Der Brief an die Römer
Gottes Handeln in der Heilsgeschichte: Kapitel 10
3. Gnade – der Segen der Heiden durch den Fall Israels (Kapitel 10)
In Kapitel 9 haben wir gelernt, dass Gottes Handeln in souveräner Gnade allen Menschen gegenüber in vollkommener Übereinstimmung ist mit seinen Verheißungen an Israel. Der Apostel hat zudem deutlich gemacht, dass die Verheißungen an Israel nur auf dem Grundsatz der Gnade erfüllt werden können.
Das zehnte Kapitel zeigt nun, dass Israel durch das Evangelium von Gottes souveräner Gnade geprüft worden ist. Aber sie haben sich daran gestoßen und sind gefallen. Dieser Fall Israels aber hat die Tür des Segens für die Heiden geöffnet.
Der Eifer Israels ohne Erkenntnis (10,1.2)
„Brüder! Das Wohlgefallen meines Herzens und mein Flehen für sie zu Gott ist, dass sie errettet werden. Denn ich gebe ihnen Zeugnis, dass sie Eifer für Gott haben, aber nicht nach Erkenntnis“ (10,1.2).
Der Apostel beginnt diesen Teil seines Briefes, indem er seine Liebe für das Volk Israel ein weiteres Mal unterstreicht. Der Wunsch seines Herzens und sein Gebet zu Gott war, dass Israel gerettet werde. Er kann ihnen bezeugen, dass sie Eifer für Gott haben. Aber er muss hinzufügen, dass dieser nicht nach Erkenntnis Gottes ist, wie sie in Christus durch das Evangelium offenbart worden ist.
Christus – das Ende des Gesetzes (10,3.4)
„Denn da sie die Gerechtigkeit Gottes nicht erkannten und ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten suchten, haben sie sich der Gerechtigkeit Gottes nicht unterworfen. Denn Christus ist das Ende des Gesetzes, jedem Glaubenden zur Gerechtigkeit“ (10,3.4).
Der Apostel zeigt jetzt, wie Israel den Segen Gottes verpasst hat. Sie wollten die Gerechtigkeit Gottes, wie sie im Evangelium offenbart worden ist, nicht annehmen. Stattdessen versuchten sie, ihre eigene Gerechtigkeit auf der Grundlage des Gesetzes aufzurichten. Indem sie sich auf ihre eigene Gerechtigkeit stützten, unterwarfen sie sich nicht der Gerechtigkeit Gottes.
Das Evangelium zeigt deutlich, dass Christus das Ende des Gesetzes ist, was jedem Glaubenden zur Gerechtigkeit dient. Da aber Israel nicht an Christus glaubte, nützte es ihnen nichts. Sie stießen sich an Christus.
Glaube – nicht Werke (10,5–8)
„Denn Mose beschreibt die Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz ist: ‚Der Mensch, der diese Dinge tut, wird durch sie leben.’ Die Gerechtigkeit aus Glauben aber spricht so: Sage nicht in deinem Herzen: ‚Wer wird in den Himmel hinaufsteigen?’, das ist, um Christus herabzuführen; oder: ‚Wer wird in den Abgrund hinabsteigen?’, das ist, um Christus aus den Toten heraufzuführen; doch was sagt sie? ‚Das Wort ist dir nahe, in deinem Mund und in deinem Herzen’; das ist das Wort des Glaubens, das wir predigen“ (10,5–8).
Der Apostel stellt nun die Gerechtigkeit aus dem Gesetz der Gerechtigkeit aus Glauben gegenüber. Es mag uns seltsam erscheinen, dass Paulus einen Beweis bereits in den Schriften von Mose findet, dass der Segen durch Glauben gesichert wird. Der Grundsatz des Gesetzes ist deutlich: Wer „diese Dinge tut“, die durch das Gesetz geboten werden, wird durch dieses Tun leben. Wenn er das Gesetz tut, wird er Leben erhalten durch seine eigene Gerechtigkeit.
Der Gläubige dagegen macht sich bewusst, dass er das Gesetz nicht gehalten hat und nicht halten kann. Und nachdem er darin versagt hat, das Richtige zu tun, kann er sich den Segen auf dieser Grundlage niemals sichern. Auf diese Aussage hin folgt ein bemerkenswertes Zitat aus 5. Mose, um den Weg zu zeigen, den der Glaube nimmt.
In diesem Abschnitt in 5. Mose 30,12–14 schaut Mose auf die Zeit, in der Israel vollkommen versagt hat, was den Grundsatz von Gesetzeswerken betrifft. Sie würden deshalb aus dem Land vertrieben und unter alle Nationen zerstreut werden. Wenn sie sich dann in ihrem Elend zu dem Herrn zurückwenden würden mit ihrem ganzen Herzen, würden sie die Sprache des Glaubens benutzen. Wenn alles auf der Grundlage des Gesetzes verloren ist, wird sich das Volk in der Zukunft wirklich in schlichtem Glauben zu Gott wenden.
