Der Brief an die Philipper

Kapitel 3

Der Brief an die Philipper

Wie innig die Gemeinschaft auch sei, die man untereinander hat, und wie groß die Freude, die man zusammen genießt, das Wichtigste von allem bleibt die Freude im Herrn. Alles verändert sich hienieden, Er allein bleibt derselbe. Obschon man über den Verfall der Gemeinde betrübt sein muss, in Ihm kann man sich allezeit freuen. „Übrigens, meine Brüder, freut euch in dem Herrn!“ (Vers 1). Denn in Ihm ist alles sicher. Paulus sagt den Brüdern: „Wiewohl ich euch das schon manchmal gesagt habe, als ich bei euch war, so ist es mir nicht verdrießlich, euch dieselben Sachen zu schreiben, und für euch ist es sicher, denn es sind viele Gefahren, die euch umringen.“

Eine dieser Gefahren, und wohl die größte von allen, war die Verführung durch gesetzlich gesinnte Lehrer. Wir wissen aus den andern Briefen von Paulus, wieviel Schaden diese jüdisch gesinnten Lehrer in den Versammlungen angerichtet hatten. Sie waren hereingeschlichen, um die Freiheit auszuspionieren, die die Gläubigen in Christus hatten (Gal 2, 4). Sie konnten die Freiheit, die Paulus verkündigte, nicht ertragen und wollten das Gesetz als ein Joch auf den Hals der Christen aus den Nationen legen, „das weder unsere Väter noch wir zu tragen vermochten“, wie Petrus in Apostelgeschichte 15,10 sagt. Die jüdisch gesinnten Lehrer wollten das Gesetz mit dem Evangelium, die Einsetzungen des Alten Testamentes mit den Wahrheiten des Neuen Testamentes vereinigen und zogen so die Seelen von dem im Himmel verherrlichten Christus ab. Für Paulus, der Christus im Himmel kannte, war diese gesetzliche Einstellung nichts anderes als ein Versuch, den Gläubigen von Christus zu trennen und ihn in den elenden Zustand zurückzubringen, aus dem er durch das Werk des Christus erlöst ist. Der Apostel behandelt denn auch diese Lehrer mit der größten Strenge. „Dass sie sich auch abschnitten, die euch aufwiegeln!“ schreibt er an die Galater. Und hier nennt er die Gesetzeslehrer „Hunde“, „böse Arbeiter“, „Zerschneidung“. Wie tief erniedrigend! Die Geschichte von der kananäischen Frau im Evangelium Matthäus (Kapitel 15) lehrt uns, welche Erniedrigung es für die Lehrer war, „Hunde“ genannt zu werden. Sie waren böse Arbeiter, d.h. Arbeiter in Bosheit; und überdies war ihre Beschneidung mit Händen keine wirkliche Beschneidung, denn sie änderte das Herz nicht. Paulus behandelt diese Männer mit tiefer Verachtung und mit harten Worten, welche die Liebe zur Versammlung ihm eingab, ihre Beschneidung war nichts als „Zerschneidung“.

Wenn sich die falsche Lehre unter dem Deckmantel von Religiosität und Frömmigkeit in die Gemeinde des Christus einschleicht, dann ist Nachgiebigkeit ein Verbrechen wider die Gegenstände der Liebe des Christus. Der Apostel hat stets gezeigt, mit wieviel Geduld er die Schwachen zu tragen wusste und wie er selbst jüdische Vorurteile übersehen konnte; aber sobald er sah, dass die Lehre des Evangeliums durch gesetzliche Gesinnung verdorben wurde, gebrauchte er die stärksten Ausdrücke, um seiner Empörung Ausdruck zu geben. Und kein Wunder, denn diese jüdischen Lehren beraubten Christus und Sein Werk ihrer Herrlichkeit und Kraft.

Doch der Apostel bleibt hier nicht lange bei den falschen Lehrern stehen, vielmehr richtet er den Blick der Gläubigen sofort auf die Macht, die von den menschlichen Lehren erlöst. „Denn wir sind die Beschneidung“, das will sagen, dass wir unserer Stellung nach wirklich vom Bösen geschieden, der Sünde und dem Fleisch gestorben sind – darum dürfen wir Gottesdienst üben, nicht nach menschlichen Satzungen, sondern durch die Kraft des Geistes – dürfen uns Christus Jesus rühmen und nicht auf Fleisch vertrauen (Vers 3).

