Das Evangelium nach Johannes
Kapitel 3
Dieses Kapitel beginnt mit einem „aber“. Nikodemus gehörte zu denen, die durch die Wunder beeindruckt waren, aber in seinem Fall kam noch mehr dazu. Die Zeichen, deren Zeuge er gewesen war, hatten ihn innerlich näher zu Gott geführt; Ihn suchte er. Nach orthodoxem Verständnis erforderte solche Suche nach Gott den Gang zum Tempel, und dem würde Nikodemus auch bei Tage nachgekommen sein. Nun wählt er einen unorthodoxen Weg und ersucht um eine Unterredung mit diesem „Lehrer, von Gott gekommen“, der aber keine allgemeine Anerkennung fand; deshalb kam er bei Nacht zu Ihm. Er selbst war ein Führer und Lehrer in Israel, und er nahm an, daß alles, was ihm noch fehlte, in einer weiterführenden Belehrung zu finden sei. Für diesen stolzen Pharisäer war es sicher keine geringe Sache, noch einmal die Stelle eines demütigen Schülers einzunehmen!
Der Herr begegnete ihm sofort mit jener bedeutsamen und nachdrücklichen Erklärung, daß eine neue Geburt unbedingt nötig ist. Ohne sie kann niemand das Reich Gottes sehen. Nikodemus mag die Wunder und Zeichen sehen, aber er sieht nicht das Reich Gottes. Er bedurfte einer neuen Geburt und nicht der Unterweisung; denn sogleich zeigte er sich völlig unfähig, die Worte des Herrn zu verstehen, und dadurch illustrierte er ihre Wahrheit. Er konnte nichts anderes in ihnen entdecken als eine geheimnisvolle Anspielung auf die natürliche Geburt. Das veranlaßte den Herrn zu einer zweiten wichtigen Erklärung, die die Frage einen Schritt weiter führte. Das Reich Gottes darf nicht nur gesehen werden, sondern man muß darin eingehen, und die Geburt dazu muß aus Wasser und Geist geschehen.
Ein bloß neues Betragen oder neue Grundsätze zum Handeln sind hier nicht gefragt, aber eine neue Geburt ist unbedingt erforderlich, und sie bedeutet einen völlig neuen Ursprung. Herkunft und Stammbaum des Nikodemus waren bestens, denn er entstammte dem wahren Geschlecht Abrahams. Mehr noch, er hatte jede nur denkbare Bildung in der jüdischen Religion erworben. Wenn er als gebildeter Sohn Abrahams eine neue Geburt brauchte, dann war es unleugbar, daß alles Fleisch, selbst das Fleisch Abrahams, vor Gott verdammt ist. Die Tatsache, daß die neue Geburt ganz allgemein notwendig ist, legt das Urteil der Verdammnis auf uns alle. Durch unsere erste Geburt haben wir unseren Ursprung in Adam und nehmen teil an seinem Leben und seiner Natur. Nur indem wir eine neue Geburt erleben, von der ein neues Leben und eine neue Natur ausgeht, können wir das Reich Gottes sehen und darin eingehen.
Die Worte des Herrn in Vers 5 beziehen sich klar auf die Prophezeiung in
Schon das Gesetz hatte häufiges Besprengen angeordnet, im allgemeinen mit Blut, manchmal aber auch mit Wasser, wie in
So finden wir hier bei den ersten Reden des Herrn, daß Er Seine Belehrungen mit den bekannten Aussprüchen Hesekiels verbindet, indem Er sie gleichzeitig verdeutlicht und erweitert. Mehr noch darüber wird uns in den Briefen mitgeteilt, und wir müssen uns erinnern, daß das, was wir in den Versen 12 und 13 von Kapitel 1 lesen, um Jahre später von dem Apostel Johannes geschrieben wurde, nachdem das volle Licht über den Gegenstand gegeben worden war. Dem Nikodemus legte Jesus dar, daß die neue Geburt von unumgänglicher Notwendigkeit ist, und zwar für jeden Menschen, der das Reich Gottes sehen oder darin eingehen wollte, daß dabei der Geist als die aktive Kraft und das Wasser des Wortes als die passive Kraft mitwirken. In dieser Lage befinden sich alle Menschen, und irgendeine andere Lösung des Problems, die weniger fundamental und drastisch wäre als eben eine neue Geburt, würde nicht ausreichen.
