Bemerkungen zum Epheserbrief

Kapitel 4

Wir haben hier die gegenwärtige und praktische Anwendung der Grundsätze, welche das Thema dieses Briefes bilden. Der Anfang des Kapitels steht in Verbindung mit dem Ende von Kapitel 2, wo uns gezeigt wurde, was die Berufung des Christen ist. Der Apostel bittet die Epheser, würdig dieser Berufung zu wandeln. Das besondere Kennzeichen dieser Berufung ist die Behausung Gottes im Geist auf der Erde. Alles Verhalten des Christen entströmt der Wahrheit, daß die Kirche die Wohnung des Heiligen Geistes ist. Wenn der Heilige Geist als Siegel vorgestellt wird, geht es mehr um das Persönliche. Nicht die Kirche wird versiegelt; sie wird zur Behausung Gottes. Letzteres gilt auch für den einzelnen Gläubigen. Das Verhalten des Christen sollte aus der Gegenwart Gottes stammen. Es gibt ein Verhalten, das dieser Gegenwart entspricht. Ich sollte nicht nur Gott gehorchen. Es gibt auch noch eine Handlungsweise, die aus dieser Anwesenheit entspringt und dieses Wohnen Gottes in uns ausdrückt. Als Gott im Tempel war, gab es gewisse Anzeichen, die jener Anwesenheit entsprachen. Wir sind Sein Tempel. Die Gegenwart des Heiligen Geistes in uns wird sowohl zur Kraft als auch zum Beweggrund. Gewisse Dinge schicken sich für den Tempel Gottes. Die Wertschätzung der Wahrheit, daß wir einander formen, gehört auch dazu.

Verse 1–3. Der Apostel spricht nicht von Gehorsam, sondern vom Heiligen Geist, der uns dazu anleitet. Die praktische Wirkung der Anwesenheit Gottes durch den Geist ist Bescheidenheit. Die Liebe macht stets nichts aus sich selbst. Schlechte Gedanken über sich selbst führen nicht zur Demut, sondern zur Demütigung. Demut wird durch die Gegenwart Gottes hervorgerufen. Wir sind mit Gott beschäftigt und nicht mit uns selbst. Dann ist Gott da, um uns zu trösten und zu segnen. Wo der Stolz des Menschen niedergeworfen ist, folgt Sanftmut. Wenn wir nichts aus uns selbst machen, folgen Geduld und Liebe. Wenn wir wissen, daß wir nichts sind, leben wir im Bewußtsein von der Kraft Gottes; und darüber hinaus finden wir hier auch die Tatkraft der Liebe.

Wenn wir uns der Kostbarkeit bewußt sind, daß Gott bei uns ist, empfangen wir die Kraft des Geistes Gottes. Das macht uns achtsam, die Einheit des Geistes zu bewahren, d. h. die Einheit aller Glieder Christi als der eine Tempel, in welchem Gott durch Seinen Geist in dieser Welt wohnt. In dem Augenblick, wenn ich dieses Bewußtsein aufgebe, wird die Einheit zerbrochen. Im Fleisch sind wir zwei, im Geist eins. Falls wir uns durch den Heiligen Geist der Liebe erfreuen, haben wir auch den Wunsch, die Einheit des Geistes zu bewahren. Das Fleisch ist niemals friedevoll, wohingegen in Gott alles Friede und Ruhe ist.

Es fällt auf, wie oft Gott der „Gott des Friedens“ genannt wird. (Siehe Philipper 4, 9, 1. Thessalonicher 5, 23 und Hebräer 13, 20!). Das Band des Friedens ist wirklich das Ergebnis des Aufenthalts in der Gegenwart Gottes. Aus diesem Grund fügt der Apostel hinzu: „Da ist ein Leib und ein Geist.“ Die Einheit wird tatsächlich auf der Erde verwirklicht; die äußere Einheit des Leibes drückt das aus, was er innerlich ist. Wenn dieses Band des Friedens fehlt, wird die Einheit des Geistes nicht bewahrt.

