Der Brief an die Römer
Gottes Handeln in der Heilsgeschichte: Kapitel 9
1. Einleitung
Im ersten Teil des Römerbriefes ist die gesamte Menschheit, Juden und Heiden, durch Gottes Wort überführt und auf eine Stufe gestellt worden. Alle stehen als Sünder unter Gottes Gericht. Zudem fehlt allen die Kraft, sich selbst vor diesem Gericht zu retten. Danach hat der Apostel dargelegt, wie Gott durch den Tod und die Auferstehung Christi in Gerechtigkeit zum Segen der Menschheit gewirkt hat. Dieser Segen, der uns so geschenkt worden ist, wird in Kapitel 8 umfassend zusammengefasst.
Nun tut sich aber für den jüdischen Leser eine Schwierigkeit auf. Die souveräne Gnade, die alle unter Gericht zusammenfasst und zugleich für alle Segen bereitstellt, scheint die besonderen Verheißungen, die dem Volk Israel gegeben worden waren, außer Kraft zu setzen. Aus den Kapiteln 15, 17 und 18 des 1. Buches Mose geht klar hervor, dass Gott mit und für Israel Segensabsichten hatte. Diese Ratschlüsse des Segens für Israel und die Welt wurden in den bedingungslosen Verheißungen an Abraham offenbart.
Daher kommt nun die Frage auf: Wie ist es möglich, die souveräne Gnade Gottes, die allen gilt, in Einklang zu bringen mit den besonderen Verheißungen für Israel, die den Vätern gegeben wurden? Dieses Problem wird im dritten Teil des Briefes behandelt – in den Kapiteln 9–11. Diese Kapitel beschreiben Gottes Wege mit Israel und der Welt während aufeinanderfolgender Epochen (oder Haushaltungen) in der Weltgeschichte. Sie belegen die vollkommene Harmonie zwischen Gottes souveräner Gnade und seinen besonderen Verheißungen für Israel.
- Kapitel 9 beweist, dass die souveräne Gnade Gottes die alleinige Grundlage jeglicher Segnung ist, sowohl für Israel als auch für die Heiden.
- Kapitel 10 zeigt, dass der Fall Israels einen Weg öffnet für die souveräne Gnade, zum Segen für die Heiden.
- Kapitel 11 kündigt an, dass die Verwerfung der Gnade Gottes durch die Heiden den Weg bereiten wird für die Wiederherstellung Israels.
2. Gnade – die einzige Grundlage des Segens für alle (Kapitel 9)
Die Juden widersprachen den Lehren der Gnade, die der Apostel lehrte. Darüber hinaus widerstanden sie auch dem Apostel selbst. Sie sagten, der Apostel belehre alle überall gegen das Volk und das Gesetz und den Tempel (
In Kapitel 9 beantwortet der Apostel diese Einwände.
- Als erstes geht er in den Versen 1–5 auf den Punkt ein, der sich gegen ihn persönlich richtete.
- Im weiteren Verlauf des Kapitels begegnet er dann dem Vorwurf, dass Gottes Gnade für alle die besonderen Verheißungen für Israel aufheben würde. Er beweist auf eindeutige Weise, dass jede Verheißung erfüllt werden wird. Aber diese Erfüllung findet allein auf der Grundlage der Gnade statt.
Das Herz von Paulus und die Vorrechte Israels (9,1–5)
„Ich sage die Wahrheit in Christus, ich lüge nicht, indem mein Gewissen mit mir Zeugnis gibt in dem Heiligen Geist, dass ich große Traurigkeit habe und unaufhörlichen Schmerz in meinem Herzen. Denn ich selbst, ich habe gewünscht, durch einen Fluch von dem Christus entfernt zu sein für meine Brüder, meine Verwandten nach dem Fleisch, die Israeliten sind, deren die Sohnschaft ist und die Herrlichkeit und die Bündnisse und die Gesetzgebung und der Dienst und die Verheißungen, deren die Väter sind und aus denen, dem Fleisch nach, der Christus ist, der über allem ist, Gott gepriesen in Ewigkeit. Amen“ (9,1–5).
Was ihn selbst betraf, war Paulus weit davon entfernt, feindselige Gefühle gegen seine Verwandten nach dem Fleisch zu hegen. Vielmehr hatte er ihretwegen große Traurigkeit und unaufhörlichen Schmerz. Ihm war sogar der Wunsch gekommen, selbst von Christus entfernt zu sein, wenn es dadurch möglich geworden wäre, Israel Segen zu bringen.