Der Herr stellte ferner fest, daß Fleisch immer Fleisch bleibt und daß derjenige, der aus dem Geist geboren ist, an dessen Natur teilhat. Vers 6 macht sehr deutlich, daß die beiden Naturen ganz und gar verschieden sind und niemals ineinander übergehen können. Hier ist der in
Über die neue Geburt hat man immer wieder nachgedacht und auch gestritten; vieles davon hätte man sich ersparen können, wenn man Vers 8 gebührend beachtet hätte. Das griechische Wort für „Wind“ und „Geist“ ist dasselbe. Gleich dem Wind ist der Geist unsichtbar, und er kann nur erfaßt werden, wenn das Wort, das Er gibt, gehört wird oder in den Ergebnissen Seiner Wirkung gefühlt wird. Er kann auch ebensowenig wie der Wind von uns kontrolliert werden. Was Er ausrichtet, übersteigt bei weitem all unser Denken. Dieselbe Erscheinung findet Anwendung auf alle, die aus Ihm geboren sind. Es muß daher hinsichtlich der neuen Geburt und der von neuem Geborenen Elemente geben, die uns unbegreiflich sind. Daraus folgt, daß unsere Überlegungen dazu allzu leicht nutzlos oder gar irrig sind.
In Vers 11 haben wir das Merkmal einer starken Betonung – „wahrlich, wahrlich“ – und das zum drittenmal in diesem Kapitel. Nikodemus sollte besonders zur Kenntnis nehmen, daß der Herr nicht nur als bloßer Prophet zu ihm sprach. Er verfügte über ein innerlich bewußtes Wissen von den Dingen, über die Er sprach. Er hatte wirklich gesehen, was Er bezeugte. Er war zu aller Zeit „im Schoß des Vaters“, wie wir früher schon zu verstehen gegeben haben. Nichtsdestoweniger konnte Sein Zeugen ohne das Wirken des Geistes Gottes nicht angenommen werden. Und worum ging es bei Seinem Zeugnis? Er hatte von den Dingen gesprochen, die Hesekiel mitgeteilt hatte und die nötig waren im Blick auf die irdischen Segnungen im Tausendjährigen Reich, indem Er die Weissagungen Hesekiels erweiterte, und schon hier war Nikodemus im Verstehen zögernd und zweifelnd. Er hatte auch noch über Dinge zu sprechen, die mit den Ratschlüssen Gottes für den Himmel zu tun hatten. Aber war darauf zu hoffen, daß diese himmlischen Dinge im Glauben aufgenommen wurden?
Die himmlischen Dinge sind ihrer ganzen Natur nach den Menschen völlig unzugänglich. Ihre Füße schreiten auf der Erde, und mit ihr sind sie vertraut; aber sie sind niemals zum Himmel gekommen. Doch hier war jemand, der völlig zuständig war, um himmlische Dinge zu offenbaren. Ein erstaunliches Paradox tritt hier vor uns. Er kam aus dem Himmel hernieder, und doch war Er im Himmel. Wenn wir indessen daran zurückdenken, wie das Evangelium begann, verschwindet dieser scheinbare Widerspruch. Das Wort ist hier, das Gott war und Fleisch wurde. In der Fleischwerdung kam Er sicherlich vom Himmel hernieder: doch Er hörte nie auf, Gott zu sein, der im Himmel ist. Aber Er sagte: „der Sohn des Menschen, der im Himmel ist“. Ja, und offensichtlich ist beabsichtigt, daß wir dadurch lernen, daß uns irgendeine Freiheit, Seine Person in unseren Gedanken zu zerlegen, nicht zusteht, wozu einige immer wieder neigen. Wir dürfen nicht sagen: in jener Stellung ist Er ganz und gar Gott, oder das tat Er ganz und gar als Mensch. Wir können natürlich unterscheiden, aber wir dürfen nicht trennen. Seine Persönlichkeit ist selbst in Seiner Menschheit nur eine, und als solche unteilbar. Deshalb ist Er als Sohn des Menschen der vollkommen zuständige Verkünder himmlischer Dinge. Wie groß ist der Unterschied im Vergleich zu all denen, die vor Ihm über die Erde geschritten waren.
