1. und 2. Petrus
1. Petrus 2
Zunächst wird ein Blick auf den Schluss des 1. Kapitels dienlich sein. In Vers 20 spricht Petrus vom Herrn Jesus, der von Gott zuvorerkannt war, ehe Welten waren, der sich um unsertwillen freiwillig hingab am Ende der Zeiten, also in der Gnadenzeit, und den Gott nach vollbrachtem Werk nicht nur aus den Toten auferweckte, sondern auch mit Herrlichkeit und Ehre krönte und zu seiner Rechten setzte. Unser Glaube und unsere Hoffnung stützen sich somit auf Gott selbst, der auch uns Herrlichkeit geben wird.
Unsere Seelen sind nicht nur errettet. Das Wort sagt in Vers 22: „Da ihr eure Seelen gereinigt habt durch den Gehorsam gegen die Wahrheit.“ Daraus geht hervor, dass dieses Gereinigtsein auf einem Wandel in Reinheit und einer innigen praktischen Gemeinschaft mit Gott beruht, vor dem wir unsere Herzen prüfen, damit sie ebenfalls rein und so in der Lage seien, dem Bruder aufrichtige Liebe entgegenzubringen. Die göttliche Natur, die wir besitzen, befähigt uns dazu. Sie ist wie die Quelle, das Wort, lebendig und bleibend, nicht wie der natürliche Mensch, dem Vergänglichkeit aufgeprägt ist, wie es sich schon bei Israel und all seinen Vorrechten gezeigt hat. Petrus verweist hier, geleitet durch den Heiligen Geist, auf Jesaja 40,6–8, wo gesagt wird: „Alles Fleisch ist Gras, und alle seine Anmut wie die Blume des Feldes. Das Gras ist verdorrt, die Blume ist abgefallen; denn der Hauch des HERRN hat sie angeweht. Fürwahr, das Volk ist Gras. Das Gras ist verdorrt, die Blume ist abgefallen; aber das Wort unseres Gottes besteht in Ewigkeit.“
„Legt nun ab“, beginnt das zweite Kapitel und nennt Bosheit, Trug, Heuchelei, Neid und übles Nachreden. Ist es möglich, dass der Gläubige darin leben kann, nachdem doch „der alte Mensch mitgekreuzigt worden ist“, wie Paulus es im Römerbrief ausdrückt? Ja, wir wissen es aus eigener Erfahrung, und da wir unter Verantwortung stehen, müssen wir in steter Abhängigkeit, im Gebet und Selbstgericht unseren Weg gehen. Ein wertvolles Hilfsmittel steht uns zur Verfügung: das Wort Gottes. Es ist nicht nur lebendig, es ist auch die echte Speise für unsere Seele, eine unverfälschte Milch, die das innere Wachstum bewirkt. „Wie neugeborene Kindlein seid begierig nach der vernünftigen, unverfälschten Milch, auf dass ihr durch dieselbe wachst zur Errettung.“ Glücklich zu nennen sind alle, die es fleißig lesen, es erforschen und die es im Leben verwirklichen. „Wenn ihr anders geschmeckt habt, dass der Herr gütig ist.“ Dieses Wort weist uns darauf hin, dass wir den Herrn im Gegensatz zum Judentum in seiner Gnade und seiner Liebe kennengelernt und so Genuss an Ihm haben, wovon der Jude nichts wusste und wissen konnte.
