Betrachtung über das Evangelium nach Matthäus
Kapitel 1: Die Herkunft des Königs
Jesus wird geboren; er wird sowohl für die Juden als auch von den Juden geboren. Seine Abstammung wird uns von Abraham und David, den Häuptern und Vätern Israels, gegeben; und seine Geburt wird in einer Weise angekündigt sodass Israel es gut verstehen konnte. Das Kind das geboren wird ist der „Emmanuel“, Jesus, Gott mit Israel und der Retter Israels. „Uns“ – so konnte Israel es in besonderer Weise sagen, „ist ein Kind geboren, ein Sohn gegeben.“
Jesus wurde als der König der Juden geboren, in der Stadt Davids. Als Sohn und Erbe Davids: „Aus dem Geschlecht Davids gekommen, dem Fleisch nach“, obwohl er in seiner vollkommenen Person Davids Herr war.
Die Rechte des Geschlechtes Davids waren auch seine Rechte; und diese Rechte bestanden in einem göttlichen Titel, voller Majestät und Ehre auf der Erde.
In 1. Chronika 17 wird mit David durch Nathan ein Bund gemacht, die Verheißung betreffs seines Hauses und Thrones. Barmherzigkeit ist das Teil Davids auf ewig, ebenso die Ehre und Festigkeit seines Hauses auf ewig.
In Psalm 89 wird dieser Bund zitiert, jedoch wird die Bedingung betreffs der Kinder Davids – dass wenn sie nicht treu sein würden sie das Gericht des HERRN erfahren werden – hinzugefügt. Und wir wissen wie dies in Erfüllung trat. Die Verheißungen welche bedingungsvoll an die Treue der Kinder Davids geknüpft waren, wurden von Generation zu Generation verloren, wie es die Geschichte des Königtums Juda bezeugt.
Zucht bedeutet jedoch niemals Vergesslichkeit. Die Verheißungen gehen zwar verloren aufgrund eines untreuen Salomo oder eines widerspenstigen Zedekia, welche die Bedingungen Gottes brachen, aber in Gottes Treue und in der Hand des Herrn Jesus stehen die Verheißungen fest. In ihm sind alle Verheißungen Ja und Amen.
Folglich wird bei der Geburt Jesu, durch den Heiligen Geist, nach so vielen Jahren als der erste Bund einst durch Nathan angekündigt worden war, durch Engel und Propheten dessen gedacht. Dies geschieht in Geist und Wahrheit durch die Worte Gabriels an Maria und dann durch die Worte des Zacharias (Lk 1). Jesus wird als der Same Davids eingeführt, von dem die Prophezeiungen in 1. Chronika 17 und Psalm 89 gesprochen hatten; Hebräer 1,5 setzt den Herrn Jesus mit dem Samen Davids aus 1. Chronika 17 gleich.
Dies ist einfach zu verstehen und gewiss; ein weiterer wunderbarer Beleg der göttlichen Wahrheiten, die in der Schrift zu finden sind. Und wie wunderbar ist es, das Licht nach so vielen Jahrhunderten der Dunkelheit strahlen zu sehen, als die Herrschaft der Heiden ihren Höhepunkt erreicht hatte und die Ehre Davids im Staube lag. Der Same Davids wird in Lukas 2 hervorgebracht, und in Matthäus 2 wird der Same in seiner vollkommenen Weise und seinem Charakter, der Mann von Bethlehem, durch den Propheten Micha vorgestellt. Und als er so in seine Stellung gebracht ist (der Bethlehemiter, der Sohn Davids und der König der Juden), kommen die Nationen zu ihm. Dies war notwendig um diesem besonderen Augenblick seine volle Würde zu geben. Alle Propheten hatten es so angekündigt. Schilo sollte in Juda sein und in Schilo sollten sich alle Völker sammeln.(?) Der König Israels sollte der Gott der ganzen Erde sein. Die Juden waren das Volk Gottes, aber die Nationen sollten sich mit ihnen freuen. Der Spross Isais sollte als Zeichen Israels stehen, doch die Nationen sollten es suchen. Und unsere vorliegende Prophezeiung Michas spricht dieselbe Sprache, denn nachdem vom Herrscher Israels gesprochen worden ist, heißt es „denn nun wird er groß sein bis an die Enden der Erde“ (Micha 5,2–4). Daher sehen wir auch den Besuch der Weisen aus entferntem Lande als das Kind in Bethelehem geboren wurde. Sie kommen, obwohl er, der geboren ist der König der Juden ist, um selbst ihn anzubeten.
So erscheinen also die Nationen vor Gott in Zion und für einen Augenblick (ein Moment voller geheimnisvoller Schönheit) sind die Dinge göttlich geordnet. Israel ist das Haupt. Die größte Herrlichkeit ist der Tochter Zions gegeben. Die Nationen nehmen ihren Platz ein und Jerusalem wird von den Enden der Erde her aufgesucht.
Alles geschieht in vollkommener Würde. Es fehlt an nichts um die Vorstellung des Kindes in Bethelehem entsprechend der Prophezeiung Michas vollkommen zu machen. Wenn also die Männer Judas und die Einwohner Jerusalems ihn nicht annehmen, gibt es für sie keinerlei Entschuldigung.
