Der Brief an die Kolosser
Kapitel 2
Die ersten drei Verse dieses Kapitels zeigen uns, in welcher Richtung die Unterweisung des Apostels sich bewegt, welchem Ziel mit den Gläubigen er nachstrebte. Obwohl Paulus die Gläubigen in Kolossä persönlich nicht kannte, war er dennoch dauernd mit ihnen beschäftigt und wünschte, ihre Herzen in der Wahrheit zu stärken. Er hatte sogar einen großen Kampf um sie, weil er gehört hatte, dass sie von der Wahrheit abgewichen waren und ihre Einheit mit Christus aus dem Auge verloren hatten. Er kämpfte um sie in den Gebeten, „damit ihre Herzen getröstet sein mögen, vereinigt in Liebe und zu allem Reichtum der vollen Gewissheit des Verständnisses, zur Erkenntnis des Geheimnisses Gottes, in welchem verborgen sind alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis“ (Verse 2 u. 3)1. In dem Geheimnis Gottes sind alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis verborgen, weil der Reichtum der Liebe und Herrlichkeit Gottes in ihm offenbart ist. Paulus wünscht und erbittet von Gott, dass die Gläubigen dieses Geheimnis recht verstehen möchten „zu allem Reichtum der vollen Gewissheit des Verständnisses“. Möge der Herr auch unsere Herzen in der Erkenntnis des Geheimnisses befestigen. Diese Gewissheit, die dem Herzen des Apostels über alles teuer war, ist sehr bald vergessen worden. Schon in den Tagen des Paulus gab es viele, die auf allerlei Weise versuchten, die Christen davon abzuziehen; und nach dem Tod der Apostel ist es dem Teufel geglückt, diese herrliche Wahrheit beinahe ganz aus dem Bewusstsein der Christenheit verschwinden zu lassen. Ach, viele Gläubige begnügen sich damit, zu wissen, dass ihre Sünden vergeben und dass sie für ewig errettet sind, haben aber nicht das geringste Verständnis von ihrer Einheit mit dem verherrlichten Christus und von ihrer Stellung und den Segnungen der Gemeinde. Untersuchen wir darum ernstlich betend, was uns der Heilige Geist betreffs dieses Geheimnisses in den Briefen des Paulus mitteilt, damit auch unsere Herzen befestigt und getröstet werden durch die Kenntnis der Herrlichkeit des Christus und Seiner Versammlung.
Wie wir schon bemerkten, waren die Gläubigen zu Kolossä in Gefahr, von Christus abgezogen zu werden. Der Apostel beginnt nun im vierten Vers offen darüber zu reden. „Dies sage ich aber, dass niemand euch verführe durch überredende Worte“ (Vers 4). Alles, was er geschrieben hatte, sollte dazu dienen, sie vor der Verführung des Feindes zu bewahren. Gewisse Männer suchten sie durch falsche Gedankengänge von Christus und Seiner Herrlichkeit abzulenken. Sie taten das aber nicht offen; und es war noch nicht so weit gekommen, dass die Kolosser vom Glauben an Christus abgewichen wären; im Gegenteil, der Apostel konnte sich über „ihre Ordnung und die Festigkeit ihres Glaubens an Christus“ freuen (Vers 5). Die natürliche Folge der verführerischen, überredenden Worte aber war, dass sie allmählich das Bewusstsein ihrer Einheit mit Christus verloren. Das kommt sehr oft vor; man besitzt den Glauben an Christus, man wandelt in Gottesfurcht, doch man merkt nicht, dass böse Lehren diesen Glauben erschüttern; man nimmt diese Irrtümer an, ohne jedoch den Glauben an Christus zu verleugnen; doch unvermerkt wird dadurch die Kraft der Wahrheit geschwächt und das Bewusstsein der Einheit mit Christus geht verloren. Nur zu leicht hat der Teufel dann sein Ziel erreicht. Was man angenommen hat, ist nicht die Entfaltung dessen, was des Christus ist, sondern etwas, das außerhalb Seiner Wahrheit liegt. Darum sagt der Apostel: „Wie ihr nun den Herrn Jesus Christus empfangen habt, so wandelt in Ihm, gewurzelt und auferbaut in Ihm und befestigt in dem Glauben, so wie ihr gelehrt worden seid, überströmend in demselben