Das Bild des unreinen Geistes, der ausgeht und dann wieder zurückkehrt und das Haus gekehrt und geschmückt findet und dort wohnt mit sieben anderen Geistern, böser als er selbst (Mt 12,43–45), ist ein Bild von der jüdischen Generation in dessen letzten und schlimmsten Zustand. Israel war heidnisch geworden. Ihre Beschneidung konnte als unbeschnitten erfunden werden. Er war zu den Seinen gekommen, aber die Seinen hatten Ihn nicht angenommen (Joh 1,11). Sodass der göttliche Lehrer nun eine neue Richtung einschlug und das Licht das in Galiläa aufgegangen war und die ganze Erde erleuchtet hätte, nun seine Strahlen auf andere und entferntere Teile der Erde fallen ließ.
So ist es wenn wir Matthäus 13 sehen. Hier finden wir zum ersten Mal eine vollständige Vorausschau der gegenwärtigen Zeit. Die Handlung des Herrn zu Beginn des Kapitels ist überaus bedeutsam. Er ging aus dem Haus hinaus und setzte sich an den See (Mt 13,1).
Bisher war die Welt der Heiden nicht als das Feld Seiner Arbeit in Erwägung gezogen worden. Der Glaube eines Heiden – so früh wie in der Zeit von Matthäus 8 – hatte Ihn dazu geleitet von solchen die aus dem Osten und dem Westen kommen würden um mit Abraham, Isaak und Jakob im Reiche zu sein, zu sprechen (Mt 8,5–13). Doch dies war nur ein flüchtiger Blick des Auges, das alle Dinge überschaut und das Ende vor dem Anfang sieht. Es war nicht der ruhende Blick Dessen, der den Acker der Welt als den Platz des göttlichen Wirkens durch das Evangelium, voraussah. Doch nun, in Kapitel 13, blickt dieses Auge hinaus auf die Welt der Heiden und ruht dort. Denn dort, würde schon bald der Geist und die Wahrheit mit dem Menschen handeln und der Herr der Ernte würde dort Seine Ernte und nicht in den Städten und Dörfern Israels haben. „Der Acker ist die Welt“ (Mt 13,38).
Der Herr beginnt nun in Gleichnissen zu reden (Mt 13,3). Eine äußerst bedeutsame Tatsache zu diesem Zeitpunkt, denn diese Art des Lehrens war bereits eine Ausübung des Gerichts über Israel. Es glich dem Erscheinen der Wolkensäule zwischen Israel und Ägypten, nur dass Israel jetzt auf die finstere Seite der Wolkensäule gestellt wurde. Der Herr redete von nun an in Gleichnissen, sodass das Wort des Propheten erfüllt werde, „Mit Gehör werdet ihr hören und doch nicht verstehen, und sehend werdet ihr sehen und doch nicht wahrnehmen“ (Mt 13,14). Hierin lag der Grund weshalb Er nun solch verborgene Aussprüche tat. Jedes einzelne dieser Gleichnisse beinhaltete ein Geheimnis. Aber es war Israel nicht gestattet diese zu erkennen. Der Herr hatte ein Volk, das durch die Gleichnisse gelehrt werden sollte – belehrt in Geheimnissen – den Geheimnissen des Reiches. Aber Israel wurde im Hinblick auf die Gleichnisse in Dunkelheit gelassen. Der Urteilsspruch der Blindheit begann auf sie angewandt zu werden. Die Zerstreuung Israels war hingegen noch nicht gekommen.
