dass alle Werke Gottes Wahrheit und seine Wege Recht sind. Er rechtfertigte somit Gott – ein sicheres und unverwechselbares Zeichen der Bekehrung, und als er Ihn rechtfertigte, waren seine Lippen mit Lobpreis und Anbetung gefüllt. Es ist ein wunderbares Bild der Wege Gottes sowohl im Gericht als auch in der Gnade.

Es sollte noch ein Wort dazu gesagt werden, in welcher Art er Gott hier anerkennt. Er spricht nun von Ihm als dem König des Himmels, und auch dies ist ein Beweis dafür, dass er göttlich unterwiesen worden war. Als der HERR seinen Thron in Jerusalem hatte, war Er der Gott der Erde und des Himmels; doch als Er seinen dortigen Thron verlassen hatte, und die Autorität der Welt dem heidnischen Monarchen übergeben hatte, war Er als der Gott des Himmels bekannt, und als diesem legt Daniel auch Zeugnis vor dem König ab (Daniel 2,37–44). Doch während Gott nun diesen Titel angenommen hatte, hatte Er in keinster Weise weder seinen Anspruch auf die Erde, noch die gegenwärtigen Handlungen seiner Macht in der Regierung aufgegeben; denn sein Ziel, das Er mit dem gerichtlichen Schlag verfolgte, der Nebukadnezar traf, war, wie wir gesehen haben, ihn zu lehren, „dass der Höchste über das Königtum der Menschen herrscht und es verleiht, wem er will“. Nebukadnezar hatte diese Wahrheit bekannt, doch ehe er den Bericht über das Handeln Gottes mit ihm schließt, geht er noch einen Schritt weiter und erkennt Ihn als den König des Himmels an.

Es ist überaus interessant, die verschiedenen Schritte in der Geschichte Nebukadnezars zu betrachten, die zu dieser Schlussfolgerung geführt hatten. In Daniel 2 bekannte er Daniel: „In Wahrheit, euer Gott ist der Gott der Götter und der Herr der Könige, und ein Offenbarer der Geheimnisse, da du vermocht hast, dieses Geheimnis zu offenbaren.“ In Daniel 3 ordnete er an, dass niemand, unter schlimmster gesetzlicher Strafe, gegen den Gott Sadrachs, Mesachs und Abednegos sprechen sollte, wobei er anerkannte, dass es keinen anderen Gott gab, „der auf solche Weise zu erretten vermag“. Und in unserem Kapitel erkennt er schließlich Gott als der Höchsten und König des Himmels an. Gott hatte also in seiner Barmherzigkeit das stolze Herz dieses mächtigen Machthabers überwältigt und ihn vor sich selbst gedemütigt, sodass er seinen Namen vor allen Einwohnern seines gewaltigen Königreiches bekannte. Wenn es auch die Beschreibung eines Gerichts ist, so ist es dennoch eine Geschichte überströmender Gnade.

Fußnoten

  • 1 Die Zweideutigkeit des Wortes „ruhig“ deutet in Verbindung mit den Träumen und Visionen möglicherweise darauf hin, dass er insofern ruhig war, dass er schlief.
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