Paulus stellt Christus und den Heiligen Geist dem Fleisch und dem eigenen Ich gegenüber. Er hatte gewiss alle Ursache, sich des Fleisches zu rühmen, denn er besaß im höchsten Maß alles, was den Ruhm eines Juden ausmachen konnte. Rühmten sich die jüdischen Lehrer im Fleisch, nun wohl – sagt Paulus – ich kann mich noch viel mehr rühmen; niemand steht über mir, wenn es auf die Vorrechte nach dem Fleisch ankommt. Beschnitten am achten Tag, so dass für mich dem Gesetz entsprochen ist; aus dem Geschlecht Israel, vom Stamm Benjamin, so dass ich mein Geschlechtsregister vorweisen kann, was vielen nicht möglich war; ein Hebräer aus den Hebräern, ein echter Jude, zum Unterschied von den Judengenossen, die aus dem Volk der Samariter sich mit den Juden verbunden hatten; was das Gesetz betrifft, ein Pharisäer, also aus der vornehmsten Sekte unter den Juden, was den Eifer betrifft, ein Verfolger der Gemeinde, allerdings ein zweifelhafter Ruhm. Nichtsdestoweniger war es ein Vorrang gegenüber andern Israeliten in dem Sinn, dass Jesus von Nazareth eine von den Juden gehasste und verachtete, wegen Gotteslästerung zum Tode verurteilte Persönlichkeit war. Was die Gerechtigkeit betrifft, die im Gesetz ist, war Paulus untadelig, natürlich nur soweit es das Äußere betraf (Vergl. Verse 4–6)! Doch eine Sache hatte alles verändert; Paulus hatte Christus in Seiner Herrlichkeit gesehen. Von diesem Augenblick an waren alle seine Vorrechte nach dem Fleisch für ihn Schaden geworden. „Was irgend mir Gewinn war“, was mir bei den Menschen Ehre und Ansehen gab, das, weshalb jeder mich liebhatte und hochschätzte, was meinem eigenen Ich schmeichelte, „das habe ich.um des Christus willen für Verlust geachtet“ (Vers 7). Paulus spricht nicht – man beachte: dies wohl – von seinen Sünden, sondern von seiner Gerechtigkeit nach dem Fleisch, von allem, was in den Augen eines rechtschaffenen Israeliten schön und begehrenswert war. Das war ihm zum Schaden geworden; er hatte es kennen gelernt als etwas, das ihm im Weg stand, um Christus zu besitzen. Auf dem Weg nach Damaskus erschien ihm der verherrlichte Christus im Himmel, der, welcher sich mit Seiner verfolgten Gemeinde auf Erden eins erklärte. Dieses Gesicht hatte bei Paulus die erstaunlichste Veränderung zuwege gebracht. Die Vorzüglichkeit der Erkenntnis von Christus Jesus, seinem Herrn, hatte alles verdunkelt, was er besaß. Sowohl die Sterne als auch die Finsternis verschwinden vor dem Licht der Sonne. Die Gesetzesgerechtigkeit, die Rechtschaffenheit des Paulus, alles, was ihn bei den Menschen achtenswert machte, verschwand vor der Gerechtigkeit Gottes und der Herrlichkeit des Christus. Das war für Paulus eine völlige Umkehr. Was ihm Gewinn war, wurde Verlust; Christus wurde ihm alles. Alle seine Vorzüge nach dem Fleisch verschwanden; er selber verschwand; und eine andere Person als er selber wurde ihm teuer. Welch eine völlige Veränderung und Umkehr in sittlicher Beziehung, wenn der Mensch aufhört, Mittelpunkt seiner selbst zu sein, und der, welcher allein würdig ist, Mittelpunkt seines ganzen Denkens wird. So war es bei Paulus. Er verschwand – sozusagen – vom Schauplatz, und Christus kam an seine Stelle.