Außerdem hätte er niemals abfällig denken können über ein Volk, dem die Sohnschaft und die Herrlichkeit gehörten, die Bündnisse, die Gesetzgebung, der Dienst, die Verheißungen, und vor allen Dingen, aus welchem dem Fleisch nach der Christus ist.
Nicht Paulus dachte negativ über Israels Vorrechte, sondern seine Gegner. Denn sie hatten den Messias verworfen! So, wie er es uns am Ende des Kapitels sagt: „Sie haben sich gestoßen an dem Stein des Anstoßes“. Sie und nicht er hatten Christus, den sie nur für einen Zimmermann hielten, verworfen. Paulus dagegen bestätigt Christi Herrlichkeit und bezeichnet Ihn als Gott, der über allen ist, gepriesen in Ewigkeit.
Israel war immer schon Gegenstand souveräner Gnade (9,6)
„Nicht aber, dass das Wort Gottes hinfällig geworden wäre; denn nicht alle, die aus Israel sind, diese sind Israel“ (9,6).
Damit hat der Apostel die Angriffe gegen seine Person beantwortet. Nun kann er den Beweis antreten, dass die souveräne Gnade Gottes, die sich den Heiden zuwendet, die im Wort Gottes enthaltenen besonderen Verheißungen für Israel nicht wirkungslos macht.
Paulus hatte in den Kapiteln 1 bis 8 gelehrt, dass alle, sowohl Juden als Heiden, auf der Grundlage der unumschränkten Gnade in den Genuss des Segens kommen. Ein Jude würde nun sofort einwerfen, dass eine solche Lehre die Verheißungen leugnet, die den Juden aufgrund der natürlichen Abstammung zustanden. Diesen Einwand beantwortet der Apostel mit dem Hinweis, dass nicht alle, die der Abstammung nach zu Israel gehören, auch das Israel Gottes bilden, dem die Verheißungen gegeben wurden. Er bedient sich nun der Schrift, um diesen Hinweis zu belegen.
Gnade – nicht Abstammung (9,7–9)
„Auch nicht, weil sie Abrahams Nachkommen sind, sind alle Kinder, sondern ‚in Isaak wird dir eine Nachkommenschaft genannt werden.’ Das ist: Nicht die Kinder des Fleisches, diese sind Kinder Gottes, sondern die Kinder der Verheißung werden als Nachkommen gerechnet. Denn dieses Wort ist eine Verheißung: ‚Um diese Zeit will ich kommen, und Sara wird einen Sohn haben’“ (9,7–9).
Zuerst beruft sich Paulus auf die Geschichte Abrahams. Ein Jude, der auf seiner natürlichen Abstammung besteht, muss auch den Arabern den Segen zugestehen. Denn diese stammen über Ismael von Abraham ab (
In Isaaks Fall sehen wir, wie der Segen nach dem Grundsatz der souveränen, erwählenden Gnade gesichert wird. Denn es heißt: „In Isaak wird dir ein Same genannt werden.“ Ismael war das Kind des Fleisches, aber Isaak war das Kind der Verheißung. Das Wort, „zur bestimmten Zeit übers Jahr werde ich wieder zu dir kommen, und Sara wird einen Sohn haben“, zeigt aufs Deutlichste, dass die Verheißung allein auf der Grundlage souveräner Gnade erfolgte.
Der Vorsatz Gottes nach Auswahl (9,10–12)
„Nicht allein aber das, sondern auch als Rebekka schwanger war von einem, von Isaak, unserem Vater, selbst als die Kinder noch nicht geboren waren und weder Gutes noch Böses getan hatten (damit der Vorsatz Gottes nach Auswahl bleibe, nicht aus Werken, sondern aus dem Berufenden), wurde zu ihr gesagt: ‚Der Größere wird dem Kleineren dienen’“ (9,10–12).
Als zweites greift der Apostel die Geschichte Isaaks auf, um den gleichen Grundsatz anhand dessen beider Söhne zu beweisen. Im Fall Abrahams könnte ein Jude noch einwenden, dass es sich um Söhne verschiedener Mütter handelte. Im Blick auf die Söhne Isaaks kann ein solcher Einwand aber nicht geltend gemacht werden. Sowohl Jakob als auch Esau waren Söhne von Rebekka. Wenn der Segen also auf der Basis natürlicher Abstammung gegeben würde, würden die Nachfahren beider Söhne die Verheißungen erben. Dann aber müsste ein Jude dem Edomiter ebenfalls denselben Segen zubilligen, was keinem Juden in den Sinn käme.
