Der Brief an Titus
Die fundamentale christliche Wahrheit und wahre Ältestenschaft (Kapitel 1)
Die fundamentalen Wahrheiten des Christentums (Verse 1–4)
„Paulus, Knecht Gottes, aber Apostel Jesu Christi, nach dem Glauben der Auserwählten Gottes und nach der Erkenntnis der Wahrheit, die nach der Gottseligkeit ist, in der Hoffnung des ewigen Lebens, das Gott, der nicht lügen kann, verheißen hat vor ewigen Zeiten; zu seiner Zeit aber hat er sein Wort offenbart durch die Predigt, die mir anvertraut worden ist nach Befehl unseres Heiland-Gottes – Titus, meinem echten Kind nach unserem gemeinschaftlichen Glauben: Gnade und Friede von Gott, dem Vater, und Christus Jesus, unserem Heiland!“ (1,1–4)
Verse 1–4: Die einleitenden Verse sind von größter Bedeutung. Denn in ihnen weist der Apostel in kurzer Weise auf die großen fundamentalen Wahrheiten des Christentums hin, welche
- die Basis für unseren praktischen Lebenswandel als Gläubige bilden;
- unser persönliches Leben vor Gott regieren;
- unsere gegenseitigen Beziehungen bestimmen;
- unser Haltung gegenüber der Welt verdeutlichen.
Der Apostel spricht von Gläubigen als von „Auserwählten Gottes“. Die Auserwählung Gottes schließt alle ein, die von Gott auserwählt worden sind, seien sie aus den Juden oder Heiden. Sie bringt uns somit außerhalb des Judentums, das nur diejenigen anerkennt, die jüdischer Abstammung sind.
Kennzeichen der Auserwählten Gottes
Nun folgt eine beeindruckende Zusammenfassung von herausragenden Kennzeichen der Auserwählten Gottes:
1. Sie sind geprägt durch „Glauben“, der die Tür zu allem Segen ist (Apg 14,27) und den Gläubigen unter den Schutz des Werkes Christi und in eine Beziehung zu Gott bringt. Der Glaube steht im Gegensatz zu einem religiösen Bekenntnis, das aus der Erfüllung von Zeremonien und der Unterwerfung unter Gebote besteht. Das Vollbringen solcher Werke ist im Unterschied zum Glauben auch für Menschen möglich, die nicht von neuem geboren sind, und kann damit getrennt vom wahren Glauben an Gott getan werden.
2. Der „Glaube“ der Auserwählten Gottes führt zur „Erkenntnis der Wahrheit“, die im Gegensatz zu reinen Spekulationen und Überlegungen des natürlichen Menschen über die Wahrheit stehen. Durch diese lernen ungläubige Menschen zwar ihr Leben lang und können dennoch niemals zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Sie sind unbewährt hinsichtlich des Glaubens (vgl. 2. Tim 3,7.8).
3. Wir werden daran erinnert, dass die Wahrheit immer zu einem Leben der „Gottseligkeit“ führen wird, das im Gegensatz zum Irrtum steht, der zur Gottlosigkeit führt. Der Apostel warnt Timotheus in seinem zweiten Brief vor solchen, die „von der Wahrheit abgeirrt sind“. Von solchen sagt er, dass „sie zu weiterer Gottlosigkeit fortschreiten werden“ „und den Glauben einiger zerstören“ (2. Tim 2,16–18).
In diesem Abschnitt im Titusbrief finden wir „Glaube“, „Wahrheit“ und „Gottseligkeit“ miteinander verbunden. Im Timotheusbrief werden wir gewarnt, dass das Aufgeben des Glaubens, Irrtum und Gottlosigkeit miteinander verbunden sind.
4. Die Gottseligkeit der Auserwählten, also das geduldige Fortfahren im Gutestun, führt zu einer sicheren und festen „Hoffnung des ewigen Lebens“. Dann wird die Gottseligkeit ihre herrliche Belohnung finden für Erlöste im Gegensatz zu Ungläubigen, die durch Ungerechtigkeit den Zorn und Grimm Gottes erfahren werden (vgl. Röm 2, 6–8). Die Hoffnungen eines ungläubigen Juden oder eines Menschen dieser Welt beschränken sich auf das Leben in dieser Welt. Sie finden ihre Erfüllung in materiellem Besitz, in irdischer Ruhe und weltlichem Wohlstand. Die christliche Hoffnung dagegen ist verbunden mit einem Leben, das nicht von den zeitlichen Dingen oder dieser Welt abhängt.