Nicht nur auf dem Weg nach Damaskus und in den ersten Tagen nach seiner Bekehrung war Christus sein ein und alles, sondern auch auf seinem weiteren Lebensweg und selbst hier im Gefängnis. Er schreibt nicht nur: „Was mir Gewinn war, das habe ich um Christus willen für Schaden geachtet“, sondern auch: „Ja, wahrlich, ich achte auch alles für Verlust wegen der Vortrefflichkeit der Erkenntnis von Christus Jesus, meines Herrn, um dessentwillen ich alles eingebüßt habe und es für Dreck achte, damit ich Christus gewinne“ (Vers 8). Er schreibt nicht nur: ich habe dies getan, sondern ich tue es täglich. Christus in der Herrlichkeit stand ihm stets vor Augen; an Ihn war er mit seiner ganzen Seele gebunden; Er war der einzige Gegenstand seines Sinnens und Denkens. Alles andere war Schaden und Dreck. Wie schön und vortrefflich auch in den Augen des Menschen, es war ihm nicht mehr wert als der Kot der Straße. Nachdem er einmal die Herrlichkeit des Christus gesehen hatte, verschwand für ihn alles andere im Nichts. Mit Ihm war nichts zu vergleichen, und darum streckte er sich mit feurigem Verlangen aus nach Ihm.

Nachdem er Christus in Herrlichkeit gesehen hatte, standen ihm zwei Dinge vor der Seele: die Gerechtigkeit Gottes in Christus, und die Erkenntnis des Christus. „Dass ich Christus gewinne und in Ihm erfunden werde, indem ich nicht meine Gerechtigkeit habe, die aus dem Gesetz ist, sondern die durch den Glauben an Christus istdie Gerechtigkeit aus Gott durch den Glauben“ (Verse 8. 9). Die Gerechtigkeit Gottes macht alles zunichte, dessen das Fleisch sich rühmen kann, sie ist durch den Glauben an Christus Jesus und nicht aus den Werken des Gesetzes. Jeder, der an Christus glaubt, hat seinen Platz vor Gott in Christus nach der Gerechtigkeit Gottes selber, nach der Gerechtigkeit, die Gott offenbart hat, als Er Christus, Der Ihn auf Erden verherrlichte, in die Herrlichkeit aufnahm und Ihm einen Platz zu Seiner Rechten im Himmel gab. Die Sünde, die menschliche Gerechtigkeit, alles was vom Menschen kommt, ist ausgeschlossen; wie Christus vor Gott ist, so sind auch wir nun in Ihm vor Gott. Christus ist in der Herrlichkeit kraft des Werkes, das Er für uns vollbracht hat, und wir sind in Ihm. Sobald wir dies verstehen, ist es unser innigster Wunsch, Christus noch besser kennen zu lernen.

„Um Ihn zu erkennen und die Kraft Seiner Auferstehung und die Gemeinschaft Seiner Leiden, indem ich Seinem Tod gleichgestaltet werde, ob ich auf irgendeine Weise hingelangen möge zur Auferstehung aus den Toten“ (Verse 10. 11). Paulus wollte nicht nur Christus gewinnen und in Ihm erfunden werden, sondern er wollte Ihn auch ganz erkennen. Das Anschauen des Christus hatte solch einen Eindruck auf ihn gemacht, dass er nicht allein sich selbst, unter Missachtung aller seiner Vorzüge nach dem Fleisch, Ihm übergeben hatte, sondern dass er auch denselben Weg gehen wollte, den Christus gegangen war, damit er in allem erkennen würde, wer Christus ist. Er wollte Christus erkennen in der Kraft Seiner Auferstehung; denn er kannte Christus lediglich als den von den Toten Auferstandenen; er wollte aber, nachdem er die Kraft dieser Auferstehung erfahren hatte, teilhaben am Leiden des Christus und Seinem Tod gleichförmig gemacht werden. Christus war ihm so herrlich, so teuer, dass er Ihm in allem gleichgestaltet werden wollte. Ging es durch Leiden oder selbst durch den Tod, so freute er sich, wenn er dadurch nur eine Gelegenheit hatte, Christus mehr kennen zu lernen und Ihm gleichförmiger zu werden. „Ob ich auf irgendeine Weise hingelangen möge zur Auferstehung aus den Toten.“ Das war der Inbegriff seiner Wünsche. Wurde er dem Tod Christi gleichförmig, dann würde er bei der Ankunft des Christus aus den Toten auferstehen, und bei der Auferstehung aus den Toten würde er Christus sehen, gleichwie Er ist, und Ihm gleich sein – nicht nur nach dem Geist, sondern auch nach dem Leib. In einem neuen, verherrlichten Leib, dem Leib Jesu gleichförmig, würde er seinen Herrn und Heiland sehen in der Herrlichkeit, um ewig bei Ihm zu sein. Darnach richtete sich das Sehnen seines Herzens. Von dem Augenblick an, da er auf dem Weg nach Damaskus Christus in Herrlichkeit gesehen hatte, war es sein einziges Begehren, diesen Christus in allem kennen zu lernen und Ihm völlig gleichförmig zu werden. Und dieses Verlangen würde gestillt bei der Auferstehung aus den Toten. Dann ist alles Stückwerk zunichte gemacht und wir schauen von Angesicht zu Angesicht.

