Der Prophet Jona
Der große Fisch und das Ende der Mission Jonas
Als Jona den verängstigten Seeleuten sagt: „Nehmt mich und werft mich ins Meer, so wird das Meer von euch ablassen“ (1,12), möchten wir glauben, dass auch in ihm als dem einzig Schuldigen der Gedanke war, dass die Strafe Gottes auf ihn alleine fallen sollte und nicht auf seine armen Reisegefährten. David bringt einen ähnlichen Gedanken zum Ausdruck, als er zu Gott ruft, während das Volk durch den Engel des HERRN wegen seiner Sünde geschlagen wird: „Bin ich es nicht, der gesagt hat, das Volk zu zählen? Und ich bin es, der gesündigt und sehr böse gehandelt hat; aber diese Schafe, was haben sie getan? HERR, mein Gott, es sei doch deine Hand gegen mich und gegen das Haus meines Vaters, aber nicht gegen dein Volk zur Plage“ (1. Chr 21,17).
Diese schönen Worte waren Ausdruck des Bewusstseins seiner Sünde und seiner Hingabe für Israel. Sie erinnern uns an eine unendlich bewundernswertere Hingabe, der des Sohnes Gottes, unserem Erlöser Jesus Christus. Er, der niemals Sünde gekannt hatte, willigte freiwillig ein, für uns Sünder zur Sünde zu werden, auf dem Kreuz zu sterben, der Gerechte für die Ungerechten. Welche Liebe! O, wie könnten wir da gleichgültig bleiben!
Kommen wir zurück zu Jona: Er wird ins Meer geworden, wo er zweifellos untergehen wird. Nein, denn derselbe Gott, der einen großen Wind auf das Meer kommen ließ, war immer noch da, um ihn zu beschützen, nachdem Er ihm eine harte Lektion erteilt hatte. „Und der HERR bestellte einen großen Fisch, um Jona zu verschlingen; und Jona war im Bauch des Fisches drei Tage und drei Nächte“ (2,1). Hier sehen wir noch einmal, dass es nichts Bedeutungsloses im Leben eines Dieners des HERRN gibt. Ein großer Fisch war keine seltene Sache, im Meer gab es viele davon. Nichtsdestotrotz bereitet der allmächtige Schöpfer einen davon vor, bzw. lässt einen von ihnen für Jona kommen, damit auch dieses Monster eine Botschaft Gottes für seine Seele sei. Die Aufbewahrung des Propheten im Bauch des Fisches war ohne Zweifel ein Wunder der Allmacht Gottes. (Es ist bekannt, dass es Fische gibt, besonders eine riesige Hai-Art, oder sogenannte „Jona-Fische“, die Menschen und sogar ganze Pferde verschlucken können. Man findet sie in großer Zahl im Mittelmeer und unter anderem auch nah von Joppe. Der berühmte Schubert, ein Verfasser einer Reise nach Palästina, berichtet von einer, wie er sagt, gutbekannten Begebenheit: Ein Matrose wurde eines Tages lebendig von einem Hai verschluckt, der kurze Zeit später von einer Kanonenkugel getötet wurde. Daraufhin spie er den armen Mann aus, der durch die unzähligen scharfen und schneidenden Zähne verletzt war, und dennoch so lebendig war, dass der auf diese Art gerettete Matrose die Welt mit eben diesem ausgestopften Hai durchzog, durch dessen Maul er entkommen war und ihn für Geld zur Schau stellte).