Ewiges Leben wurde „vor ewigen Zeiten verheißen“ und verbindet den Gläubigen mit den ewigen Ratschlüssen Gottes. Diese Hoffnung macht uns während unseres Lebens in dieser Welt dazu fähig, Gemeinschaft mit Gott als Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus zu pflegen (1. Joh 1,3). In seiner Fülle werden wir das ewige Leben erst in der ewigen Heimat dieses Lebens genießen können. Während wir dieses Leben also bereits als einen gegenwärtigen Besitz haben, wird es uns zugleich als eine Hoffnung vorgestellt.
5. Die Wahrheit über die Gottseligkeit und unsere Hoffnung ist in Gottes „Wort“ offenbart worden. Gläubige werden nicht einer Tradition oder ihren eigenen, menschlichen Überlegungen überlassen. Sie besitzen die Autorität des irrtumslosen Wortes Gottes, die ihnen Sicherheit gibt im Blick auf die Wahrheit, an die sie glauben..
6. Die Wahrheit, die im Wort niedergelegt worden ist, wurde uns „durch die Predigt offenbart“. Diese Predigt wurde ganz besonders dem Apostel Paulus anvertraut, der sie verbunden mit der ganzen Autorität Gottes den Gläubigen aus den Heiden verkündigt hat. Diese Verkündigung sollte fortgeführt werden durch „treue Leute, die tüchtig sein werden, auch andere zu lehren“ (2. Tim 2,2).
7. Die Grüße des Apostels zeigen, dass wir alle – wie auch Titus – „Gnade und Friede von Gott, dem Vater, und Christus Jesus, unserem Heiland“ nötig haben, um
- die Wahrheit zu erkennen,
- in Gottseligkeit unseren Lebenswandel zu führen, der mit der Wahrheit übereinstimmt,
- vor uns die gesegnete Hoffnung zu haben, zu der uns dieser Lebenswandel führt,
- das Wort zu verstehen, das die Wahrheit entfaltet, und
- es anderen zu verkündigen.
Zwei Gründe für das Schreiben des Briefes (Vers 5)
„Deswegen ließ ich dich in Kreta zurück, damit du das, was noch mangelte, in Ordnung bringen und in jeder Stadt Älteste anstellen möchtest, wie ich dir geboten hatte:“ (1,5)
Vers 5: Paulus hat in den ersten Versen die herausragende Wahrheit des christlichen Glaubens vorgestellt. Nun nennt er uns die Gründe, die ihn dazu gebracht haben, diesen Brief zu schreiben. Er hatte Titus in Kreta aus zwei Gründen zurückgelassen:
- Titus sollte dort bestimmte Dinge in Ordnung bringen, die in den Versammlungen in Kreta mangelten.
- Er sollte dort Älteste anstellen, um die Ordnung aufrechtzuerhalten.
Um diesen Dienst ausführen zu können, schreibt Paulus an sein „echtes Kind“, Titus, um ihm klare Anweisungen zu geben, damit dieser mit der Autorität des Apostels diese Anordnungen verwirklichen könnte.
Ältestenschaft heute
Heute besitzen wir keine Apostel und auch keine Abgesandte von Aposteln mehr, die Älteste anstellen könnten. Jeder, der für sich eine solche Autorität beansprucht, ist anmaßend. Man hat darauf hingewiesen, dass es in keinem Brief des Neuen Testaments, der sich an Versammlungen richtet, derartige Anweisungen gibt. Das zeigt deutlich, dass keiner Versammlung jemals die Autorität übertragen worden ist, sich selbst Älteste zu suchen und anzustellen oder eigene Führer zu wählen. Dennoch sind uns die Anweisungen für Älteste zum Nutzen gegeben worden. Wir lernen durch sie die Eigenschaften, die auch heute noch einen einzelnen Bruder als fähig erweisen, über die Interessen des Herrn in einer örtlichen Versammlung zu wachen. Zugleich leiten sie andere in der Aufrechterhaltung der Ordnung und Gottseligkeit in örtlichen Versammlungen an.