mit Danksagung“ (Verse 6 u. 7). Die ganze christliche Lehre ist die Entfaltung der Herrlichkeit des Christus und der Ratschlüsse, die Gott mit Seiner Person verbunden hat. Die gottferne Wissenschaft führt uns von Christus weg, entzieht uns dem Einfluss Seiner Herrlichkeit, bringt uns auf allerlei falsche Gedankengänge und trennt unsere Seele von ihrer Beziehung zu Gott. Der Mensch ist aus sich selber unfähig sich über diese Dinge Rechenschaft zu geben. Er verliert sich in allerlei Ideen, die niemals die Leere seines Herzens ausfüllen können, weil keine Kenntnis über die Ratschlüsse und Wege Gottes in seinem Herzen vorhanden ist. Außerhalb von Christus und ohne Christus ist alles nur Finsternis und Verwirrung. Christus ist der Mittelpunkt der Wege und Ratschlüsse Gottes, darum kann man die Wahrheit nicht erkennen so lange man Christus nicht kennt und nicht in Seiner Nachfolge steht.
Die Gefahr, in der die Gläubigen zu Kolossä sich befanden, war zweifacher Art. Etliche Irrlehrer suchten philosophische Lehren und jüdische Überlieferungen unter sie einzuführen. Diese, die göttliche Heilslehre leugnenden Irrtümer waren hier aufs Engste vereinigt. Heidnische Philosophie und jüdische Satzungen gingen Hand in Hand. Jüdisch gesinnte Lehrer, die den Gedanken nicht ertragen konnten, dass die Gläubigen aus den Heiden mit ihnen auf der gleichen Linie standen und dieselben Vorrechte mit ihnen teilten und die ihre jüdischen Satzungen nicht preisgeben wollten, versuchten diese Satzungen unter den Heidenchristen einzuführen. Um ihr Ziel besser zu erreichen, nahmen sie die heidnische Philosophie in ihr System auf. Der folgende Teil unseres Kapitels lehrt uns das deutlich. Zuerst schreibt der Apostel über die Philosophie und dann kommt er schließlich zur ausführlichen Widerlegung der jüdischen Satzungen. Bei einer genauen Betrachtung seines Briefes ergibt sich aber wie eng diese zwei Grundsätze miteinander verbunden sind. In Vers 8 redet er über die heidnische Philosophie, aber zugleich über die Grundsätze (Elemente) der Welt, womit er, nach Vers 20, die jüdischen Satzungen meint. Dann betont er, dass in Christus die Fülle der Gottheit leibhaftig wohnt, und dass wir in Ihm vollkommen sind, aber zugleich, dass „die uns entgegenstehende Handschrift in Satzungen“ aus der Mitte weggenommen ist. Und im letzten Teil spricht er außer dem Feiern von Tagen und dem Halten von Satzungen, was das Judentum kennzeichnete, auch über die Engelverehrung, die zum Heidentum gehörte. In dem System, das diese Lehrer in Kolossä einführen wollten, waren also heidnische und jüdische Grundsätze miteinander verquickt und was damals noch in geringem Maß wirksam war, hat später so stark Eingang gefunden, dass das was heute die Lehre der Christenheit ausmacht eine Zusammensetzung von heidnischer Philosophie und jüdischen Satzungen wurde. Man braucht nur die Schriften der Kirchenväter, auch der berühmtesten zu lesen, oder der Lehre der römischen Kirche nachzugehen, die sich hauptsächlich auf die Kirchenväter stützt, um dies bestätigt zu finden. Die Reformation hat zwar eine gewisse Veränderung gebracht. Vielen Hauptwahrheiten wurden wieder auf den Scheffel gestellt, nachdem sie Jahrhunderte lang vergessen waren und auf einem biblischeren Boden als die römische erstand die protestantische Kirche. Dennoch ist weder die Philosophie noch die jüdische Überlieferung durch sie völlig beseitigt worden. Ja, in dem Maß, wie das erste Feuer und die erste Liebe verschwanden, begannen diese Grundsätze wieder ihre Wirkung auszuüben, so dass die heidnische Philosophie so sehr die Oberhand bekam, dass nicht nur der Rationalismus und Modernismus daraus entstanden, sondern sogar viele „Rechtgläubige“ in ihren Schlingen sich verfingen.
