Botschafter des Heils in Christo 1856
Sie sind nicht von der Welt, wie ich nicht von der Welt bin
In seinem Gebet (Joh 17) bezeugt der Herr Jesus vor seinem Vater von den Seinen, dass sie nicht von der Welt sind, so wie auch Er nicht von der Welt ist. Eine köstliche Wahrheit, die das Herz der Seinen ganz erfüllen sollte. Dieses Bewusstsein sollte sie stets durchdringen, dass sie aus der Welt erkauft, und zwar teuer erkauft sind, und ihr jetzt eben so wenig angehören, wie Er selbst. Ihre Gemeinschaft ist „mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus“. „Und dies schreiben wir euch“, sagt der Apostel Johannes, „damit eure Freude völlig sei“ (1. Joh 1,3.4). Einst gehörten sie der Welt an, und waren mit ihr tot in Sünden und Übertretungen. Sie befanden sich unter denen, auf denen der Zorn Gottes bleibt, weil sie nicht glauben, und über die das Gericht Gottes ausgesprochen ist und bald hereinbrechen wird. Jetzt aber, erwählt von Christus, erkauft durch sein kostbares Blut, durch dasselbe abgewaschen und geheiligt, gehören sie nicht mehr der Welt an, sondern dem, der für sie gestorben und auferstanden ist. So einfach und lieblich nun diese Wahrheit auch ist, so wird sie doch in unsern Tagen von den Gläubigen wenig verstanden und beherzigt. Die Erkenntnis des Wortes Gottes ist sehr mangelhaft, und der Gehorsam und die Liebe schwach.
Doch erst dann, wenn wir unser Verhältnis, unsere Einheit mit Christus verstanden haben, werden wir aus der Welt ausgehen, und unsere Gemeinschaft mit ihr brechen. Diese Erkenntnis, wenn sie durch den Geist Gottes ist, lässt uns die Ermahnung in 2. Korinther 6,14–18 verstehen und beherzigen: „Seid nicht in einem ungleichen Joch mit Ungläubigen. Denn welche Genossenschaft haben Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit? Oder welche Gemeinschaft Licht mit Finsternis? Und welche Übereinstimmung Christus mit Belial? Oder welches Teil ein Gläubiger mit einem Ungläubigen? Und welchen Zusammenhang der Tempel Gottes mit Götzenbildern? Denn ihr seid der Tempel des lebendigen Gottes, wie Gott gesagt hat: ‚Ich will unter ihnen wohnen und wandeln, und ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein.‘ Darum geht aus ihrer Mitte hinaus und sondert euch ab, spricht der Herr, und rührt Unreines nicht an, und ich werde euch aufnehmen; und ich werde euch zum Vater sein, und ihr werdet mir zu Söhnen und Töchtern sein, spricht der Herr, der Allmächtige.“ Es ist also klar, dass nach dem Willen Gottes zwischen Gläubigen und Ungläubigen keine Gemeinschaft sein soll, und auch, sobald es sich um die Dinge des Geistes Gottes handelt, keine sein kann. Aus dieser Erde sollen jetzt stets zwei Heerlager unterschieden werden: solche, „die von der Welt“ und solche, „die nicht von der Welt, sondern von Gott sind“. In jenem Lager herrscht der Fürst dieser Welt, in diesem aber wohnt und wirkt der Heilige Geist.
Es ist wahr, dass beides, sowohl der gute Samen, als auch das Unkraut miteinander wachsen sollen bis zur Ernte, die die Vollendung des Zeitalters ist. Aber der Acker, worauf beides wachsen soll, ist nicht die Kirche oder die Versammlung, sondern die Welt (Mt 13,38.39). Das Wort Gottes erlaubt keine Gemeinschaft der Gläubigen mit den Ungläubigen, es fordert völlige Scheidung. Nicht nur sollen jene das Bewusstsein in sich tragen, dass sie nicht von der Welt sind, sondern sie sollen es auch in ihrem ganzen Leben bekennen und verwirklichen. Nicht nur sollen sie sich von den äußeren Sünden und Gesetzlosigkeiten getrennt halten, sondern in der Tat bezeugen, dass die Welt in keiner Weise, weder an ihrem Dienst vor Gott, noch an ihrer Auferbauung und an ihren Segnungen Teil haben kann. Und wenn die Gläubigen aufgefordert sind, wie wir oben gesehen haben, aus der Welt auszugehen, so ist die Versammlung ebenso entschieden ermahnt, „den Bösen von sich selbst hinauszutun“ (1. Kor 5,13). Nur getrennt von der Welt und völlig eins untereinander werden die Kinder Gottes Lichter in der Welt und ein Salz der Erde sein. Nur in dieser Stellung können sie das Wort des Lebens darstellen inmitten eines verdrehten und verkehrten Geschlechts (Phil 2,15). Sind sie aber durch die Gemeinschaft mit diesem Geschlecht geschwächt, weil der Heilige Geist in solcher Gemeinschaft nicht mit ihnen sein kann, so sind sie auch weniger ein lebendiges und kräftiges Zeugnis in der Welt, und Gott wird nicht von ihnen durch die Gesinnung des Herrn, der nicht von dieser Welt ist, verherrlicht.
Dieses Trennen und Ausgehen aus der Welt wird aber immer Schmach und Verfolgung hervorrufen. Denn wo der Geist Gottes wirksam ist, da regt sich auch der Fürst dieser Welt, und wir haben dann nicht allein den Hass der Ungläubigen zu tragen, sondern auch die Unzufriedenheit und selbst die Bitterkeit solcher Gläubigen, die ihre Einheit mit Christus nicht recht verstanden haben, und darum in mannigfaltiger Beziehung eine Gemeinschaft mit der Welt zu unterhalten suchen. Wenn der treue Christ einfach und lauter nach dem Wort Gottes wandelt, und sich nicht den menschlichen oder weltlichen Satzungen in Bezug auf den Gottesdienst unterwirft, so wird er in gleicher Weise den Hass und die Verfolgung der Ungläubigen und der weltlich gesinnten Gläubigen zu erdulden haben. Er wird dann Gelegenheit haben, zu erfahren, was Paulus an die Galater schreibt: „Ich aber, Brüder, wenn ich noch Beschneidung predige, was werde ich noch verfolgt? Dann ist ja das Ärgernis des Kreuzes weggetan“ (Gal 5,11). Ebenso wird er oft Veranlassung finden, mit dem Apostel über „die Feinde des Kreuzes des Christus“ zu weinen (Phil 3,18). Je weltförmiger der Christ, desto mehr rühmt und schätzt er die Formen und Satzungen, unter denen er steht.