Dort, im Schoß seines Grabes, im Herzen des Meeres, umgeben von unendlicher Tiefe, geht Jona in sich und kommt zum HERRN zurück. Er spürt seine Sünde, er bekennt sie. Er hat sich falschen Einbildungen ergeben, denn nichts ist vergeblicher und lügenhafter als der Weg des Ungehorsams: denn von da an hat er das Empfinden der Freude der Gnade seines Gottes aufgegeben. Genau dort liegt auch das Unglück aller Sünder. Es ist die Liebe zur Sünde, die sie von der Gnade fortzieht und die sie davon abhält, die Liebe Gottes in Jesus Christus kennen zu lernen. Der Prophet betet anschließend zum HERRN mit der Gewissheit, dass sein Gebet den Palast Seiner Heiligkeit erreicht und dass es bereits erhört ist: er hat Glauben an den Gott, von dem das Heil kommt. Von dem Grund der tiefen Wasser und den Wurzeln der Berge aus kann er in vollem Vertrauen sagen: „dennoch werde ich wieder hinschauen zu deinem heiligen Tempel“ (2,5) und sogar: „Da führtest du mein Leben aus der Grube herauf, HERR, mein Gott“ (2,7). Welch kostbare Gabe des Glaubens, der auf diese Weise die Verheißungen Gottes ergreift und sich im Voraus daran erfreut, als wenn er sie bereits besitzen würde! Möge der HERR uns diesen Glauben schenken oder vermehren!
Wir wissen, dass Jona in dieser Hinsicht ein bewundernswerter Schatten auf den Herrn Jesus ist und dass Jesus selbst es ist, der es uns offenbart. Den heuchlerischen Pharisäern, die ihn aufforderten, ihnen einige Wunder zu demonstrieren, antwortet er: „Ein böses und ehebrecherisches Geschlecht begehrt ein Zeichen, und kein Zeichen wird ihm gegeben werden als nur das Zeichen Jonas, des Propheten. Denn so wie Jona drei Tage und drei Nächte in dem Bauch des großen Fisches war, so wird der Sohn des Menschen drei Tage und drei Nächte in dem Herzen der Erde sein“ (Mt 12,39–40).
Wenn Jona allerdings in seiner Traurigkeit zu Gott sagt: „alle deine Wogen und deine Wellen fuhren über mich hin“ (2,4), tut er nichts anderes, als das zu wiederholen, was David in seinem Psalm 42,8 gesagt hatte, was in ganz besonderes Weise beim Herrn Jesus am Kreuz angewendet wird. Und so wie Jesus durch seinen Vater erhört und mit Macht am dritten Tag auferweckt wurde, kam ebenso der Prophet aus seinem Grab hervor, denn der HERR befahl dem Fisch und er spie Jona an Land aus.
Jetzt ist der Mann Gottes gehorsam geworden. Nachdem der HERR ihn die Anweisungen erneut hören lässt, macht er sich gehorsam auf den Weg nach Ninive. Sie war eine überaus große Stadt von drei Tagesmärschen. Und Jona begann, eine Tagereise weit in die Stadt zu laufen und machte dabei die Ankündigung: „Noch vierzig Tage, dann wird Ninive umgekehrt“ (3,1). Die Menschen von Ninive glaubten Gott. Ein Befehl des Königs wurde veranlasst, der zu Demütigung und Reue aufrief, und Gott ließ sich des Übels gereuen, das Er über Ninive beschlossen hatte und führte es nicht aus.
Möge es Gott gefallen, dass alle treuen Predigten über Sein Wort, alle Ankündigungen Seines Gerichts über unnachgiebige Sünde gleiche Auswirkungen mitten unter den Menschen und Kindern bewirken mögen, die sich Christen nennen! Wenn solche nicht nachgeben, wenn Sie nicht aufhören, Ihre Ohren und Herzen vor den Zurufen Gottes zu verschließen, wird Ihnen am Ende nur ein schreckliches Gericht erwarten. Möge Gott uns schenken, dass wir Ihn verstehen während es noch Zeit ist und dass wir uns zu Ihm bekehren!