„Seht zu, dass nicht jemand sei, der euch als Beute wegführe durch die Philosophie und durch eitlen Betrug, nach der Überlieferung der Menschen, nach den Grundsätzen, der Welt, und nicht nach Christus“ (Vers 8). Es ist also ein völliger Irrtum, die Philosophie mit dem Christentum zu vereinen um den Menschen die göttliche Offenbarung schmackhafter zu machen. Es war ganz gut – so sagt man – dass im Anfang Christus auf einfache Art gepredigt wurde, aber heute kann es nicht mehr durch einfältige Fischer und Zöllner geschehen, muss man doch das Evangelium auch den Weisen der Erde verkündigen hierzu bedarf es der Philosophie. In Wirklichkeit ist aber die Philosophie die das Göttliche mit menschlichem Verstand und menschlicher Logik erfassen und erklären will, dem Evangelium entgegengesetzt und dieses leugnend. Sie geht von der Voraussetzung aus, dass der Mensch nicht ganz verdorben und nicht vollkommen verloren sei, sie will darum den Menschen nach und nach „heiligen“ und „verbessern“. Sie redet von einem guten Funken, der im Menschen übriggeblieben ist und meint damit das Gewissen. Das alles ist im Widerspruch zu der Offenbarung Gottes, denn es wirft die Notwendigkeit der Errettung, wie sie uns in der Heiligen Schrift offenbart wird, über den Haufen. Darum warnt Paulus so ernstlich davor. Sobald man sich mit philosophischen Betrachtungen einlässt, wird das Herz von Christus abgezogen; man kommt in eine Sphäre fremder Ideen. Man mag dann noch so logisch überlegen aber der Gedankengang ist unrichtig, weil der Ausgangspunkt falsch ist. Gott sagt uns, dass der Mensch durch den Sündenfall vollkommen von Ihm getrennt worden, verdorben und verloren ist. Es ist kein einziges gutes Element im Menschen übriggeblieben; im Gegenteil, er ist „alle Tage nur böse“. Und was das Gewissen betrifft, so ist es heute ein „böses Gewissen“, denn vor dem Fall hatte der Mensch kein Gewissen von Sünde. Das Gewissen ist die Erkenntnis von Gut und Böse. Diese Erkenntnis hatte der Mensch vor dem Fall nicht. Er kannte wohl das Gute, aber nicht das Böse, und darum konnte er den Unterschied zwischen Gut und Böse nicht kennen. Sobald aber der Mensch gesündigt hatte kannte er nicht nur das Gute, sondern auch das Böse und von diesem Augenblick an hatte er ein böses Gewissen. Der Mensch hat das böse Gewissen nicht aus dem Paradies mitgebracht, sondern durch seinen Fall erhalten. Der Teufel sagte: „Wenn ihr von diesem Baum esst, werdet ihr sein wie Gott, erkennend Gutes und Böses“. Der Mensch aß und erhielt dadurch die Erkenntnis von Gut und Böse ein beschwertes und belastetes Gewissen. Die Philosophie beruht also auf ganz unrichtigen Grundlagen; darum ist ihre Verbindung mit der christlichen Lehre so gefährlich.
