Das Evangelium nach Johannes
Kapitel 5
Doch zunächst wechselt die Szene wieder nach Jerusalem, damit wir ein drittes Zeichen betrachten mögen, das der Herr in der Heilung des Lahmen am Teich Bethesda tat. Juden, die dieses Evangelium lesen, möchten vielleicht sagen: „Nun ja, als Nation sind wir krank und dem Tod nahe; wir brauchen Leben; aber wir haben das Gesetz; sollten wir darin nicht die Heilung finden?“
Das Gesetz Moses hatte dem Menschen einen Weg des Segens vorgelegt. Nur eines war erforderlich seitens des Menschen, aber dieses eine fehlte ihm vollständig. Das Gesetz verlangte, daß er Kraft habe, die bereitgestellte Wohltat zu nutzen. Der Fall des kraftlosen Mannes am Teich von Bethesda stellt in treffendster Weise den Zustand dar, in dem sich jeder Mensch befindet, den das Gesetz auf die Probe stellt. Die Sünde hat unsere Kraft zerstört, so daß wir die eine notwendige Bedingung, die das Gesetz stellt, nicht erfüllen können. Das war so augenscheinlich bei diesem Menschen, daß er seine eigene geschwundene Kraft nicht einmal erwähnte, sondern nur noch feststellte, daß keiner da war, der für ihn tat, was er selbst nicht vermochte. „Ich habe keinen Menschen“, sagte er.
Doch in seinem Bekenntnis lag auch der Wunsch, gesund zu werden, und völlige Gesundheit wurde ihm sofort durch das Wort des Herrn zuteil. Was das Gesetz nicht für ihn tun konnte, insofern es unwirksam blieb infolge der Kraftlosigkeit seines Fleisches, geschah doch augenblicklich als das Werk des Sohnes Gottes, der jetzt auf der Erde gegenwärtig war. Jener Mensch war in der Lage nicht nur zu gehen, sondern auch das Bett zu tragen, das vordem der Zeuge seiner Hilflosigkeit war. Der Herr gebot ihm, dies zu tun, obwohl Sabbath war.
Das Gesetz des Sabbaths war sehr streng. Jede Art von Tätigkeit war verboten, selbst Kleinholz aufzulesen und ein Feuer anzuzünden. Deshalb gerieten die Juden sofort in Harnisch, als sie sahen, daß der Mann sein Bett trug. Indessen hatte er eine ausreichende Antwort bereit. Der Mensch, der ihn geheilt hatte, hatte ihm gesagt, das zu tun; und wenig später konnte er auch den Namen jenes Menschen angeben – Jesus. In ihrem Eifer um den Sabbath vermochten die Juden von diesem Augenblick an nur noch Ihn zu hassen und zu verfolgen.
Der Herr sprach kein Wort zur Verteidigung oder im Sinn einer Erklärung; was Er aber in so einfacher Weise zur Geltung brachte, glich gleichsam einer Axt, die diese gesetzliche Einrichtung an der Wurzel traf. Nach dem Gesetz Moses war der Sabbath zu einem Zeichen zwischen Jehova und Israel aufgerichtet worden, wie 2. Mose 31,12–17 klarmacht, obwohl der Sabbath als solcher die Ruhe Gottes nach vollbrachtem Schöpfungswerk zur Grundlage hatte. Soweit es ihn selbst betraf, schob Jesus ihn beiseite. Seit diese Schöpfung von der Sünde durchdrungen worden war, wirkte Sein Vater und ruhte nicht, und der Herr wirkte gleicherweise mit Seinem Vater, und Er hielt nicht den Sabbath, als mit Ihm und dem Vater verbunden.