Es ist wichtig zu erkennen, dass nicht der Besitz einer besonderen Gabe dazu befähigt, als Gläubiger einen solchen Dienst zu tun. Es geht um moralische Kennzeichen. So jemand soll untadelig sein, nicht nur in seinem persönlichen Verhalten, sondern auch in seinem Familienleben und seinen Beziehungen zu anderen. William Kelly hat einmal geschrieben: „Wir sollten den Evangelisten und Lehrern ihren Platz geben. Aber wir sollten ebenso diejenigen wertschätzen, die sich in einer vergleichbaren, aber weniger sichtbaren Weise Tag für Tag einsetzen, um die Beziehungen der Gläubigen untereinander zu stärken und die Quellen der Unordnungen einzudämmen, die – wie wir alle wissen – ständig in christlichen Versammlungen hochkommen.“
Kennzeichen von Ältesten (Verse 6–9)
„Wenn jemand untadelig ist, der Mann einer Frau, der gläubige Kinder hat, die nicht eines ausschweifenden Lebens beschuldigt werden oder zügellos sind. Denn der Aufseher muss untadelig sein als Gottes Verwalter, nicht eigenmächtig, nicht zornmütig, nicht dem Wein ergeben, nicht ein Schläger, nicht schändlichem Gewinn nachgehend, sondern gastfrei, das Gute liebend, besonnen, gerecht, fromm, enthaltsam, anhängend dem zuverlässigen Wort nach der Lehre, damit er fähig sei, sowohl mit der gesunden Lehre zu ermahnen als auch die Widersprechenden zu überführen.“ (1,6–9)
Vers 6: Derjenige, der die Ordnung im Haus Gottes aufrechtzuerhalten versucht, muss zuerst zeigen, dass er in seinem eigenen Haus in der Lage ist, Ordnung zu bewahren. Daher muss er tadellos in seinen Familienbeziehungen sein – der Mann einer Frau, seine Familie frei von der Anklage von Ausschweifung und Wildheit.
Verse 7.8: Darüber hinaus muss derjenige, der andere zu einem Lebenswandel in Gottseligkeit ermahnen soll, selbst dadurch geprägt sein. Der Apostel stellt auf diese Weise die Gottlosigkeit des Fleisches (Eigenwille, Leidenschaft, Gewalttat und Habsucht) der Gottseligkeit (Gastfreundschaft, Liebe des Guten, Besonnenheit, Gerechtigkeit, Gottesfurcht, Enthaltsamkeit) gegenüber.
Vers 9: Zudem soll derjenige, der andere im Wort unterweisen soll, selbst „dem zuverlässigen Wort“ anhängen, so wie er selbst durch treue Männer belehrt worden ist (2. Tim 2,1.2). Das „Anhängen dem zuverlässigen Wort“ wird uns befähigen, Gottes Volk mit gesunder Lehre zu ermutigen. Zugleich hilft es uns, „die Widersprechenden zu überführen“. Nicht die Kenntnis des Irrtums macht uns fähig, diese Anforderungen zu erfüllen, sondern die Erkenntnis der Wahrheit, das „Anhängen dem zuverlässigen Wort“. Wir müssen „weise sein zum Guten, aber einfältig zum Bösen“ (Röm 16,19).
