Betrachtungen über die Briefe des Petrus
1. Petrus 5
„Die Ältesten nun unter euch ermahne ich, der Mitälteste und Zeuge der Leiden des Christus und auch Teilhaber der Herrlichkeit, die offenhart werden soll: Hütet die Herde Gottes, die unter euch ist, indem ihr die Aufsicht nicht aus Zwang führt, sondern freiwillig, auch nicht um schändlichen Gewinn, sondern bereitwillig, und nicht als solche, die über ihre Besitztümer herrschen, sondern die Vorbilder der Herde sind“ (Verse 1–3).
Der Herr selbst hatte Petrus den Auftrag gegeben: „Hüte meine Schafe!“ (Joh 21,16). Mit welchem Ernst Petrus diesen Auftrag erledigte beweisen seine beiden Briefe, die er den Gläubigen, den Fremdlingen, denen, die ohne Bürgerrecht sind, geschrieben hat. Er ermahnt seine Mitältesten, die Herde Gottes mit Eifer und in Hingabe zu betreuen. Der „Älteste“ wird hier weniger in seinem amtlichen Charakter betrachtet, als vielmehr als der, der schon durch sein Alter und damit mit seinen Erfahrungen und seiner Weisheit auf normale Weise dazu berufen ist. Bei den Juden war dies schon selbstverständlich, weil es immer ihre Gewohnheit war, Älteste zu haben, weshalb der Apostel Paulus besonders in den „heiden-christlichen“ Versammlungen Älteste einstellte. Es konnte zwar sein, dass auch ein jüngerer Bruder, der sich durch besondere Fähigkeiten und geistliche Gesinnung auszeichnete, ein Ältester sein konnte, denn das Alter war nicht allein maßgebend. Es war ein außerordentlich schönes Teil, das der Herr dem Petrus anvertraute, ein Teil, das dem Herzen Jesu überaus kostbar, ja das Teuerste war, das er besaß. Die Sorge, die der Herr um seine bluterkaufte Herde hatte, erfüllte nun auch das Herz des Petrus. Er hatte seinen Herrn wirklich lieb, und wenn der Herr ihn jetzt nochmals gefragt hätte: „Simon, Sohn Jonas, liebst du mich mehr als diese?“ mit welch glücklichem Herzen hätte er ihm nun antworten können: „Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe.“ (Joh 21,15). Nochmals weist Petrus darauf hin, dass Leiden das Teil der Gläubigen ist. Er schrieb ja an Juden und deshalb war auch sein Brief mit dem Königreich und der Herrschaft Jesu verbunden. Doch dachte der Jude eben nicht an Leiden, sondern an ein Königreich ungetrübter, verherrlichter Freude. Sicherlich, das würde kommen, aber der Jude erwartete es hier und jetzt und wusste im Grunde nichts von einem himmlischen Reich. Das ist der Grund, weshalb Petrus immer wieder von Leiden spricht. Allerdings vergisst er nicht, dem Leser auch die Herrlichkeit, die die Leiden ablösen würde, vor Augen zu stellen.
Die Aufsicht über die Herde sollten die Ältesten nicht aus Zwang, sondern in Freiwilligkeit ausüben. Es entspricht nicht dem Geist des Evangeliums, etwas aus Zwang oder aus bloßer Pflichterfüllung zu tun, das würde jeglichem Dienst die Anmut und Lieblichkeit rauben. Das Gleiche träfe zu, wenn es um des „lieben Geldes“ willen geschähe, der Apostel nennt es recht scharf „schändlichen Gewinn“. Des Weiteren darf der Dienst nicht den Charakter der Herrschsucht tragen. Es ist wichtig, daran zu denken, dass die Herde nicht unser Besitztum ist, sondern dem Herrn gehört. Das wird uns vor einem Herrsch-Geist bewahren und wir kommen nicht in Gefahr, von „meiner Gemeinde“ oder von „unserer Versammlung“ zu reden. Wir sind nicht berufen zum Herrschen, sondern zum Dienen. Es wird sich erübrigen, noch zu betonen, dass es heute keine von Gott autorisierte Ältesten mehr gibt, denn wer wäre von Gott berufen, sie einzusetzen? Dennoch, der Herr betreut seine Herde und er wird ihr immer wieder Hirten geben, die um die Seelen besorgt sind und sich um sie mühen. Wer nach einem solchen Dienst trachtet – selbstlos der Herde zu dienen – begehrt einen schönen Dienst. Dies werden die rechten Vorbilder der Herde sein, denn zu einem Hirtendienst gehört ein Hirtenherz. Gott möge uns in den letzten Tagen unserer Pilgerschaft die Hirten schenken, die die Herde benötigt.
