1. und 2. Petrus
2. Petrus 1
Die beiden Briefe des Apostels Petrus gestatten uns einen Einblick in die Regierungswege Gottes mit den Menschen. Der erste Brief zeigt uns diese Regierungswege zugunsten der Seinigen, im zweiten Brief finden wir mehr die Gerichte an den Gottlosen. Der erste Brief enthält die Lehre bezüglich unserer himmlischen Berufung, obschon die Versammlung nur in Kapitel 2 angedeutet wird, und zwar im Bild eines Hauses. Petrus war nicht das Evangelium in Bezug auf die Nationen anvertraut worden, wie es bei Paulus der Fall war. (Gal 2,8.) Gott hatte ihm vielmehr das Apostelamt der Beschneidung, also das für die Juden, übertragen. Das müssen wir beim Lesen der beiden Briefe beachten.
„Petrus, Apostel Jesu Christi“, das ist der Beginn des ersten Briefes. Hier im zweiten Brief nennt sich der Schreiber „Simon Petrus, Knecht und Apostel Jesu Christi“. Der Anfang der Briefe unterscheidet sich also auffallend. Simon war der ehemalige jüdische Name des Apostels. Er gebraucht ihn wohl, um sich mit den Zerstreuten gleichzustellen. Aber er nennt sich auch Knecht und drückt damit seine Unterwürfigkeit unter die Rechte seines Herrn aus. Die Christen, die nicht in Palästina wohnten, hatten den gleich kostbaren Glauben empfangen, den Petrus und die bei ihm waren besaßen. Damit erkennt er die Gerechtigkeit Gottes an, die uns in Erfüllung seiner Verheißungen einen lebendigen Glauben auf der Grundlage des nun vollbrachten Werkes Jesu Christi geschenkt hat. Er verbindet damit den Wunsch, dass den Empfängern des Briefes Gnade und Friede vermehrt werde in der Erkenntnis Gottes und Jesu, unseres Herrn. Im Judentum gab es auch eine gewisse Erkenntnis Gottes, die ihnen durch das Gesetz gegeben war, aber nun hatte sich Gott in seinem Sohn in Gnade offenbart. Diese Erkenntnis überwiegt die andere weit, sie hat den Sohn Gottes zum Gegenstand, und seine göttliche Kraft vermittelt uns durch sie alles betreffs des Lebens und der Gottseligkeit. Das Leben stellt uns das vor Augen, was uns durch den Opfertod Jesu Christi geschenkt wurde, während uns die Gottseligkeit mehr an den Genuss dieses Lebens erinnert.
Was uns in Vers 3 vorgestellt wird, bezieht sich auf das Leben des Mensch gewordenen Sohnes Gottes. Auch Er war ein Pilger auf dieser Erde. Sein Leben war so, wie es bei uns sein sollte. Als Ziel seines Weges sah Er stets die Herrlichkeit vor sich, und die Tugend, die geistliche Energie, leitete Ihn in seinen Worten und Werken. Durch die Erkenntnis des Sohnes sind den Gläubigen die größten und kostbaren Verheißungen geschenkt worden. Je mehr wir sie genießen, desto mehr verwirklichen wir die göttliche Natur, und sie wird an uns gesehen. Die Verheißungen im Alten Testament konnten die Gläubigen der damaligen Zeit nicht genießen, weil der Herr Jesus noch nicht gekommen war, aber jetzt, nachdem Er kam und sein Leben hingab, haben wir durch den Heiligen Geist Licht über diese Verheißungen empfangen. Wir besitzen den Heiligen Geist und wissen, dass wir Gottes Kinder sind; wir erwarten unseren Herrn, der uns in die Herrlichkeit des Vaterhauses bringen wird, und viele andere Wahrheiten des vollendeten Wortes beglücken uns. Die göttliche Natur befähigt uns, fern von dem Verderben, das in der Welt ist, Gott gemäß zu leben. Als wir bekehrt wurden, sind wir der Welt entflohen. Die Lust verbindet den natürlichen Menschen mit der Welt, während die göttliche Natur den Gläubigen frei von ihr macht und ihm Kraft gibt, aus Glauben zu leben.
