Der Brief an Titus

Anweisungen für verschiedene Angelegenheiten

Anweisungen für kirchliche Angelegenheiten

Um mit den kirchlichen Angelegenheiten zu beginnen, erinnert er ihn daran, dass er ihn in Kreta zurückgelassen hatte, damit er Dinge in Ordnung bringen würde, die noch ungeordnet waren, und um in jeder Stadt Älteste einzusetzen. Hierbei führt der Apostel die Bedingungen für jemanden an, der einen solchen Dienst ausführen sollte. Denn der Dienst des Ältesten und des Aufsehers ist, wie wir hier sehen, derselbe (vergleiche 1,5 mit 1,7). Der Begriff Ältester war ein Titel des Respekts, während der Begriff Aufseher oder Vorsteher die Arbeit charakterisierte. Die Bedingungen, die hier aufgezählt werden, sind denen im Timotheusbrief angeführten sehr ähnlich. Doch da in Timotheusbrief eine bedeutendes Anliegen die Fürsorge für die Versammlung Gottes ist, wird Timotheus daran erinnert, dass der Aufseher lehrfähig sein sollte, seinem eigenen Haus wohl vorstehend, seine eigenen Kinder in Unterwürfigkeit haltend mit würdigem Ernst. Hier, wo der Umgang mit Widersprechenden der vorherrschende Gedanke ist, wird Titus daran erinnert, dass die Kinder eines solchen gläubig sein sollten (1,6) und der Aufseher selbst dem zuverlässigen Wort nach der Lehre anhängen soll, um in der Lage zu sein, sowohl mit der gesunden Lehre zu ermahnen als auch die Widersprechenden zu überführen. Dies war in Kreta mehr als nötig, denn es gab dort viele zügellose1 Schwätzer und Betrüger, besonders die aus der Beschneidung, deren Münder gestopft werden sollten, die ganze Häuser umkehrten, indem sie schändlichen Gewinnes wegen lehrten, was sich nicht geziemt. Dies war nicht überraschend. Es war in Übereinstimmung mit dem kretischen Charakter, beschrieben von Epimenides, einem derer, die Paulus hier zitiert: „Kreter sind immer Lügner, böse, wilde Tiere, faule Bäuche“ (1,12). Kein Wunder, dass solche ohne Rücksicht auf die Zuverlässigkeit ihrer Lehre mit der Wahrheit Handel trieben. Sie wurden von zeitlichen Beweggründen gesteuert, nicht von dem Wunsch, Gegenstand der Lehre des Geistes zu sein oder die Anerkennung des Meisters zu erlangen. Solche mussten gestoppt werden, und die Aufseher in den verschiedenen Versammlungen würden ihre Pflicht tun, indem sie aufpassten, dass solche Lehren in ihrer Mitte keinen Platz fanden. Zum Schutz der durch solche Lehren, die mit der natürlichen Neigung des kretischen Charakters übereinstimmten, Betrogenen sollte Titus solche „streng zurecht[weisen], damit sie gesund seien im Glauben und nicht achten auf jüdische Fabeln und Gebote von Menschen, die sich von der Wahrheit abwenden. Den Reinen ist alles rein; den Befleckten aber und Ungläubigen ist nichts rein, sondern befleckt ist sowohl ihre Gesinnung als auch ihr Gewissen. Sie geben vor, Gott zu kennen, aber in den Werken verleugnen sie ihn und sind abscheulich und ungehorsam und zu jedem guten Werk unbewährt“ (1,13–16). Unter einem solchen Volk hatte Gott gewirkt, sie zu seinem Eigentum ernannt, die moralisch mit ihren vergangenen bösen Wegen brechen und alle solchen Lehren und Praktiken ablehnen sollten, die hier verurteilt werden.

Anweisungen für soziale Angelegenheiten

Nicht nur in der Versammlung waren solche Lehren nicht erlaubt. Die Früchte der gesunden Lehre sollten im sozialen Kreis und im täglichen Lebenswandel sichtbar werden. So sollte Titus die Dinge reden, die der gesunden Lehre entsprechen, indem er die alten Männer, die alten Frauen, die jungen Frauen und die jüngeren Männer ermahne und über sie wache. Jeden in jeder dieser Gruppen sollte Besonnenheit charakterisieren. Die alten Männer, die jungen Frauen und die jüngeren Männer sollten diese Besonnenheit in ihrem Verhalten offenbaren. Die alten Frauen sollten sie ebenso darin zeigen, dass sie die jüngeren Frauen in Bezug auf deren Pflichten im Leben ermahnen. Der besondere Bereich der Frauen – das Zuhause –, und die wichtigen Ergebnisse, die indirekt für die gesamte Versammlung und möglicherweise darüber hinaus aus ihrem stillen gottesfürchtigen Wandel folgen, werden hier einfach dargelegt.