Der Glaube sagt nicht: „Wer wird in den Himmel hinaufsteigen?“. Wir müssen nicht in den Himmel aufsteigen, um Gott zu bitten, uns zu Hilfe zu kommen. Das würde eine Leugnung der Tatsache sein, dass Christus aus dem Himmel längst herniedergekommen ist. Der Glaube sagt auch nicht: „Wer wird in den Abgrund hinabsteigen?“ Das wäre eine Leugnung der Tatsache, dass Christus in den Tod gegangen ist und aus den Toten auferstanden ist. Da sich Israel auf die eigenen Werke stützte, verwarfen sie diese herrlichen Tatsachen des Evangeliums, dass Christus gekommen und gestorben und aus den Toten auferstanden ist.
Was sagt aber nun der Glaube? Er verwirklicht, dass der Segen nicht auf der Grundlage eigener Werke erwirkt werden kann, sondern nur durch Christus. Das Erhalten des Segens ist daher eine Frage des Bekenntnisses von Christus mit dem Mund als ein Bekenntnis des Glaubens des Herzens. Das Wort ist dir nahe, in deinem Mund und in deinem Herzen.
Der Mund bekennt den Glauben des Herzens (10,9.10)
„Dass, wenn du mit deinem Mund Jesus als Herrn bekennst und in deinem Herzen glaubst, dass Gott ihn aus den Toten auferweckt hat, du errettet werden wirst. Denn mit dem Herzen wird geglaubt zur Gerechtigkeit, mit dem Mund aber wird bekannt zum Heil“ (10,9.10).
Der Apostel wendet den Grundsatz dieses Zitats nun an. Er zeigt, dass unser Segen durch Glauben an Christus geschenkt wird. Die Wirklichkeit dieses Glaubens wird durch das Bekenntnis der Lippen bewiesen. Christus wird der Seele als der Eine vorgestellt, der das Werk vollbracht hat, das der Herrlichkeit Gottes entspricht. Zugleich stellt es die Antwort auf das Bedürfnis des Menschen dar. Diese bedürftige Seele glaubt der guten Botschaft in ihrem Herzen.
Dieser Glaube in dem Herzen bedeutet, dass man ein persönliches Interesse an dem hat, was man glaubt. Ich glaube, indem ich die Wichtigkeit dessen sehe, was Christus ganz persönlich für mich getan hat. Ich sehe, dass ich Christus und sein Werk für meine Errettung nötig habe. Ich mache mir bewusst, dass ich ohne Christus ewig verloren bin. Wie jemand gesagt hat: „Der Glaube des Herzen bewirkt das Bekenntnis des Mundes. So wird das Bekenntnis des Mundes zum Beweis der Wirklichkeit des Glaubens“.
Gott stützt den Bekennenden (10,11)
„Denn die Schrift sagt: ‚Jeder, der an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden’“ (10,11).
Darüber hinaus wird derjenige, der den Namen Jesu bekennt, die Unterstützung Gottes finden, der zu dem Bekenntnis dieses Namens nicht schweigen kann. Jesaja zeigt das deutlich: „Jeder, der an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden“. Gott wird nicht zulassen, dass derjenige, der den Namen Christi bekennt, zu Schaden kommt (vgl. Apg 4,9–22).
Kein Unterschied im Segen für Juden und Heiden (10,12.13)
„Denn es ist kein Unterschied zwischen Jude und Grieche, denn derselbe Herr von allen ist reich für alle, die ihn anrufen; ‚denn jeder, der irgend den Namen des Herrn anruft, wird errettet werden’“ (10,12.13).
Wenn nun der Segen dessen, der sich auf das Wort Jesajas stützt, „jedem, der glaubt“ zugerechnet wird, beweist das zugleich, dass der Segen sowohl dem Heiden als auch dem Juden offen steht. Der Apostel hatte bereits gezeigt, dass es keinen Unterschied auf unserer Seite gibt: „Denn es ist kein Unterschied, denn alle haben gesündigt“ vor Gott (vgl. Röm 3,22.23).
Nun zeigt Paulus, dass es auch keinen Unterschied auf Gottes Seite gibt. Gott handelt in Gnade zugunsten von allen. Er ist reich im Blick auf alle, die Ihn anrufen. Auch damit stimmt wieder eine jüdische Schrift überein. Denn Joel sagt: „Jeder, der irgend den Namen des Herrn anruft, wird errettet werden“ (Joel 3,5).
