Kommentar zum Jakobusbrief
Kapitel 1
Dieses Kapitel hat einen engen Bezug zum Alten Testament. Alles wird in Verbindung mit Gott gesehen. Christus als das Zentrum und Wesen aller Segnung, der das Volk Gottes führt, wird hier noch nicht erwähnt. Das folgt dann im zweiten Kapitel.
Jakobus schreibt einfach als Knecht und nicht als Apostel, der sozusagen als Sprachrohr Gottes fungierte. Bei ihm steht das Verhalten im Vordergrund, nicht die Lehre. Man kann sich fragen, wie denn alle zwölf Stämme mit dieser Nachricht erreicht werden konnten (insbesondere im Hinblick auf die Tatsache, dass man nicht wusste, wohin sie zerstreut wurden), aber ob sie die Botschaft hörten oder nicht: Keiner war von dieser Nachricht ausgeschlossen, sie galt ganz Israel. Sie alle waren verantwortlich, „den Glauben unseres Herrn Jesus Christus“ zu haben und praktisch zu verwirklichen.
Die Juden, an die der Brief gerichtet war, waren Prüfungen ausgesetzt: Auf der einen Seite wurden sie von den Nationen verfolgt, weil sie Juden waren, andererseits wurden sie um Christi willen verfolgt, sofern sie Christen waren. Solche Prüfungen sollten sie für „lauter Freude“ halten, wie es der Herr selbst gesagt hatte (vgl.
In direktem Zusammenhang damit benötigen wir Weisheit, eine der Früchte der neuen Geburt. Jeder Mangel an Weisheit sollte uns dazu bringen, ernstlich und im Glauben zu beten in dem vollen Vertrauen, dass unser Gott uns Weisheit geben wird. Denn Er gibt allen willig und wirft nichts vor. Er wünscht sich von uns bedingungslosen Glauben, wie ein Kind, das seinen Eltern uneingeschränkt vertraut. Unsere Wankelmütigkeit ist eine Beleidigung unseres treuen und liebenden Schöpfers. Wir schwanken wie eine Woge im Meer, getrieben von jedem Wind der Umstände, die doch nur als Prüfung für unseren Glauben gedacht sind. Mit dieser Einstellung empfangen wir das, was wir erwarten: nämlich nichts. Gott jedoch bleibt fest und treu. Was für ein Gegensatz zu dem zweifelnden Menschen, bei dem alle seine Wege von seiner Unbeständigkeit zeugen.
Nun werden sowohl die sozial niedrig Gestellten (die Armen) als auch die Reichen angesprochen, so dass beide praktisch als auf dem gleichen Niveau stehend betrachtet werden. Der Arme kann sich seiner Hoheit freuen. Zweifellos spricht Jakobus nicht von seiner erhöhten Stellung in Christus, auf welche Paulus Nachdruck legt, sondern davon, dass Gott ihn erhöht durch die praktische Erfahrung geistlichen Segens.
Auf der anderen Seite weiß Gott in seinen weisen Regierungswegen den Reichen zu erniedrigen, oft durch Verfolgung. Es mag zwar nicht so einfach sein, sich in solchen Umständen zu freuen, aber viele haben erlebt, dass der daraus resultierende geistliche Segen den zeitlichen Verlust weit übertroffen hat. Wie gut für einen reichen Mann, sich daran zu erinnern, dass die schöne Blume des Grases kommt und geht: so auch der prahlerische Wohlstand des Menschen. Die brennende Sonne (die Hitze der Prüfungen der Welt) lassen das Gras (die Menschheit allgemein) vertrocknen und die liebliche Blume (die Reichen und Vornehmen) abfallen und verderben.
Vers 12 spricht von wirklicher Freude im Ertragen von Prüfungen. Versuchungen bringen uns in der Regel eher zu Fall, statt dass wir sie aushalten. Jakobus spricht von „Versuchungen“ – unabhängig davon, ob jemand diesen Versuchungen nachgibt oder nicht. Bei dem Herrn Jesus gab es natürlich niemals ein solches Nachgeben und keine Möglichkeit des Aufgebens. Seine Gerichtsverhandlung zeigt das. Die neue Natur in dem Gläubigen „kann auch nicht sündigen“ (
Einige jedoch wagen es, Gott die Schuld zu geben für Versuchungen in Form sündiger Verlockungen auf ihrem Lebensweg. In Vers 2 geht es nicht um solche Versuchungen, sondern um Prüfungen, die in Geduld und Freude ertragen werden sollen. Bei solchen Prüfungen hat Gott direkt seine Hand im Spiel, wie es zweifellos bei Abraham der Fall war (
Es wird hier eindringlich gesagt, dass wir, als geliebte Brüder, uns nicht in die Irre führen lassen sollen. Die Versuchung zum Bösen kommt aus unserer eigenen fleischlichen Begierde. Dagegen ist alles Gute und Vollkommene von oben, nicht von uns selbst. Es ist eine Gnadengabe des Vaters der Lichter. Dies schließt alle Strahlen des Spektrums ein, denn jede Farbe des Lichts zeigt uns etwas von den kostbaren Wesenszügen unseres Gottes und Vaters, der mit uns in vollkommener Weisheit und Güte handelt. In Ihm gibt es keine Schwankungen, sondern absolute und unbeirrbare Beständigkeit. Kein Schatten von Wechsel, kein Anzeichen von Veränderung seines uneingeschränkt gütigen Wesens.