Kennzeichen der Ungläubigen – Merkmale der Kreter (Verse 10–14)
„Denn es gibt viele zügellose Schwätzer und Betrüger, besonders die aus der Beschneidung, denen man den Mund stopfen muss, die ganze Häuser umkehren, indem sie schändlichen Gewinnes wegen lehren, was sich nicht geziemt. Es hat einer von ihnen, ihr eigener Prophet, gesagt: „Kreter sind immer Lügner, böse, wilde Tiere, faule Bäuche.“ Dieses Zeugnis ist wahr; aus diesem Grund weise sie streng zurecht, damit sie gesund seien im Glauben und nicht achten auf jüdische Fabeln und Gebote von Menschen, die sich von der Wahrheit abwenden.“ (1,10–14)
Verse 10.11: Im Gegensatz zu denen, welche die Wahrheit festhalten, wie sie im „zuverlässigen Wort“ offenbart worden ist und wie sie zur Gottseligkeit führt, gab es Männer in diesen frühen Tagen, die „zügellose Schwätzer“ waren. Diese lehrten Irrtum, verführten so ihre Zuhörer und führten diese zu einem gottlosen Lebenswandel. Dieser hielt Einzug inmitten des Volkes Gottes, indem solche Schwätzer sogar ganze Häuser umkehrten. Die falschen Lehrer wurden durch Habsucht motiviert. Sie wurden besonders unter Juden gefunden, die sich der Wahrheit entgegenstellten und versuchten, Christen wieder zurück zu einer Religion äußerer Formen und Zeremonien zu führen. Diese wurde mit Tempelanbetung verbunden, wodurch das Fleisch angesprochen wurde.
Als der Herr noch auf der Erde war, entlarvte Er die Führer des verdorbenen Judentums als Heuchler, die Gott mit ihren Lippen ehrten, mit ihren Herzen aber weit von Ihm entfernt waren. Sie hatten das Haus Gottes zu einer Räuberhöhle gemacht. Das Fleisch ändert sich nicht. Und so wurden christliche Versammlungen mit der Gefahr konfrontiert, die äußeren Formen der Beschneidung, also des Judentums, mit dem Bekenntnis des Christentums zu verbinden. Das führt letztlich nur dazu, das religiöse Bekenntnis als ein Mittel schändlichen Gewinns zu benutzen.
Verse 12–14: In den Folgeversen lernen wir, dass wir die verschiedenen Charakterzüge von Menschen berücksichtigen müssen, die durch ihre besonderen Lebensumstände und Nationalitäten geformt werden. Es ist nötig, diese Unterschiede im Blick zu haben, die dazu führen, dass sich das Fleisch in besonderen Sünden offenbart, wenn man die Ordnung und Gottseligkeit in den Versammlungen von Gottes Volk aufrechterhalten möchte. Die Umstände der Kreter machten sie besonders anfällig für Verführungen, Faulheit und Völlerei – Merkmale, die schon einer ihrer eigenen Propheten betont hatte. Solche Offenbarungen des Fleisches stehen in klarem Gegensatz zur Gottseligkeit und bedürfen daher ernster Zurechtweisung, damit sie „gesund seien im Glauben“. Nur so würden sie vor den „jüdischen Fabeln“ und den „Geboten von Menschen“ bewahrt bleiben, durch die sie sich von der Wahrheit abwenden würden.
Folgen einer Religion ohne Glaubenswirklichkeit (Verse 15.16)
„Den Reinen ist alles rein; den Befleckten aber und Ungläubigen ist nichts rein, sondern befleckt ist sowohl ihre Gesinnung als auch ihr Gewissen. Sie geben vor, Gott zu kennen, aber in den Werken verleugnen sie ihn und sind abscheulich und ungehorsam und zu jedem guten Werk unbewährt.“ (1,15.16)
Verse 15.16: Wenn man sich zurückwendet zu falscher Belehrung und ein religiöses Bekenntnis für schändlichen Gewinn abgibt, öffnet man Tür und Tor für alle natürlichen Neigungen des Fleisches. Damit geht man einen Weg der Gottlosigkeit. So verunreinigen Menschen „sowohl ihre Gesinnung als auch ihr Gewissen“. Das wiederum führt zu dem schrecklichen Zustand, in dem ein Zeugnis Gottes verbunden wird mit Werken, die nichts anderes als die praktische Leugnung Gottes sind. In den Augen Gottes sind solche Bekenner „abscheulich und ungehorsam und zu jedem guten Werk unbewährt“. Ist nicht genau das ein ernstes Bild der Christenheit in diesen letzten Tagen, „die eine Form der Gottseligkeit haben, deren Kraft aber verleugnen“ (2. Tim 3,5)?