Vers 4. Paulus wendet sich zu dem Gedanken zurück, den er in Kapitel 1 vorgestellt hat: „Die Hoffnung der Herrlichkeit.“ (Vergl. Kolosser 1, 27!). Derselbe Geist, der allen dieselbe Hoffnung gegeben hat, gab auch die Einheit des Leibes. Diese äußere Einheit offenbart sowohl den Heiligen Geist als auch die Einheit in der Herrlichkeit. Hienieden gibt es nur einen Leib.

Vers 5. Dieser Vers beschreibt die Umstände, die zu dieser Einheit gehören – alle ihre inneren und äußeren Beziehungen. Er spricht von der Taufe als Ausdruck des gemeinsamen Glaubens.

Vers 6. Der Apostel fügt hinzu: „In uns allen.“ Ein Gott und Vater in uns allen; das bedeutet Sein Wohnen in uns. „Durch alle“ drückt den Gedanken aus, daß Er überall in uns allen ist. Er weilt dort. Er ist dort in Seiner Macht, indem Er Sich mit den Seinen eng verbindet. Geistlich gesehen ist Er in uns; und als Herrscher ist Er überall. Diejenigen, welche an dieser Einheit teil haben, sind mit Christus so vereinigt wie Christus mit Seinem Vater. Auf diese Weise ist der Vater in uns allen. (Siehe Johannes 14, 20!). Was für ein Band ist diese neue Schöpfung! Gott Selbst wohnt in uns, in einem Leib der Schwachheit und des Todes. Das ist der Grund, warum wir seufzen. Einerseits gehören wir zur gegenwärtigen Schöpfung, während wir andererseits die Erstlinge des Geistes besitzen. (Römer 8, 23). Wir seufzen Gott gemäß, und zwar nicht allein wegen des Elends, welches wir als Menschen fühlen, sondern auch in Übereinstimmung mit Gott, Der sehr bald diese Welt befreien wird.

Vers 7. Der Apostel kommt jetzt zu den Gliedern dieses wunderbaren Leibes. Christus ist die Kraft, welche diesen Leib mit Sich selbst vereinigt; und Er ist außerdem die Energie in jedem seiner Glieder. Wenn ich von der Kirche als Leib spreche, so gibt es dort noch weitere Herrlichkeiten. Die Einheit des Leibes verbindet dieselbe mehr mit Gottes Nähe, als wir sie als Einzelpersonen genießen. Wir sollten die Glieder des Leibes als solche ansehen, die zum Besten dieses Leibes wirken. Auch die Evangelisation bewirkt dasselbe, indem sie Seelen zum Herrn bringt.

Vers 8. Hier steht derselbe Ausdruck, der auch verwendet wurde, als Barak von der Befreiung der Gefangenen Israels zurückkehrte, indem er jene gefangen führte, welche sie gefangen geführt hatten. (Richter 5, 12). Das Volk Gottes war Satans Gefangener. Christus hat über Satan triumphiert und ihn gefangen geführt. Gleichzeitig führte Er auch die Kirche mit Sich, welche Er von ihren Ketten befreit hatte. Satan war der Sklavenbesitzer; und Christus errang den Sieg über den „Starken“ und befreite die Kirche. (Vergl. Matthäus 12, 29!). Nachdem Er sie aus der Gewalt Satans befreit hatte, konnte Er uns dieselbe Gewalt geben, die diesen Sieg über Satan errungen hatte. Gott hat diese Macht des Sieges einem Menschen mitgeteilt, um Tatkraft zu verleihen. Christus besitzt das Recht; und wenn Er wieder kommt, werden auch diejenigen befreit, welche nicht bekehrt sind1, weil Satan gebunden wird. Jetzt ist es noch nicht so. Die Kirche ist der Ort, wo der Heilige Geist die Vernichtung der Macht Satans bekannt macht. Das zeigt die Bedeutung der Anwesenheit des Heiligen Geistes in dem Leib. Diese Anwesenheit befreit uns von der Macht Satans und läßt uns in alles hinein wachsen, welches zum Haupt, nämlich Christus, gehört. In Psalm 68, 18 wird auch schon von diesen Gaben gesprochen, allerdings in Verbindung mit den Juden, nachdem Israel in Herrlichkeit wiederhergestellt ist. Paulus erwähnt hier nicht den zweiten Teil des Verses, indem er „selbst für Widerspenstige“ wegläßt; denn im Epheserbrief sind alle Unterschiede zu Ende. Sie kamen in der Kirche zum Ende. Jetzt gibt es sowohl im Himmel als auch auf der Erde eine feste Verbindung. Jetzt sind es Gaben für Menschen. Die Juden waren die „Widerspenstigen“ (denn Juden sind hier gemeint). Bald werden sie es nicht mehr sein; und der Herr wird unter ihnen wohnen.