Durch den souveränen Willen eines solch treuen und zuverlässigen Vaters sind wir, die wir errettet sind, durch Ihn gezeugt. Durch diese neue Geburt sind wir mit demselben wunderbaren Leben gesegnet, das der Vater vollkommen besitzt. Das „Wort der Wahrheit" ist direkt an dieser Geburt beteiligt. Es hat eine lebendige verwandelnde Kraft und bringt sehr kostbare Frucht. Die Gläubigen heute sind eine gewisse Erstlingsfrucht der Geschöpfe Gottes. Wir werden als Kinder Gottes offenbar werden, bevor Christus in der Herrlichkeit seines 1.000-jährigen Reichs offenbar wird und Israel als Kinder Gottes wiedergeboren werden. Das ist die volle Erfüllung der Wege Gottes mit dieser Nation. In vielen gläubigen Juden hat Er jedoch bereits eine gewisse Erstlingsfrucht gewirkt.
Auf dieser Grundlage können wir wohl ermahnt werden (wieder als geliebte Brüder), schnell zum Hören, langsam zum Reden und langsam zum Zorn zu sein. Wenn alles Gute vom Vater kommt, durch seinen Willen und sein Wort, sollten wir weise sein zu lernen – die Ohren geöffnet, die Zunge gezähmt und unser Temperament unter Kontrolle. Unser Reden und unser Temperament zeigen deutlich, wie es um unseren Seelenzustand bestellt ist.
Menschen können manchmal das Gefühl haben, ihr Zorn sei um der „Gerechtigkeit Gottes“ willen. Das ist jedoch sehr fraglich, liest man Vers 20: Die Gerechtigkeit Gottes wird nicht durch den Zorn des Menschen bewirkt. Der Zorn des Menschen wird in Vers 21 verbunden mit Unsauberkeit und dem Überfließen von Schlechtigkeit, was abgelegt werden soll. Die Beherrschung zu verlieren, ist offensichtlich ein „Überfließen von Schlechtigkeit“.
Wir sollen im Gegenteil das eingepflanzte Wort mit Sanftmut aufnehmen. Ein sanfter, empfänglicher Geist ist das Gegenteil von Zorn. Von dem Wort wird hier als „eingepflanzt“ im Sinne von eingepfropft gesprochen. Ein Pfropf bringt andere Frucht hervor als der alte Stock: Somit bringt das Wort Früchte einer neuen Art hervor, es hat in sich selbst die Kraft, Seelen zu retten.
Das birgt aber auch Verantwortung. Das Wort wird durch das Hören empfangen, es ist aber keineswegs inaktiv und wird nicht nur gespeichert und vergessen. Richtig aufgenommen, wird es aktiv, wenn nicht, betrügt man sich selbst. Füllen wir ein Gefäß mit Wasser, nur um es stehen zu lassen? Lernt man das Gärtnern lediglich, um aus dem Fenster auf ein zugewachsenes Grundstück zu schauen?
Ein bloßer Hörer und nicht Täter des Wortes wird hier mit einem Mann verglichen, der flüchtig in einen Spiegel schaut und sein eigenes Aussehen vergisst. Das Wort ist ohne Zweifel ein Spiegel, der genau zeigt, was wir sind. Dieses Wort sollte einen bleibenden Eindruck haben, damit unsere offensichtlichen Fehler korrigiert werden können, statt sie zu vergessen.
In Vers 25 wird der Spiegel dann als das „vollkommene Gesetz … der Freiheit“ ausgelegt. Dies bezieht sich auf das Wort Gottes, das eine neue Natur in dem Gläubigen hervorgebracht hat. Es ist kein Gesetz der Knechtschaft, sondern das Gesetz eines neuen Lebens: ungezwungen, lebendig, frei, ein Gesetz ohne Gesetzlichkeit. Dieses Wort zeigt uns, was wir wirklich sind – von Gott durch Gnade wiedergeborene Menschen. In dieser Freiheit der Gnade ist man nicht nachlässig, sondern aktiv. Man tut Werke, die mit der neuen Natur in Übereinstimmung sind: Man ist glückselig in seinem Tun. Andere mögen das „Tun“ fälschlicherweise so betonen, als ob es das Mittel für ewigen Segen von Gott sei. Der Mensch jedoch, der ein „Täter des Wortes“ ist, freut sich an dem vollkommenen Gesetz der Freiheit und wird gesegnet sein in seinem Handeln. Das ist das Resultat seiner Freude an der Gnade Gottes.
Die Echtheit des Glaubens wird in Vers 26 geprüft. Es mag einem fromm erscheinen-es gibt viele, die einen frommen Deckmantel tragen. Wenn er jedoch seine Zunge nicht unter Kontrolle hat, ist sein Gottesdienst wertlos. Das Judentum wurde die „Religion der Juden“ genannt, denn Religion ist etwas, das einen an eine gewisse Handlungsweise „bindet“. Das Christentum befreit von einer solchen Gebundenheit. In Vers 27 wird nicht das Christentum beschrieben, sondern ein reiner Gottesdienst. Sicherlich ist der „reine Gottesdienst“ Teil des Christentums, obwohl Christentum viel mehr ist. Die positive Seite reinen Gottesdienstes ist die aufrichtige Fürsorge solchen gegenüber, die in Versuchungen sind, den Waisen und Witwen. Die negative Seite ist, sich selbst von der Welt unbefleckt zu halten. Diese Dinge sind sicherlich ein elementarer Teil des Christentums und werden wohl eher aus Glauben und Liebe getan werden, als aus einem Gefühl der Verantwortung, wie es bei einer Religion der Fall ist. Was auch immer unsere Beweggründe sind, die Verantwortung bleibt stets die gleiche.