Der Glaube ist das Samenkorn, in dem alle Keime enthalten sind, um die göttliche Pflanze zur Entfaltung zu bringen. „Ebendeshalb reicht aber auch dar“, heißt es weiter. Das bedeutet, das, was wir empfangen haben, praktisch zu verwirklichen und allen Fleiß anzuwenden. Dem Glauben folgt die Tugend. Im Grundtext ist es dasselbe Wort, das die Tapferkeit des Soldaten bezeichnet. Es ist die geistliche Energie des Christen gemeint. Damit muss die Erkenntnis, die Weisheit von oben, verknüpft sein, sonst kann es uns ergehen wie Petrus, der einem Malchus das Ohr abschlug. Enthaltsamkeit ist eine besondere Zierde des Christen. Sie kommt in Selbstbeherrschung und Stillesein zum Ausdruck. Fasse die Zügel kurz, sonst brennt der alte Mensch wieder durch. Paulus gibt uns über die Enthaltsamkeit eine wertvolle Belehrung in Philipper 3. Das Ausharren gehört dazu, ebenso die Gottseligkeit, die schon erwähnt worden ist. Wie wichtig und der Beachtung wert sind alle diese Hinweise! Die Bruderliebe als Beweis göttlichen Lebens darf nicht übersehen werden. Wie manchmal fehlt es an diesem so wertvollen Glied in der goldenen Kette, die mit der Liebe abschließt. Die Liebe ist das Band der Vollkommenheit, sie entstammt dem Herzen Gottes, denn Gott ist Liebe. Sie ist in unsere Herzen ausgegossen, so dass wir imstande sind, sie nicht nur weiterzugeben, sondern auch die vorgenannten Tugenden unter ihren gesegneten Einfluss zu bringen.
In Vers 2 spricht der Apostel in erster Linie von der Erkenntnis Gottes. Jetzt in Vers 8 hat er mehr die Erkenntnis unseres Herrn Jesus Christus im Auge. Sind die genannten Dinge reichlich bei uns vorhanden, so wird ein Wachstum in seiner Erkenntnis zu bemerken sein. Paulus hatte einen Wunsch: Ihn zu erkennen und Ihn im Leben wiederzuspiegeln. Es sollte auch der Sinn und das Ziel unseres Lebens sein, den Sohn Gottes mehr und mehr kennenzulernen. Ist es nicht oder nur in geringem Maß der Fall, so bleibt man zurück im geistlichen Leben, bis schließlich jemand als blind und kurzsichtig bezeichnet werden muss; er hat die Reinigung seiner vorigen Sünden vergessen. Das frühere Licht über das Wort, über den Herrn, unsere Berufung und Erwählung und über uns selbst ist gewichen, man hat der Finsternis Einlass gewährt; alles ist zum eigenen Schaden verändert. „Darum, Brüder, befleißigt euch umsomehr, eure Berufung und Erwählung fest zu machen; denn wenn ihr diese Dinge tut, so werdet ihr niemals straucheln.“
In Anlehnung an diesen Vers berührt der Apostel den Eingang in das ewige Reich. Wie merkwürdig! so hat schon mancher Leser gedacht. Hat Petrus etwa den Heimgang des Christen gemeint, wie die Stelle von manchen verstanden wird? Nein, er sieht den Eingang der Gläubigen in das ewige Reich, wenn der Herr Jesus in Herrlichkeit offenbart wird, um das Reich auf dieser Erde zu errichten. Wandeln wir in Gottes Wegen, so werden wir alsdann mit Ihm einen weiten Eingang haben im Gegensatz zu solchen, die in Dingen leben, die Ihm nicht gefallen, und die somit dem Charakter des Reiches nicht entsprechen. Die Entrückung der Braut ist diesem Ereignis vorangegangen. Wir müssen im Auge behalten, dass Petrus nicht die Entrückung beschreibt, sondern vielmehr mit dem darauffolgenden Offenbarwerden des Herrn und Heilandes Jesus Christus mit seinen Heiligen beschäftigt ist.
