Kommentar zum Jakobusbrief
Kapitel 4
In diesem Kapitel wird bis einschließlich Vers 6 das in Kapitel 3,13 begonnene Thema fortgesetzt: Sinnliche, teuflische Weisheit wurde von Kriegen und Streitigkeiten begleitet und kam aus der Lust des Fleisches, die im Herzen der Menschen wirkt. Wir dürfen nicht vergessen, dass Jakobus nicht die Versammlung Gottes anspricht, sondern die Juden in der Synagoge, die zumindest den Namen Jesus anerkannten. Es wäre absolut unnormal und tadelnswert, wenn eine Versammlung von Heiligen Gottes sich solcher Streitigkeiten schuldig machen würde.
Das Fleisch ist hier in seinen abstoßenden Charakterzügen dargestellt: Da sind die unerfüllten Begierden, das boshafte einander aus dem Weg Räumen, weil man voller Neid ist, Enttäuschung, Klagen, Beschwerden. Wie töricht und unnötig ist das doch alles! „Ihr habt nichts, weil ihr nicht bittet.“ Ein stiller Geist, der in der Abhängigkeit des Glaubens einfach Gott um etwas bittet, wird ohne Zweifel erhört werden.
Auf der anderen Seite kann einer jedoch bitten und nichts empfangen. Wie das? Weil nicht Glaube, sondern fleischliche Lust sein Beweggrund ist: Bekäme er, was er will, so weiß Gott, dass es seiner Seele schaden würde. Der Mensch an sich hat schon Wünsche genug, ohne dass Gott dies noch fördert, indem Er solche Gebete erhört.
In Vers 4 werden die fleischlichen Begierden noch schärfer verurteilt: Die, welche ihnen nachgeben, werden Ehebrecherinnen genannt, denn solche Begierden machen sie zu Freunden einer Welt, die in Feindschaft gegen Gott ist. Ihre Treue zu dem wahren Gott wird beeinträchtigt. Es ist eine schmähliche Verleugnung wahren Christentums, wenn jemand die Freundschaft der Welt wählt, denn damit zeigt er, dass er ein Feind Gottes ist.
In Vers 5 heißt es: „Meint ihr, dass die Schrift vergeblich rede? Begehrt der Geist, der in uns wohnt, mit Neid?“ Jakobus appelliert hier zuerst an unsere Gedanken über die Schrift: Ist sie wirklich lebenswichtig für uns, oder sind es nur leere Worte? Als zweites spricht er von der wunderbaren Tatsache, dass der Geist Gottes in dem Gläubigen wohnt. Kann Er in uns dieses neidvolle Begehren auslösen? Nein, das ist eine böse Macht, die in völligem Gegensatz zu Ihm steht, der wir jedoch erlaubt haben, wirksam zu werden, und aus der Neid und Streitsucht entstehen.
Im Gegensatz zu Neid und Streitsucht gibt der Geist Gottes „größere Gnade“, um diese zu überwinden. Wenn wir diese Gnade nicht finden, liegt das an dem Stolz unserer Herzen, wie das Zitat aus Sprüche 3,34 zeigt. Stolz geht immer einher mit Selbstvertrauen. Das kann Gott nicht fördern. Ein demütiger Mensch aber wird das dringende Bedürfnis nach der Gnade Gottes verspüren, und Gott wird diesem gerne entsprechen.
Wir können jedoch keine Haltung der Demut haben, wenn wir uns nicht zunächst Gott unterordnen. Unser Wille muss zuerst zur Unterwerfung gebracht werden, bevor er unterworfen ist. Dieser aktive Schritt der Unterwerfung ist äußerst wichtig für jeden Gläubigen. Andererseits gilt es auch, dem Teufel zu widerstehen. Stolz ist die wichtigste Waffe in der Waffenkammer des Teufels. Aus dem Stolz gehen Neid und Streitsucht hervor. Wir müssen daher widerstehen, wenn der Teufel unserem Stolz schmeichelt.