Die Ablehnung kam jedoch unmittelbar und kategorisch, beschlossen durch mörderische Hände, welche der Geist dieser Welt im Herzen bewirkt hatte, welche jedoch mit Lügen und Heuchelei verborgen werden sollte. Nichts kann die Ungerechtigkeit des Herodes übertreffen. Der Thron Jerusalems war damals in seinem Besitz und er würde nicht davon zurücktreten, auch wenn ein anderer einen königlichen Titel trug. Wenn er diese Würde innehatte, würde er es nicht abgeben, auch nicht an Gott selbst. Dies ist die Sprache seiner Handlungen. Jerusalem, als auch Herodes, sind bestürzt über die Worte der Männer aus dem Osten und bereitwillige Ausführende zum Morden lassen sich auf seine Bitte hin finden. Die Priester des HERRN wurden einst erschlagen weil sie David geholfen hatten; die Kinder Bethlehems würden jetzt leiden, weil Davids Herr selbst unter ihnen war. Die Stimme des Weinens wird in Rama gehört. Der Messias aus Bethlehem ist verstoßen. Israel wird nicht gesammelt werden und Herodes wird weiterhin der König sein, obwohl der Herr zunächst im Exil in Ägypten sein würde und dann als Nazarener auf der Erde.
So wurde Christus also als erstes Israel vorgestellt. Dies ist das besondere bei Matthäus und ich brauche nicht zu erwähnen, dass dies charakteristisch für das ganze Evangelium nach Matthäus ist.
Im Blick auf diese beiden Kapitel (Mt 1–2), finden wir einige weitere Gedanken.
Welch eine Macht und Autorität ist in diesem einen Wort „Emmanuel“. Würden wir doch dieses Wort mehr in unseren Herzen erwägen – welch eine Kraft um alle anderen Dinge zu verdrängen würden wir darin finden! Gott mit uns, ist ein Gedanke, eine Tatsache, oder ein Geheimnis, welches wohl voller Macht in unseren Herzen Raum zu finden vermag, sodass alles andere davor weichen müsste. Wir erkennen wie wenig wir die erhabene und gebieterische Kraft dieses einen Satzes bisher erfasst haben, „und sie werden seinen Namen Emmanuel nennen“ (Mt 1,23).
Das Handeln dieses elenden Menschen aus Matthäus 2, welchen wir bereits erwähnt haben, zeigt, dass er nichts von diesem Namen kannte. Eine hoffnungslose, selbstbewusste Liebe für die Welt war in seinem Herzen vorhanden. Unsichtbare Dinge waren ihm nahe gekommen. Die Welt der Geister und der Herrlichkeiten, die Welt des Glaubens, die Welt Gottes und der Engel, war seinem Auge und seinem Ohr vorgestellt worden. Der Stern, nach dem Bericht der Weisen, und die Weissagung des Propheten, durch die Erklärung der Schriftgelehrten, hatten diese Welt ihm auferlegt. Aber Herodes lehnte es ab in diese Welt einzugehen, denn er hatte nichts verstanden von der ersetzenden, erhabenen Macht dieses einen Wortes „Emmanuel“.
Im Gegensatz dazu hatten es die Weisen in gesegneter Weise verstanden und erfahren. Der Stern leitete sie. Nach dessen Zeichen machten sie sich auf und gingen auf eine lange, unbekannte Reise, die kein Ende nahm bis sie den „Emmanuel“ erreicht hatten. Ihre Herzen standen unter der Macht Gottes, als er sich offenbarte. Dieses Zeichen hatte auf wirksame Weise in ihnen gewirkt. Die Klugheit und die Entscheidung, die Siege und die Tröstungen des Glaubens werden in dem beiläufigen Blick auf diese Männer uns gezeigt. Es ist ein Ereignis, welches denselben Platz wie die Geschichte des Stephanus in Apostelgeschichte 7 einnimmt. Beide sind kurz und hervorstrahlend.
Auch im Verhalten Josephs in diesen Kapiteln erkennen wir ebenfalls das Leben des Glaubens, vielleicht nicht in demselben Charakter, jedoch in dem Grundsatz der sagt: „Ich eile und säume nicht, deine Gebote zu halten“ (Ps 119,60). Bei Joseph mag Angst und Gebrechlichkeit vorhanden gewesen sein, aber der Herr begegnet ihm mit seiner Fürsorge, so wie er auch dem entschiedenen, siegreichen Glauben der Männer des Ostens, mit seinen Tröstungen begegnet ist. Als Joseph von der Regierungsweise des Archelaus in Judäa hörte, der im Haus seines Vaters Herodes herrschte, wurde er furchtsam weiter zu gehen, doch Gott leitet ihn in Anbetracht seiner Ängste, durch einen Traum in das Gebiet von Galiläa zu ziehen. Und so, nehme ich an, haben viele von uns dieselbe Zärtlichkeit und Rücksichtnahme auf unsere Schwachheit erfahren, als aufgrund unseres fehlenden Glaubens oder Herzens für den Herrn Jesus, wir nicht seine Höhe erreichten und er uns dann durch seine Vorhersehung auf unserer Höhe begegnet ist. Er hat uns, aufgrund seiner Vorhersehung, auf unserer Glaubenshöhe entsprochen.
Auch die Schriftgelehrten aus Matthäus 2 lehren uns eine gewinnbringende Lektion. Jedoch ist diese Lektion schmerzhaft und demütigend. Sie offenbaren die Herzenslosigkeit bloßen biblischen Wissens. Anhand der Bibel lehren sie den armen Vorübergehenden ihren Weg, aber sie machen keinen einzigen Schritt mit ihnen auf diesem Weg, obwohl es doch ein Weg ist der zu dem Mann von Bethlehem führt, ihrem Prophet. Sollen doch diese umherwandernden Männer Gottes alleine ziehen, denn warum sollte sie das weiter sorgen. Welch schrecklichen Anblick gewährt dies, Geliebte, und welch ernste Ermahnung liegt darin für uns!