Es ist aber „der Herr, der Allmächtige“, der uns auffordert, aus ihrer Mitte hinauszugehen, und uns abzusondern. Er will unser Vater und wir sollen seine Söhne und Töchter sein. Wie tröstlich ist es, unter den vielen Versuchungen in dieser Wüste, unter den vielfältigen Beschwerden einer irdischen Hütte, unserem Leib, unter dem Spott und der Verfolgung sichtbarer und unsichtbarer Feinde, dieses Bewusstsein zu haben, dass Gott, der uns befohlen hat, aus der Welt auszugehen, unser Vater, der Herr, der Allmächtige ist. Er wusste wohl, dass wir in unserer Schwachheit eines so starken Trostes bedurften. Wäre auf dieser Erde um unserer Treue willen auch alles gegen uns, der Allmächtige ist für uns und ist mit uns, und wird uns mit starkem Arm durch alle Schwierigkeiten und Hindernisse glücklich hindurchführen; Er ist unser Vater. Darum wird uns auch an einer andern Stelle versichert: „Ich will dich nicht versäumen und dich nicht verlassen; so dass wir kühn sagen können: Der Herr ist mein Helfer, und ich will mich nicht fürchten; was wird mir ein Mensch tun?” (Heb 13,5.6).
Je mehr wir auf dem Weg durch die Wüste unsere Gemeinschaft mit Gott dem Vater und seinem Sohn Jesus Christus durch den Glauben verstehen und in unserem Leben verwirklichen, und je mehr wir Gott selbst erkennen lernen, desto mehr werden wir auch von dieser Gemeinschaft genießen. Wir erkennen immer mehr die Liebe Christi, obgleich diese Liebe alle Erkenntnis übersteigt. Es kann weder unser Verstand, noch unser Herz ihre Fülle erreichen, – das Köstlichste aber für uns ist, zu wissen, dass wir mit dieser Liebe geliebt sind. Das Kreuz Christi verkündigt laut diese Liebe zu uns. Sie bewies sich schon da in ihrer Vollkommenheit, als wir noch Sünder und Feinde waren, wie viel mehr erweist sie sich jetzt in ihrer Fülle, da wir durch sein kostbares Blut erkauft und versöhnt sind.
Die Liebe des Herrn zu den Seinen entfaltet sich an dem letzten Abend vor seinem Kreuzestod in ihrer ganzen Schönheit und Tiefe in den Unterhaltungen mit seinen Jüngern und in seinem Gebet für sie. Jedes Herz, das nicht ganz und gar unempfindlich gegen Liebe ist, muss hier still stehen und bewundern. Die aber, die nicht allein von ferne stehen und schauen, sondern auch persönlichen und völligen Anteil an dieser Liebe haben, können nur eine vollkommene Freude in sich tragen.
Lasst uns einen Augenblick bei diesen Unterhaltungen, wie sie uns in Johannes 13–17 aufgezeichnet sind, verweilen. Für den Herrn Jesus war dieser Abend der schrecklichste von allen. Er stand im Angesicht des schauerlichsten Todes, – eines Todes, der alle seine Schrecken über ihn brachte, – eines Todes, wo alle Feinde Ihn umringten und Gott ihn verließ. War das nicht genug, um an dem Abend sein ganzes Herz und alle seine Gedanken in Anspruch zu nehmen? Doch seine Liebe zu den Seinen war noch stärker, als das alles. Wir finden Ihn hier mit einer solch innigen Sorgfalt, mit einer solch tröstenden Liebe um diese bemüht, als wenn auf sie ein so schrecklicher Morgen wartete. „Da er die Seinen, die in der Welt waren, geliebt hatte, liebte er sie bis ans Ende” (Joh 13,1). In der Fußwaschung offenbarte er ihnen, was er auch selbst in der Herrlichkeit für sie, die auf der Erde zurückblieben, sein würde. Wenn sie, die ein für alle Mal Gereinigten, auf dem Weg durch die Wüste ihre Füße beschmutzten, so wollte er stets für ihre Reinigung, wie eine zärtlich liebende Mutter, Sorge tragen (Joh 13).
In Johannes 14 offenbart er ihnen sein Hingehen zum Vater und dass dieses Hingehen für sie von so herrlichen Folgen sei. Er bereitet dort die Stätte für die Seinen, und will wiederkommen und sie zu sich nehmen, auf dass sie seien, wo er ist (V. 1–4). Er sagt ihnen, dass Er mit dem Vater eins ist und dass alle ihre Gebete in seinem Namen Erhörung finden werden (V. 10 u. 14). Er will sie nicht als Waisen in dieser Wüste zurücklassen, – ein anderer Sachwalter, der Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht noch kennt, soll ewig bei ihnen bleiben und sie begleiten. Kraft dieses Geistes sollen sie erkennen, dass Er in seinem Vater, und dass sie in ihm und Er in ihnen ist (V. 10–21). Er will mit dem Vater Wohnung in ihnen machen, und will sich ihnen, die Er liebt, und von denen Er geliebt wird, offenbaren (V. 23). Seinen Frieden, den Er in der Gemeinschaft des Vaters genießt, soll auch ihr Herz erfüllen und erfreuen (V. 27).