Diese gezielt scharfe Kundgabe reizte die Juden zu mörderischem Haß, und zwar aus zwei Gründen, die Vers 18 mitteilt. Er hatte das Zeichen des Bundes gebrochen, dessen sie sich rühmten, und Er hatte mit dieser Handlung die Behauptung verknüpft, daß Gott Sein Vater wäre, wodurch Er sich Gott gleichstellte. Vers 18 ist, das sei hervorgehoben, die Erklärung des Johannes dafür, warum die Juden Ihn zu töten suchten, und nicht etwa ein Bericht der Begründung seitens der Juden – obwohl sie natürlich auch diese Sprache geführt haben könnten. Es ist daher die Erläuterung des Heiligen Geistes durch Johannes und so ein Beweis dafür, daß in der Sohnschaft unseres Herrn irgendein Gedanke einer untergeordneten Stellung im Verhältnis zum Vater nicht enthalten ist.
Dem tödlichen Haß der Juden begegnet Jesus mit einer eindrucksvollen Antwort (Vers 19). Der Sohn, der in Seiner Menschheit hier war, hatte es übernommen, den Willen und das Werk des Vaters in Vollkommenheit auszuführen. Daher konnte Er nichts „von sich selbst“ tun, als ob Er unabhängig vom Vater etwas in Gang setzte; vielmehr handelte Er in allen Dingen nach den Weisungen des Vaters. Sicher soll, wie wir annehmen, dieses Wort uns für die noch tiefere Wahrheit aufschließen, daß die Notwendigkeit eines solchen Verhaltens in Seinem vollkommenen Einssein mit dem Vater wurzelte. Obschon Mensch, war Er dennoch so völlig und vollkommen in der Einheit der Gottheit, daß es Ihm unmöglich war, etwas ohne den Vater zu tun. In diesem Sinn ist die Aussage „Der Sohn kann nichts von sich selbst tun“ durchaus nicht das Eingeständnis irgendeiner Unzuständigkeit oder gar einer Untergebenheit, sondern die Feststellung Seiner uneingeschränkten Gottheit.
„Der Vater liebt den Sohn.“ Diese fünf Worte finden sich als eine Bemerkung des Evangelisten am Ende von Kapitel 3. Wir haben sie auch hier in Vers 20 als die Stimme Jesu selbst. Der Sohn, wie Er jetzt in Seiner Menschheit auf Erden war, wußte um alles, was der Vater tat, und sollte noch größere Werke tun, als sie bis jetzt geschehen waren. Er würde auftreten als der Geber des Lebens und als der Ausführer des Gerichts. Lebendig machen bedeutet, Leben zu geben, und hier handelt der Sohn nach Seinem souveränen Willen, wobei sich dieser Wille in völliger Harmonie mit dem Willen des Vaters befindet.
Tote auferwecken und lebendig machen wird in Vers 21 unterschieden. Die Gottlosen unter den Toten werden auferweckt, aber es wird nicht von ihnen gesagt, daß sie lebendig gemacht werden. Überdies findet ein Lebendigmachen statt, auch wenn es nicht um Auferstehung geht, wie Vers 25 zeigt. Der Sohn wird die Toten auferwecken, wie Er es in Vers 28 und 29 sagt, doch in Vers 21 geht es darum, daß Er Leben gibt, gleichwie der Vater es tut. In den Eingangsversen des Evangeliums sahen wir Ihn als den, der das Leben innewohnend hat, und Er enthüllt dieses Leben, damit es das Licht der Menschen sei. Hier gehen wir einen Schritt weiter: Er ist Lebensspender für andere. Darin wirkt Er mit dem Vater.
Was aber das Gericht betrifft, so handelt der Sohn für den Vater (V. 22). Es gibt Dinge, die der Sohn ablehnt, etwa „Zeiten und Zeitpunkte“ festzulegen und kundzutun, wie wir in Apostelgeschichte 1,7 und in Markus 13,32 sehen; hier finden wir, daß der Vater nicht richtet, sondern das ganze Gericht in die Hände des Sohnes legt. Diese Tatsachen dürfen indessen nicht benutzt werden, in irgendeiner Weise die Ehre und Herrlichkeit weder des Vaters noch des Sohnes zu schmälern. Mit Bezug auf den Sohn weist hierauf Vers 23 besonders hin, insofern als Seine Menschwerdung Ihn öffentlich der unberechtigten Geringschätzung derer aussetzte, die Ihn weder verstanden noch liebten. Er wird in der Stunde des Gerichts von allen geehrt werden. Ihn in dieser Zeit nicht ehren ist gleichbedeutend damit, auch den Vater nicht zu ehren, der Ihn gesandt hat. Der Vater wird, das ist ganz deutlich, keine Ehre annehmen außer der, die zugleich auch den Sohn ehrt.