Was Titus selbst angeht, sollte er ein Vorbild guter Werke sein – in der unverfälschten Lehre, würdigem Ernst, nicht zu verurteilender Rede, damit die von der Gegenseite beschämt werden, da sie nichts Schlechtes zu reden haben, nicht über dich, sondern über uns, d. h. die christliche Gemeinschaft als Ganzes. Danach wird ein Wort an die Knechte, wörtlich Sklaven, gerichtet (2,9.10). Diese sollen sich ihren eigenen Herren unterordnen, ihnen wohlgefallen in allem, nicht widersprechen noch etwas unterschlagen, damit sie die Lehre unseres Heiland-Gottes zieren in allem. Kurz gesagt, es ist Christsein im Alltag worauf der Apostel besteht, eine Übung in Übereinstimmung mit der Lehre; denn es ist die der Gottesfurcht entsprechende Lehre, die wir berufen sind, festzuhalten. In Verbindung damit sind die gewöhnlichsten Pflichten des Lebens absolut vereinbar, während deren Vernachlässigung dem Gegner eine Möglichkeit bieten würde, das Wort Gottes zu verlästern (2,5) und schlecht von Christen zu reden und die Lehre Gottes, unseres Heilandes, ganz bestimmt nicht in allen Dingen zieren (2,10). Zu welchem Dienst ist der niedrigste Christ berufen? Dem geringsten in der sozialen Rangfolge!

Doch obwohl das aus der Darstellung christlichen Lebens und christlicher Prinzipien resultiert, sind dies nicht die Motive, die uns antreiben sollten. Gnade sollte das Motiv sein, die heilbringende Gnade für alle Menschen, die jetzt erschienen ist. Dies gibt dem Begnadigten ein Motiv, Belehrung und eine Erwartung. Die Gnade Gottes in seiner Errettung ist uns in der Tiefe unserer Bedürfnisse und Schuld begegnet. Wenn Gott uns gerettet hat, ist es, weil wir verloren waren, zu Fall gebracht waren und es verdienten, dass sein Zorn für immer auf uns ruht. Daher lehrt uns die Gnade, dass wir „die Gottlosigkeit und die weltlichen Begierden verleugnend, besonnen und gerecht und gottselig leben“ (2,12), d. h. auf uns selbst aufpassen, redlich in unseren Wegen, die reine Gottesfurcht offenbaren, dessen Geheimnis der Herr Jesus ist und auf „die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes Jesus Christus, der sich selbst für uns gegeben hat, damit er uns von aller Gesetzlosigkeit loskaufte und sich selbst ein Eigentumsvolk reinigte, das eifrig sei in guten Werken“ warten (2,13.14). Diese Dinge sollte Titus reden und ermahnen und überführen mit allem Nachdruck. Und um dies alles zu bekräftigen, fügt Paulus an: „Lass niemand dich verachten!“ (2,15).

Anweisungen für bürgerliche Angelegenheiten

Doch die Heiligen lebten auf der Erde. Daher standen sie unter Verantwortung gegenüber der Regierung und sollten ein Zeugnis gegenüber den Menschen sein. Unterordnung unter Obrigkeiten und Gewalten, Gehorsam gegenüber Regeln, Bereitschaft zu jedem guten Werk, niemanden zu lästern, nicht streitsüchtig zu sein, mit Milde und Sanftmut gegenüber allen – diese Dinge kleiden den Christen und sollten ihn charakterisieren, da er daran gedenkt, was er einmal war (3,3) und wie die Güte und die Menschenliebe unseres Heiland-Gottes erschienen ist. Er hat uns nach seiner Barmherzigkeit durch die Waschung der Wiedergeburt und der Erneuerung des Heiligen Geistes errettet, den Er reichlich über uns ausgegossen hat durch Jesus Christus, unseren Heiland, damit wir, gerechtfertigt durch seine Gnade, Erben würden nach der Hoffnung des ewigen Lebens. Errettet, losgekauft, gerechtfertigt, Teilhaber des Heiligen Geistes und Erben nach der Hoffnung des ewigen Lebens – an diesen Segnungen, den Früchten des sühnenden Todes des Herrn, hatten die Christen teil. Darüber hinaus hatten sie teil an der Waschung der Wiedergeburt –, eine Waschung, die moralisch mit der neuen Ordnung verbunden ist, die mit Macht in dem Königreich errichtet werden wird, wenn der Herr regieren wird. Daher sollen, in Übereinstimmung mit der wahren Aussage, die hier von dem Apostel aufgezeichnet wurde, die, die Gott geglaubt haben, Sorge tragen, gute Werke zu betreiben (3,8). Darauf sollte Titus unentwegt fest bestehen, wobei er törichte Streitfragen, Geschlechtsregister, Zänkereien und Streitigkeiten über das Gesetz vermeiden und einen sektiererischen Menschen nach ein- oder zweimaliger Zurechtweisung abweisen oder mit einem solchen nichts zu haben sollte, der durch sich selbst verurteilt ist.

Fußnoten

  • 1 Bei Erwähnung des Wortes „zügellos“ beschreiben die folgenden Worte, Schwätzer und Betrüger, den Charakter ihrer Zügellosigkeit. Die Juden scheinen in Kreta zahlreich gewesen zu sein (Apg 2,11), wonach es viele jüdische Christen auf der Insel gegeben haben muss.
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