So wird auch hier die natürliche Abstammung ausgeschlossen. Es bestätigt sich, dass der Segen sich nach der souveränen Auswahl richtet. So hatte Gott gesagt: „Der Größere wird dem Kleineren dienen“. Es kommt hinzu, dass dies vor ihrer Geburt gesagt wurde, also bevor sie „weder Gutes noch Böses“ getan hatten. Das beweist, dass Gottes souveräne Auswahl nicht von den Werken des Berufenen abhängt, sondern von der Gnade des Berufenden.
Kein Segen trotz natürlicher Vorrangstellung (9,13)
„Wie geschrieben steht: ‚Jakob habe ich geliebt, aber Esau habe ich gehasst’“ (9,13).
Nun fügt Paulus noch einen weiteren Punkt hinzu. Jahrhunderte nach Jakobs und Esaus Leben sowie der Offenbarung ihres jeweiligen Charakters hatte Gott gesagt: „Jakob habe ich geliebt, aber Esau habe ich gehasst“. Jakob war trotz all seiner Fehler ein Mann des Glaubens. Er kam dabei auf Grundlage der Gnade in den Genuss des Segens. Esau dagegen besaß trotz vieler natürlicher Vorzüge keine Gottesfurcht. So verpasste er den Segen, obwohl er nach der natürlichen Folge der ältere Sohn war.
Israel war Nutznießer der souveränen Gnade Gottes (9,14.15)
„Was sollen wir nun sagen? Ist etwa Ungerechtigkeit bei Gott? Das sei ferne! Denn er sagt zu Mose: ‚Ich werde begnadigen, wen ich begnadige, und ich werde mich erbarmen, wessen ich mich erbarme’“ (9,14.15).
Das Fleisch wird diesen Argumente entgegensetzen, dass es ungerecht ist, den einen zu erwählen und den anderen nicht. Kann es tatsächlich Ungerechtigkeit bei Gott geben? Das sei ferne!, sagt der Apostel. Um diesen Angriff zu behandeln, verweist der Apostel jetzt auf eine bestimmte Begebenheit in der Geschichte Israels. Darin wird deutlich, dass Gott in souveräner Gnade handelte, wobei Ihm nicht vorgeworfen werden konnte, ungerecht zu handeln.
Paulus ruft die abscheuliche Sünde Israels in Erinnerung, als sie das goldene Kalb gemacht und angebetet hatten. Es kann keinen Zweifel geben, dass diese Tat Israels vollkommen ungerecht war. Sie hatten das erste Gebot übertreten, worauf die Todesstrafe stand. Die Gerechtigkeit hätte sie alle auslöschen können. Aber was tat Gott? Er griff auf seine Souveränität zurück und sagte: „Ich werde begnadigen, wen ich begnadige, und ich werde mich erbarmen, wessen ich mich erbarme“. Gott handelte somit genau nach dem Grundsatz, über den der Jude sich jetzt beschwerte. Es war also das Prinzip, das Israel damals vor der vollständigen Vernichtung bewahrt hat. Der Jude kann also unmöglich sagen, dass Gott ungerecht ist, wenn Er in souveräner Gnade handelt. Sie selbst waren Nutznießer dieser Handlungsweise Gottes.
Der begnadigende Gott (9,16)
„Also liegt es nun nicht an dem Wollenden noch an dem Laufenden, sondern an dem begnadigenden Gott“ (9,16).
So zeigt der Apostel, dass der Segen nicht vom menschlichen Willen oder von menschlichen Leistungen abhängt. Es liegt allein an der souveränen Gnade Gottes, die Barmherzigkeit übt.
Der richtende Gott handelt gerecht (9,17.18)
„Denn die Schrift sagt zum Pharao: ‚Eben hierzu habe ich dich erweckt, damit ich meine Macht an dir erweise und damit mein Name verkündigt werde auf der ganzen Erde.’ So denn, wen er will, begnadigt er, und wen er will, verhärtet er“ (9,17.18).
Es könnte allerdings noch ein weiterer Einwand vorgebracht werden. Es könnte jemand sagen: „Ich sehe ein, dass im Fall von Israel und dem goldenen Kalb von Ungerechtigkeit keine Rede sein kann. Denn Gott übte seine Souveränität aus, indem Er segnete. Aber wie ist es, wenn Gott in Gericht handelt?“ Um diese Frage zu klären, wählt Paulus das Beispiel des Pharao. Er zeigt, dass Gott auch im Gericht nicht ungerecht ist.