Wozu bedarf der Christ überhaupt der Philosophie? Er hat ja Christus, und in Christus „wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig“ (Vers 9). An Stelle der unsicheren, dunkeln Erwägungen der Menschen hat der Gläubige die ganze Wahrheit in Christus, die Fülle Gottes in der Person des Christus. Welch ein erstaunlicher, gewaltiger Unterschied! Und welch unaussprechliche Herrlichkeit! Wir kennen Gott. Und wie kennen wir Ihn? Nicht durch die Beweisführung, nicht durch philosophisches Studium, sondern in Christus als einer Person, die als Mensch in diese Welt gekommen und in ihr lebte, und nun als Mensch droben im Himmel ist. Fürwahr, das genügt. Besitzen wir in Christus die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig, dann können wir die Philosophie wirklich gut entbehren. Wir besitzen dann in Ihm die ganze Wahrheit und haben keine menschlichen Erwägungen mehr nötig „und ihr seid zur Fülle gebracht in Ihm, welcher das Haupt jedes Fürstentums und jeder Herrschaft ist“ (Vers 10). Das ist die andere Seite. Redet die Philosophie von Verbesserung und Heiligung, wir brauchen das nicht mehr, sagt der Apostel, denn wir sind in Christus vollkommen. Einerseits besitzen wir in Ihm Gott vollkommen offenbart in Seiner ganzen Fülle; und andererseits sind wir durch Ihn vollkommen gemacht. Nichts mangelt uns im Blick auf unsere Stellung vor Gott. Welch wunderbare Wahrheit! Welch eine Stellung! Gott, in Seiner ganzen Fülle, ist in Christus Mensch geworden; und wir sind in Ihm vor Gott nach Seiner Vollkommenheit – in Ihm, der das Haupt jedes Fürstentums und jeder Herrschaft ist und vor dem darum alle einmal ihre Knie beugen werden.
Die Einzelheiten dessen, was uns in Christus geworden ist finden wir in den folgenden Versen. Zuerst die Beschneidung: „In welchem ihr auch beschnitten worden seid mit einer nicht mit Händen geschehenen Beschneidung, in dem Ausziehen des Leibes des Fleisches, in der Beschneidung des Christus“ (Vers 11). Wir wissen aus dem Alten Testament, dass die Beschneidung das Zeichen des Bundes war, den Gott mit Abraham schloss. Sie sollte die Wegnahme des bösen Fleisches versinnbildlichen. Christus ist für uns am Kreuz ein Fluch geworden und hat dort die Sünde zunichte gemacht. Er hat dort den „Leib des Fleisches“, d. h. die Sünde im Fleisch, unsere böse Natur, ausgezogen. Das ist die Beschneidung des Christus, die nicht mit Händen geschah. Alle, die an Christus glauben, haben daran teil und sind in Ihm beschnitten. Was also im Alten Testament Sinnbild und Abschattung war, finden wir in Christus in Wirklichkeit. Daher der Kampf des Apostels gegen die jüdische Beschneidung, sie hat keinen Wert mehr, weil nun jeder Gläubige in Christus beschnitten ist.