In dieser wunderbaren Rede machte der Herr drei Aussagen, auf die Er durch die Worte „Wahrlich, wahrlich“ besonderen Nachdruck legte. In Vers 19 betonte Er Sein wesenhaftes Einssein mit dem Vater in all Seinen Werken, wie wir gesehen haben. In Vers 24 liegt wiederum der Nachdruck auf der engen Verbindung mit dem Vater. Als das Wort Fleisch wurde, war Er der Gesandte des Vaters, und durch Sein Wort wurde der Vater kundgemacht. So spricht Er nicht einfach „Wer mein Wort hört und glaubt“, sondern „... glaubt dem, der mich gesandt hat“. Wir glauben dem Vater durch das Wort des Sohnes, so daß jetzt Petrus an die Gläubigen schreiben kann: „die ihr durch ihn glaubet an Gott“ (1. Pet 1,20). Und hier verkündet der Herr, daß solches einfaches Hören und Glauben drei staunenswerte Ergebnisse zeitigt: den Besitz ewigen Lebens, Bewahrung vor dem Gericht, Übergang aus dem Tod in das Leben.
Wie viele tausendmal ist dieser gewaltige Vers benutzt worden, um ängstlichen und suchenden Sündern Licht und Gewißheit zu bringen. Möge er wiederum noch viele tausendmal dazu verwandt werden! Wie durchströmt gebietende Sicherheit diesen Vers, ja, liegt sofort spürbar bereits an seiner Oberfläche. Doch werden wir reich belohnt, wenn wir aufmerksamer in seine Tiefe schauen. Der Sohn gibt Leben, wem Er will, und Er vollführt das ganze Gericht. Er spricht das lebenspendende Wort, das die Seele zu Gott führt, und im selben Augenblick ist Leben unser Teil, und wir werden niemals ins Gericht kommen. Wir sind Gegenstände des ersten jener größeren Werke geworden, wovon Er sprach, und in ein zweites treten wir nie mehr ein. Er legt den Nachdruck auf die positive Seite, indem Er auf zweifache Weise von Leben spricht. Es ist nicht nur das Leben, das der Gläubige besitzt, sondern auch das, worin er aus dem Bereich des Todes hinübergeht.
Wenn wir von Leben sprechen als verbunden mit dieser Schöpfung, so haben wir es mit einem Begriff zu tun, der sich einer Analyse oder einer Definition entzieht. Doch dieses Wort auf unseren Lippen hat offensichtlich nicht nur einen einfachen, sondern einen mehrfachen Sinn. Wir betrachten beispielsweise nicht nur den Lebensfunken in Mensch und Tier, sondern auch die Bedingungen, deren er zu seiner Existenz bedarf. Es gibt kein Fischleben ohne Wasser, kein menschliches Leben ohne Luft. Ebenso gibt es kein geistliches und ewiges Leben ohne Gott; und es gibt keine Erkenntnis Gottes ohne die Offenbarung, die uns im Wort des Gesandten erreicht, und ohne den Glauben, der das Wort annimmt. Aus diesem Grund glauben wir, daß Jesus nicht nur von Gläubigen sprach, daß sie ewiges Leben haben, sondern daß sie aus jenem geistlichen Todeszustand, den äußerste Unwissenheit über Gott kennzeichnet, heraustreten, um in den Bereich des Lebens einzugehen, der von dem Licht der Erkenntnis des Vaters erfüllt ist. Es wundert daher nicht, daß Er solchen Nachdruck auf diese Aussage legte.