Nachdem der Herr die himmlischen Dinge erwähnt hat, geht Er sogleich weiter und sagt das große Ereignis voraus, das stattfinden muß, bevor jene himmlischen Dinge für den Menschen bereitgestellt und geoffenbart werden konnten. Für dieses Ereignis war in der ehernen Schlange in der Wüste bereits ein Sinnbild gegeben worden – ihre Bedeutung ist die Erhöhung des Sohnes des Menschen auf das Kreuz. Dies ist das Werk, das für uns geschehen ist, außerhalb unserer selbst. Die neue Geburt ist dagegen ein Werk, das in uns geschieht. Hinsichtlich beider Werke gebraucht Jesus das Wort MUSS; denn beide sind notwendig, wenn wir in eine gesegnete Beziehung zu Gott kommen sollen. Der Opfertod des Sohnes des Menschen ist der einzig mögliche Weg zum ewigen Leben für den Menschen und nur gangbar für den, „der an ihn glaubt“, mit anderen Worten, er kann nur im Glauben beschritten werden.
Die Verse 16 und 17 beginnen beide mit „denn“ und sind deshalb mit den Versen 14 und 15 eng verknüpft. Wir entdecken, daß dieser Sohn des Menschen, der vom Himmel herniederkam und dennoch im Himmel ist, der an das Kreuz erhöht wurde, der eingeborene Sohn ist, den Gott gab. Wie auffallend paßt dies alles zu
Die Liebe Gottes ist in der Gabe des eingeborenen Sohnes geoffenbart worden; es ist eine Liebe, die nicht nur Israel umfaßt, sondern die ganze Welt. Es ist sehr auffallend, wie die engen Grenzen Israels durch die Entfaltung der Gnade gerade in diesem Evangelium übersprungen werden. In den Eingangsversen sahen wir, daß das Leben das Licht der Menschen war, nicht Israels allein; und ferner, daß das wahre Licht „jeden Menschen erleuchtet“. So auch hier: „Gott... liebte die Welt“, und die Gabe des Sohnes ist der Maßstab der Liebe. Ferner drücken die Worte „seinen eingeborenen Sohn“ den höchsten und einzigartigen Platz aus, den Er in der Liebe Gottes einnimmt. Das Vorbild Abrahams und Isaaks hilft uns hier.
Vers 17 gibt einen weiteren Gedanken. Die Welt geht schließlich auf dem Weg, den sie verfolgt, verloren, wie Vers 16 mitteilt. Jetzt finden wir, daß Gericht und Verdammnis vor ihr liegt. Verlorengehen bedeutet, sich in äußerster Entfremdung und Trennung von Gott zu befinden, das heißt in dem Zustand des ewigen Todes. Das Leben ist folglich ein dringendes Erfordernis für den Menschen, und die Gabe des eingeborenen Sohnes hat es dem an Ihn Glaubenden möglich gemacht, daß er nicht bloß Leben irgendwelcher Art erlangt, sondern „das ewige Leben“ von jener göttlichen und unübertrefflich wundervollen Qualität. So zeigt auch das Kommen des Sohnes in diese Welt durchaus nicht die Absicht, sie zu verdammen; das war schon durch das Gesetz Moses in wirkungsvoller Form geschehen. Er, der Sohn, kam zu retten. Die Gottesfürchtigen in Israel warteten darauf, daß „ein Horn des Heils“ im Haus Davids aufgerichtet würde, das sie von ihren Feinden retten würde (siehe
Doch obwohl der Sohn des Menschen nicht in der Absicht auf die Erde gekommen war, sie zu verdammen, bewirkte Seine Gegenwart dennoch ihr Gericht, insofern Er das Licht war, das alles offenbar macht und deshalb alle Menschen einer Erprobung unterwirft. Licht wirkt Erleuchtung und Offenbarung, und wenn es scheint, reagiert der Mensch darauf in einer von zwei möglichen Weisen, weil es ihn bloßstellt. Wenn er die Wahrheit tut, ist ihm das Licht willkommen, und er kommt zu ihm. Diese Verse (18–20) setzen voraus, daß derjenige, „der an ihn glaubt“, die Wahrheit tut; während derjenige, „der nicht glaubt“, auch das Böse tut. Der eine kommt zu dem Licht, und es gibt für ihn keine Verdammnis; der andere bleibt in der Finsternis, und das genügt, ihn zu verdammen. Er glaubt dem Licht nicht, das mit dem Kommen des Sohnes Gottes erschienen ist. Damit ist alles entschieden, es ist nicht mehr nötig, auf die Ankunft des eigentlichen Gerichtstages zu warten. Er ist schon verurteilt.