Diese Beschneidung wurde also am Kreuz vollbracht, und wir haben an ihr Teil. Nachher kommt unser Begräbnis, wovon die Taufe das Abbild ist. „Mit ihm begraben in der Taufe in welcher ihr auch mitauferweckt worden seid durch den Glauben an die wirksame Kraft Gottes, der Ihn aus den Toten auferweckt hat“ (Vers 12). Der Gläubige ist mit Christus am Kreuz gestorben, der alte Mensch wurde dort zunichte gemacht und mit Christus begraben, wovon die Taufe Zeugnis gibt. Diese bedeutet das Begrabenwerden des alten Menschen mit Christus. Es ist bemerkenswert, dass die Heilige Schrift, wenn sie vom Begrabensein der Gläubigen mit Christus spricht, stets beifügt: „in der Taufe“ (Römer 6,4; Kol 2,12). Das lässt uns die Bedeutung der Taufe erkennen. Sind wir mit Christus auferstanden, dann müssen wir zuvor mit Ihm begraben worden sein; das ist selbstverständlich aber es wird nie so ausgedrückt, weil in Wirklichkeit die Taufe das Symbol unseres Begräbnisses mit Christus ist. Der alte Mensch, mit Christus gestorben, wird in der Taufe mit Christus begraben, in welcher Taufe wir auch mitauferweckt sind durch den Glauben an die wirksame Kraft Gottes, der Ihn aus den Toten auf erweckt hat. Nicht durch die Taufe sind wir mitauferweckt, sondern in der Taufe, als Sinnbild oder Zeichen durch den Glauben an die wirksame Kraft des Gottes, der Christus aus den Toten auferweckt hat. Wegen des Missbrauches der Taufe ist es nötig zu bemerken, dass das Taufen durch Untertauchen geschah, was sich übrigens aus dieser Stelle und aus Römer 6 von selbst ergibt, da von keinem Begrabenwerden des alten Menschen die Rede sein kann, wenn man nicht ganz in das Wasser untergetaucht wird. Mit Christus gestorben, wird man mit Ihm in der Taufe begraben und steht mit Ihm in der Taufe auf, als Sinnbild, dass wir durch den Glauben an Ihn mit auferweckt sind. Hieraus folgt deutlich, dass die Taufe keinen Sinn hat, solange man nicht mit Christus gestorben ist. Nur Gestorbene werden begraben, ebenso kann nur von dem, der an Christus glaubt, gesagt werden, dass er mit Christus gestorben sei.
Aus dem Zusammenhang der Worte des Apostels ergibt sich zugleich, dass die Meinung, als ob die Taufe an die Stelle der Beschneidung getreten sei, unrichtig ist. Vielmehr sehen wir hier deutlich, dass die Taufe eine ganz andere Bedeutung hat als die Beschneidung. Die Beschneidung stellt die Wegnahme des bösen Fleisches dar, die Taufe ist das Begräbnis des alten Menschen und das Sinnbild unseres Gestorben- und Auferstandenseins mit Christus. Sodann sind wir beschnitten mit einer Beschneidung, die nicht mit Händen geschehen ist und werden als Beschnittene getauft. Unsere wahre Beschneidung ist am Kreuz vollbracht, da sind wir mit Christus gestorben und erst jetzt kommt das Begräbnis. Anstatt dass die Taufe die Beschneidung ersetzt hat, sind wir Gläubige beschnitten mit der Beschneidung des Christus am Kreuz und werden nachher, d.h. nach dem Ausziehen des Leibes des Fleisches getauft. Wir bemerken noch, dass Paulus, sowohl im Brief an die Römer als auch hier, die Taufe in Verbindung bringt mit dem Wandel der Christen im Römerbrief in Bezug auf die Sünde, und hier in Bezug auf die menschlichen Satzungen. Wie sollten wir, dem alten Menschen nach begraben in der Taufe, noch in der Sünde leben können und uns Satzungen auferlegen lassen, die doch zum alten Wesen gehören?
„Und euch, als ihr tot wart in den Vergehungen und in der Unbeschnittenheit eures Fleisches, hat Er mitlebendig gemacht mit Ihm, indem Er uns alle Vergehungen vergehen hat“ (Vers 13). Wir gingen gebückt unter der Last unserer Sünden und waren tot in Sünde und Übertretung doch Christus hat diese Last auf sich genommen und ist für uns gestorben. Mit Ihm auferstanden und Seines Auferstehungslebens teilhaftig, haben wir, gleichwie Er, die Last der Sünden und das Gericht hinter uns gelassen. Wir sind aus dem Bereich des Todes in den des Lebens versetzt und unsere Sünden sind, weil Christus sie am Kreuz trug, für immer hinweggetan.