Es ist von großer Wichtigkeit zu beachten, dass Paulus nicht von der Auferstehung der Toten redet, wie es in den meisten Übersetzungen unrichtig heißt, sondern von der Auferstehung aus den Toten, wie wir nach den ältesten und besten Lesarten des Grundtextes übersetzen müssen. Das ist ein großer Unterschied. Die Auferstehung der Toten ist die Auferstehung aller Gestorbenen; die Auferstehung aus den Toten ist die Auferstehung einiger, während die andern in ihren Gräbern bleiben. Sie stehen auf aus der Mitte der Toten. Die Auferstehung des Christus war keine Auferstehung der Toten, sondern eine Auferstehung aus den Toten. Er allein verließ das Grab, alle andern blieben drin. So wird es bei der Auferstehung der Gläubigen auch sein. Sie werden, wie Christus, aus den Toten auferstehen. Durch die Kraft Gottes verlassen sie die Gräber bei den andern Toten und werden in die Herrlichkeit aufgenommen. Dies geschieht bei der Entrückung der Brautgemeinde, der Wiederkunft des Christus „Der Erstling, Christus; sodann die, welche des Christus sind bei Seiner Ankunft“ (1. Kor 15,23). Das ist die erste Auferstehung (Vergl. Off 20,5 6). Die Auferstehung der Toten dagegen ist die Auferstehung aller Gestorbenen, sie findet nach tausend Jahren statt und ist die zweite Auferstehung, die Auferstehung zum Gericht (Vgl. Off 20,11–15).

Da die Auferstehung aus den Toten noch nicht stattgefunden hatte und Paulus noch nicht Christus in der Herrlichkeit gleichförmig war – denn er hatte noch seinen sterblichen Leib und war deshalb noch nicht vollendet – so schreibt er: „Nicht dass ich es schon ergriffen habe oder schon vollendet sei ich jage ihm aber nach, ob ich es auch ergreifen möge, indem ich auch von Christus Jesus ergriffen bin“ (Vers 12). Paulus war noch nicht am Ende der Laufbahn, aber Christus hatte ihn ergriffen, damit er zu der Auferstehung aus den Toten kommen sollte und Ihm gleichgestaltet würde in der Herrlichkeit. Ich meine nicht, wiederholt er, dass ich das Ziel schon erreicht habe; „eines aber tue ich: Vergessend, was dahinten, und mich ausstreckend nach dem, das vorn ist, jage ich, das Ziel anschauend, hin zu dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christus Jesus“ (Vers 14). Glücklicher Mann! Christus in der Herrlichkeit war Anfang und Ziel seines Lebens. Dieses himmlische Ziel verlor er nie aus dem Auge; sein Herz war nicht geteilt; Christus allein war ihm köstlich und begehrenswert; darum wünschte er nur eines: sich mit Christus zu beschäftigen und nach Ihm sich auszustrecken, alles andere hatte für ihn keinen Wert, was dahinten war, vergaß er, und er streckte sich aus nach dem, was vor ihm lag, nach dem Preis der himmlischen Berufung Gottes, die in Christus Jesus ist. Paulus vergaß seine Sünden nicht; o nein! denn wir sehen aus andern Stellen, wie oft er sich ihrer erinnerte, aber er vergaß seine Vorzüge nach dem Fleisch, alles was auf dem Weg hinter ihm lag, alles was er für Schaden und Dreck hielt angesichts der Vortrefflichkeit der Erkenntnis des Christus.