Vers 9. Dieser Vers stellt uns die Herrlichkeit der Person Christi vor, Der in die Höhe hinaufgestiegen ist, damit sich für den Glauben zwischen Gott und der Macht des Todes nichts befindet, das für den Glauben nicht durch die Kraft der Erlösung ausgefüllt ist. Der Gläubige ist auf der Erde in diese Kraft der Erlösung hinein versetzt, indem er überall Christus findet. Nachdem Christus in den Hades hinabgestiegen war, hat Gott Ihn zu Seiner Rechten gesetzt, damit Er alles ausfülle. Darin erkennen wir, wie das Werk in Vollkommenheit aussehen wird, wenn alle Dinge durch Christus versöhnt sind. Wie ungeheuer bedeutsam ist die Stellung der Kirche als der Leib und als die Verwalterin der Macht Christi! Wie wenig entspricht sie dieser Stellung!

Vers 10. Wir haben gesehen, wie Christus gekommen und wieder hinaufgestiegen ist und bald alle Dinge versöhnen wird. In der Zwischenzeit, da Er das Haupt des Leibes ist, schenkt Er diese Gaben, um einen besonderen Teil des Geheimnisses zu erfüllen, nämlich die Belehrung des Leibes. Dieser Teil wird hier besonders erwähnt. Gott wünscht, uns bekannt zu machen, was das abschließende Ende sein wird: Die Einheit aller Dinge in Christus und die des Leibes mit Ihm. Dieses große Ziel ist die Stellung der Kirche als der Mittelpunkt der Herrlichkeit; und Christus benutzt jetzt die Macht, von der Er erfüllt ist, zur Erbauung des Leibes. Infolgedessen spricht Er von den Gliedern, die zur Erbauung dieses Leibes dienen, und von anderen Gliedern, die ihn bewegen und tätig sind. Es wird hier also nicht von Wundern, das vor der Welt abgelegte Zeugnis, gesprochen, sondern von den „Gelenken“ (V. 16) des Leibes, damit er in Christus hinein wachse.

Vers 11. Paulus spricht nicht von Gaben, sondern von den Personen, die in sich selbst diese Gaben sind. Er spricht von den Gaben, welche den Leib auferbauen und hier nicht vom Heiligen Geist, Der die Gaben nach Seinem Willen verteilt. Indem Christus alles erfüllt, sind wir Seine Glieder und Teilhaber dieser Segnung. Das ist der Unterschied zwischen dem, was uns in 1. Korinther 14 gelehrt wird, und unserem Kapitel.

Verse 12–13. Damit steht ein Problem in Verbindung, nämlich die Dauer dieser Gaben. Wir mögen vielleicht denken, sie sollten anhalten, bis der Leib Christi vollendet ist. Um diesen Teil des Bibelabschnittes richtig verstehen zu können, in welchem sich das Problem befindet, müssen wir auf den Zustand der Kirche eingehen. Der Herr kam nicht nach kurzer Zeit zurück. In den Briefen wird Er stets vorgestellt als Solcher, der bald zurückkehren würde. Das ist der Grund, weshalb Paulus auf alle Erlösten in der Gegenwart Seines Kommens blickt. Er schaute auf die Vollendung des Leibes für die Rückkehr Christi als etwas, das zu seiner Zeit schon erfolgen sollte. Wir wissen, daß dieses nicht geschah. (Johannes 21, 22). In Wirklichkeit kann der Herr jedoch in der Erbauung Seines Leibes nicht untreu werden. Darum geht es hier nicht um die Frage wie sich die Offenbarung des Heiligen Geistes in Kraft erweist, sondern um die Mitteilung von Segnungen seitens des Hauptes mittels Seiner Glieder.