In Johannes 15 versichert Er den Seinen, dass Er sie so liebt, wie Er selbst vom Vater geliebt wird (V. 9), und dass Er sie nicht mehr Knechte, sondern Freude nennt, weil Er ihnen Alles, was Er von seinem Vater gehört, mitgeteilt hat (V. 15). Er offenbart ihnen weiter, dass Er sie aus der Welt auserwählt habe, und dass sie deshalb von der Welt gehasst werden würden, weil die Welt Ihn hasst, und weil sie nicht von der Welt sind (V. 16 u. 18–20).
In Johannes 16 teilt Er ihnen mit, dass Er ihnen noch Vieles zu sagen habe, was sie aber jetzt nicht tragen könnten, dass aber der Geist der Wahrheit sie in die ganze Wahrheit leiten solle (V. 12 u. 13). Auch will Er sie wiedersehen, und ihr Herz soll frohlocken (V. 22). Ihre jetzige Traurigkeit soll sich in Freude verwandeln, die niemand von ihnen nehmen wird (V. 20). Schließlich versichert Er ihnen noch, dass der Vater selbst sie lieb habe (V. 27).
Besonders lieblich ist das Gebet in Johannes 17. Es ist außerordentlich erquicklich für unsere Herzen, die Unterhaltung des Herrn Jesus mit seinem Vater im Bezug auf die Seinen zu hören. Welch eine Liebe und Fürsorge tritt uns hier entgegen! Und wie unendlich köstlich für uns, zu wissen, dass wir selbst der Gegenstand dieser Liebe und Fürsorge sind! Es gibt im Himmel und auf der Erde keinen Gegenstand, der für den Vater und den Sohn kostbarer wäre, oder ihre Liebe und Sorge mehr in Anspruch nähme, als die Seinen. Möchte sich doch dieses Bewusstsein recht tief in unseren Herzen einprägen.
Der Herr Jesus ging durch eine Welt, die Ihn nicht kannte (Joh 1,10.11), und in der Er selbst nicht fand, sein Haupt hinzulegen (Mt 8,20); aber in dieser Welt musste Er die Seinen, die Ihm so am Herzen lagen, zurücklassen. Bisher hatte Er selbst sie geleitet und bewahrt, aber jetzt musste Er für eine Zeit von ihnen gehen. Wo aber waren sie während seiner Abwesenheit besser aufgehoben, als an dem Herzen seines Vaters? „Denn“, sagt Er, „sie sind dein, (und alles, was mein ist, ist dein, und was dein ist, mein), und ich bin in ihnen verherrlicht“ (V. 9 u. 10). Konnte es eine lieblichere Bitte für den Vater geben als diese? Der geliebte Sohn vertraut Ihm diejenigen an, die schon sein sind, und die der Vater Ihm gegeben hat, und in welchen Er verherrlicht ist. Kann es für unser Herz etwas Beruhigenderes und Erquicklicheres auf dem Weg durch diese Wüste geben, als zu wissen, dass wir einem solchen Vater anvertraut sind, um uns in dieser Welt vor dem Bösen zu bewahren, – einem Vater, der uns selbst so vollkommen lieb hat? Deshalb sagt der Herr Jesus auch: „Dieses rede ich in der Welt, damit sie meine Freude völlig in sich haben“ (V. 13). Das Erkennen der vollkommenen Liebe des Vaters und des Sohnes macht die Freude in uns völlig.
Gerade hier bezeugt der Herr Jesus auch, dass die Seinen nicht von der Welt sind, gleich wie auch Er nicht von der Welt ist (V. 17). Es ist unmöglich, diese Wahrheit zu verstehen, und das Bewusstsein dieser Liebe in sich zu tragen, und dennoch in der Gemeinschaft mit der Welt zu bleiben. Was für eine Liebe und was für ein Opfer war nötig, um uns aus dieser Gemeinschaft zu erretten! Und wir beweisen nur, wie wenig wir dies alles erkennen, wenn wir darin verharren. Vielmehr will der Herr, dass wir die Einheit untereinander begreifen und völlig verwirklichen. Wie Er mit seinem Vater eins ist, so sollen auch wir untereinander und in dem Vater und dem Sohn eins sein (V. 21). Ebenso sollen die Seinen die Herrlichkeit, die Ihm vom Vater gegeben ist, schauen und mit Ihm besitzen, damit, sowohl durch diese Teilnahme an seinem Erbe, wie auch durch das vollendete Einssein untereinander und in dem Vater und dem Sohn – wenn Beides völlig verwirklicht ist – die Welt endlich glaube, dass die Seinen vom Vater geliebt sind, wie Er selbst geliebt ist.
Wie unendlich groß ist doch die Liebe Gottes in Christus Jesus! Ihr wahrer Charakter zeigt sich aber dann noch tiefer und lieblicher, wenn wir einen Blick auf die Jünger, den Gegenstand dieser Liebe, werfen. Ach, wie wenig verstehen sie diese Liebe, die ihnen hier in Christus Jesus so herrlich entgegenströmt. Angesichts derselben entsteht unter ihnen ein Streit, „wer von ihnen für den Größten zu halten sei“ (Lk 22,24). Judas überliefert den Herrn Jesus zum Tod. Petrus flucht und schwört, dass er Ihn nicht kennt. Die drei Jünger können in seinem schweren Kampf in Gethsemane nicht eine Stunde mit Ihm wachen, und bei seiner Gefangennahme fliehen sie alle und verlassen Ihn. Hier sehen wir, dass das Herz Gottes allein der Grund und das Maß dieser Liebe Christi ist, und nicht das Herz der Jünger.