Das ist wahres christliches Leben! Christus muss der Ausgangspunkt, der Mittelpunkt und das Ziel unseres Lebens sein. Um Seinetwillen, dem Schönsten unter Zehntausenden, lohnt es sich, alles für Schaden und Dreck zu achten. Nichts ist Ihm zu vergleichen. Ihm muss unser ganzes Herz, unser ganzes Leben, unsere ganze Person gehören. Der Apostel wandelte so, und er ermahnt nun die Gläubigen zu Philippi, dasselbe zu tun. „So viele nun vollkommen sind, lasst uns also gesinnt sein“ (Vers 15). Unter diesen Vollkommenen verstand Paulus alle, welche die vollkommene Erlösung, die in Christus Jesus ist, erkannt und ergriffen haben, die so, wie die Israeliten durch das Rote Meer gingen, durch den Tod und die Auferstehung des Christus gegangen und neue Geschöpfe in Christus Jesus geworden sind. „Lasst uns also gesinnt sein“, lasst uns Christus als Mittelpunkt und Ziel unseres Lebens erwählen; lasst uns alles verwerfen und von allem uns abkehren, was nicht Christus ist; lasst uns eines tun: vergessen, was dahinten ist und unser Auge auf das himmlische Ziel hinrichten, nach dem Preis der Berufung Gottes. „Und wenn ihr etwas anders gesinnt seid, so wird euch Gott auch dies offenbaren“ (Vers 15). Lasst das Ziel unseres Lebens dasselbe sein, nämlich Christus in der Herrlichkeit; habt ihr aber über die eine oder andere Sache verschiedene Meinung, so wird euch Gott die ganze Wahrheit offenbaren. „Doch wozu wir gelangt sind, lasst uns in denselben Fußstapfen wandeln“ (Vers 16). Welch wichtige Ermahnung, besonders für unsere Tage, wo man so oft behauptet, dass es gut und nützlich sei, wenn nicht alle Gläubigen denselben Weg gehen. Wir finden hier gerade das Gegenteil. Wiewohl der Heilige Geist uns erkennen lässt, dass wir uns nicht beunruhigen sollen, wenn einige anderer Meinung sind, da Gott ihnen die Wahrheit offenbaren wird, so ermahnt Er doch die Gläubigen ernstlich, nach dem zu wandeln, wozu sie gekommen sind.

„Seid zusammen meine Nachahmer, Brüder, und seht hin auf die, welche also wandeln, wie ihr uns zum Vorbilde habt“ (Vers 17). Welch ernste Worte! Im Bewusstsein, selber ein Nachfolger des Christus zu sein, konnte sich Paulus der Versammlung als Vorbild hinstellen. Bedenken wir wohl, dass nicht Selbsterhebung oder Leichtfertigkeit ihn diese Worte schreiben ließ, sondern dass er sie durch Eingebung des Heiligen Geistes niederlegt, weshalb wir sicher wissen, dass sie wahr sind. Und sicherlich, wir brauchen uns nur dessen zu erinnern, was wir betreffs seines Wandels und seiner Gesinnung gelesen haben, um zu erkennen, dass er wirklich ein der Nachahmung würdiges Vorbild ist. Wie wichtig für uns! Wir sehen bei Paulus, was die Gnade Gottes in einem Menschen gleicher Art wie wir vermag. Gleicherweise wie wir hatte auch Paulus seine Schwachheiten und Gebrechen, und die Sünde wohnte auch in seinem Fleisch. Er schreibt; „Ich weiß, dass in mir, das ist in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt.“ Doch er war ein Nachfolger des Herrn Jesus; sein Auge war stets auf den verherrlichten Christus gerichtet; er streckte sich aus nach dem Preis der Berufung Gottes; und darum konnte er sich der Gemeinde als Vorbild hinstellen. Alle unsere Entschuldigungen, dass es nicht möglich sei, dem Herrn Jesus nachzufolgen, werden dadurch hinfällig. Gott hat dafür gesorgt, uns nicht nur den Herrn Jesus in Seiner Heiligkeit, sondern auch Seinen Diener Paulus, einen Menschen gleicher Art wie wir, als Vorbild hinzustellen. Gottes Gnade hat Paulus zu solch einem Wandel instandgesetzt. Und dieselbe Gnade ist auch unser Teil; dieselbe Gnade will das auch in uns bewirken; Gottes Kraft will sich auch in unserer Schwachheit offenbaren. Sicherlich, hierin ist ein Wachstum möglich und notwendig. Auch Paulus ist nicht unvermittelt das geworden, was er als Schreiber des Briefes an die Philipper war. Er selbst gebraucht in Kapitel 4 die Worte: „Ich habe gelernt“. Aber weil er den verherrlichten Christus als Anfang und Ziel seines Lebens erwählt hatte, nahm er von Tag zu Tag zu in der Erkenntnis, in der Gnade und in der Gleichförmigkeit mit Christus. Davon hängt es auch bei uns ab. Nicht das ist die Frage, wieweit wir bereits gefördert sind, sondern ob Christus das Ziel unseres Lebens ist, ob unser Auge auf Ihn gerichtet ist, ob wir jagen nach dem Preis der himmlischen Berufung Gottes, die von oben ist in Christus Jesus. Nur dann werden wir täglich in Erkenntnis und Gnade zunehmen; dann werden wir je länger je mehr gesinnt werden gleichwie Jesus gesinnt war. Es gibt Kinder, Jünglinge und Väter unter den Gläubigen; doch man kann niemals vom Kind zum Jüngling und vom Jüngling zum Vater in Christus werden, wenn nicht Christus Anfang und Ziel unseres Lebens ist. Lasst uns darum Paulus zum Vorbild nehmen und wandeln, gleichwie er gewandelt hat; dann wird dieselbe Freude unser Herz erfüllen und der Herr durch uns verherrlicht werden.