Die Apostel und Propheten dienten als Grundlage. Das können wir gut erkennen. Die anderen Gaben blieben zur Fortsetzung des Bauens, nachdem die ersteren abgetreten waren. Die Dienste, die geblieben sind, sind jene der Evangelisten, Hirten und Lehrer. Was im 12. Vers an erster Stelle steht, ist das allgemeine und passende Ziel dieser Gaben. Danach folgt die Art und Weise, in welcher diese Gnade, welche dem Haupt entstammt, zur Vollendung der Heiligen wirken sollte. Ein Dienst wird hervorgerufen, der tätig ist, um den Leib aufzubauen. Das ist ein offensichtlicher Beweis, daß der Dienst anhalten soll, bis wir alle in die Gegenwart Christi gebracht worden sind. Dieses wird von dem Grundsatz der Einheit des Leibes und durch die Erbauung als solche verursacht. Es ist demnach wichtig, das Ende dieses Dienstes zu sehen.

Vers 13 spricht von der Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes. Darin haben wir Gemeinschaft. Es mag Unterschiede in den Ansichten geben. Doch dafür gilt, was wir im Philipperbrief finden: „So wird euch Gott auch dies offenbaren.“ (Philipper 3, 15). Insofern gibt es eine Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes. Dazu ist der Dienst da; und dieser Dienst besteht immer. Wenn wir sorgfältig beachten, was über den Dienst gesagt wird, erkennen wir, daß der Apostel, wenn er vom vollkommenen Menschen spricht, nicht auf die Vollkommenheit nach der Auferstehung anspielt, sondern auf die Vollkommenheit dieser Erkenntnis. Wir haben gesehen, daß letztere mit der Grundlage in Verbindung steht, die der Heilige Geist für alle diese Wahrheiten gelegt hat, nämlich daß Christus alles erfüllt und in uns hienieden wohnt. Der Heilige Geist, der in der Kirche wohnt, läßt jedes Glied wachsen entsprechend dem, was sich in Christus befindet und nach dem Maß Christi. So wie Einheit in dem Leib so gibt es auch Einheit im Glauben und der Erkenntnis des Sohnes Gottes. Die Absicht des Geistes hier besteht darin, alle Glieder entsprechend der Offenbarung der Herrlichkeit Christi wachsen zu lassen. Das zeigt uns, wohin unsere Wünsche sich richten sollten und auch unsere Wünsche bezüglich unserer Geschwister. Christus hat dazu genug Gnade in Sich selbst. Wir sollten danach streben, daß alle Christen in unserer Umgebung voll Erkenntnis sind, nämlich „zu dem Maße des vollen Wuchses der Fülle des Christus.“

Diese Kenntnis der Offenbarung der Herrlichkeit Christi hienieden erzeugt notwendigerweise Früchte. Das ist die Bedeutung des Wortes „Vollendung“. Es geht um die Erkenntnis Christi. Christus als von den Toten Auferstandener ist ganz und gar vollkommen. Der Christ ist es auch, wenn er zu jener Stellung Christi erhoben ist. Paulus sagt: „Nicht daß ich es schon ergriffen habe.“ (Philipper 3, 12). Aber er war schon zu jener geistlichen Freude gelangt, welche die Erkenntnis des richtigen Gegenstandes vor ihn stellte. Wenn ein Christ sich in diesem Zustand befindet, besitzt er Friede und kann hinsichtlich seines praktischen Verhaltens wachsen. Er hat das Bewußtsein, sich in einem unendlichen Bereich zu befinden – in dem Genuß Christi vor dem Vater entsprechend der Erfüllung aller Ratschlüsse Gottes. Bezüglich seiner Seele vor Gott hat er sozusagen keine Übungen mehr, wie es war, als er im Bewußtsein der Notwendigkeit einer Sühne für sich selbst Gott nahte. Hinsichtlich seiner Seele ist nichts mehr zu erforschen; alles ist vollbracht. Er findet sich in dieser Fülle vor Gott gestellt sogar in Bezug auf alle Umstände, die ihm begegnen mögen. Er weiß, daß Christus im Himmel und auf der Erde alle Gewalt hat. (Matthäus 28, 18!).