Wie traurig ist es, so etwas zu sagen! Derjenige, der sich mehr als alle anderen über die Wirkung seiner Predigt hätte freuen und den Herrn dafür preisen müssen, nämlich Jona, wird darüber bekümmert und verärgert. Die Gnade, die den bußfertigen Niniviten entgegen gebracht wird, missfällt ihm extrem und versetzt ihn in große Wut. Im verbitterten Eifer eines Israeliten hätte er lieber erlebt, wie Ninive umgekehrt und alle seine Bewohner vernichtet worden wäre. Er hielt viel mehr an seiner Ehre als Prophet fest, die nach seinem Ermessen ein viel höheres Niveau durch die Erfüllung der Androhungen erreicht hätte, die er verkündet hatte. Dieser Wunsch war größer als der Wunsch nach Barmherzigkeit gegenüber armen Sündern. Armer und stolzer Jona! Er musste noch eine Lektion durchmachen und Gott ist zu treu, als dass Er sie ihm nicht erteilen würde. Er beschwert sich über Gott, über Seine Milde, Seine Unterstützung, Seine Liebe, als ob er selbst, Jona, sie nicht genauso, wie jeder andere, benötigt hätte. Er geht sogar soweit zu sagen: „Und nun, HERR, nimm doch meine Seele von mir; denn es ist besser, dass ich sterbe, als dass ich lebe. Und der HERR sprach: Ist es recht, dass du zürnst?“ (4,3–4).
Verärgert verlässt der Prophet die Stadt. Er lässt sich nahe von Ninive nieder und baut sich eine Hütte. Anscheinend hat er die Anweisung vergessen, die er während seines dreitägigen Aufenthalts auf dem Grund des Meeres erhalten hatte. Er benötigt außerdem eine neue Botschaft von Gott. „Und Gott der HERR bestellte einen Wunderbaum und ließ ihn über Jona emporwachsen, damit Schatten über seinem Haupt wäre, um ihn von seinem Missmut zu befreien“ (4,6). Es handelt sich um eine Pflanze, die in heißen Ländern bis zu einer Höhe von sechs Metern wächst und deren große frische Blätter einen angenehmen Schatten bieten. Gleichzeitig war sie ein Botschafter Gottes für die Seele des Propheten. Und tatsächlich: „Und Jona freute sich über den Wunderbaum mit großer Freude“ (4,6). Im Schatten sitzend dachte er nicht mehr an den Tod, um den er in einem Moment der Ungeduld und des Unwillens gebeten hatte. „Aber am nächsten Tag beim Aufgang der Morgenröte bestellte Gott einen Wurm, und dieser stach den Wunderbaum, so dass er verdorrte“ (4,7). Wie unbedeutend er auch sein mochte, dieser Wurm war dabei nicht weniger als ein Gesandter Gottes, genauso wie der große Wind, der große Fisch, oder der Wunderbaum. Ein von Gott beauftragter Wurm kann große Dinge bewirken. Dieser nämlich bewirkte die unmittelbare Austrocknung des Wunderbaumes Jonas, um ihm, wie auch uns, eine ernste Lektion erfahren zu lassen. Der, der einen Wurm bestellt hatte, bestellte daraufhin einen schwülen Ostwind. Und die Sonne stach so sehr auf den Kopf Jonas, dass er zu Boden sank und erneut darum bat, sterben zu dürfen: „Es ist besser, dass ich sterbe, als dass ich lebe“, sagt er (4,8). Aber Gott sprach zu Jona: „Du erbarmst dich über den Wunderbaum, um den du dich nicht gemüht und den du nicht großgezogen hast, der als Sohn einer Nacht entstand und als Sohn einer Nacht zugrunde ging; und ich sollte mich über Ninive, die große Stadt, nicht erbarmen, in der mehr als 120.000 Menschen sind, die nicht zu unterscheiden wissen zwischen ihrer Rechten und ihrer Linken, und eine Menge Vieh?“ (4,10–11).
Diese Worte waren einerseits bestens dafür geeignet, um den Propheten seinen Egoismus und seine Herzenshärte spüren zu lassen. Auf der anderen Seite stellen sie als Kontrast die Güte, die Geduld und das Mitgefühl Gottes für seine armen Geschöpfe heraus, insbesondere für die kleinen Kinder und sogar für das Vieh. Lernen Sie daraus auch, dass Gott hinter allem steht und dass alle Umstände, selbst die gewöhnlichsten von Ihm vorbereitet und geleitet werden, um Ihnen Unterweisung im Hinblick auf den Zustand Ihrer Seele zu geben. Möge Gott Ihnen Ohren geben, um Seine Stimme in allem, was Ihnen begegnet zu hören, die geistliche Weisheit um sie zu verstehen und die Unterwerfung des Herzens, um sich entsprechend zu verändern!