Dies alles aber lässt uns auch die große Kluft zwischen denen, die „von der Welt“ und denen, die „nicht von der Welt“ sind, verstehen. Erstere erkennen weder den Vater noch den Sohn (Joh 16,3) und der Zorn Gottes bleibt auf ihnen (Joh 3,36), weil sie nicht glauben, und ihr Weg führt zu einem schrecklichen Gericht. Die Letzteren aber sind ein Gegenstand der vollkommenen Liebe Gottes, eins mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus und Genossen der himmlischen Berufung. Das ganze Wesen der beiden zeigt uns, dass zwischen den beiden Gruppen keine Gemeinschaft bestehen kann. Halten wir eine solche aber trotzdem fest, so beweisen wir, dass wir dieses Wesen der beiden nicht verstehen. Der Gegenstand der vollkommenen Liebe Gottes, und der seines Zornes haben keine Gemeinschaft miteinander. Die Kinder dieser Welt können unmöglich mit den Gläubigen Gott anbeten und preisen, weil sie Ihn nicht kennen, noch gemeinschaftlich mit ihnen an dem Tisch des Herrn das Brot brechen und weil sie seinen Tod, an dem sie keinen Anteil durch den Glauben haben, nicht mit dankbarem Herzen verkündigen können. Nur Unwissenheit oder Gleichgültigkeit kann ein Kind Gottes in einer solchen Gemeinschaft mit der Welt festhalten.
Haben wir die Liebe Gottes und Christi erkannt und verstanden, dass wir der vornehmste Gegenstand dieser Liebe sind, so erfüllt grade dieses Verständnis unsere Herzen mit einer seligen Ruhe und einer tiefen Freude. Wenn uns nichts in dieser Welt bliebe, wenn wir selbst auf den Beistand und den Trost der Mitbrüder verzichten müssten, so wäre das Bewusstsein dieser Liebe uns immer genug. Sie ermutigt uns in den vielen Versuchungen und sie tröstet und erquickt uns in den vielfältigen Trübsalen. Sie bleibt immer dieselbe; das Maß ihrer Fülle ist nicht unsere Würdigkeit, sondern Gott selbst. Doch wie wenig wird das Wesen und die Tragweite dieser Liebe verstanden und wie sehr haben wir sie in unserer Armut und Schwachheit beim Durchgang durch diese Wüste nötig! O, möchte der treue Herr uns durch seinen Geist immer mehr ihre Vollkommenheit verstehen lassen.
Eine andere Beziehung wird uns noch deutlicher erkennen lassen, dass wir eins mit Christus und nicht von der Welt sind. Bis jetzt haben wir mehr die Stellung der Gläubigen als Kinder Gottes betrachtet, wie sie von der Welt erkauft, durch den heiligen Geist abgesondert und als die Familie Gottes auf der Erde dargestellt sind. Es ist eine heilige, von der Welt abgesonderte Familie. Ihre Einheit liegt in dem Ratschluss und den Gedanken Gottes, und sie soll auch offenbar werden „denn Christus sollte nicht für die Nation allein sterben, sondern damit er auch die zerstreuten Kinder Gottes in eins versammelte“ (Joh 11,52). Es ist die Wirkung des Heiligen Geistes in uns, wenn das Bewusstsein dieser Einheit unser Herz erfüllt, und es ist sein Werk, wenn diese Einheit auf der Erde verwirklicht wird.
Jetzt wollen wir etwas näher auf unsere Beziehung zu Christus eingehen. „Da ist ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen worden seid in einer Hoffnung eurer Berufung. Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allen und durch alle und in [uns] allen ist“ (Eph 4,4–6). In diesen Worten haben wir die volle Einheit derer, die Christus angehören. „Ein Leib und ein Geist“. Die Versammlung Gottes auf der Erde ist der Leib Christi. Sie ist ein Teil von Ihm. Als Saul diese Versammlung verfolgte, da sagte der Herr Jesus zu ihm: „Was verfolgst du mich?“ (Apg 9,4). Er selbst war es, sein Leib, den er verfolgte. Wir haben jetzt nicht mehr den gläubigen Überrest der Juden auf der Erde, sondern die Versammlung, den Leib Christi, aus allen Nationen berufen. Wir haben jetzt die Offenbarung des köstlichen Geheimnisses, welches vor Grundlegung der Welt in Gott verborgen war, „dass die aus den Nationen Miterben seien und Miteinverleibte und Mitteilhaber der Verheißung in Christus Jesus durch das Evangelium“ (Eph 3,6). „Denn er ist unser Friede, der aus beiden eins gemacht und abgebrochen hat die Zwischenwand der Umzäunung, nachdem er in seinem Fleisch die Feindschaft, das Gesetz der Gebote in Satzungen, weggetan hatte, damit er die zwei, Frieden stiftend, in sich selbst zu einem neuen Menschen schüfe und die beiden in einem Leib mit Gott versöhnte durch das Kreuz, nachdem er durch dieses die Feindschaft getötet hatte“ (Eph 2,14–16). Jetzt ist ein Leib auf der Erde, der sein verherrlichtes Haupt im Himmel hat (vgl. Kol 1,18). Aber so wenig, wie das Haupt der Welt angehört, eben so wenig gehört auch der Leib der Welt an. Unsere vollkommene Einheit als Leib Christi mit Ihm bedingt auch unsere vollkommene Trennung von der Welt. Es gibt auch keine andere Beziehung, die ihrem Wesen nach so unzertrennlich ist wie die der Versammlung mit Christus, und keine andere, die so entschieden die Trennung der Glieder des Leibes Christi von der Welt ausspricht, als diese. Jeder wahrhaft gläubige Christ gehört Christus an. Mag er diese Beziehung verstehen oder nicht, er ist ein Glied an seinem Leib: „so sind wir, die Vielen, ein Leib in Christus, einzeln aber Glieder voneinander“ (Röm 12,5).