Wenn Petrus im weiteren Verlauf einen lebendigen Stein erwähnt, so stellt er wiederum den christlichen Haushalt dem jüdischen gegenüber, in dem es keinen lebendigen Stein gab. Alles war Form; jetzt ist alles lebendig. Christus ist der lebendige Stein, für Gott überaus kostbar, so dass Er Ihn mit Herrlichkeit bekleidete und Ihm vom Himmel zurief: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an welchem ich Wohlgefallen gefunden habe.“ Der Mensch aber verwarf Ihn, verspottete und lästerte Ihn, bis er Ihn schuldlos am Kreuz von Golgatha hinrichtete. „So viele ihn aber aufnahmen, denen gab er das Recht, Kinder Gottes zu werden.“ Das sind die lebendigen Steine, die in der Jetztzeit das geistliche Haus bilden. Von dem Leib spricht Petrus nicht, wie es der Apostel Paulus in seinen Briefen tut, jedoch von einem geistlichen Priestertum, das geistliche Schlachtopfer darbringt. Wieder wird auf das jüdische System hingewiesen, in dem natürliche Schlachtopfer gebracht wurden. Jetzt ist es die Anbetung der Heiligen, die durch Jesus Gott nahen, um seine Liebe zu bewundern und des Todes seines Sohnes zu gedenken, was vor Gott sehr kostbar ist.
In dieser Verbindung nimmt Petrus Bezug auf die prophetische Aussage in Jesaja 28,16: „Siehe, ich lege in Zion einen Eckstein, einen auserwählten, kostbaren; und wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.“ Für die Gläubigen aus den Juden konnte er hinzufügen: „Euch nun, die ihr glaubt, ist die Kostbarkeit.“ Die nicht glaubten, hatten Gericht zu erwarten. Der Stein, der den einen Leben gab, würde auf die Ungehorsamen fallen und sie zermalmen. „Und wer auf diesen Stein fällt, wird zerschmettert werden; aber auf welchen irgend er fallen wird, den wird er zermalmen“ (Mt 21,44). Vers 8 will nicht sagen, dass das jüdische Volk, auf welches der Apostel hinweist, dazu gesetzt sei, verloren zu gehen, wohl aber, dass es ungehorsam sein und den gnadenreichen Herrn, den lebendigen Stein, den Eckstein, verwerfen würde. Infolge dieses Ungehorsams ist es dazu gesetzt worden, sich an dem Wort zu stoßen. Das Gericht der geistlichen Blindheit ist über das Volk gekommen. (Joh 12,37–40.) Die gleiche Entwicklung nimmt die heutige Christenheit. Das Gericht derer, die den Herrn Jesus nicht als persönlichen Heiland annehmen und die Söhne des Ungehorsams genannt werden, ist unausbleiblich, sofern sie nicht noch Buße tun.
Mit den nun folgenden Worten stellt Petrus die jüdischen Christen auf den Boden des gläubigen Überrestes. Durch den Glauben waren sie zu dem geworden, was Israel hätte sein sollen: „ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, eine heilige Nation, ein Volk zum Besitztum“, wie in 2. Mose 19 gesagt wird. In Jesaja 43,21 heißt es: „Dieses Volk, das ich mir gebildet habe, sie sollen meinen Ruhm erzählen.“ Israel hat dem nicht entsprochen und wird seiner Schuld wegen in Hosea „Lo-Ammi“ genannt, „denn ihr seid nicht mein Volk“. Aber Gott wollte zu ihren Herzen reden, und das Tal Achor sollte ihnen zu einer Tür der Hoffnung werden. (Hos 2,14. 15.) Wer könnte die Gnade und Liebe Gottes ermessen! Er dachte schon damals daran, aus Trübsal und Unglück Hoffnung für das Volk hervorkommen zu lassen. Die erste Verwirklichung sieht Petrus in denen, die geglaubt hatten und die er „Volk Gottes“ nennt. Das ist Gottes Barmherzigkeit, die er so eindringlich hervorhebt. Damit schließt der erste Teil des Kapitels.
Es sei noch besonders darauf hingewiesen, dass ein beachtenswerter Unterschied zwischen dem heiligen Priestertum in Vers 5 und dem königlichen in Vers 9 besteht. Das erste bezieht sich auf die Opfer des Lobes, wie sie in Hebräer 13,15 erwähnt werden, das letzte mehr auf die Verkündigung des Ruhmes Gottes. Wenn wir den Herrn Jesus in dieser Welt darstellen, wird dies verwirklicht. In vollkommener Weise wird Christus selbst die Tugenden Gottes verkündigen, wenn Er in der Herrlichkeit des Reiches als Priester auf seinem Thron sitzen wird.