Vers 14. Wenn ich nach nichts zu streben habe, ruhe ich in Frieden. Der Ort, an dem ich mich befinde, ist die Fülle der Erkenntnis Gottes und vor der Verführbarkeit des Menschen geschützt. Der Christ, der Christus besitzt, sucht Ihn nicht mehr als einen Gegenstand, den er noch zu finden hat. Er sucht hingegen in den Dingen zu wachsen, in welche er hineingeführt worden ist. In der Kirche hingegen sehen wir Seelen in einem Zustand, der davon abweicht. Das ist wirklich traurig. Im allgemeinen müssen die Christen zu der Stellung zurückgebracht werden, die für sie erkauft worden ist. Ein Christ genießt vielleicht den Segen des Heils; aber er ist mit den Dingen der Erde beschäftigt. Er hat Sorgen; und der Dienst muß sich dann mit dem Jammer befassen, der daraus entsteht. Gläubige, deren Gefühle vollständig mit Jesus erfüllt sind, können voran schreiten. Bei ihnen gibt es Fortschritt; denn wo die Seelen voller Leben sind, suchen sie nach immer neuer Gnade. Wenn wir in persönlicher Treue wandeln, vermögen wir uns mit den Dingen zu beschäftigen, die vor uns liegen. Wo das nicht der Fall ist, müssen wir notwendigerweise mit unserem eigenen Elend befaßt sein; und es ist traurig, wenn die Dinge von uns Besitz ergreifen, welche ein Verlust sind im Vergleich zur Erkenntnis Christi. Falls wir entsprechend der Erkenntnis, die wir besitzen, wandeln, sind wir kraftvoll; und die Dinge vor uns leiten uns vorwärts. Wir vermögen dann, die gegenwärtigen Dinge zu vergessen, um uns mit der Gnade in Christus zu beschäftigen.

Verse 15–16. Jedes Glied wirkt an seinem Platz. Jedes Teil hat seinen besonderen Platz. Dieser mag ein verborgener sein; er ist aber nicht weniger bedeutsam. Es geht um das Wachstum des Leibes. Eine Seele voller Leben erbaut andere. Der Heilige Geist wirkt in Seelen, die sich nicht zurückwenden. Das Wirken des Evangeliums erzeugt inneren Segen. Wir sehen, wie wir schon gesagt haben, daß an dem Ort, wo alle Fülle wohnt, alles zu Gnade wird, sogar die Versuchungen; denn sie lassen uns mit Verständnis die Ratschlüsse Gottes genießen. Falls mir ein Übel geschieht, wird dieses nur zu einer Gelegenheit, die Liebe Christi zu offenbaren; und das dient zur Kräftigung des Glaubens. Aber das alles beruht darauf, daß wir zum Haupt hin heranwachsen. Das ist das einzig wahre Wachstum, weil es in der Erkenntnis Jesu besteht; und diese Erkenntnis ist die der Gnade. Der Geist handelt durch das Wort (durch Glaube und Verständnis der Dinge Gottes). Es ist die ganze Zeit mein Leben, das wächst. Dabei wird mir immer mehr Leben geoffenbart.

Doch laßt uns zu dem zurückkehren, was wir zurecht von einem Kind Gottes erwarten müssen! Ich spreche von der Einheit des Glaubens und der Erkenntnis Christi. Falls Liebe in uns wohnt und wir an die Glieder Christi denken, werden wir darum bitten, daß dieselben „zu dem Maße des vollen Wuchses der Fülle des Christus“ gelangen. Aber, ach! Viele sind oft mehr mit dem gegenwärtigen Leben beschäftigt, als das Wachstum von Seelen zu suchen. Die Liebe ist aus Gott; und sie ist immer kraftvoll. Wenn wir uns in einem gesunden Zustand befinden, wachsen wir in Gott. Um nicht den Heiligen Geist zu betrüben, ist Treue im Wandel notwendig. Es muß ein verborgenes Leben vorhanden sein. Das bedeutet: Das Herz muß in Jesus wohnen. Kurz gesagt: Christus sollte das Ziel unseres ganzen Lebens sein. In Jesus befindet sich genug Liebe, um Seine Glieder wachsen zu lassen.