Der Sämann ist – in dem Gleichnis das das Kapitel einleitet – mitten unter den Menschen. Er ist ausgegangen und „der Acker ist die Welt“. Durch das gesamte Kapitel hindurch, verfolgt der Herr anhand mehrerer Gleichnisse, im Geist und in einer Vorausschau, die geschichtliche, zu diesem Zeitpunkt noch zukünftige, Entwicklung des Evangeliums in der Welt, oder wir könnten auch sagen während der gegenwärtigen heidnischen Zeitepoche. Er sieht einen Schauplatz wo Gut und Böse vermischt sind, so wie es in der Christenheit heute ist. Er betrachtet in den Gleichnissen vom Senfkorn und vom Sauerteig, die Vorherrschaft des Bösen. In den darauffolgenden Gleichnissen vom Schatz im Acker und der kostbaren Perle, zeigt der Herr die Kostbarkeit – die jedoch verdunkelt ist – des Guten. Ist dies nicht überaus eindrücklich in Bezug auf das was geschehen ist in der Geschichte der Christenheit sowie im Hinblick auf den aktuellen Zustand der Dinge? Vor uns liegt ein Ackerfeld von gemischten Samen – das Werk des Herrn und das Werk des Feindes – mit einer Vorherrschaft dessen was von dem Feind ist und der Verborgenheit dessen was kostbar und von Gott ist. Welch eine Vorausschau auf das was wir heute überall um uns herum sehen! Die Welt ist heute in der Tat ein Feld von gemischten Samen. Aber der Glaube weiß, dass eine Zeit der Scheidung von Gut und Böse bevorsteht. Es wird eine Ernte geben, entsprechend der Belehrung eines weiteren Gleichnisses. Es wird die Vollendung des Zeitalters kommen, wenn das Netz, das in das Meer geworfen worden ist an das Ufer heraufgezogen werden wird und die guten Fische in Körbe gesammelt und die Faulen weggeworfen werden.
Diese Dinge lernen wir also hier und das Kapitel ist in seiner Struktur und Inhalten typisch für Matthäus. Einige der Gleichnisse finden wir nirgendwo sonst und diejenigen die bei Matthäus, Markus und Lukas gemeinsam vorkommen, stehen in Matthäus 13 in einer ganz besonderen Verbindung miteinander, die wir an anderer Stelle so nicht finden.
Es war ein bedeutender Augenblick in dem Dienst des Herrn. „Neues und Altes“ (Mt 13,52) lag vor Ihm – die Gleichnisse des Reiches der Himmel. Das Reich des Himmels selbst sowie die Herrschaft des Gottes des Himmels über die Erde und deren Nationen waren an sich keine neue Sache. Daniel hatte in deutlicher Weise von einem solchen Reich gesprochen und all die Propheten gaben davon Zeugnis in dem ihnen zugedachten Maß. Aber das Reich unter den Bedingungen die der Herr in diesem Kapitel vorstellt, war durchaus etwas Neues, eine Sache die all den Gedanken und Hinweisen der Propheten des Alten Testamentes fremd war. Die Blindheit des Auges und die Verhärtung des Herzens die über Israel vollstreckt werden sollten, sowie das Säen des Samens Gottes – des Wortes voller Gnade und Wahrheit – auf ein entferntes „Ackerfeld“, d.h. die „Welt“ und die damit verbundenen Entwicklungen – dies alles war wahrhaftig etwas Neues! Gott sind alle Werke von jeher, seit Beginn der Schöpfung bekannt (Apg 15,18). Aber unter den Gläubigen müssen einige auf die Erfüllung der Zeit warten, bis auch sie die Dinge völlig verstehen. Für manche der Glaubenden (die Jünger des Herrn damals) war der Zeitpunkt in Matthäus 13 nun eine solche Zeit des Erkennens und Verstehens. Der Herr verlässt also für einen Augenblick im Geiste das Volk Israel und wir – in einer Vorausschau – werden in unsere eigene, heidnische Geschichte eingeführt.
Die Begebenheit zieht jedoch schnell vorüber. Bevor das Kapitel schließt finden wir Ihn wiederum im Geist sowie im Handeln, inmitten Seines Volkes Israel. Nicht wie in den Gleichnissen, als Er die Geheimnisse des Reiches am Seeufer gab, sondern jetzt wieder lehrend und heilend in der Synagoge seiner Vaterstadt (Mt 13,53.54). Ja Er beschäftigte sich vornehmlich mit den verlorenen Schafen des Hauses Israel und so musste Er nun wieder zu ihnen zurückkehren.