Die Verse 22 – 24 machen es ganz klar, daß die vorerwähnten Dinge geschahen, bevor Johannes ins Gefängnis geworfen war, was den Zeitpunkt für den Beginn des öffentlichen Dienstes des Herrn ergibt, entsprechend
In wahrer Demut und Treue nahm Johannes seinen Platz als wahrer Diener Gottes ein; als solcher hatte er nichts außer dem, was er vom Himmel empfangen hatte. Sie mußten ihm Zeugnis geben, daß er nie für sich beansprucht hatte, der Christus zu sein. Er hatte den Anspruch erhoben, der Vorläufer des Messias zu sein; auch war er der Freund des Bräutigams. Wenn er sich Freund nennt, gebraucht er diese bildliche Rede offensichtlich zum Zweck der Veranschaulichung. Die Wahrheit im Sinn von
Dann sprach Johannes Worte, die tief in das Herz eines jeden, der den Herrn Jesus liebt, eingegraben sein sollten: „Er muß wachsen, ich aber abnehmen.“ Zum drittenmal haben wir in diesem Kapitel ein „MUSS“. In Vers 7 ist es mit dem großen Bedürfnis des Menschen verbunden; in Vers 14 mit Gottes großer Liebe; hier mit der Ergebenheit eines von Herzen treuen Dieners. Wie die Sonne mußte Christus zu der Höhe höchster Herrlichkeit emporsteigen, während Johannes wie der Mond verblassen und verschwinden mußte. Er wußte es und frohlockte, da in diesem Augenblick Christus alles für ihn war. Er kannte Ihn als den, der vom Himmel kam und durchaus nicht von der Erde war. Weil es sich so verhielt, sprach Er in einer Weise, die kein anderer nachahmen konnte. Zu dem ganzen Bereich himmlischer Dinge stand Er in einer so innigen Beziehung, wie sie selbst dem größten der Propheten, Johannes, versagt war.
Die Worte des Johannes bewahrheiteten sich, bald sollte er zurücktreten und im Gefängnis verscheiden. Darin war er keine Ausnahme von der Regel. Es ist der Regelfall für alle Diener Gottes: in der einen oder anderen Weise treten und scheiden sie ab. So war es bei Mose im AT und bei Paulus im NT. Wenn sie auch große Diener waren, dürfen wir doch nicht zu viel an sie denken. Paulus hatte seine Zeit als eifriger Evangelist und Gründer von Versammlungen. Aber dann kam die Zeit seiner Gefangenschaft und des Verfalls in den Versammlungen, und er entschwindet unserem Gesichtskreis. Paulus nimmt ab, doch nur um den Glanz höchster Vortrefflichkeit des Christus zu erhöhen. So muß es wohl für uns alle sein, und doch sollten wir uns darüber freuen, wie Johannes es tat.
Die Eingangsworte von Vers 33 scheinen den Ausgangsworten von Vers 32 zu widersprechen, aber das Paradox ist nur sprachlicher Art und beruht auf einer der abstrakten Aussagen, wie sie sich so oft in den Schriften des Johannes finden. In seinem natürlichen Zustand ist der Mensch wie tot und unempfänglich gegenüber dem göttlichen Zeugnis. Diese Tatsache wird in abstrakter Weise am Ende von Vers 32 festgestellt. Andererseits wirkt dann aber doch Gott durch Seinen Geist in den Herzen einiger Menschen, und, praktisch gesehen, finden wir daher solche, die das Zeugnis annehmen und eben dadurch besiegeln, daß Gott wahrhaftig ist. Am Anfang stellte der Teufel das Zeugnis, das Gott Adam gegeben hatte, in Frage, und so wurde die Sünde eingeführt. Der Glaube bestätigt die Wahrheit des Zeugnisses, und so werden Heil und Leben hervorgebracht.