Nicht nur das auch die Satzungen, die als ein unerträgliches Joch auf den Schultern der Juden lagen und das Gewissen schwer belasteten, weil das Werk der Erlösung noch nicht vollbracht, Gottes Gerechtigkeit noch nicht befriedigt war, sind hinweggetan. Die Juden hatten durch das Versprechen, das Gesetz halten zu wollen, gleichsam ihre Unterschrift unter das Gesetz gesetzt, doch da sie das Gesetz nicht gehalten, zeugte diese Unterschrift gegen sie. Zudem war das Gesetz von Gott selbst, mit Seinen Fingern auf die Tafel der Gebote geschrieben worden. Es war ein von Gott verfasster Schuldbrief. Und diesen hatte Gott aus ihrer Mitte weggenommen und gleichsam ans Kreuz genagelt, so dass die Juden, von ihrer Verantwortlichkeit hinsichtlich des Gesetzes durch den Tod des Christus befreit wurden.
Es ist beachtenswert, wie in den Versen 13 und 14 ein Wechsel eintritt in der Verwendung des persönlichen Fürwortes. Während der Apostel am Anfang des 13. Verses die Kolosser in der. zweiten Person Mehrzahl anspricht: „Euch, als ihr tot wart“, benützt er am Ende des Verses und in Vers 14 die erste Person Mehrzahl und schreibt: „Indem Er uns alle Vergehungen vergeben hat“. Der Grund liegt darin, dass er zuerst über den trostlosen Zustand der Kolosser als Heiden schreibt, in dem sie sich vor ihrer Bekehrung befanden, während er nachher von dem Gesetz spricht das den Juden gegeben war. Die Christen in Kolossä, ursprünglich Heiden, waren nie unter dem Gesetz gewesen; darum konnte er nicht schreiben: „euch“.
Zum Schluss schreibt der Apostel: „Als Er die Fürstentümer und Mächte ausgezogen hatte, stellte Er sie öffentlich zur Schau, indem Er durch dasselbe über sie einen Triumph hielt“ (Vers 5). Die Obrigkeiten und Herrscher, d h. die geistlichen Mächte der Bosheit in der Luft, der Teufel und seine Engel, sind gegen uns, doch Christus hat sie am Kreuz überwunden. Der Teufel meinte, durch die Kreuzigung Jesu den Sieg davon zutragen, doch Christus hat ihn am Kreuz öffentlich zur Schau gestellt und seine Ohnmacht erkennen lassen da Er gerade durch das Kreuz über den Teufel triumphiert hat. Am Kreuz vollbrachte Er die Versöhnung und hat damit den Tod zunichte gemacht und uns, die Gläubigen, der Macht Satans entrissen. Alles, was gegen uns war, ist durch Christus beseitigt und wir sind von Allem völlig erlöst, in eine ganz neue Stellung gebracht.
Der Apostel kommt nun zum praktischen Resultat alles dessen, was er geschrieben hat: „So richte euch nun niemand über Speise oder Trank oder in Ansehen eines Festes oder Neumondes oder von Sabbaten, die ein Schatten des Zukünftigen sind, der Körper aber ist des Christus“ (Verse 16 u. 17). Wir sind lebendig gemacht mit Christus, wir sind beschnitten in Christus, der Schuldbrief der wider uns war ist weggenommen, der Teufel ist überwunden. Sollen wir da nun zu den ersten Grundsätzen (Elementen) zurückkehren? Bleibt bei eurer Stellung in Christus und handelt demgemäß, sagt Paulus. Speise und Trank, Festtage, Neumonde und Sabbate sind Schatten von dem, was kommen sollte. Wir haben die Wirklichkeit in Christus.
„Der Körper aber ist des Christus“, das heißt, alles das, was die jüdischen Satzungen abschatteten, ist in Christus verwirklicht. Welch eine Torheit wäre es also zurückzukehren zu dem, was bloß ein Schatten ist.