„Denn viele wandeln, von denen ich euch oft gesagt habe, nun aber auch mit Weinen sage, dass sie die Feinde des Kreuzes Christi sind deren Ende Verderben, deren Gott der Bauch und deren Ende in ihrer Schande ist, die auf das Irdische sinnen“ (Verse 18. 19). Aus diesen ernsten Worten geht deutlich hervor, dass die Gemeinde des Christus sich schon damals von der ersten Liebe und von ihrem normalen Zustand entfernt hatte. Paulus redet hier nicht von der Versammlung in Philippi, sondern vom Zustand der Christenheit im Allgemeinen. Viele, die den Namen des Christus trugen und von denen man Gutes erhofft hatte, weshalb der Apostel weinend von ihnen spricht, waren Feinde vom Kreuz des Christus. Sie waren nicht Feinde des gekreuzigten Christus, wie man meistens denkt, sondern sie waren Feinde vom Kreuz des Christus. Sie wollten die Schmach und die Verachtung des Kreuzes nicht auf sich nehmen. Sie hatten keine Lust, das Kreuz des Christus auf sich zu laden und es Ihm nachzutragen. Sie fürchteten sich, in die Gemeinschaft Seiner Leiden einzutreten, indem sie nur sich selbst lebten. Der Bauch war ihr Gott und ihre Ehre war in ihrer Schande, d. h. sie suchten ihre Ehre in Dingen, die wider Christus waren. Sie waren auf irdische Dinge eingestellt. Darum würde auch ewiges Verderben ihr Ende sein. Mochten sie auch äußerlich zur christlichen Gemeinde gezählt werden und den Namen des Christus tragen, dennoch würden sie verloren gehen, weil ihr Leben bewies, dass sie keinen Teil an Christus und der Erlösung hatten.

Wie ernst sind diese Worte! In den Tagen des Paulus waren es schon viele, die so wandelten, aber wie entsetzlich hat dieses Übel in der christlichen Kirche auf Erden zugenommen. Wie traurig sieht es heutzutage aus. Wie viele sind in dem Zustand, wie ihn Paulus beschreibt; und ach, Tausende in einem noch weit ärgeren Zustand. Im Schoß der Christenheit haben die größten Gräuel und Ungerechtigkeiten Platz und werden die gröbsten Irrtümer geduldet. Weinend sagen wir mit dem Apostel: „Welcher Ende ist die Verdammnis“, Dennoch bleibt die Richtschnur für den wahren Christen dieselbe wie in den Tagen des Apostels. Wir haben uns von solchen abzuwenden und nach dem Vorbild zu wandeln, das Paulus den Philippern hinstellt. Christus in der Herrlichkeit wird uns noch jetzt vor Augen gemalt. Seine Schönheit zieht uns auch jetzt an, o, dass unser Blick allezeit auf Ihn gerichtet sei! Bald sind wir bei Ihm in der Herrlichkeit. Solange wir uns aber hier unten aufhalten, sind Leiden unser Teil, gleichwie sie des Christus Teil waren auf Erden, doch bedenken wir wohl, es geht durch Leiden zur Herrlichkeit.