Ein Zeugnis Gottes hatte von der Zeit an bestanden, als Gott zu Adam über die Bäume des Gartens sprach, doch jetzt erreichte es seinen Höhepunkt in Ihm, den Gott gesandt hatte, der aus eigener Beobachtung die himmlischen Dinge, über die Er sprach, kannte, der sie in „den Worten Gottes“ verkündigte, indem Er den Geist ohne Maß und ohne Einschränkung besaß. Deshalb kam schließlich ein Zeugnis von unendlicher Reichweite und unvergleichlicher Fülle zustande. Gewiß, es überstieg bei weitem die Kräfte des natürlichen Menschen, doch ein Gläubiger in seiner Einfalt kann es annehmen und drückt dadurch gleichsam sein Siegel darauf, daß es Wahrheit Gottes ist.
Die Verse 35 und 36 scheinen ein gesonderter Abschnitt zu sein, in dem die Worte des Täufers von dem Evangelisten ergänzt werden, der im vollen Licht all dessen sprechen konnte, was durch das fleischgewordene Wort geoffenbart worden war. Indem der Sohn geoffenbart worden war, war auch der Vater kundgemacht worden, und damit zugleich die Beziehungen zwischen diesen beiden göttlichen Personen. Drei bedeutungsvolle Tatsachen, die sich auf den Sohn beziehen, begegnen uns hier. Er ist der Gegenstand der Liebe des Vaters. Als Gabe des Vaters sind alle Dinge in Seine Hand gegeben, daß Er darüber verfügen mag, wie Er es für gut befindet. Und Er ist der Gegenstand des Glaubens, und deshalb ein Prüfstein für jeden Menschen. An Ihn glauben bedeutet, in den Besitz des ewigen Lebens zu kommen. Die Unterwerfung durch den Glauben an Ihn zurückzuweisen, heißt, vom ewigen Leben ausgeschlossen zu sein und dem Zorn Gottes zu unterliegen.
So entdecken wir schon sehr früh in diesem Evangelium, daß der Sohn nicht nur alle Dinge erschaffen hat und als das Wort sie offenbart, sondern daß Er auch alle Dinge bewirkt, über alle Dinge verfügt, und daß Er schließlich als der Gegenstand der Liebe des Vaters unter den Menschen geoffenbart und zu einem Kriterium für alle gesetzt ist. Wir beachten, daß in Vers 36 das Leben erlangt und auch gesehen wird. Das zeigt, wie umfassend der Ausdruck „ewiges Leben“ ist, und ferner, daß der Gegensatz zum Sehen des Lebens darin besteht, unter dem Zorn Gottes zu bleiben. Die Dinge werden hier wieder abstrakt dargestellt, doch die Sprache ist derart, daß sie beide Theorien verneint, durch die der Mensch versucht, der ernsten Tatsache einer ewigen Bestrafung zu entrinnen. Die Worte „wird das Leben nicht sehen“ verneinen eine Allversöhnung, die besagt, daß alle in der einen oder anderen Weise es letztendlich sehen werden. Die Lehre von der Unsterblichkeit nur unter bestimmten Bedingungen, die die Vernichtung von unbußfertigen Ungläubigen beinhaltet, wird indessen durch die Tatsache verneint, daß der Zorn Gottes auf solchen „bleibt“ – deshalb kommt ihnen eine bleibende Existenz zu. An dieser Stelle lasst uns wieder an Kapitel 20,31 zurückzudenken. Das Evangelium ist geschrieben, damit wir unter denen sein mögen, die da glauben und das ewige Leben haben. Die schreckliche Alternative dazu wird uns hier sehr deutlich vor Augen geführt.