Unsere Stellung als Glied des Leibes Christi drückt aber gleichermaßen auch unsere Gemeinschaft als Glieder untereinander aus: „einzeln Glieder voneinander“. Sie ist ebenso unzertrennlich wie unsere Gemeinschaft mit Christus, „aus dem der ganze Leib, wohl zusammengefügt und verbunden durch jedes Gelenk der Darreichung, nach der Wirksamkeit in dem Maß jedes einzelnen Teiles, für sich das Wachstum des Leibes bewirkt zu seiner Selbstauferbauung in Liebe“ (Eph 4,16). Sobald wir aber von unserer Gemeinschaft als Glieder untereinander reden, dürften wir eigentlich auch die in obiger Stelle angeführte Wirksamkeit eines jeden Gliedes in seinem Dienst für das andere nicht übergehen; denn als Glied an diesem Leib kann nur von einer dienenden und aufopfernden Liebe, Gott zu einem duftenden Wohlgeruch, die Rede sein. Als Glied des Leibes Christi bin ich nur ein Diener des Anderen. Dieser Dienst aber bezieht sich hier nicht auf den Herrn, sondern auf den Leib und seine Glieder, so wie jedes Glied an meinem Körper nur zum Dienst des Körpers und seiner Glieder da ist. Es ist jedoch nicht unser Zweck, hier über diesen Dienst zu reden, sondern vielmehr über die Einheit des Leibes Christi in seinen Gliedern und mit seinem Haupt im Allgemeinen, und über seine Absonderung von der Welt.
Diese Absonderung nun muss uns völlig klar sein, wenn wir die Einheit des Leibes untereinander und mit seinem verherrlichten Haupt im Himmel verstanden haben. Christus hat zu der Welt keine Beziehungen, es sei denn als Richter. Die Seinen sind aber mit Ihm unzertrennlich verbunden durch das Band der Liebe und des Friedens, Sie sind der Gegenstand der zärtlichsten Gefühle und Neigungen seines Herzens. Dasselbe Band bindet auch die Seinen untereinander und mit Ihm. Welche Gemeinschaft ist nun noch zwischen diesen und der Welt? Wie könnten mir uns mit der Welt zugleich an dem Tisch des Herrn befinden, wenn wir das Wort des Apostels beachten wollten:,,Denn ein Brot, ein Leib sind wir, die Vielen; denn wir nehmen teil an dem einen Brot“ (1. Kor 10,17). Gehen wir ungeachtet dessen in dieser Geringschätzung seines Wortes voran, so möchte man auch mit dem Apostel fragen: „Reizen wir den Herrn zur Eifersucht? Sind wir etwa stärker als er?“ (1. Kor 10,22).
Es ist nicht weniger köstlich für uns, zu verstehen, dass wir durch einen Geist zu einem Leib getauft sind. Nicht nur die Kraft des Geistes Gottes ist in und unter uns wirksam, sondern der Heilige Geist selbst als eine Person wohnt und wirkt in und unter uns. Es ist nicht nur das eine Leben, als Ausfluss des Geistes, welches alles durchdringt, sondern es ist der eine Geist, durch welchen alle Glieder Christi zu einem Leib getauft sind. Ebenso wie Christus als Person auf der Erde war, so ist es jetzt der Heilige Geist. Er wohnt sowohl in der Versammlung Gottes, als dem Leib Christi, als auch in jedem einzelnen Glied dieses Leibes. „Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? Wenn jemand den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben; denn der Tempel Gottes ist heilig, und solche seid ihr“ (1. Kor 3,16.17). „Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib der Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt, den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euer selbst seid? Denn ihr seid um einen Preis erkauft worden; verherrlicht nun Gott in eurem Leib“ (1. Kor 6,19.20).
Es übt einen großen Einfluss, sowohl auf die Versammlung als auf die einzelne Seele aus, wenn die Gegenwart des Heiligen Geistes in Wahrheit erkannt wird. Diese Erkenntnis erweckt einen heiligen, lauteren Wandel, und gibt auch Trost, Kraft und Freude in allen Umständen unseres Lebens. Der Herr hat uns nicht als Waisen in dieser Wüste gelassen. Der Heilige Geist leitet uns (Joh 16,13), er verherrlicht den Herrn Jesus in uns (Joh 16,14) und er verwendet sich für uns mit unaussprechlichen Seufzern (Röm 8,26). Diesen Geist kann die Welt nicht empfangen, weil sie Ihn nicht sieht, noch Ihn kennt (Joh 14,17). Doch die Versammlung ist die Behausung Gottes im Geist (Eph 2,22). Gott wohnt in ihr. Aber der Fürst dieser Welt ist Satan. Welche Gemeinschaft kann also zwischen dem Haus Gottes und der Welt sein? Die Innewohnung des Heiligen Geistes beweist also ebenso klar, dass wir mit der Welt keine Gemeinschaft haben können. Die Kinder dieser Welt können nicht gemeinschaftlich mit den Gläubigen Gott nahen und anbeten, weil dieses Nahen und diese Anbetung nur durch die Kraft des Heiligen Geistes, der nur inmitten der Versammlung und in den einzelnen Gliedern wohnt, geschehen kann. Sie können nicht mit ihnen in Gemeinschaft Gott dienen, weil es ohne die Kraft und Wirksamkeit des Heiligen Geistes keinen wohlgefälligen Dienst vor Gott gibt. Ebenso wichtig ist es, zu verstehen, dass der Heilige Geist nur Einer ist, der in allen Gliedern des Leibes Christi gleiche Gefühle und gleiche Gesinnungen erweckt. Er kann unmöglich die Gläubigen auffordern, aus der Mitte der Ungläubigen auszugehen und sich abzusondern, und zu gleicher Zeit ungetrübt in den Gläubigen wohnen und wirken, die seiner Aufforderung nicht folgen, sondern mit der Welt in Gemeinschaft bleiben. Er kann aber auch unmöglich die Gläubigen ermahnen, unter seiner Leitung und in der Freiheit, womit Christus sie befreit hat, zu wandeln, und zu gleicher Zeit Wohlgefallen an denen haben, welche zwar äußerlich aus der Welt ausgehen, aber sich wieder aufs Neue unter allerlei kirchliche Formen und menschliche Satzungen stellen. Möchten doch alle Christen die persönliche Gegenwart des Heiligen Geistes in ihnen und in der Mitte der Versammlung erkennen, und von seiner stets hinreichenden Leitung und Wirksamkeit überzeugt sein, so würde gerade das Bewusstsein seiner Gegenwart, die heiligt und absondert, uns von der Gemeinschaft der Welt ausgehen lassen und fern halten.