Es ist wichtig zu beachten, dass der Apostel nicht nur von Festen und Neumonden spricht, sondern auch von Sabbaten. Der Sabbat gehört ebensogut zum Schatten der zukünftigen Dinge, wie das andere. Der Tag des Herrn ist etwas ganz Anderes, als der Sabbat und hat nichts mit dem Judentum zu tun; er steht im Gegensatz zur jüdischen Überlieferung. Der Sabbat war der letzte, der Tag des Herrn ist der erste Tag der Woche. Das kennzeichnet den Unterschied zwischen Gesetz und Evangelium. „Arbeite und ruhe“ galt dem Judentum; „Ruhe und arbeite“ gilt dem Christentum. Man kehrt also zum jüdischen System zurück, wenn man den Sabbat halten will, oder wenn man den Tag des Herrn dem jüdischen Sabbat gleichstellt. Der Tag des Herrn ist ebenso sehr eine christliche Einrichtung wie das Abendmahl des Herrn, der Jude aber hatte weder mit dem einen noch mit dem andern etwas zu tun. In der Apostelgeschichte sehen wir deutlich, dass die Einsetzung des Sabbats mit dem Tag des Herrn nichts gemein hat.
Schon früher erwähnten wir, dass die jüdisch gesinnten Lehrer die heidnische Philosophie in ihr Lehrsystem aufgenommen hatten, und hierauf kommt Paulus jetzt zurück. In den Versen 16 und 17 schreibt er über heidnische Satzungen, in den Versen 18 und 19 über philosophische Anschauungen. Die heidnischen Philosophen – und in Nachahmung desselben die jüdisch gesinnten Lehrer – verbreiteten allerlei törichte Lehren über die Engel. Sie betrachteten diese als Zwischenpersonen zwischen dem Menschen und Gott und kamen schließlich dahin, den Engeln göttliche Verehrung zu zollen. Denselben Grundsatz finden wir noch in der Römischen Kirche, wo die besonders ernannten Heiligen als Mittler zwischen den Menschen und Gott angerufen werden. Demgegenüber ermahnt uns das Wort: „Lasst niemand euch um den Kampfpreis bringen, der seinen eigenen Willen tut in Niedrigesinntheit und Engelverehrung, indem er sich auf Sachen einlässt, die er nicht gesehen hat, eitler Weise aufgeblasen von dem Sinn seines Fleisches, und nicht festhaltend das Haupt, von welchem aus der ganze Leib durch die Gelenke und Bänder Darreichung empfängt, und zusammengefügt, das Wachstum Gottes wächst“ (Verse 18 u. 19). Indem unter den Christen die Engelverehrung eingeführt wurde, stellte man die Engel gleichsam zwischen Christus und die Gläubigen und trennte so die Glieder vom Haupt, das über alle Obrigkeit und Macht ist. Der einfältige christliche Glaube jedoch hält das Haupt fest, „von dem der ganze Leib seine Nahrung empfängt und so das Wachstum Gottes wächst“. Scheinbar war es Demut, sich mit den Engeln in Verbindung zu setzen, als mit Wesen, die höher sind als die Menschen und die als Vermittler dienen konnten, aber es waren zwei grobe Irrtümer mit dieser scheinbaren Demut verbunden:
- Es war lauter Hochmut, zu behaupten, dass man in die Geheimnisse des Himmels eindringen könne. Was wussten sie von der Stellung und der Wirksamkeit der Engel anderes, als dass sie „dienstbare Geister, sind, die ausgesandt werden zum Dienst um derer willen, welche die Seligkeit ererben?“ Die solches lehrten, wollten in Dinge eindringen, die Gott verborgen hat, und das war Aufgeblasenheit und Hochmut.