„Geliebte“, welch eine liebliche Anrede in Vers 11! Sie galt nicht nur jenen, sie ist auch an uns gerichtet. Nicht nur Petrus sagt es den Gläubigen, Gott nennt uns gleicherweise Geliebte, weil wir seinem Vaterherzen teuer und wertvoll geworden sind und in dem Wert seines geliebten Sohnes gesehen und betrachtet werden. Diese Geliebten bedürfen der Ermahnung in einer Welt, in der sie Fremdlinge und ohne Bürgerrecht sind. Die Welt beobachtet sie. Sie erkennt allerdings nur das äußere Verhalten, wohingegen Gott alle Regungen des Herzens wahrnimmt, und sobald fleischlichen Lüsten Raum gegeben wird, leidet das geistliche Leben, der verborgene Umgang mit dem Herrn wird unterbrochen, und letztlich wird der Wandel ungünstig beeinflusst. Stattdessen sollten die guten Werke die Ungläubigen überzeugen, so dass Gott dadurch verherrlicht wird.
Wie aber haben wir uns der Obrigkeit gegenüber zu verhalten? Für die Judenchristen, die unter den Nationen wohnten, war das eine wichtige Frage. Gott wusste das, und Er unterweist sie durch das Wort, das ihnen damals und uns heute genaue Anweisung gibt, sich der Obrigkeit und den von ihr angeordneten Einrichtungen um des Herrn willen zu unterwerfen. Dieses Wort verändert sich nicht und lässt auch dann keine Ausnahme zu, wenn die Regierungen Gesetze und Verordnungen erlassen, die mit Gerechtigkeit nicht in Einklang gebracht werden können. Gott will, dass wir zu jeder Zeit „durch Gutestun die Unwissenheit der unverständigen Menschen zum Schweigen bringen“. „Erweist allen Ehre; liebt die Brüderschaft; fürchtet Gott; ehrt den König.“ Das ist für uns alle gut faßlich und in der Verwirklichung Gott wohlgefällig.
Das Wort Gottes beschäftigt sich dann mit den Berufsunterschieden. Ist ein Christ in unterwürfiger Stellung, so mag es ihm zum Trost sein, wenn das Wort ihn daran erinnert, dass der Sohn Gottes, als Er hienieden war, die gleiche Stellung einnahm. Selbst seine praktische Tätigkeit war die eines Unterwürfigen. Sein Gehorsam war ein Gehorsam aus Liebe zu seinem Gott und Vater. Ihm zu dienen beanspruchte Ihn Tag und Nacht. In Sacharja wird prophetisch von Ihm gesagt: „Ich bin kein Prophet, ich bin ein Mann, der das Land bebaut; denn man hat mich gekauft von meiner Jugend an“ (Sach 13,5). Wie redet das zu unseren Herzen! Er war doch der Prophet aller Propheten. Alle Prophezeiungen des Alten und des Neuen Testamentes waren von Ihm eingegeben. Welch eine Erniedrigung! Wie beeindruckt uns auch das Wort in Philipper 2: „Er machte sich selbst zu nichts und nahm Knechtsgestalt an.“
In der Welt ist es üblich, den Arbeitsplatz schon dann baldmöglichst zu wechseln, wenn es nur den Anschein hat, dass der Untergebene nicht ganz gerecht behandelt werde. Für den Christen können solche Gewohnheiten nicht gelten, Gottes Gedanken sind andere. „Denn dies ist wohlgefällig, wenn jemand um des Gewissens vor Gott willen Beschwerden erträgt, indem er ungerecht leidet“ (V. 19). Weiter lesen wir: „Wenn ihr aber ausharrt, indem ihr Gutes tut und leidet, das ist wohlgefällig bei Gott.