Es ist auch ein und dieselbe Hoffnung, woran alle Glieder des Leibes Christi gleichen Anteil haben. Es ist ein und dieselbe Berufung, womit alle berufen sind. Diese Berufung ist himmlisch, und diese Hoffnung hat die himmlische Herrlichkeit zum Ziel. Die Versammlung ist, wie schon bemerkt worden ist, der Leib Christi, ein Teil von Ihm, und darum teilt sie seine himmlische Herrlichkeit. In den Gläubigen wohnt der Geist der Sohnschaft, durch welchen sie rufen: „Abba, Vater!“ (Röm 8,15) und weil sie Kinder sind, darum sind sie auch Erben Gottes und Miterben Christi. Der Heilige Geist in ihnen ist jetzt das Unterpfand bis zur Besitznahme ihres Erbteils, zum Preise seiner Herrlichkeit (vgl. Eph 1,13.14). Wer mit Christus an der himmlischen Herrlichkeit Teil haben will, muss seinem Leib angehören. Sind wir hier auf der Erde nicht Glieder Seines Leibes, so sind wir auch dort nicht Genossen Seiner Herrlichkeit. Sein Leib aber wird seine Herrlichkeit völlig mit Ihm als seinem Haupt genießen. Die irdischen Verheißungen waren für Israel, aber sie sind nicht für seinen Leib, also für die Versammlung. Israel war ein irdisches Volk, die Versammlung ist ein himmlisches. Schon jetzt sind die durch den Glauben mit Christus auferstandenen Heiligen ermahnt, nur auf das zu sinnen, was droben ist, wo der Christus ist, und nicht auf das, was auf der Erde ist (Kol 3,2). Ihr Platz ist in den Himmeln, in Gemeinschaft mit ihrem verherrlichten Haupt. Auch wenn sie sich jetzt noch in einer irdischen Hütte befinden und deshalb beschwert sind, auch wenn sie durch eine Wüste in vielfältigen Versuchungen gehen, so wissen sie trotzdem, dass sie stets auf dem Weg in ihre wahre Heimat sind. Diese Heimat ist für sie nicht auf dieser Erde, sondern droben im Vaterhaus, da, wo der Herr Jesus ist. Täglich haben sie Ihn zu erwarten, der verheißen hat, wiederzukommen, und sie zu sich zu nehmen, damit sie seien, wo Er ist (Joh 17,24). Denn sie sind nicht von der Welt, wie auch Er nicht von der Welt ist (Joh 17,16). Sie haben auf dieser Erde keine bleibende Stadt (Heb 13,14), wie auch Er keine hatte. Unser Teil ist die himmlische Herrlichkeit. Wir genießen diese jetzt durch den Glauben, wir erfreuen und rühmen uns ihrer in Hoffnung. Aber wenn der Herr Jesus kommt, dann wird dieser Glaube und dieses Hoffen sich in seliges Schauen und in ein ungestörtes Genießen verwandeln. Wie groß ist das Vorrecht, ein Glied am Leib Jesu Christi, und darum ein Genosse der himmlischen Berufung zu sein. Es ist nur eine Hoffnung, woran alle Glieder völlig Anteil haben. Und welche Hoffnung hat die Welt? Gar keine. Sie hat nur ein schreckliches Gericht zu erwarten. Sie hat weder Teil an dem einen Leib, noch an dem einen Geist, noch an der einen Hoffnung dieser himmlischen Berufung. Welche Gemeinschaft können denn die Kinder der Welt mit diesen Gliedern haben? Gar keine. Keine Gefühle beleben und erfreuen ihr Herz, wie sie der Geist Gottes in den Herzen der Heiligen erweckt und belebt.
In der Heiligen Schrift wird uns also ganz klar der Charakter der Versammlung Gottes bezeichnet. Sie ist ein Leib, in dem ein Geist wohnt, und der in einer Hoffnung der Berufung berufen ist. Die Glieder dieses Leibes sollen sich ihrer völligen Einheit untereinander und mit dem Herrn Jesus, ihrem Haupt, bewusst sein. Sie sind auf der Erde, um den Charakter und die Gesinnung Christi in allem darzustellen, um durch ihren ganzen Leben zu beweisen, dass Gott heilig und Liebe ist. Das Bild Christi soll immer mehr in ihnen verwirklicht und durch sie offenbart werden. Dahin gehen im Wort Gottes alle einfachen und ernsten Ermahnungen des Heiligen Geistes. Durch Gesinnung und Wandel soll es stets offenbar werden, dass die Christen eben so wenig von der Welt sind, wie auch Christus. Alles, was diese als solche auszeichnet, unterscheidet sie von der Welt und nur dann, wenn sie das, was sie als Christen auszeichnet und von der Welt unterscheidet, in ihrem Leben praktisch kund tun, sind sie ein lebendiges und wahres Zeugnis in der Welt. Werden sie auch in dieser Stellung gehasst und verfolgt wie der Herr Jesus selbst, so tragen sie doch das Zeugnis in sich, dass sie sich zu Ihm bekannt und seinen Namen nicht verleugnet haben (Off 3,8) – und dies ist unendlich mehr als alle Gunst und Schmeicheleien der Welt, und selbst unendlich mehr als die Stellung solcher Christen, die wegen ihres weltförmigen Sinnes hochgeachtet sind. Stehen wir in dieser Gesinnung und diesem Wandel auch sehr vereinzelt da, so ist doch Gott für und mit uns, und dies ist köstlicher als Alles. Wir werden auf einem solchen Wege stets erfahren, dass Er das völlig für uns ist, was Er auch in seinem Wort verheißen hat.