Als Israel das goldene Kalb aufrichtete, sündigte es. Gott aber zeigte in souveräner Gnade seine Barmherzigkeit. Auch Pharao handelte böse, aber Gott richtete ihn. Welchen Platz nun hat Gottes Souveränität hier? Sehen wir sie nicht darin, dass Gott in souveräner Barmherzigkeit handelte, als Er die Plagen immer und immer wieder aufhob? Diese Barmherzigkeit war aber für den Pharao nur der Anlass dafür, sein Herz zu verhärten (
Gott hatte den Pharao nicht böse erschaffen. Gott führt keinen Menschen zum Sündigen. Aber als der Pharao sich als böse und unbußfertig erwiesen hatte, verhärtete Gott im Gericht sein Herz. Diese Verhärtung findet aber niemals statt, bevor nicht der Mensch sich als vollkommen gottlos erwiesen hat.
Der natürliche, gefallene Mensch, wie er in
So wird es auch mit der Christenheit sein: „Darum, dass sie die Liebe zur Wahrheit nicht annahmen, damit sie errettet würden, deshalb sendet Gott ihnen eine wirksame Kraft des Irrwahns, dass sie der Lüge glauben“ (
Es trifft darum zu, dass Gott nach seinem Willen in Gerechtigkeit handelt, ob Er nun in souveräner Barmherzigkeit oder im Gericht wirkt. „So denn, wen er will, begnadigt er, und wen er will, verhärtet er.“ In beiden Fällen handelt er gerecht.
Das Recht Gottes (9,19–21)
„Du wirst nun zu mir sagen: Warum tadelt er denn noch? Denn wer hat seinem Willen widerstanden? Wer bist du denn, o Mensch, der du das Wort nimmst gegen Gott? Wird etwa das Geformte zu dem, der es geformt hat, sagen: Warum hast du mich so gemacht? Oder hat der Töpfer nicht Macht über den Ton, aus derselben Masse das eine Gefäß zur Ehre und das andere zur Unehre zu machen?“ (9,19–21).
Nun könnte jemand einwenden: Wenn dem so ist, „warum tadelt er denn noch?“, „wer hat seinem Willen widerstanden?“ Wenn Gott einen Menschen verhärtet, was kann dieser Mensch dafür, und wie sollte er sich dann selbst helfen können? Und warum tadelt Gott dann diesen Menschen für die Verhärtung?
Die erste Antwort des Apostels kommt in sehr entschiedenem Ton. Er fragt: „Wer bist du, dass du Gott tadelst?“ Es sagt gewissermaßen: „Angenommen, du verstehst Gottes Handeln nicht: Glaubst du wirklich, dass Er sich vor dir verantworten muss?“ Wir dürfen nicht aus den Augen verlieren, dass wir nur Menschen sind, während Gott Gott ist und bleibt. Daher tun wir gut daran, Ihm den Platz einzuräumen, der Ihm als Gott zusteht.
Gott ist der Formende, der Mensch ist das Geformte. Und darf sich das Geformte bei dem Formenden beschweren: „Warum hast du mich so gemacht?“. Hat der Töpfer nicht absolute Macht über den Ton, um daraus ein Gefäß zur Ehre, oder, wenn er es will, ein Gefäß zur Unehre zu machen?
Der Apostel stellt somit das absolute Recht Gottes fest, so zu handeln, wie Er will. Er muss niemand Rechenschaft ablegen für das, was Er tut. Obwohl jedoch das Bild des Töpfers ganz deutlich auf Gottes absolutem Recht besteht, zu tun, was Er will, lehrt es keineswegs, dass Gott jemals ein Gefäß zur Unehre gemacht hat. Das Bild benennt und bestätigt allein das Gott zustehende Vorrecht.
Gefäße des Zorns – Gefäße der Begnadigung (9,22.23)
„Wenn aber Gott, willens seinen Zorn zu erweisen und seine Macht kundzutun, mit vieler Langmut ertragen hat die Gefäße des Zorns, die zubereitet sind zum Verderben, und damit er kundtäte den Reichtum seiner Herrlichkeit an den Gefäßen der Begnadigung, die er zuvor zur Herrlichkeit bereitet hat“ (9,22.23).