- Diese scheinbare Demut stand im Gegensatz zu der Einheit mit Christus. Die Gläubigen waren eins mit Ihm, darum konnte nichts zwischen ihnen und Ihm sein. Und zudem, Christus, mit dem sie eins waren, ist weit über die Engel erhaben. Eins mit Ihm, empfangen sie durch die Glieder des Leibes – die Gelenke und Bänder – die Mitteilung der Schätze der Gnade, und des Lebens die im Haupt sind und so wächst der ganze Leib das Wachstum Gottes.
Hierauf folgt eine zweifache Anwendung der Lehre des Apostels. Von Vers 20 bis zum Schluss dieses Kapitels wendet er unser Gestorbensein mit Christus auf die Satzungen und Kasteiungen des Leibes an, und in Kapitel 3 gebraucht er die Auferstehung des Christus, um die Herzen der Kolosser nach oben zu richten und sie an Christus zu binden, der zur Rechten Gottes sitzt.
„Wenn ihr mit Christus den Grundsätzen (Elementen) der Welt gestorben seid, was unterwerft ihr euch Satzungen, als lebtet ihr noch in der Welt? Berühre nicht, koste nicht, betaste nicht alles was zur Zerstörung durch den Gebrauch bestimmt ist nach den Geboten und Lehren der Menschen welche zwar einen Schein von Weisheit haben, in eigenwilligem Gottesdienst und in Niedrigesinntheit und im Nichtverschonen des Leibes, und nicht in einer gewissen Ehre zur Befriedigung des Fleisches“ (Verse 20–23). Merkwürdige Worte! Wir sind, sagt der Apostel, den Elementen der Welt gestorben, all den Grundsätzen, nach denen das Leben in der Welt eingerichtet ist, wie sollten wir uns denn, als lebten wir noch in der Welt, Satzungen unterwerfen, die für das diesseitige Leben eingerichtet sind – Satzungen, die sich um Dinge drehen, welche verderben und vergehen während wir sie gebrauchen und die in keiner Hinsicht in Verbindung stehen mit dem was himmlisch und ewig ist. Wohl haben sie einen Schein von Demut und Selbstverleugnung in Bezug auf den Leib, aber sie stehen in keiner Verbindung mit dem Himmel, der die Sphäre des neuen Lebens und all seiner Beweggründe ist. Auch erkennen sie die Ehre nicht, die dem Leib zusteht, da er aus der Hand Gottes hervorgegangen ist. Der ganze, durch diese Menschen eingeführte Gottesdienst war also falsch. All diese Grundsätze, die sie predigten, standen in Widerspruch mit der Wahrheit, die Gott durch Offenbarung dem Paulus bekannt gemacht hatte. Daher der Ernst und die Strenge des Apostels, daher seine so tiefgehende Darstellung von der Person und dem Werk des Christus, Möge der Herr auch unsere Herzen lösen von den Satzungen der Menschen und vom weltlichen Gottesdienst! Möchten auch wir wandeln als solche, die mit Christus den Grundsätzen der Welt gestorben sind. Wir haben ein neues Leben, welches das Leben dessen ist, der gestorben und auf erstanden ist; und das hat uns von der Welt abgesondert. Gleichwie Christus nicht von der Welt ist, so sind auch wir nicht von der Welt. Und sind wir nicht von der Welt, dann sind auch die Grundsätze der Welt, auf gesellschaftlichem und religiösem Gebiet, im Widerspruch mit unserm Leben und unserer Stellung. Wir sind mit Christus den Grundsätzen der Welt gestorben und haben darum mit denselben nichts mehr zu tun. Nicht nur das! Wir sind auch mit Christus auferweckt, wir sind neue Menschen geworden, wir haben eine neue Sphäre in der wir leben und es sind himmlische Grundsätze durch die wir geleitet werden. Das wird im folgenden Kapitel nun weiter ausgeführt.
Fußnoten
- 1 Die Worte „und des Vaters und des Christus“, die man in einigen Übersetzungen findet, kamen in den meisten Handschriften des Grundtextes nicht vor, so dass die Worte „in welchem verborgen sind alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis“ sich auf das Geheimnis Gottes beziehen.