Jesaja zeigt den Wert der Verkündigung des Evangeliums an Heiden (10,14.15)
„Wie werden sie nun den anrufen, an den sie nicht geglaubt haben? Wie aber werden sie an den glauben, von dem sie nicht gehört haben? Wie aber werden sie hören ohne einen Prediger? Wie aber werden sie predigen, wenn sie nicht gesandt sind? – wie geschrieben steht: ‚Wie lieblich sind die Füße derer, die das Evangelium des Guten verkündigen!’“ (10,14.15).
Bevor Menschen den Herrn anrufen können, müssen sie notwendigerweise von dem Herrn gehört haben. Das macht einen Prediger nötig, der von Gott ausgesandt wird, um ihnen die gute Botschaft zu verkündigen. Auf diese Weise rechtfertigt der Apostel sich selbst im Blick auf seine Sendung zu den Heiden, denen er das Evangelium verkündigt hatte.
Ihre eigenen Schriften bewiesen allerdings die Notwendigkeit genau dessen, was sie jetzt zu verhindern suchten (vgl. 1. Thes 2,16). Die Juden widerstanden und verfolgten Paulus auf anhaltende Weise, weil er den Heiden das Evangelium verkündigte. Dabei hatte ihr großer Prophet Jesaja gesagt, dass genau das, was sie jetzt verurteilten, lieblich ist. „Wie lieblich sind die Füße derer, die das Evangelium des Guten verkündigen.“
Die Juden selbst glaubten nicht (10,16)
„Aber nicht alle haben dem Evangelium gehorcht. Denn Jesaja sagt: ‚Herr, wer hat unserer Verkündigung geglaubt?’“ (10,16).
Aber leider hatten die Juden nicht nur der Verbreitung des Evangeliums an die Heiden widerstanden. Sie selbst glaubten dieser Botschaft nicht, wie Jesaja sagt: „Herr, wer hat unserer Verkündigung geglaubt?“
Gottes Wort als unfehlbare Autorität (10,17)
„Also ist der Glaube aus der Verkündigung, die Verkündigung aber durch Gottes Wort“ (10,17).
Mit diesem Vers kommt Paulus zur Schlussfolgerung: Der Segen kommt durch den Glauben, und der Glaube kommt durch die Verkündigung. Die Verkündigung aber ist die Verkündigung des Wortes Gottes. Dieses Wort ist die unfehlbare Autorität sowohl im Blick auf die Verkündigung als auch im Blick auf den Glauben des Sünders an diese Verkündigung. Daher unternimmt Satan heute alles, um das Wort Gottes zu untergraben, indem er die Verbalinspiration in Frage stellt.
Auch die Schöpfung hat ein Zeugnis für die Erde (10,18)
„Aber ich sage: Haben sie etwa nicht gehört? O doch! ‚Ihr Schall ist ausgegangen zu der ganzen Erde und ihre Sprache zu den Grenzen des Erdkreises’“ (10,18).
Darüber hinaus verurteilte das Zeugnis der Schöpfung die Gesinnung der Juden. Auch hierin sind ihre eigenen Schriften wieder ein Zeugnis der Tatsache, dass Gott in seiner Schöpfung ein Zeugnis zu den Enden der ganzen bewohnten Welt aussendet (Ps 19,5).
Mose hatte vom Segen der Nationen gesprochen (10,19)
„Aber ich sage: Hat Israel es etwas nicht erkannt? Zuerst spricht Mose: ‚Ich will euch zur Eifersucht reizen über ein Nicht-Volk, über eine unverständige Nation will ich euch erbittern’“ (10,19).
Zudem fragt Paulus weiter, wie Israel vorgeben kann, nicht zu wissen, dass Gott einen Segen für die Heiden hat. Denn Mose hatte schon von Gottes Handlungen mit „der Nation“ gesprochen: „Ich will euch zur Eifersucht reizen über ein Nicht-Volk, über eine unverständige Nation will ich euch erbittern.“ Das zeigt, dass Gott das Volk Israel beschämen würde durch den Segen der Nationen.
Heiden suchten Gott nicht – und fanden Ihn dennoch (10,20.21)
„Jesaja aber erkühnt sich und spricht: ‚Ich bin gefunden worden von denen, die mich nicht suchten, ich bin offenbar geworden denen, die nicht nach mir fragten.’ Von Israel aber sagt er: ‚Den ganzen Tag habe ich meine Hände ausgestreckt zu einem ungehorsamen und widersprechenden Volk’“ (10,20–21).
Auch Jesaja ist sehr klar in seinen Worten. Er sagt nicht nur, dass die Verkündigung zu den Heiden ausgehen muss, sondern dass der Herr von Heiden gefunden würde, die Ihn nicht gesucht hätten. Im Gegensatz zu den Nationen aber verwirft Israel die gute Botschaft, obwohl Gott seine Hände zu ihnen in Gnade ausgestreckt hat.