Wenn wir genug Liebe haben, sollten wir uns bei Christus dasjenige holen, was in anderen dieses Wachstum bewirkt. Wir benötigen solches ganz besonders in der gegenwärtigen Zeit, wo es so viele Dinge gibt, die das Zeugnis der Erlösten verdunkeln. Unser Teil ist, vom Bösen abgesondert zu sein. Wir müssen Christus so klar sehen, daß wir sagen können: Dies oder das ist nicht von Christus. Falls Personen von Sorgen überwältigt sind, ist es unmöglich für sie, Christus so zu erkennen, daß sie von Dingen befreit würden, die zwar wie Christus aussehen, es aber nicht sind. Wir müssen danach streben, geistlich genug zu sein, um uns vergegenwärtigen zu können, was Christus ist. Daraus erwachsen Gebetsgegenstände, welche zweifellos Herzensübungen hervorrufen, weil dann die Fehler und Versagen der Glieder des Leibes getragen werden. Nichtsdestoweniger wird da, wo die Liebe handelt, immer Freude vorhanden sein.

Vers 17. Hier finden wir einen Grundsatz, der von großer Bedeutung ist. Wir sollten ihn energisch festhalten. Dieser lautet: Das ganze Verhalten eines Christen entspringt seiner Errettung. Er handelt nicht, um errettet zu werden. Das heißt nicht, daß wir nicht etwas gewinnen können. Paulus ermahnt uns, zum Ziel des Wettkampfes hin zu laufen. (1. Korinther 9, 24). Doch der ganze Wandel des Christen sollte die Entfaltung eines neuen Lebens sein. In dem Augenblick, wenn wir eine Ermahnung zum richtigen Verhalten hören und sie nicht als einen Appell an eine errettete Person verstehen, wird das Evangelium verdrängt. Alles muß sich an mich als ein Kind Gottes richten. Darum schreibt der Apostel: „Ich ermahne euch …“ (V. 1). „Wegen dieser Gnade ermahne ich euch.“ Wenn ich eine Ermahnung mit der Freiheit der Errettung vermenge, befindet sich der Mensch nicht in der Stellung, in welche Christus ihn versetzt hat. Das mag fromm aussehen. Dennoch bleibt bestehen, daß eine Ermahnung verbunden mit einer Frage hinsichtlich der Errettung genauso den Zustand des Verderbens, in dem sich der Mensch befindet, leugnet wie den der Erlösung. Sowohl dieses Verderben als auch die Erlösung ist mir dann nicht richtig bewußt.

Verse 18–19. Das hier ist die Erklärung und der Mittelpunkt dessen, was wir gerade gesehen haben. Der Mensch ist entfremdet dem Leben Gottes. In den Tagen, in welchen wir leben, würden die Menschen sich schämen, das zu tun, was damals offen getan wurde.2 Damit ändert sich aber nichts an den Tatsachen. Ob ein Mensch dem Leben Gottes entfremdet oder ein finsterer Heide ist, bleibt sich gleich.

Verse 20–23. Das ist die Wahrheit, wie sie „in dem Jesus ist.“ Wenn wir errettet sind, sind wir von neuem geboren; und der folgende Vers erklärt uns diese Wahrheit, nämlich daß Jesus Selbst der neue Mensch ist.