Richten wir jetzt unser Auge auf die Versammlung selbst, wie sie jetzt ihre Einheit verwirklicht und offenbart. Was für eine schreckliche Verwirrung und Zersplitterung, was für ein fleischlichen und weltlichen Sinn sehen wir hier. Man muss jetzt das Wort Gottes lesen, um zu verstehen, dass nach dem Ratschluss Gottes und nach dem Wesen der Versammlung selbst, diese nur eins und nur eine ist und sein kann. In der Gesinnung und dem Wandel der Glieder dieser Versammlung offenbart sich uns diese Einheit sehr wenig. Die Sünde und das Fleisch sind fast überall wirksam und wie durch die List und Bosheit Satans jedes Werk Gottes auf der Erde verderbt ist, so auch dieses. Überall begegnen wir einer traurigen Verwirrung. Die Versammlung Gottes, die nur eine ist, hat sich in eine Menge Parteien zersplittert. Zwar beruft sich fast jede dieser Parteien auf das Wort Gottes und rühmt sich besonderer Vorrechte, weil sie sich unter besondere Formen und Satzungen gestellt hat und danach leben möchte. Die Tatsache aber, dass die Versammlung Gottes nur eine ist und sein kann, und diese Einheit sich auf der Erde offenbaren soll, wird wenig erkannt und noch viel weniger verwirklicht. Diese menschlichen Satzungen und Formen haben in den Augen vieler Gläubigen einen höheren Wert, als die Gedanken Gottes und die Wirkung des Heiligen Geistes, der nur einen Leib auf der Erde kennt. Selten und in größeren Städten und Gemeinden finden wir wohl nie in unseren Tagen die Christen, einfach als solche vereinigt, und im Namen des Herrn Jesus versammelt, sodass man von ihnen, wie von der Versammlung zu Jerusalem sagen könnte: „Sie sind ein Herz und eine Seele“ (Apg 4,32). Eine Menge von Auserwählten, Heiligen und Geliebten Gottes finden wir in Gemeinschaft mit den Kindern der Welt beschäftigt, Gott anzubeten, sich mit ihnen auf ihren allerheiligsten Glauben zu erbauen, und an seinen Segnungen zu erfreuen. Unwissenheit, Weltsinn und auch Leichtfertigkeit hat die Herzen Vieler durchdrungen, sodass die Gedanken Gottes selten verstanden, und wo sie verstanden, nicht beherzigt werden. Sie freuen sich wohl, dass sie durch den Glauben an der ewigen Seligkeit durch das Opfer Christi Teil haben, aber sie denken nicht daran, dass sie ein Werk Gottes sind, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken (Eph 2,10), und dass sie in diese Wüste gestellt sind, um Gott durch die Gesinnung und den Wandel Christi zu verherrlichen. Die Wahrheit offenbart sich bei Vielen mehr in Worten, als in der Kraft.
Wie wir nun eine Menge von Gläubigen in Gemeinschaft mit der Welt finden, so sehen wir auch, wie schon bemerkt, dass viele äußerlich aus der Welt ausgegangen, aber sich untereinander aufs Neue in mancherlei Formen und menschliche Satzungen eingeengt haben. Es gibt nur wenige, die in Wahrheit erkennen, „dass sie nicht von der Welt sind, wie auch Er nicht von der Welt ist“, nur wenige, die in der Freiheit stehen und leben, woraus Christus sie befreit hat, und die erkennen, dass sie ein himmlisches Volk mit himmlischen Hoffnungen sind. Ja nur wenige erwarten mit Sehnsucht Jesus Christus vom Himmel, zur Erlösung des Leibes und zur Einführung in die himmlische Herrlichkeit.
Die Tatsache, dass so viele weltlich, in Unwissenheit, in Unfreiheit, oder gar in Leichtsinn leben, kann den Heiligen Geist, dessen Tempel sie sind, nur betrüben. Und wenn wir unseren Blick auf solche Gläubige richten, die mehr oder weniger die Freiheit in Christus erlangt haben, wie beklagenswert ist auch selbst da oft die Leichtfertigkeit, der Mangel an Ernst und an wahrer Treue und Selbstverleugnung. Wie gering ist das Gefühl von dem, was dem Geist Gottes nicht angemessen ist, und wie schwach das Maß des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung! Es findet jetzt das Wort des Herrn an die Versammlung in Philadelphia die vollste Anwendung: „Du hast eine kleine Kraft!“ (Off 3,8). Es ist alles geschwächt. Wir finden die Versammlung Gottes auf der Erde entweder in Gemeinschaft mit der Welt, oder äußerlich ausgegangen, durch allerlei menschliche Formen und Satzungen voneinander getrennt, oder, wenn auch befreit, so doch vielen Mängeln und Gebrechen unterworfen. Mit einem Wort, das Elend und die Verwirrung des Leibes Christi auf der Erde ist von solcher Größe und Ausdehnung, dass es nicht auszusprechen ist. Und dennoch, so traurig auch dieser Zustand ist, so ist es doch ein unaussprechliches Vorrecht, diesem Leib anzugehören. Es ist der Leib Christi, die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt (Eph 1,23). Christus selbst ist das verherrlichte Haupt dieses Leibes. Er liebt seine Versammlung mit vollkommener Liebe und „hat sich selbst für sie hingegeben, damit Er sie heiligte, sie reinigend durch die Waschung mit Wasser durch das Wort, damit Er die Versammlung sich selbst verherrlicht darstellte, die weder Flecken noch Runzel oder etwas dergleichen habe, sondern dass sie heilig und untadelig sei. Er nährt und pflegt sie. Denn wir sind Glieder seines Leibes, von seinem Fleisch und von seinen Gebeinen“ (Eph 5,25–30). Dies macht unser Vorrecht, dieser Versammlung anzugehören, so unaussprechlich groß, dass sie sein ist, nämlich sein Leib, und dass sie droben in der Herrlichkeit seine Miterbin von dem ist, was Ihm vom Vater gegeben ist.
