Betrachtung über Jakobus (Synopsis)
Kapitel 3
In diesem Kapitel kommt der Apostel auf die Zunge zurück, den genauesten Anzeiger des Zustandes des Herzens, der den Beweis liefert, ob der neue Mensch in Tätigkeit ist, und ob der Natur und dem Eigenwillen Zaum und Zügel angelegt sind. Indes gibt es hier kaum etwas, das einer besonderen Bemerkung bedürfte, obwohl vieles da ist, was ein hörendes Ohr verlangt. Wo göttliches Leben vorhanden ist, da zeigt sich die Erkenntnis nicht in bloßen Worten, sondern im Wandel und durch Werke, in denen die Sanftmut wahrer Weisheit (V. 13) zu sehen ist. Bitterer Neid und Streitsucht sind nicht die Früchte einer Weisheit, die von oben kommt, sondern sind irdisch und gehören der Natur des Menschen und des Feindes an.
Die Weisheit, die von oben kommt und ihren Platz in dem Leben und Herzen hat, besitzt drei Charaktereigenschaften. Zu allererst ist sie rein, denn das Herz ist in Verbindung mit Gott und hat Gemeinschaft mit Ihm. Es muss also notwendigerweise diese Reinheit vorhanden sein. Zweitens ist sie friedsam, gelinde, bereit, dem Willen des anderen nachzugeben. Dann ist sie voll guter Werke und handelt nach einem Grundsatz, der, da sein und seine Beweggründe von oben sind, Gutes tut ohne Parteilichkeit; das will sagen, die Tätigkeit der Weisheit wird nicht durch die Umstände geleitet, die das Fleisch und die Leidenschaften der Menschen beeinflussen. Aus demselben Grunde ist sie aufrichtig und ungeheuchelt. Reinheit, das Fehlen des eigenen Willens und die Verleugnung des eigenen Ichs, Tätigkeit im Guten, das also sind die charakteristischen Eigenschaften himmlischer Weisheit.
Die Anweisungen, die Zunge zu bändigen, als die erste Regung und Kundgebung des Willens des natürlichen Menschen, erstrecken sich auf Gläubige. Es sollen, was die innere Neigung des Menschen betrifft, nicht viele Lehrer sein. Wir alle straucheln oft; und andere zu lehren und dabei selbst zu straucheln, erschwert nur unser Gericht. Denn die Eitelkeit wird leicht dadurch genährt, dass man andere belehrt, und das ist sehr verschieden von einem Leben, das durch die Macht der Wahrheit in Tätigkeit gesetzt wird. Der Heilige Geist verleiht seine Gaben, wie es Ihm gefällt. Der Apostel spricht hier von der Neigung eines Menschen zu lehren, nicht von der Gabe, die er zum Lehren empfangen haben mag.