Und im nächsten Vers betonte Er die weitere Aussage, daß jetzt eine Zeitperiode anbreche, in der dieses große lebenspendende Werk in besonderer Weise ausgeführt werden würde. Wir sehen in diesem Vers dieses Werk mehr von der Seite Seines eigenen souveränen Tuns – der Glaube wird nicht ausdrücklich erwähnt –, obwohl natürlich niemand „die Stimme des Sohne Gottes hören“ kann ohne Glauben. Diese „Stunde“ währt inzwischen bis zu dem gegenwärtigen Augenblick; und durch die Jahrhunderte hindurch haben Massen von Menschen die Stimmen der Prediger des Wortes gehört, ohne jedoch Seine Stimme in diesem Wort zu hören. Allein diejenigen, die Seine Stimme gehört haben, sind zum Leben durchgedrungen. Sie erlangen das Leben, weil, wie der nächste Vers uns sagt, der Sohn als Mensch Leben in sich selbst hat, als vom Vater gegeben. Das Leben war wesenhaft in Ihm, denn die Aussage „in Ihm war Leben“ (1,4) ist mit Seiner ewigen Existenz verknüpft. Doch hier sehen wir, daß der Sohn in Seiner Menschheit als die Hauptquelle des ewigen Lebens für die Menschen vom Vater gegeben ist. Wir besitzen dieses Leben als von Ihm herkommend, und nur Er kann es anderen mitteilen, weil Er es innewohnend und wesenhaft besitzt. Dieses gewaltige lebenspendende Werk ist einzig und allein das Seine, und jetzt ist die Zeit Seines Wirkens. In der tief verborgenen Stille unzähliger Herzen ist Seine Stimme erklungen: sie haben sie gehört und leben. Die Reihenfolge dieser Worte dürfen wir nicht umkehren, wie es einige unternommen haben. Es heißt nicht „Wer da lebt, wird hören“, sondern „Wer da hört, wird leben.“
Doch weiterhin ist der Sohn Gottes auch der Sohn des Menschen, und als solcher ist Er nicht nur die Quelle des Lebens, sondern auch der hoheitsvolle Richter aller. Als Sohn des Menschen mußte Er erhöht werden und war unter dem Gericht des Menschen. Bald werden wir die Volksmenge sprechen hören: „Wie sagst du, daß der Sohn des Menschen erhöht werden müsse? Wer ist dieser, der Sohn des Menschen?“ (12,34). Ja wohl, der Tag kommt, wo sie wissen werden, wer Er ist, dann aber zu ihrem unheilbaren Verderben. Obwohl es auf den ersten Blick höchst wunderbar zu sein scheint, daß alles Gericht in die Hände eines Menschen gelegt sein würde, so brauchen wir uns doch eigentlich nicht zu wundern. Eine andere Stunde wird schlagen, wo die Stimme des Sohnes des Menschen gehört werden wird, und nicht nur einige werden sie hören, sondern alle – ob gut oder böse.
Nur jene, die die Stimme des Sohnes Gottes hörten und lebten, hatten die Kraft, das Gute zu tun. Das Leben drückt sich selbst in dem Guten aus, das von ihm hervorgebracht wird und sein Beweis ist. Alle anderen taten das Böse. Die Stimme des Sohnes des Menschen wird alle ohne Ausnahme aus den Gräbern hervorrufen, denn es findet eine Auferstehung zum Gericht ebenso statt wie eine Auferstehung zum Leben. Die beiden werden hier voneinander unterschieden, obwohl wir andere Schriftstellen heranziehen müßten, um zu erkennen, daß sie zeitlich weit auseinander liegen. Doch sind beide zukünftig; denn die Worte „und ist jetzt“ kommen in diesem Zusammenhang nicht vor.