“ Christus hat mehr gelitten; Er hat die Leiden erduldet, um uns ein Beispiel zu hinterlassen. In Verbindung hiermit wird uns eine Schilderung von unserem teuren Herrn gegeben, die uns zwingt, einen Augenblick dabei zu verweilen. Zuerst wird erwähnt, dass Er keine Sünde tat. Er war der einzige Mensch auf dieser Erde, von dem dies gesagt werden konnte. Er kannte keine Sünde, lesen wir in 2. Korinther 5. Mit anderen Worten, sie hatte nicht den geringsten Anknüpfungspunkt in Ihm. Hinzu kam, dass kein Trug in seinem Mund gefunden wurde. Er konnte seinen Feinden entgegnen: Ich bin „durchaus das, was ich auch zu euch rede“. Wir dagegen sind geneigt, etwas zu sagen, was, genau gesehen, nicht ganz den Tatsachen entspricht. Was muss Gottes Auge oft bei uns sehen und sein Ohr von uns hören! Wenn jemand uns angreift, schlagen wir leicht zurück, und dazu oftmals schärfer, als man uns angegriffen hat. Das ist sehr beschämend für uns und zeigt nicht, dass wir seinen Fußstapfen nachfolgen. Er, unser Herr, wurde gescholten, fraglos von Menschen, die nicht die geringste Berechtigung dazu hatten, aber Er schalt nicht wieder, Er litt. Und wieviel hat Er völlig unverdient gelitten! Doch Er drohte nicht. Er war und ist der Richter der Lebendigen und der Toten; trotzdem übergab Er sich Dem, der recht richtet. Wir müssen uns fragen: Können wir still Unrecht ertragen, das uns zugefügt wird, und übergeben wir alles Dem, der recht richtet? Oder rächen wir uns zuweilen selbst, anstatt das Wort zu beachten: „Mein ist die Rache; ich will vergelten, spricht der Herr“ (Rom. 12,19)?
Mit Vers 24 kommen wir zu dem Höhepunkt der Leiden unseres anbetungswürdigen Herrn und Heilandes. Er selbst trug unsere Sünden auf dem Kreuz von Golgatha. Wieviele Sünden waren es, wenn wir nur an unsere eigenen denken; wie groß war die Schuld der Gesamtheit derer, die an Ihn glauben! Wir werden von solcher Liebe überwältigt. Er kannte die Last unserer Sünden im voraus, und doch zeigte Er sich bereit, sie zu tragen. Er wusste gleicherweise, dass Er damit einem heiligen Gott im Gericht begegnen musste, und dennoch ließ Er sich nicht abbewegen, Gericht und Tod zu erdulden. Wie groß und furchtbar auch seine äußeren Leiden waren, sie wurden von denen seiner Seele übertroffen. „Dem HERRN gefiel es, ihn zu zerschlagen, er hat ihn leiden lassen“ (Jes 53,10).
Die Ergebnisse seiner Leiden können nicht hinreichend von uns gewürdigt werden. Wie Petrus hier hervorhebt, ist der Herr in den Tod gegangen, „damit wir, den Sünden abgestorben, der Gerechtigkeit leben, durch dessen Striemen ihr heil geworden seid.“ Das ist unsere Seite. Was Gott zuteil geworden ist, wird an dieser Stelle nicht erwähnt. Doch wir wissen: Gott ist verherrlicht, die Grundlage zur Erfüllung seiner ewigen Gnadenratschlüsse ist gelegt, Ihm sind Kinder geworden, die Ihn jetzt und ewig preisen und die den Himmel füllen werden. Wir sind es, die in der Irre gingen und zurückgekehrt sind zu dem Hirten und Aufseher unserer Seelen. Mögen diese wunderbaren, unbegreiflichen Ergebnisse der Leiden unseres teuren Herrn uns stets zu Lob und Anbetung bewegen!