Ein ähnliches Bewusstsein erfüllte Mose in Bezug auf das Volk Israel, wenn er viel lieber mit diesem Volk Schmach und Ungemach leiden wollte, als die zeitliche Ergötzung der Sünde am Hof des Pharao zu haben (Heb 11,25). Es war Gottes Volk, das Volk, dem seine Verheißungen gehörten. Er kannte wohl dessen Ungehorsam und Halsstarrigkeit, aber trotzdem war es Gottes Volk. Es ist gewiss nicht zu leugnen, dass uns überall, wenn wir dieses Volk nur ein wenig in der Wüste begleiten, sein Ungehorsam, sein Unglaube und seine Eigensinn entgegentritt. Doch Mose kannte den Wert dieses Volkes in den Augen Gottes. Wenn Bileam dasselbe von der Höhe beschaut, und segnend die Gedanken Gottes durch den Geist über dasselbe aussprechen muss, so lernen wir dessen Geltung in den Augen Gottes kennen. Wir wollen hier nur einige Worte dieser Weissagung anführen: „Denn vom Gipfel der Felsen sehe ich es, und von den Höhen herab schaue ich es: Siehe, ein Volk, das abgesondert wohnt, und sich nicht unter die Völker rechnet! Wer könnte zählen den Staub Jakobs und, der Zahl nach, den vierten Teil Israels? Meine Seele sterbe den Tod der Rechtschaffenen, und mein Ende sei gleich dem ihren!“ (4. Mo 23,9.10). „Er erblickt keine Ungerechtigkeit in Jakob und sieht kein Unrecht in Israel; der Herr, sein Gott ist mit ihm, und Jubelrufe wie um einen König sind in seiner Mitte“ (4. Mo 23,21). „Wie schön sind deine Zelte, Jakob, deine Wohnungen, Israel! Wie Täler breiten sie sich aus, wie Gärten am Strom, wie Aloebäume, die der Herr gepflanzt hat, wie Zedern am Gewässer!“ (4. Mo 24,5.6). – Hier sehen wir, was Israel nach dem Ratschluss und den Gedanken Gottes ist. Es ist gut, wenn die Augen des Glaubens stets durch den Heiligen Geist geöffnet sind. Dieser Ratschluss Gottes wird völlig verwirklicht werden. Kein Feind kann Ihn an dem Ausführen seiner Pläne hindern. Haben wir auch bis jetzt in Betreff des israelitischen Volkes noch nichts auf der Erde gesehen, was uns zu dieser Hoffnung berechtigt, so werden wir doch im tausendjährigen Reich die volle Verwirklichung der Gedanken Gottes schauen. Dann wird Israel das in der Tat sein, was an obiger Stelle von Bileam durch den Geist von ihm gesagt ist.
Es mögen hier auch die Worte eines Gläubigen, welcher von dem Vorhergehenden eine Anwendung auf die Versammlung macht, ihren Platz finden: „Es ist für uns sehr wichtig, sagt er, die Versammlung zuweilen von oben zu sehen – zwar in der Wüste, aber in der Schönheit der Gedanken Gottes, als eine Perle ohne Preis. In dem Lager unten in der Wüste – was für ein Murren, welche Klagen, welche Gleichgültigkeit, welche fleischlichen Beweggründe würde man hier gesehen und gehört haben! Von oben dagegen betrachtet, ist alles schön für den, der die Gesichte Gottes, der die Augen offen hat.,Ich bin eurethalben in Verlegenheit’ (Gal 4,20), sagt der Apostel, und weiter:,indem ich eben darin guter Zuversicht bin’ (Phil 1,6). Man muss bis zu Ihm hinaufsteigen, und man wird die Gedanken der Gnade dessen haben, der die Schönheit seines Volkes, seiner Versammlung durch alles andere, was noch da ist, hindurch sieht – denn seine Versammlung ist schön. Ohne dies würde man entweder ganz und gar entmutigt werden, oder man würde sich mit dem Bösen begnügen. Dieses Sehen mit den Augen Gottes nimmt diese beiden Gedanken hinweg.“
Gewiss, unser Herz könnte leicht entmutigt und trostlos werden, wenn wir überall diese Verwirrung, diesen fleischlichen und weltlichen Sinn sehen, wenn wir die Gedanken Gottes in Bezug auf die Einheit der Versammlung, die nur ein Leib und ein Geist und zu einer Hoffnung ihrer Berufung berufen ist, so wenig auf der Erde verwirklicht finden. Aber wie vorhin im Bezug auf Israel bemerkt worden, so wird der Ratschluss Gottes ganz sicher auch in dieser Beziehung vollkommen verwirklicht werden. Wenn auch nicht in dieser Wüste, so doch in unserer wahren Heimat, in der himmlischen Herrlichkeit droben. Dann werden alle Hindernisse, die sich hier der Verwirklichung unserer Einheit in den Weg stellen, beseitigt sein. Kein Feind und keine Sünde kann dort hinkommen und stören. Doch ist es gut, schon jetzt die Gedanken Gottes im Bezug auf die Versammlung durch den Glauben zu verstehen, damit wir nicht nur alles vermeiden, wodurch wir diesen Gedanken in den Weg treten, sondern auch das köstliche Vorrecht anerkennen, Gott zu dienen, Ihn in der Versammlung der Heiligen zu preisen und anzubeten, und also seine herrlichen Gedanken selbst auf der Erde zu verwirklichen.
Erkennen wir, dass die Versammlung ein kostbarer Gegenstand in den Augen Gottes ist, so fühlen wir auch die Glückseligkeit, ihr anzugehören. Erkennen wir in Wahrheit ihre Einheit untereinander und mit Christus, so werden wir auch stets bemüht sein, unsere Vereinigung mit allen Gläubigen dem Wort Gottes gemäß an den Tag zu legen, und erkennen wir durch dieses alles, dass wir ebenso wenig von der Welt sind, wie auch der Herr Jesus von der Welt ist, so werden wir weder an den Sünden der Ungläubigen, noch an dem, was sie Gottesdienst nennen, teilhaben.
Der Herr wolle durch seinen Geist unsere Herzen mit seinen köstlichen Gedanken über diesen Gegenstand erfüllen, und uns dementsprechend in der Kraft seines Geistes führen lassen.