Doch obwohl das ganze Gericht in Seiner Hand liegt, übt Er es nicht etwa unabhängig oder ohne den Vater aus. Indem Er Mensch geworden ist, verläßt Er diesen von Ihm eingenommenen Platz nicht mehr, sondern führt die damit verbundene Aufgabe in vollkommener Weise aus. Wenn Er gesagt hätte „Mein Gericht ist gerecht, weil Ich das Wort bin, das Fleisch wurde“, so wäre auch das absolut wahr gewesen; doch gründet Er Seine Feststellung hierauf: „Weil ich nicht meinen eigenen Willen tue, sondern den Willen des Vaters, der mich gesandt hat.“ Alles Gericht kann deshalb gefahrlos den Händen eines Menschen von solchem Rang übergeben sein; und in diesem Sinn spricht Er: „Ich kann nichts aus mir selbst tun.“
In Matthäus 20,23 war es der eigentliche Sinn der Worte Jesu: „Es ist nicht meine Sache, zu geben.“ In Markus 13,32 sagt Er gleichsam: „Es ist nicht meine Sache, zu wissen.“ Und hier meint Er sinngemäß: „Es ist nicht meine Sache, etwas zu tun.“ Alle drei Aussprüche entsprechen der demütigen Abhängigkeit, in der Er stand um der Herrlichkeit der Gottheit und unseres Heils willen; nicht im geringsten verletzen sie Seine allerhöchste Stellung in der Einheit der Gottheit. Aber sie zeigen uns doch etwas davon, was es bedeutete, daß Er sich selbst „zu nichts machte“ oder „sich selbst erniedrigte“ nach Philipper 2. Hier trifft uns ein flüchtiger Eindruck jener wahren „Kenosis“ (Entäußerung, Entleerung), von der die Schrift redet und die weit entfernt ist von diesbezüglichen bösen Spekulationen ungläubiger Theologen, die unserem Herrn Fehlbarkeit und Irrtum zuschreiben.
Die Wahrheit ist jedoch darin beschlossen, daß Er bei Seiner so erhabenen Größe hier auf Erden nur für den Willen des Vaters da war und alle Seine Aussprüche die Gedanken des Vaters wiedergaben. Auch wenn es sich um das Zeugnis über Ihn selbst handelte, so legte Er es alles in die Hände des Vaters. Unter Menschen ist es üblich, daß sie sich werbend selbst ankündigen, aber bei Ihm war es nicht so.
Der erste Zeuge nun war Johannes, einfach ein Mensch. Jesus bedurfte eines solchen Zeugnisses nicht, doch Er erwähnt es, falls dadurch einige Zuhörer errettet werden möchten. In den Versen 33 – 35 gibt Jesus in der Tat ein Zeugnis über Johannes, der, einer brennenden und scheinenden Lampe gleich, der Wahrheit Zeugnis gegeben hatte. So war sein Zeugnis gekennzeichnet von Wärme und Licht, doch er war eben nur eine Lampe – denn das meint das vom Herrn gebrauchte Wort – während Jesus das wahre Licht war, das leuchtete wie die Sonne in ihrer Kraft. Indessen bedarf die Sonne keiner Lampe, um von ihr zu zeugen, auch wenn sie brennt und scheint.
Die Werke, die der Vater dem Sohn zu vollbringen gab, waren gleich Lichtstrahlen, wie sie die Sonne aussendet. Sie gaben ein kräftigeres Zeugnis über Ihn als die Predigt des Johannes. Sie waren so offensichtlich göttlich, daß sie Ihn als den vom Vater Gesandten erwiesen. Und dann hatte an dritter Stelle der Vater selbst ein Zeugnis über Ihn gegeben, und das in bemerkenswerter Weise bei der Taufe durch Johannes; aber die Juden in ihrer ganz und gar fleischlichen Gesinnung hatten es nicht wahrgenommen. Sie wünschten sich ein Zeugnis, das ihr natürliches Vermögen zu sehen und zu hören ansprach; sie wußten nichts von jenem Wort des Vaters, das geistliche Erleuchtung bewirkt.