Vers 24. Hier lesen wir die Wahrheit über den neuen Menschen in uns. Es geht nicht darum, uns selbst zu ändern. Statt dessen hat Gott uns ein neues Leben, ewiges Leben, gegeben. Wir haben gesehen, auf welche Weise die Kirche mit Jesus vereinigt ist. Die Wahrheit, wie sie in Jesus ist, besteht in der Anwesenheit dieses Lebens in einem Christen. Wir sollen den alten Menschen aus- und den neuen anziehen. Dieses verborgene Leben muß sich in allem zeigen, was der Mensch angezogen hat. Der alte Mensch ist in sich selbst ein Gefangener, ein Sklave der Sünde und eine Beute seiner Lüste, die ihn fortziehen. Es fehlt an sittlicher Urteilskraft. Beim neuen Menschen hingegen finden wir geistliche Klugheit. Wir sind erneuert; und diese Klugheit beurteilt die Dinge Gott gemäß. Ein Mensch ist dann frei in den Dingen Gottes; Gott wird dort gefunden. Wir sind fähig, das zu erkennen, was zu Gott paßt. „Wo aber der Geist des Herrn ist, ist Freiheit.“ (2. Korinther 3, 17). Wir sind uns dann der Schönheit der Dinge Gottes bewußt; der Mensch kann sie wahrnehmen. Ein Mensch, der nicht durch die Kraft des Heiligen Geistes handelt, handelt nach dem Fleisch.

Wir sind nach Gott geschaffen. Gott wird in uns abgebildet. Christus war das Bild des unsichtbaren Gottes. Er offenbarte in Seinen Wegen das Wesen Gottes. Auch der Christ ist eine neue Schöpfung. Der Apostel spricht in diesem Vers von der Macht Gottes, der jenes Leben hervorgerufen hat, in dem wir uns an Gott erfreuen. Gott hat Sein Siegel auf uns gelegt. Das ist etwas Neues. Nicht mehr die Lüste des alten Menschen haben eine Bedeutung, sondern die Kraft des neuen Menschen – jenes Verständnis, das der Wahrheit entspricht.

Vers 25. In diesem Vers wird gesehen, wie alles von unserer Vereinigung mit Christus abhängt. Es besteht offensichtlich weder ein Band der Liebe noch des Heiligen Geistes zu einem Menschen, den ich belüge. Wenn ich meinen Bruder belüge, ist das so, als würde ich mich selbst betrügen. Die Kraft des Lebens Christi ist auch die Kraft in allen Einzelheiten des Lebens eines Christen. Wir sind Glieder voneinander.

Vers 26. Wir erfahren hier, daß auch der neue Mensch bei seinem Wirken ärgerlich werden kann (z. B. Christus in dem Fall des Menschen mit der verdorrten Hand; Markus 3, 5). Das ist Entrüstung über das Böse. (Siehe 2. Korinther 7, 11!). Falls es sich um Ärger des neuen Menschen über das Böse handelt, kehrt die Seele sobald das Böse beseitigt ist, zu ihrer Ruhe zurück. Falls der Ärger hingegen anhält, folgt Bitterkeit; und die Seele vermag nicht zu ihrer Ruhe zurückzukehren. Bei ihr zeigt sich dann Böses. Darum wird gesagt: „Die Sonne gehe nicht unter über eurem Zorn!“

Vers 27. Dieser Vers zeigt uns, daß wir Satan nicht die Tür öffnen sollen. Wenn das Fleisch wirkt, kann der Böse uns antasten. Er kann indessen nicht den neuen Menschen antasten; er kann ihn nicht verlocken. (1. Johannes 5, 18). Falls ich einem Gedanken Raum gebe, der nicht von Gott ist, lasse ich Satan ein. Auch wenn ich dem Ärger Raum gebe, ist der Feind da. Wir sind dann im Dienst behindert und im Gebet gestört. Darüber brauchen wir uns nicht zu wundern. Wenn unsere Gedanken von den gegenwärtigen Dingen erfüllt sind, wenn wir nicht mit ihnen beschäftigt sind in ihrer Beziehung zu Gott, haben wir Satan den Weg frei gemacht. Falls wir jedoch mit unserem Werk beschäftigt sind, indem Gott vor unseren Augen steht, nimmt dieses Werk keineswegs als Selbstzweck von uns Besitz. Unsere Befähigungen können sich frei entfalten; unsere Empfindungen sind rein; und wenn wir zu Gott zurückkehren, geschieht es einfach nur als Sein Eigentum. Wir waren ausschließlich tätig, um Seinen Willen zu tun. Wieviel Zeit verlieren wir! Daher wird gesagt: „Seid nüchtern zum Gebet!“ (1. Petrus 4, 7). Wir sollen alles, was wir tun, für Gott tun.