Es wäre noch die Frage zu beantworten, was versteht der Apostel unter den „Erbteilen“, über die die Ältesten nicht herrschen sollen. Das Erbteil spielte unter den Juden eine ganz andere Rolle, als dies bei uns der Fall ist – wir könnten heute einfach „Besitz“ dafür einsetzen. Es besteht bei beiden gleichermaßen die Gefahr, sich als Ältester über das Besitztum, das Vermögen, die Güter der ihm Anbefohlenen in einer nicht geziemenden Weise zu autorisieren, wohl auch mit dem Unterton, selber einen Profit davon zu haben. Das alles sollte bei einem Ältesten nicht gefunden werden. Heiligkeit, auch in finanziellen Dingen, ist Gott wohlgefällig, aber bei wie vielen Christen geht das Christentum nur bis zum Portemonnaie. Wie beschämend! Sollten wir nicht singen können:
Dank Dir, o
Herr, dass Gold und Schätze
Und Pracht und Schönheit dieser Welt,
Dass kein Ding je mich kann ergötzen,
Das mir die Welt vor Augen stellt.
„Und wenn der Erzhirte offenbar geworden ist, so werdet ihr die unverwelkliche Krone der Herrlichkeit empfangen“ (V. 4).
Der Herr Jesus selbst ist der große Erzhirte, der wahre Oberhirte. Seinesgleichen ist keiner. Er wacht über alle ihm unterworfenen Hirten und er wird mit seinem Lohn nicht sparsam sein, wenn der Hirte, beseelt von barmherziger, selbstloser, dienender Liebe sich der Herde in Treue angenommen hat. Er wird ihm eine Krone schenken, die unverwelklich ist. Sie hat nichts mit den irdischen Kronen gemein, und mögen dieselben dreifach sein, sie werden verwelken, ihr Glanz geht dahin, sie werden vergessen und niemand erinnert sich mehr an ihre einstige Größe und ihren Ruhm. Darum ist die „unverwelkliche Krone“ eine Krone der Herrlichkeit; sie wird droben in den himmlischen Gemächern geschaut werden, ewig und unvergänglich sein.
„Ebenso ihr Jüngeren, ordnet euch den Älteren unter. Alle aber seid gegeneinander mit Demut fest umhüllt; denn,Gott widersteht Hochmütigen, Demütigen aber gibt Er Gnade.“ (V. 5).
Die Herde Gottes umfasst Ältere und Jüngere, sie bilden, auf den gleichen Boden gestellt, eine Familie, in der jedes Glied gleichberechtigt ist. Dennoch normalisiert das Christentum jegliche soziale und familiäre Beziehung und ist so das Bollwerk gegen jede umstürzlerische Tätigkeit, die Gesellschaft und Familie untergraben und vernichten möchte. Dieser böse Zeitgeist unter den Gläubigen wird nicht spürbar sein, wenn die Gläubigen mit Demut fest umhüllt, ich möchte sagen, gepanzert sind. Diesen göttlichen Panzer der Demut wird kein Hochmut durchbrechen können, wie sehr derselbe auch unserer alten Natur anhangen mag. Gott wiedersteht dem Hochmütigen, aber Demütigen öffnet Er alle Schätze seiner Gnade. Lasst uns daher den Herrn, den von Herzen Demütigen, stets vor Augen haben, dann wird uns die Gnade werden, die wir für den Glaubenspfad hier benötigen.
O Herr, wir
warten dein,
Du Quell der Gnad' und Macht
Versagest nie in unsrer Not,
Hast stets hindurchgebracht.
„So demütigt euch nun unter die mächtige Hand Gottes, damit Er euch erhöhe zur rechten Zeit, indem ihr alle eure Sorge auf Ihn werft, denn Er ist besorgt für euch“ (Verse 6–7).