Und letztlich waren da die Heiligen Schriften. Sie zeugten wirklich von Ihm, und die Juden forschten darin. Sie meinten, in ihnen ewiges Leben zu haben, doch es ist Christus, der es spendet, und zu Ihm wollten sie nicht kommen. Wenn Menschen durch Erforschen der Schriften zu Christus geführt werden, dann haben sie in der Tat durch die Schriften ewiges Leben; andernfalls eignen sie sich bloß fachliches, theologisches Wissen an und bleiben geistlicherweise im Tode. Diese Worte des Herrn werfen ein helles Licht auf die wahre Aufgabe der Heiligen Schrift.
Auch im folgenden zeigt der Herr, wie gründlich Er Seine Widersacher kennt. Er war hier im Namen Seines Vaters, und deshalb bedeuteten Ihm Ehre und Herrlichkeit von seiten der Menschen nichts. Die Liebe Gottes hatten sie nicht in sich, eben darum waren sie auf Ehre erpicht, die einer vom anderen nehmen wollte, anstatt zu suchen, was von Gott kommt. In ihren Gedanken verherrlichten sie Menschen, was schon immer ein ernstes Hindernis für den Glauben war; sie konnten nicht glauben. Jesus kam im Namen Seines Vaters, was bedeutet, daß Er Ihn, Seinen Vater, zu verherrlichen suchte. Alles das war ihnen fremd, und so lehnten sie Ihn ab. Ein anderer würde in seinem eigenen Namen kommen und daher auf seinen eigenen Ruhm bedacht sein; genau das war auch nach ihrem Sinn, und so würden sie ihn aufnehmen. Mit diesen Worten sagte der Herr die Ankunft des Antichristen voraus, in dem die falsche Selbstverherrlichung des Menschen ihren Gipfelpunkt erreichen wird.
Diese Worte stellten auch die bösen Beweggründe bloß, die sich tief im Herzen Seiner Widersacher verbargen, doch nicht Er klagte sie an. Mose war es, der sie anklagte durch das Gesetz, das er ihnen gegeben hatte. Auf Mose waren sie stolz in dem Gefühl, daß von der Ehre dieses Mannes auch etwas Ehre auf sie fiele, aber in Wirklichkeit glaubten und gehorchten sie ihm nicht. Wenn sie das getan hätten, dann hätten sie auch Christus aufgenommen. Vers 39 findet Anwendung auf alle Schriften des Alten Testaments; sie „zeugen von mir“. Vers 46 deutet besonders hin auf die ersten biblischen Bücher, die Mose geschrieben hat, und „er hat von mir geschrieben“. Darin liegt mithin der Schlüssel, um das ganze Alte Testament aufzuschließen: sein Hauptthema ist CHRISTUS, der kommen sollte.
Es ist sehr auffallend, wie der Herr Seine Worte mit den Schriften Moses verbindet. Wenn Menschen das frühe Zeugnis des Dieners verwerfen, dann weisen sie auch den Sohn, wenn Er redet, zurück. Es ist in der Tat so. Auch die Menschen unserer Tage, die den Büchern Moses nicht trauen und sogar ihn als Verfasser leugnen, glauben auch den Worten des Herrn nicht. Es kann auch nicht anders sein, weil der Herr genau das bekräftigt, was die Juden nicht wahrhaben wollen. Auch wir müssen unsere Wahl treffen zwischen den rationalistischen Modernisten und Christus. Jene sind in die Spuren Seiner jüdischen Widersacher getreten: das ist alles. Die beiden Fragen „Wie könnt ihr glauben?“ und „Wie werdet ihr glauben?“ sind sehr wirkungsvoll. Da die Liebe Gottes in uns ist, da in unseren Augen die Herrlichkeit des Menschen schwindet, werden wir die Heiligen Schriften annehmen und ihnen glauben, und durch den Glauben werden sie uns zu Christus führen.