Vers 28. Es ist auffallend, wie Gott den schwierigsten Stoff nimmt, um etwas daraus zu machen. Er nimmt das Herz des Menschen, so wie es ist, und erneuert es durch das Leben des neuen Menschen, welches Er dort hineinführt. Es ist der Heilige Geist, der dieses bewirkt, weil der Geist der Liebe anwesend ist.

Vers 29. Hier sehen wir den Gegensatz zwischen dem alten und dem neuen Menschen – entweder redet der eine oder der andere. Entweder ist es Murren oder Danksagung. Der reife Christ möchte ausschließlich zur Erbauung reden. Der neue Mensch, der unter dem Einfluß des Heiligen Geistes wirkt, möchte nur an solchen Dingen teilhaben, die zur Erbauung dienen.

Verse 30–31. Das Wissen ist kostbar für uns, daß der Christ auf den Tag der Erlösung versiegelt ist. Das ist der Tag, an dem sein Leib auferweckt wird. Wenn Christus alles ausgeführt hat, für das Er starb, wird unser Leib (denn Christus hat ihn erlöst) auferweckt werden. Das hat bisher noch nicht stattgefunden. Es wird gesagt, daß Christus für uns zur Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligkeit und Erlösung gemacht worden ist. (1. Korinther 1, 30). Erlösung steht an letzter Stelle. Hier wird nicht von dem bezahlten Preis für den Freikauf gesprochen, sondern von dem Ergebnis dieses Kaufs. Bei dem folgenden sollte zweierlei beachtet werden: Der neue Mensch und der Heilige Geist. Der Heilige Geist wurde nicht erschaffen. Er ist ein von uns unabhängiges Wesen in uns. Wir dürfen Ihn nicht betrüben. Alles, was nicht zum Heiligen Geist paßt, gehört sich nicht für einen Christen. Auf der anderen Seite erfahren wir, daß wir volle Sicherheit besitzen: Gott hat Sein Siegel auf uns gelegt. Das stärkt den Glauben. Wir treten in die Gedanken Gottes ein. Dort finden wir nicht allein die Beweggründe für Heiligkeit, sondern auch die Kraft der Heiligkeit. Das, was mir meine Erlösung versichert, läßt mich wachsam sein, den Heiligen Geist nicht zu betrüben. Wenn wir uns in der Gegenwart unseres Vaters aufhalten, bewahrt Seine Liebe uns vor dem Fallen. Auf diese Weise versiegelt uns der Heilige Geist für den Tag der Erlösung und bewahrt uns vor dem Bösen.

Vers 32. Mein Fundament besteht in dem, was Gott für mich getan hat. Ich besitze ein Bewußtsein von der Güte Gottes. Falls ich selbst gesegnet bin (siehe 1. Petrus 3, 9!), kann ich anderen Liebe zeigen. Das Gefühl davon, daß Gott mich begnadigt hat, nimmt alle Bitterkeit aus meinem Leben und aus meinem Verhalten weg. Unser Vater hat uns vergeben und wünscht, daß unser Herz allen gegenüber frei sei und daß wir in Frieden und Liebe handeln. Es ist schön, auf diese Weise mit Gott in Übereinstimmung zu stehen, indem wir in uns selbst das Wesen Gottes darstellen.

Fußnoten

  • 1 Anm. d. Übers.: Darby spricht hier nicht von Allversöh­nung. Aus anderen Aufsätzen von ihm können wir ent­neh­men, daß er eine Allversöhnung entschieden ab­lehnt. – Die Unbekehrten werden zwar aus der Gewalt Satans be­freit, aber nicht aus ihrer Schuld vor Gott. Übri­gens stützt das Wort Gottes an keiner Stelle den allge­mein verbreiteten Gedanken, daß der Teufel in der Hölle über die Verlorenen herrscht.
  • 2 Anm. d. Übers.: Leider hat diese Aussage aus dem 19. Jahrhundert heute keine Gültigkeit mehr.
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