Not und Bedrängnis lasteten in den Tagen der Apostel schwer auf dem Weg der Heiligen. Gott hätte es seinen Kindern ersparen können, aber seine Wege und sein Ratschluss sind vollkommen und werden immer zu unserem Besten dienen. Darum ermuntert Petrus die Gläubigen, sich unter die mächtige Hand Gottes zu demütigen. Das will sagen, dass sie wegen der Wege des Herrn nicht erschrecken sollen, sie auch nicht fliehen möchten, sondern jeden Tag und jede Stunde aus seiner Hand nehmen, wie Er dieselben auch gestalten mag. Seine Hand ist mächtig, in dieser Welt alles nach seinem Wohlgefallen zu gestalten, aber auch mächtig, die Seinen durch alle Gefahren und Widerwärtigkeiten bis zum Ziel hindurchzutragen. Wenn wir uns so auf unseren Herrn verlassen, wird er uns auch erhöhen, und zwar zur rechten Zeit. Gott kommt nie zu spät. Dem Ausharrenden wird reichlich Gnade gewährt. Darum wollen wir die Sorgen – wie groß und schwer sie auch sein mögen – dem überlassen, der in so großer Liebe und Güte um die Seinen besorgt ist. Dies zu wissen macht das Herz getrost, stille und ruhig.
Alles sei
Dir übergeben
Du sollst Rat und Helfer sein;
Du bist Wahrheit, Weg und Leben,
Dir vertrauen wir allein.
Geht es gleich durch manch Gedränge,
Siehst Du doch den Ausgang schon,
Und dein Herz trägt in die Länge
Den gewünschten Sieg davon.
„Seid nüchtern, wacht; euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge. Dem widersteht standhaft im Glauben, da ihr wisst, dass dieselben Leiden sich an eurer Brüderschaft in der Welt vollziehen“ (Verse 8–9).
Nüchternheit und Wachsamkeit sind Tugenden, die kein Christ entbehren kann, wenn er nicht dem Feind, dem Teufel, unterliegen will. Dieser schleicht umher wie die Schlange, macht sich aber auch laut offenbar wie ein brüllender Löwe. Beides ist gefährlich. Die schleichende Schlange mögen wir nicht so leicht entdecken und das Gebrüll des Löwen kann uns erschrecken und unsere Energie lähmen. Beidem haben wir zu widerstehen. Allerdings sind Standhaftigkeit und Glauben notwendig, um widerstehen zu können. Es gilt den gelegten Schlingen auszuweichen und demütig Verfolgungen um des Glaubens Willen standhaft zu ertragen. Die ganze Brüderschaft trifft dasselbe Los – wir sind in einer gottfeindlichen Welt und müssen uns nicht wundern, wenn sie uns wegen unserer Liebe zu unserem Heiland hasst, schmäht und verfolgt. Die Welt vergeht, aber die den Willen Gottes tun bleiben – bleiben in Ewigkeit. Das ist tröstlich und gibt dem Herzen Mut.
„Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus, nachdem ihr eine kurze Zeit gelitten habt, er selbst wird euch vollkommen machen, befestigen, kräftigen, gründen. Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen“ (Verse 10–11).
Unser Gott ist ein „Gott aller Gnade“. Das verkündigt auch Petrus, dem auch die Reichsbotschaft anvertraut wurde. Aber obwohl es um des Herrn Herrschaft und Thron geht, ist sie nicht mit dem Donner, den Blitzen und dem Feuer des Sinai verbunden, sondern mit dem Säuseln der erbarmenden, tragenden, helfenden Gnade. Ja, Er nimmt uns an der Hand und seine Macht und Liebe ist die Bürgschaft, dass Er uns sicher zum Ziel bringen wird. Wir dürfen nicht vergessen, dass es der „Gott aller Gnade“ ist, der uns durch Leiden führt. Durch Leiden, die notwendig sind, um uns nach Gottes unerschütterlichem Ratschluss und Vorsehung zum Ziel zu bringen. Er selbst ist es, der uns und unsere Wege vollkommen zu gestalten und alles das mit uns zu vollenden weiß, was uns befestigen, kräftigen und gründen kann. So wird das Tränental zu einem Quellenort – der Weg der Leiden führt zu unaussprechlichen Segnungen, die sich heute schon widerspiegeln in dem Weg, den wir zu gehen haben. Es ist durch seine überströmende Gnade ein Weg der Kraft, der Festigkeit, des Gegründet Seins. Nichts Schwaches, Weichliches, Unzulängliches duldet der Herr. Was Er tut, tut Er ganz, denn es geht ja nicht um das, was wir in uns selbst sind, sondern um das was wir in Ihm geworden sind. Darum gebührt auch alle Ehre nur Ihm allein und so bricht der Apostel, seine Belehrungen abschließend, in die Worte aus: „Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.“ Bald wird Ihm das Lob werden, das Ihm allein gebührt. Unaufhörlich werden erlöste Seelen den preisen, der sie durch sein teures Blut erkauft und zu seinem Eigentum gemacht hat und der sie durch eine Welt der Tränen und Beschwerden unbeschadet hindurchgeführt hat in die Herrlichkeit des Vaterhauses. „Was kein Auge gesehen ... und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben“ (1. Kor 2,9). „Sie gehen von Kraft zu Kraft; sie erscheinen vor Gott in Zion“ (Psalm 84,8).