Tun wir das, wird das Hindernis weggetan und wir können Gott nahen. Bei Ihm finden wir die Kostbarkeit geistlicher Freude und Stärke. Gott selbst wird sich uns nahen. Das erfordert von uns aber auch unmittelbar, dass wir unsere Hände säubern, wenn sie in irgendeiner Form mit Sünde in Berührung gekommen sind, und unsere Herzen reinigen, wenn dort Doppelherzigkeit statt Aufrichtigkeit zu finden war.
Vers 9 steht scheinbar im Widerspruch zu Philipper 4,4: „Freut euch in dem Herrn allezeit! Wiederum will ich sagen: Freut euch!“ Jakobus meint aber das Lachen und die Freude fleischlichen Übermuts, die in sich keine wirkliche geistliche Grundlage haben. Wieviel besser ist es, sich mit den Leiden des Christus zu beschäftigen, durch die allein wir gesegnet sind. Unsere Seelen sollten davon „niedergebeugt“ sein, und wir sollten mit zerbrochenen Herzen vor Gott sein. Tatsächlich führt uns nur ein solches Selbstgericht zu reiner geistlicher Freude. Wenn wir uns aufrichtig vor den Augen des Herrn demütigen, wird Er in seiner wunderbaren Gnade uns erhöhen, und dann wird unsere Freude wirklich „im Herrn“ sein.
Auch wird jemand, der in den Augen des Herrn nicht demütig ist, dazu neigen, schlecht über andere zu reden. Wenn wir uns bewusst sind, wie wir selbst sind, würden wir nicht so schnell andere kritisieren. Ehrliche Besorgnis um andere ist etwas anderes. Aber wenn wir über andere schlecht reden, bedeutet das, „gegen das Gesetz“ zu reden. Warum ist das so? Weil das Gesetz nicht – so wie der Kritiker – fordert, dass der andere sofort gerichtet wird. Somit kritisiert eine solche Person das Gesetz als zu lasch. Der Kritiker wird zum Richter, statt dass er selbst dem Gesetz gehorsam ist. Wenn ich also jemand anderes richte, setzt meine Überheblichkeit mich selbst dem Urteil des einen Gesetzgebers aus. Lasst uns auch bedenken, dass Er nicht nur verderben, sondern auch erretten kann.
Vers 13 tadelt eine andere Sache, die auch ihren Ursprung im Hochmut hat: das Vertrauen auf die eigenen, schön zurecht gelegten Zukunftspläne, die sich auf unsere eigene Weisheit und Fähigkeit stützen und auf materiellen Gewinn abzielen. Damit nehmen wir nicht den Platz eines Kindes vor dem Vater ein, in Abhängigkeit und Unterordnung. Wir wissen eigentlich nichts über die Zukunft. Selbst unser ganzes Leben ist wie ein Dampf, der eine kurze Zeit sichtbar ist und dann verschwindet. Wir haben keine Kontrolle darüber. Es ist deshalb nur weise, sich in vollkommene Abhängigkeit von unserem Herrn zu begeben und unsere Pläne immer mit den Worten „wenn der Herr will“ zu versehen.
Es ist so typisch für den Menschen, sich erwartungsvoll auf die Erfüllung seiner Pläne zu freuen und davon zu reden, als bestehe kein Zweifel daran, dass alles so eintreffen wird. Das ist prahlerisch, und sich daran zu erfreuen, ist schlecht. Wie schön ist es jedoch, sich im Gegensatz dazu an der Hoffnung der Herrlichkeit Gottes zu erfreuen!
Lasst uns angesichts all dieser klaren Anweisungen, Gutes zu tun, daran denken, dass es eine Sache ist, die Wahrheit und den Wert einer solchen Anweisung anzuerkennen, und eine andere, diese auch wirklich umzusetzen. Wie ernst ist es doch, wenn ich weiß, wie ich Gutes tun soll und es nicht tue! Das ist Sünde! Unser großer und gnädiger Gott hat es in dieser Hinsicht nicht am Geringsten fehlen lassen. Wer von uns kann bei ehrlicher Betrachtung dieser Verse von sich sagen, dass er diesen Anweisungen vollkommen entsprochen hat? Haben wir alles uns mögliche Gute getan?