Im Hinblick auf die zukünftigen Ereignisse des ewigen Reiches und des Offenbarwerdens hatte der Apostel besondere Sorge, deswegen wollte er die Christen immer wieder „an diese Dinge erinnern“, vor allem, weil der Herr Jesus ihm kundgetan hatte, dass das Ablegen seiner Hütte bald geschehen würde. Sie sollten auch nach seinem Abschied daran denken und „die Dinge“ verwirklichen. Für uns heute sind die Ermahnungen des Apostels ebenso beachtenswert.
Im weiteren Verlauf weist Petrus nicht nur auf die göttliche Inspiration des Wortes hin, die allein schon unsere höchste Beachtung verdient, er ist auch tief beeindruckt von dem außergewöhnlichen Erleben, das er zusammen mit den Jüngern Jakobus und Johannes auf dem heiligen Berg hatte. Der Herr selbst hatte sie auf diesen Berg geführt, und Er wurde dort vor ihnen umgestaltet. „Sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, seine Kleider aber wurden weiß wie das Licht; und siehe, Moses und Elias erschienen ihnen und unterredeten sich mit ihm.“ Sie besprachen mit Ihm den Ausgang, den Er in Jerusalem nehmen sollte. Diese Erscheinung auf dem Berg stellt die Macht und Ankunft unseres Herrn Jesus Christus vor, sie ist also ein Bild von dem Reich, größer und eindrucksvoller als jedes andere. Die Jünger wurden Augenzeugen seiner herrlichen Größe. „Denn er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Herrlichkeit, als von der prachtvollen Herrlichkeit eine solche Stimme an ihn erging: Dieser ist mein geliebter Sohn, an welchem ich Wohlgefallen gefunden habe.“ Diese Stimme kam aus der lichten Wolke, die sie überschattete, ein Symbol von der Gegenwart Gottes. Das nennt Petrus prachtvolle Herrlichkeit, ein Ausdruck, der nur hier vorkommt. Heilige Augen und Ohren nahmen von Herrlichkeiten Kenntnis, die erst in ferner Zukunft Wirklichkeit werden sollten.
Das prophetische Wort ist das Wort, das die Propheten im Alten Testament niedergelegt haben. Es befasst sich nirgends mit den himmlischen Ratschlüssen, die in dem Geheimnis verborgen waren, welches der Apostel Paulus so oft erwähnt. Vielmehr kündigt es sowohl die Herrlichkeit des Reiches an als auch die Gerichte, die ihm vorausgehen, um den Weg zum Reiche zuzubereiten. Die Ankündigung der Herrlichkeit des Reiches betrachtet Petrus als eine Lampe, als ein Licht, das in einer dunklen Welt fortgesetzt leuchtet, bis endlich jener prophetisch angedeutete Tag anbricht. Aber in die Herzen der Christen, die aus dem Judentum kamen, sollte noch mehr Licht eindringen; sie sollten mehr und mehr von dem jüdischen Denken gelöst werden und sich stattdessen stärker mit dem kommenden Morgenstern befassen, der bald erscheinen würde, um seine Versammlung heimzuholen. Petrus drückt das nicht deutlich aus, weil es nicht sein eigentlicher Gegenstand war, aber sein Herz ist mit der Ankunft seines Herrn erfüllt.
Weshalb, könnte man fragen, gab der Herr seinen Jüngern solchen wunderbaren Vorgeschmack von der zukünftigen Herrlichkeit? Er kannte die bevorstehenden Bedrängnisse und wollte seinen geliebten Jüngern eine innere Stärkung zum Ausharren geben. Wie lieblich sind solche Gedanken! Welch ein mitfühlendes Herz des Herrn erkennen wir hier! So war Er einst hienieden, so ist Er jetzt droben, und so bleibt Er in Ewigkeit. Wir können getrost in völligem Vertrauen auf Ihn unseren Weg weitergehen, bis wir bald am Ziel sind. Dann schauen wir Ihn, den die Menschen ans Kreuz geschlagen haben, den Gott aber hoch erhoben und dem Er Herrlichkeit gegeben hat und geben wird.
Die Weissagung, die Petrus am Schluss des ersten Kapitels erwähnt, ist auf das prophetische Wort des Alten Testamentes zu beziehen. Es war dieselbe Eingebung, die wir auch im Neuen Testament haben, und sie verdient die gleiche Beachtung. Heilige Männer haben geredet, getrieben vom Heiligen Geist.