„Durch Silvanus, den treuen Bruder, wie ich dafür halte, habe ich euch mit wenigem geschrieben, euch ermahnend und bezeugend, dass dies die wahre Gnade Gottes ist, in der ihr stehen sollt. Es grüßt euch die Miterwählte in Babylon und Markus, mein Sohn. Grüßt einander mit dem Kuss der Liebe. Friede sei euch allen, die ihr in Christus seid“ (Verse 12–14).
Nach Apostelgeschichte 16,19 wurde Silvanus – es ist Silas, der mit Paulus zusammen in Asien (Provinz in Kleinasien) gearbeitet hatte – damit betraut, die Briefe des Petrus an die Gemeinden zu bringen, zu denen der gemeinsame Dienst des Paulus und Petrus den Grund gelegt hatte. Gewiss hat er diesen Dienst mit Freuden getan. Welch eine Liebe hat doch die Heiligen miteinander verbunden, wie deutlich tritt es in den Vordergrund, dass sie wirklich Glieder eines Leibes waren. Petrus betont, dass er „mit wenigem“ geschrieben hätte, aber welch eine Fülle von Gedanken und Wahrheiten enthält der „kurze“ Brief. Treue im christlichen Wandel, Leiden für Christus in einer gottfeindlichen Welt und eine wunderbare Hoffnung, bald in der Herrlichkeit droben zu sein, sind die Grundgedanken, die den gläubigen Überrest – hier auf der Erde verachtet und verkannt – ermuntert, bis zum Ziele auszuharren. In solch einer wunderbaren Gnade dürfen auch wir, die Gläubigen der Gegenwart, stehen. Welch unendlich großes Vorrecht! Die Heiligen empfingen Grüße von der „Miterwählten in Babylon“. Manche nehmen an, dass dies die Frau des Petrus gewesen sei und dass Petrus, wie viele annehmen, bereits in Gefangenschaft war und wohl in Babylon wohnte. Markus wäre demnach sein leiblicher Sohn gewesen. Aber wie dem auch sei, Petrus grüßt in herzlicher, brüderlicher Liebe alle die, die „in Christus sind“, ihnen „Frieden“ wünschend, wie der Herr es tat, als er nach seiner Auferstehung in die Mitte der Jünger trat. Auch ermahnt Petrus die Gläubigen, dass sie einander mit dem „Kuss der Liebe“ grüßen sollten. Welch ein ganz anderes Verhältnis verbindet die Gläubigen miteinander, als dies bei Weltkindern der Fall ist. Alles atmet Verbundenheit, Liebe, Herzlichkeit, Heiligkeit. Fürwahr, welch ein Zeugnis von Licht, Schönheit und Anmut inmitten einer bösen, hassenden, gottfeindlichen Welt!
Möchte die schlichte Betrachtung dieses wichtigen Briefes in jedem Leser und jeder Leserin einen Wiederstrahl des wunderbaren Lichts unseres Herrn Jesus Christus hervorrufen, dass sein kostbarer Name durch unseren Wandel erhöht und gepriesen werde! Unser Gott und Herr schenke es in seiner Gnade!
Wenn auch
die Sonne erlischt
An dem Himmelsgewölbe,
Stürzen die Berge ins Meer auch,
Du bleibest derselbe;
Du wankest nicht,
Hältst, was dein Wort uns verspricht:
Treu bist Du, ewig derselbe.