Wie Gott seine absolute Macht tatsächlich einsetzt, zeigt sein Umgang mit den Gefäßen des Zorns und den Gefäßen der Begnadigung. Von den Gefäßen des Zorns wird zu Recht gesagt, dass sie „zubereitet sind zum Verderben“. Es heißt aber gerade nicht, dass Gott sie für das Verderben zubereitet hätte. Gott zeigt seine Macht nicht, indem er sie zum Verderben zubereitet, sondern indem Er sie mit viel Langmut erträgt. Von den Gefäßen der Begnadigung heißt es dagegen, dass Er sie zur Herrlichkeit bereits zuvor bereitet hat. Ein Beispiel für den Umgang Gottes mit Gefäßen zum Zorn finden wir in der Geschichte Israels. Gott hatte die Amoriter mit viel Langmut ertragen, bis sie sich selbst durch ihre Ungerechtigkeit zum Verderben zubereiten. Erst dann kam das Gericht Gottes über sie (
Segen für die Nationen und die Juden (9,24)
„Uns, die er auch berufen hat, nicht allein aus den Juden, sondern auch aus den Nationen“ (9,24).
Die Gefäße der Begnadigung werden in denen gesehen, die durch das Evangelium in souveräner Gnade berufen worden sind. Sie kommen nicht nur aus den Juden, sondern auch aus den Nationen. Sobald man erkennt, dass jeder Segen allein auf der Souveränität Gottes beruht, muss man ihn sowohl für Juden als für Heiden zulassen.
Die Berufung der Juden und Heiden im Alten Testament (9,25.26)
„Wie er auch in Hosea sagt: ‚Ich werde Nicht-mein-Volk mein Volk nennen und die Nicht-Geliebte Geliebte.’ ‚Und es wird geschehen, an dem Ort, wo zu ihnen gesagt wurde: Ihr seid nicht mein Volk, dort werden sie Söhne des lebendigen Gottes genannt werden’“ (9,25.26).
Der Apostel beweist seine Argumentation, indem er sich auf die Schriften der Juden stützt: auf das Alte Testament. In Vers 25 zitiert er
Von den Juden wird nur ein Überrest errettet werden (9,27–29)
„Jesaja aber ruft über Israel: ‚Wäre die Zahl der Söhne Israels wie der Sand des Meeres, nur der Überrest wird errettet werden. Denn indem er die Sache vollendet und abkürzt, wird der Herr auf der Erde handeln.’ Und wie Jesaja zuvor gesagt hat: ‚Wenn nicht der Herr Zebaoth uns Nachkommen übrig gelassen hätte, so wären wir wie Sodom geworden und wären Gomorra gleich geworden’“ (9,27–29).
Dann zitiert der Apostel noch den Propheten Jesaja, um zu zeigen, dass so zahlreich das Volk Israel auch war, nur ein Überrest errettet werden würde. Es war nur der souveränen Gnade des Herrn zuzuschreiben, dass dieser Überrest überhaupt verschont blieb. So sagt der Prophet: „Wenn nicht der Herr Zebaoth uns Nachkommen übrig gelassen hätte, so wären wir wie Sodom geworden und wären Gomorra gleich geworden“. Ohne das Dazwischenkommen der Gnade wären sie restlos vertilgt worden.
Gnade oder Gesetz (9,30–33)
„Was sollen wir nun sagen? Dass die von den Nationen, die nicht nach Gerechtigkeit strebten, Gerechtigkeit erlangt haben, eine Gerechtigkeit aber, die aus Glauben ist; Israel aber, einem Gesetz der Gerechtigkeit nachstrebend, nicht zu diesem Gesetz gelangt ist. Warum? Weil es nicht aus Glauben, sondern als aus Werken geschah. Sie haben sich gestoßen an dem Stein des Anstoßes, wie geschrieben steht: ‚Siehe, ich lege in Zion einen Stein des Anstoßes und einen Felsen des Ärgernissen, und wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden’“ (9,30–33).
Der Apostel fasst seine Argumentation zusammen, indem er darlegt, dass die Heiden den Segen aus Glauben erlangt hatten. Israel dagegen hat den Segen verfehlt, weil es ihn auf dem Grundsatz des Gesetzes suchte. Da sie ihr Vertrauen auf ihre eigene Gerechtigkeit setzten, lehnten sie die Gnade ab und verwarfen den, der in demütiger Gnade zu ihnen gekommen war. Sie stießen sich an dem Stein des Anstoßes – Christus in seiner Erniedrigung.