„Denn unser Bürgertum ist in den Himmeln“ (Vers 20).' Viele waren Feinde vom Kreuz des Christus und sannen auf irdische Dinge; wir aber – sagt der Apostel, indem er von den wahren Christen redet – haben unsern Wandel in den Himmeln und nicht auf der Erde; unser Leben und unser Herz ist da, wo unser Schatz, Christus, ist. Herrliche Worte! Durch das Werk des Christus von der Sünde erlöst und des ewigen Lebens teilhaftig, sind wir gleichsam eine Pflanze mit Ihm geworden. Wir sind mit Ihm gestorben und auferstanden, Er hat uns mitsitzen lassen in den himmlischen Örtern (Eph 2, 6). Wir sind nicht bloß gerechtfertigt, sondern auch verherrlicht (Römer 5, 2). Gleichwie Christus ist, sind auch wir in dieser Welt (1. Joh 4). Darum haben wir unsern Wandel im Himmel. Wiewohl wir noch leiblich an diese Erde gebunden sind und erst nach der Ankunft des Christus auch dem Leib nach im Himmel sein werden, ist Herz und Seele schon dort. Der Himmel wird unsere ewige Wohnung sein; und durch den Glauben genießen wir den Vorgeschmack schon heute.

„Denn unser Bürgertum ist in den Himmeln, von woher wir auch den Herrn Jesus Christus als Heiland erwarten, der unsern Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichförmigkeit mit Seinem Leib der Herrlichkeit, nach der wirksamen Kraft, mit der Er vermag, auch alle Dinge sich zu unterwerfen“ (Verse 20. 21). Bald werden wir, mit einem neuen, verherrlichten Leib angetan, im Himmel sein. Wir erwarten nämlich aus dem Himmel den Herrn Jesus Christus, und zwar als Heiland unseres Leibes. Der Herr Jesus ist nicht nur der Erretter unserer Seele, sondern auch der Erretter unseres Leibes. Bei Seinem ersten Kommen erschien Er als der Erretter unserer Seele, bei Seinem zweiten Kommen wird Er sich als der Erretter unseres Leibes erweisen. Er wird den Leib unserer Niedrigkeit umgestalten und ihn dem Leib Seiner Herrlichkeit gleichförmig machen. „Wir werden Ihm gleich sein“, sagt Johannes, „denn wir werden Ihn sehen, wie Er ist.“ Wie unaussprechlich herrlich ist das! Unser sterblicher Leib wird Unsterblichkeit anziehen (1. Kor 15). Unser schwacher, gebrechlicher Leib wird dem Herrlichkeitsleib des Herrn Jesus gleichförmig gemacht werden. Und dies wird, wie wir wissen, in einem Augenblick, in einem Nu, stattfinden. Die entschlafenen Gläubigen werden auferweckt, die lebend Uebriggebliebenen verwandelt werden. Alle werden im selben Augenblick den neuen, herrlichen Leib empfangen und dem Herrn in der Luft entgegengeführt werden. Welche Kraft Gottes! Mit Recht konnte der Apostel schreiben, dass dies geschehen werde nach der Wirkung der Kraft, die Er hat, um alle Dinge sich zu unterwerfen. Nichts ist für Ihn unmöglich. Alle Dinge stehen unter Seiner Herrschaft. Der Tod muss vor Ihm weichen, die Sterblichkeit und die Verweslichkeit müssen vor Ihm verschwinden und werden vom Leben verschlungen. Er kommt – und der Leib unserer Niedrigkeit wird verwandelt und gleichförmig dem Leib Seiner Herrlichkeit sein. Dann haben Paulus und alle Gläubigen das Ziel der Reise – die Auferstehung aus den Toten – erreicht. Dann schauen sie Jesus von Angesicht zu Angesicht und erkennen und genießen in Vollkommenheit Seine Schönheit und Herrlichkeit.

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