Betrachtung über den Propheten Amos (Synopsis)
Kapitel 4-8
Kapitel 4
Kapitel 4 führt uns die Unterdrückung der Armen vor Augen sowie den Gottesdienst, den die Kinder Israel nach ihrem Gutdünken an den von ihnen erwählten Orten darbrachten. So wollte denn auch Gott handeln, wie Er es für angemessen hielt. Er hatte das tatsächlich schon getan; trotzdem waren sie nicht bis zu Ihm umgekehrt. Er hatte seine Züchtigungen in der nachdrücklichsten Weise wiederholt, jedoch vergebens. Deshalb fordert Er Israel auf, sich anzuschicken, Ihm zu begegnen.
Kapitel 5
Nachdem Gott über den Verfall Israels geklagt hat, stellt Er die Plätze ihres falschen Gottesdienstes dem HERRN, dem Schöpfer, gegenüber und ermuntert sie, zu Ihm zu kommen und zu leben. Israel wies aber den Gedanken an den bösen Tag von sich. Das Böse hatte die Oberhand. Der Einsichtige schwieg, denn es war ein böser Tag (V. 13). Dessenungeachtet ruft der Geist zur Buße. Vielleicht würde der HERR mit der Trübsal Josephs Mitleid haben. Dennoch gab es inmitten all dieser Ungerechtigkeit solche, die erklärten, sie wünschten den Tag des HERRN herbei. Der Prophet sagt ihnen, es würde ein Tag des Schreckens und Gerichts, der Finsternis und nicht des Lichtes sein. Sie würden aus einem Unglück in das andere fallen. Der HERR hatte an dem, was sie darbrachten, und an ihren Opfern kein Wohlgefallen, ihre Festversammlungen konnte Er nicht ertragen; was Er verlangte, war Recht und Gerechtigkeit. Doch das Volk war von Anfang an dasselbe gewesen: in der Wüste hatten sie nicht Ihn angebetet, sondern ihren Moloch und ihren Remphan, die sie sich selbst gemacht hatten; daher sollten sie gefangen weggeführt werden, und zwar noch jenseits des Landes, das jetzt der Gegenstand ihrer Befürchtungen war. Diese letzte Anklage des Propheten enthält eine Belehrung von hoher Wichtigkeit. Die böse Sache, die dem Volk zum Verderben gereichte, war von Anfang an bei ihm vorhanden gewesen. Gott war zwar in seiner Macht dazwischengetreten, und das Böse war dadurch zurückgedrängt worden, aber trotzdem war es da. Als Glaube und Frömmigkeit nachließen und menschliche Interessen nicht länger im Weg standen, hatte sich dieselbe böse Sache von neuem gezeigt. Die Kälber von Dan und Bethel waren nur eine Erneuerung des Kalbes, das sie in der Wüste gemacht hatten. Ungeachtet all der von Gott bewiesenen Langmut fuhr das Volk Israel fort, sich seinem wahren Charakter nach zu zeigen; und das Gericht rührte schon von der ersten Handlung her, die das, was in ihren Herzen war, offenbart hatte. Wir sehen hier, wo von den zehn Stämmen die Rede ist, aufs neue, dass ganz Israel, was seine verantwortliche Stellung betraf, als ein zusammengehöriges Ganzes betrachtet wird. Übrigens geht dies auch klar und deutlich aus der ganzen Weissagung hervor.
Kapitel 6
Dieses Kapitel verweilt bei dem falschen Vertrauen, in dem sich die Häupter Israels wiegten. Das Volk war von einem Gericht bedroht, ähnlich demjenigen, das Kalne und Hamath betroffen hatte. Seine Vornehmen gaben sich der Schwelgerei hin, gleich als ob sich alles aufs beste verhielte. Sie hatten kein Gefühl für die Wunde Josephs. Sie würden deshalb die ersten sein, die in die Gefangenschaft gingen. Der HERR würde Israel der Verwüstung preisgeben. Er würde den Hochmut Jakobs verabscheuen. Denn sie vertrauten auf das, was nichts als Eitelkeit war: auf ihr goldenes Kalb. Er aber, den sie verachteten, würde einen Feind erwecken, der sie von Hamath an bis zu den Grenzen Ägyptens bedrücken würde.
Kapitel 7
Gott hatte lange geduldig gewartet. Mehr als einmal war Er nahe daran gewesen, Israel dem Gericht zu übergeben. Die Fürbitte des Propheten oder vielmehr des Geistes Christi, der in den Propheten wirkte (welche Fürbitte tatsächlich ihre Kraft seinen Leiden verdankte; siehe Ps 18), hatte den Schlag der Rute noch aufgehalten. Jetzt aber wollte der HERR mit dem Senkblei in seiner Hand zum Gericht aufstehen, und nichts würde Ihn bewegen, Sich wieder abzuwenden. Mit dem Haus Jehu würde Israel fallen. So ist es denn auch in Wirklichkeit geschehen. Es ist möglich, dass sich die vorher genannten Gerichte auf den Untergang des Geschlechtes Jerobeams, des Sohnes Nebats, sowie auf denjenigen des Geschlechtes Ahabs beziehen. Nach jedem dieser Ereignisse war Israel wieder aufgeholfen worden, nicht so aber, nachdem das Haus Jehus gefallen war.
Für eine solche Weissagung war des Königs Heiligtum nicht der Ort. Eine Religion, die ohne Gottesfurcht, rein durch menschliche Staatsklugheit, zustande gebracht ist, kann das Zeugnis der Wahrheit nicht ertragen. Bethel war ein königlicher Wohnsitz. Der Priester berichtet alles dem König. Mag doch der Prophet nach Juda gehen! Dort war der HERR anerkannt, und die Wahrheit mochte dort verkündigt werden; hier aber war nicht der Ort für solche abstoßende Wahrheiten. Der König war Gebieter in allen religiösen Angelegenheiten, der Mensch war Herr. Doch der HERR verzichtet nicht auf die Ihm gebührenden Rechte. Amos war weder ein Prophet noch ein Prophetensohn gewesen. Nicht Menschen, auch nicht der Wunsch seines eigenen Herzens hatten ihm dieses Amt gegeben. Der HERR hatte ihn nach seinem unumschränkten Willen dazu bestimmt, und sein Wort war das Wort des HERRN. Der Priester, der sich demselben widersetzte, würde die Folgen seines voreiligen Handelns tragen, und Israel würde gewiss weggeführt werden.
Kapitel 8
Kapitel 8 bringt von neuem die Erklärung, dass um Israels Ungerechtigkeit willen sein Ende gekommen sei. Gott würde nicht länger an ihm vorübergehen. Der Prophet kündigt zugleich an, in was für ein Elend das Volk geraten würde, wenn es einmal aller Leitung seitens des HERRN beraubt wäre. Ihr Hunger und Durst nach Gottes Wort würde nicht gestillt. Wer auf die nichtigen Götzen vertraute, die Israel sich aufgerichtet hatte, würde fallen und nicht wieder aufstehen.